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Das Jugendprojekt "Blite" | Afrikanische Diaspora in Deutschland | bpb.de

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Das Jugendprojekt "Blite" Eine Quartalszeitschrift von Schwarzen Jugendlichen

Oliver George Seifert

/ 5 Minuten zu lesen

Ein Sprachorgan der Schwarzen Community in der deutschen Gesellschaft ist ein wichtiges Instrument, um dem Rassismus wirkungsvoll zu begegnen. Die Zeitung "Blite" möchte Jugendlichen politisch brisante Themen verdeutlichen, die Darstellung von Schwarzer Geschichte kritisch hinterfragen, aber auch Tipps für kulturelle Events liefern.

Ausgabe 1/2002 (© Blite)

"Am Anfang war das Wort"

Kommunikation ist ein notwendiges Mittel, um eine gesellschaftliche Struktur aufrecht zu halten. Soziale Beziehungen kommen ohne Kommunikation nicht aus. Je differenzierter die Art der Kommunikation ist, desto höher wird das intellektuelle Potenzial einer Gesellschaft eingeschätzt. Insofern nehmen Medien in der modernen Gesellschaft schon lange einen sehr hohen Stellenwert ein.

Durch den Cyberspace hat die Kommunikation einen Grad an Schnelligkeit erreicht, der in Minuten Informationen über weite Strecken an ein massenhaftes Publikum bringen kann. Gerade die Geschwindigkeit der Verbreitung von Informationen birgt aber auch die Gefahr, dass diese schnell überholt oder oberflächlich recherchiert sind.

Warum eine Zeitung von Schwarzen Menschen und warum von Schwarzen Jugendlichen?

Redaktionsteam der Zeitschrift "Blite". (© Oliver G. Seifert)

Schwarz-Sein ist in Deutschland nicht der "Norm" entsprechend, also für einen großen Teil der weißen Gesellschaft nicht "normal". Dies findet seinen Ausdruck in der Diskriminierung im alltäglichen Leben sowohl in subtiler, als auch in offener Form, in Diffamierung in der Werbeindustrie und im Reden und Handeln der politischen Elite des Landes.

Ein Sprachorgan der Schwarzen Community in der deutschen Gesellschaft ist ein wichtiges Instrument, um diesen gesellschaftlichen, historisch fest verwurzelten Irrungen entgegenzuwirken. Die Arbeit mit Jugendlichen ist dabei sehr entscheidend, weil diese die Sichtweisen und die Sprache ihrer Altersgenossen selbst verkörpern. Somit ist eine Möglichkeit gegeben, Einfluss auf die heranwachsende Gesellschaft zu nehmen und einen Teil zur humanistischen, politischen Grundbildung der Jugendlichen beizutragen.

"Blite" als Beitrag zum Antirassismus

Ausgabe 2/2002 (© Blite)

Mit der Initiierung des Projekts "Blite" im September 2001 habe ich absichtlich auf das Printmedium Zeitung gesetzt. Zwar scheint es im Gegensatz zu den "modernen" Kommunikationsmöglichkeiten und der allgemeinen Annahme zu stehen, dass Jugendliche vorwiegend im Internet unterwegs seien, um sich auszutauschen und damit dem auf Papier gedruckten Wort eine Absage erteilen, aber gerade hier sollte mein Ansatz sein. Die Zeitung bietet – meiner Überzeugung nach – ein gutes Medium, was die Nachhaltigkeit und die intensive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Artikels betrifft sowohl auf der Seite des Autors als auch auf der Seite der Rezipienten. Mein Anliegen war und ist es, die jungen Redakteure mit ihrer Schwarzen Deutschen Geschichte stärker vertraut zu machen und durch sie diese Geschichte zu den jugendlichen Lesern zu bringen.

Deutschland schaut auf eine mehr als 400 Jahre alte Verbindung mit dem Kontinent Afrika zurück, auch oder gerade wenn diese Beziehungen oft extrem gewalttätig waren, ist diese Geschichte nicht zu leugnen. Auf der Spurensuche begegnen die Jugendlichen Zeugnissen aus der Historie und der Gegenwart, die nicht unbedingt aus den Schulgeschichtsbüchern zu erfahren sind. Mit der Weitergabe der Recherchen über Schwarze Kultur in Deutschland, die inzwischen eng mit der alltäglichen Kultur verbunden ist, leistet das Projekt "Blite" einen Beitrag zum Antirassismus. "Blite" ist das einzige Printmedium, das Jugendlichen mit afrikanischem Background in Deutschland die Möglichkeit gibt, ihre Erfahrungen und Meinungen einem breiten Publikum mitzuteilen.

Ausgabe 3/2002 (© Blite)

Redaktionsarbeit

Angeleitet von erfahrenen erwachsenen Projektleitern, beschäftigen sich die jugendlichen Redakteure sowohl mit alltäglichen Zuständen der Gesellschaft als auch mit politisch brisanten Themen. Über ihre Begegnungen in der Gesellschaft mit Rassismus, Freude und Traurigkeit äußern sie ihre Meinung – für ein gesamtgesellschaftliches jugendliches Publikum. Sie schaffen ein Forum für die Veröffentlichung von Texten zu Themen, die in der Öffentlichkeit wenig thematisiert werden.

Die Jugendlichen setzen sich mit der Schwarzen Geschichte in Deutschland und Europa auseinander, mit der deutschen Kultur und mit den Spezifika anderer Kulturen sowie mit der Globalisierung der modernen Kultur. Die Rubriken der Zeitung geben den Rahmen für eine "neue Sicht auf die Dinge", die entsteht, wenn Jugendliche die Überwindung ihrer Ausgrenzung selbst in die Hand nehmen.

Zu den Rubriken gehören u.a. Politik und Geschichte

  • Über die Begegnung mit Menschen und Orten in Alltag und Politik; über die Zustände und das Leben in Flüchtlingsheimen; über den Stand der Gesetze zu Rassismus und Diskriminierung – hier kann den Politikern auf den Zahn gefühlt werden, wie sie Wahlkampf und Realität in Verbindung bringen.

  • Die unerschöpfliche Schwarze Geschichte in Deutschland und Europa, die weit über vierhundert Jahre hinaus reicht.

  • Kulturelle und historische Hintergründe von Menschen aus nichtdeutschen Kulturkreisen.

  • Sowie Fun und Events:

    • Wo ist wann und mit wem was los?

    • Welcher Film läuft wo? / Filmkritiken

    • Welche Mode ist gerade angesagt?

    • Eingesandte literarische Texte von Jugendlichen

Ein typisches Phänomen von Jugendlichen ist es, Bedürfnisse, Träume, Wünsche und Ängste durch prosaische oder lyrische Texte mitzuteilen, freier und inniger, als sie es dann im Erwachsenenalter tun werden. Hier sollen sie ein Forum erhalten, um sich "freizuschreiben".
Die Einsendungen werden von der Redaktion vorher sorgfältig besprochen und ausgewählt.

News aus dem Literaturbetrieb:

  • Welches Buch lohnt sich – nach Meinung des Rezensenten – zu lesen?

  • Welche Publikationen informieren über Schwarze Themen?

  • Infos von den Buchmessen

  • Autoreninterviews, Berichte von Veranstaltungen, Reportagen über Büchereien, Literaturvereine, Schreibwerkstätten.

Die Themen von "Blite"

Die Themen der bisherigen Ausgabe wurden von den Jugendlichen selbst gewählt und auf ihre Machbarkeit geprüft. In der nachfolgenden Auswahl wird deutlich, mit welchen ernsten Themen die Jugendlichen sich beschäftigt haben. In den vergangenen Ausgaben sind folgende Artikel erschienen:

  • Detlev Soost mit dem Artikel: "Der Traumtänzer – Mein Beruf ist mein Hobby"

  • May Ayim mit dem Artikel: "grenzenlos und unverschämt – ein Gedicht gegen die deutsche Sch-einheit"

  • Stephen Lawson mit dem Artikel: "Die Möglichkeit Menschen zu berühren!"

Im Thema Gesellschaft, Politik hatten wir Artikel wie zum Beispiel:

  • "I´m Black and I'm proud" – Die erste deutsche Misswahl für Schwarze Frauen

  • "Für das Gut zum Schein – Gutschein" – Die Grundleistungen des Asylbewerber-"leistungs"-gesetzes

  • "Die Gegenwart der Vergangenheit" – Koloniale Spuren in Berlin

Ausgabe 4/2002 (© Blite)

Über das Artikulieren hinaus werden die Jugendlichen mit dem Medium Zeitung bekannt gemacht. Innerhalb der Redaktion gibt es verschiedene Tätigkeitsgebiete, welche die Jugendlichen übernehmen müssen. Sie lernen Recherchen vorzubereiten und durchzuführen, Interviews zu führen und auszuwerten, den Umgang mit Computern und mit den damit zusammenhängenden technischen Erfordernissen wie Satz, grafische Bearbeitung und Druckvorstufe. Sie lernen journalistische Texte zu schreiben, diese zu redigieren, zu diskutieren. Zu allen Themen finden neben der redaktionellen Arbeit Wochenendworkshops statt, in denen die Jugendlichen tiefer in die Materie der journalistischen Arbeit geführt werden.

Die Verteilung der Zeitschrift wurde bisher über Bibliotheken und Schulen organisiert. Durch die Finanzierung aus dem öffentlichen Haushalt war es möglich, die Zeitung kostenlos abzugeben und an Orten auszulegen, an denen sich Jugendliche bevorzugt aufhalten.
Die Reaktion der jugendlichen Rezipienten war sehr positiv. Die Projektidee der Zeitungsform hat sich als positiv herausgestellt – was die Annahme bestätigte, dass Jugendliche sehr wohl Interesse an Printmedien haben und auch bereit sind, längere Texte zu lesen. Nicht nur in der regionalen Presse gab es Resonanz auf die Einmaligkeit des Projekts "Blite". Vorgestellt wurde die Arbeit der Jugendlichen im "African Courier" und in "JUMA", der Zeitschrift für junge Deutschlerner im Ausland, erstellt mit Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland.

Neben der gedruckten Zeitung haben wir uns dazu entschlossen, alle Artikel auch im Internet zu veröffentlichen. Zum einen, um Recherchen in älteren Ausgaben zu ermöglichen und zum anderen wegen Anfragen außerhalb unseres Verteilerbereiches. Uns war es leider unmöglich, Orte außerhalb von Berlin und Brandenburg mit der Zeitung zu beliefern. Darüber hinaus war es mir auch wichtig, über das Internet die Möglichkeit zu nutzen, das Projekt und die Zeitung "Blite" stärker bekannt zu machen.

Fussnoten

Oliver George Seifert organisierte 1988 in seiner Wohnung das erste größere Treffen von Afro-Deutschen in Ost-Berlin. Seit 1999 ist er Mitarbeiter beim "Aktionstag gegen Rassismus, Neofaschismus und Krieg". Er engagierte sich für das Jugendprojekt "Blite" und ist Beiratsmitglied der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus" (MBR).