Von der "Gastarbeiter"-Anwerbung zum Zuwanderungsgesetz
Migrationsgeschehen und Zuwanderungspolitik in der Bundesrepublik
Die Migrationspolitik in der Bundesrepublik durchlief seit der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ab 1955 verschiedene Phasen, in denen mal die Rückführung, dann die Regelung der Asylmigration oder Ansätze der Integrationsförderung im Mittelpunkt standen. Allmählich manifestierte sich damit der Wandel von Aus- zum Einwanderungsland - wenngleich dies lange nicht politisch anerkannt wurde.Einleitung
Der Wandel in Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland manifestierte sich in der jungen Bundesrepublik nach der Integration von ca. 13 Millionen Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges zunächst mit den Verträgen zur Anwerbung ausländischer Arbeitsmigranten in den 1950er- und 60er-Jahren.Darauf folgten verschiedene Phasen der Ausländerpolitik, die in der Fachliteratur unterschiedlich datiert und begründet werden. Rückblickend begünstigte die Migrationspolitik zwischen 1955 und 2004 den Wandel vom Aus- zum Einwanderungsland - zunächst im statistischen, zunehmend auch im gesellschaftlichen und mit dem neuen Zuwanderungsgesetz zumindest für Hochqualifizierte erstmals auch im rechtlichen Sinn. Die folgende Einteilung von Phasen der Ausländerpolitik orientiert sich an den Darstellungen in der einschlägigen Fachliteratur.
Die Zuwanderung nach Deutschland wandelte sich seit den 1950er-Jahren mehrfach grundlegend, woraus sich die verschiedenen Formen von Zuwanderung bildeten, die heute üblicherweise unterschieden werden. Zunächst zogen angeworbene ausländische Arbeitskräfte aus dem Mittelmeerraum zu. Nach dem Anwerbestopp 1973 folgten ihre Familienangehörigen und später vermehrt Flüchtlinge.
Insgesamt liegt die Zahl von Ausländern in der Bundesrepublik heute bei 7,3 Millionen. Dazu kommen etwa vier Millionen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie eingebürgerte Zuwanderer, die als Deutsche nicht mehr in die Ausländerstatistik eingehen.
1955-1973 Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte
Die Ausländerpolitik der Bundesrepublik war in den 1950er- und 1960er-Jahren durch die gezielte Anwerbung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Mittelmeerraum gekennzeichnet. Sie wurden als "Gastarbeiter" bezeichnet, weil ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein sollte.Anwerbeverträge für Arbeitskräfte wurden zunächst mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960) und später auch mit der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968) geschlossen.
Die Anwerbepolitik war (wie bereits die während des Kaiserreichs) auf eine befristete Zuwanderung ausgerichtet, die den Arbeitskräftemangel bestimmter Industriezweige der bundesdeutschen Nachkriegsökonomie ausgleichen sollte. Die überwiegend männlichen, jungen Angeworbenen lebten damals ohne Familienangehörige in Baracken oder Sammelunterkünften. Sie arbeiteten meist in der Industrie auf Stellen, die wegen des relativen Überhanges an Arbeitsplätzen und des steigenden Anspruchsniveaus einheimischer Arbeitnehmer immer seltener mit diesen besetzt werden konnten.
Die "Gastarbeiter" übernahmen während des Wirtschaftswunders, aber auch in Zeiten der Rezessionen wichtige Ersatz-, Erweiterungs- und Pufferfunktionen. Denn zumindest theoretisch galt das "Rotationsprinzip": Einem temporären Arbeitsaufenthalt sollte die Rückkehr in das jeweilige Herkunftsland folgen. Die Ausländerbeschäftigung war in dieser Phase an den Bedürfnissen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ausgerichtet. Ohne den Einsatz der "Gastarbeiter" – so ein allgemeines Resümee – wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht in so kurzer Zeit erreicht worden.
Wachsender Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung
Der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung in Deutschland wuchs im Zuge der Anwerbepolitik von 1,2 Prozent im Jahr 1960 auf über 4,9 Prozent 1970. Zum Zeitpunkt des Anwerbestopps 1973 waren ca. 2,6 Millionen ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik beschäftigt. Weil das "Rotationsprinzip" nicht funktionierte und die Aufenthaltszeiten der angeworbenen ausländischen Beschäftigten sich zusehends verlängerten, setzte nach einigen Jahren der Nachzug von Familienangehörigen ein. Damit zeichneten sich erste Niederlassungstendenzen ab, ohne dass die sozialen Folgen dieser Zuwanderung politisch thematisiert wurden.
In Folge der wirtschaftlichen Rezession ging allein zwischen 1966 und 1969 die Ausländerbeschäftigung um rund ein Drittel auf 0,9 Millionen zurück. Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg sank die Zahl im Zuge des Ölpreisschocks von 1973 und der darauf folgenden Weltwirtschaftskrise erneut. 1973 wurde von der damaligen Bundesregierung der so genannte Anwerbestopp erlassen, um die staatlich organisierte Arbeitsmigration zu beenden und den Ausländerzuzug zu stoppen.