Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien
Die Bildungssituation von Migrantenkindern hat sich zwar verbessert, z.B. weil ein wachsender Teil Gymnasien besucht. Ihre Benachteiligung zeigt sich aber in vielen Indikatoren für den Schulerfolg ebenso wie in den Schülerleistungsvergleichsstudien PISA und IGLU.Die Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Schon vor dem Erscheinen der PISA-Studien (Programme for International Student Assessment) hat die interkulturelle Bildungsforschung auf die mangelnde Integrationsfähigkeit des deutschen Bildungswesens hingewiesen. Hervorgehoben wurden die Schieflagen im Bildungssystem zuungunsten der Heranwachsenden mit Migrationshintergrund. Doch seit den PISA-Studien ist endlich auch im öffentlichen Bewusstsein angekommen, dass die Förderung und schulische Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu den wichtigsten bildungspolitischen Herausforderungen zählt. Denn selbst nach über 40 Jahren Zuwanderung ist das Bildungssystem durch die wachsende sprachliche und kulturelle Heterogenität in den Schulen offensichtlich überfordert. Nach wie vor besteht wie in kaum einem anderen Land der OECD ein so starker Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb wie in Deutschland.Bei der Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund muss zwischen ihrer formalen Bildung und ihren Kompetenzdefiziten mangels ausreichender Förderung unterschieden werden. Während der erste Aspekt sich überwiegend auf die mangelnde Chancengleichheit bezieht, verweist der zweite auf die Chancengerechtigkeit. Letztere drückt sich in Fördermaßnahmen aus, die ungleiche Startbedingungen idealerweise vor dem Schuleintritt auffangen und schulbegleitend zum Abbau von Sprachdefiziten beitragen. Hierzu zählen beispielsweise systematische und gezielte Hilfestellungen beim Erlernen der Unterrichtssprache und bei der Alphabetisierung in der Familiensprache.


(vgl. Abb. 1)
Kinder und Jugendliche ohne deutschen Pass sind - bei einem Anteil von 9,5 Prozent an der gesamten Schülerpopulation, sofern die Staatsbürgerschaft als Unterscheidungsmerkmal zugrunde gelegt wird - an Gymnasien und Realschulen deutlich unterrepräsentiert: mit jeweils 3,9 bzw. 6,8 Prozent. An Haupt- und Sonderschulen hingegen sind sie mit jeweils 18,2 bzw. 15,8 Prozent überproportional vertreten. Diese Zahlen stagnieren seit Mitte der 90er-Jahre. Allerdings muss mit Blick auf den Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss eher von einem rückläufigen Trend gesprochen werden: Bundesweit verlassen ein Fünftel der Migrationsjugendlichen die Hauptschule ohne Abschluss. Im Gegensatz dazu sind es bei deutschen Jugendlichen nur 8 Prozent.
Länderdifferenzen in der Bildungsbeteiligung
Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund unterscheidet sich nach Bundesland, Region, Nationalität bzw. Ethnie, Geschlecht und sozialer Herkunft. Beispielsweise besuchen in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein etwa 60 Prozent aller Jugendlichen, deren beide Eltern zugewandert sind, Hauptschulen. Dagegen sinkt diese Quote in Ländern mit einer entwickelten Gesamtschulstruktur (wie NRW, Hessen, Saarland, Bremen) auf 30 bis 40 Prozent. Hinzu kommen deutliche Un-terschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich des Anteils ausländischer Schülerinnen und Schüler, der von 0,9 Prozent in Thüringen bis zu 19,8 Prozent in Hamburg variiert.Bei einem Vergleich von Bundesländern und Nationalitäten der Migrationsjugendlichen auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes kommen Hunger und Thränhardt zu dem Schluss, dass die Chancen auf einen hohen Bildungserfolg für Jungen italienischer Herkunft im Bundesland Bayern am geringsten sind. Insgesamt erreichen die ausländischen Jugendlichen in Bayern - und dort insbesondere in ländlichen Gebieten - deutlich seltener höhere Bildungsabschlüsse als deutsche dort lebende Gleichaltrige, und dies auch deutlich seltener als nichtdeutsche Jugendliche in anderen Bundesländern. Die Autoren schlussfolgern aufgrund ihrer Datenanalyse, dass die unterschiedliche Bildungspolitik in den Bundesländern den Schulerfolg und damit auch den Integrationserfolg von Migrationsjugendlichen bestimmt.
Insgesamt sind die Bildungsabschlüsse der weiblichen Migrationsjugendlichen im Vergleich zu denen der Jungen deutlich qualifizierter - der geschlechtsspezifische Unterschied, der auch bei "deutschen" Jugendlichen aufzufinden ist, setzt sich hier fort: Sie besuchen häufiger Realschulen und Gymnasien.