Demografische Entwicklung
Die Bevölkerung in den Industriestaaten altert und schrumpft. In vielen der so genannten Entwicklungsländern gibt es dagegen weiterhin einen deutlichen Geburtenüberschuss. Aus diesen grundlegenden Trends wird sich auch die Zukunft der Wanderungsbewegungen speisen.Die meisten Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts noch einmal um die Hälfte zunehmen wird, auf über neun Milliarden Menschen. Erst danach wird sich das Wachstum allmählich abschwächen.
Problematisch ist aber nicht nur die absolute Zunahme der Weltbevölkerung, sondern auch die regionale Ungleichheit der Entwicklung: 95 Prozent des Wachstums wird in den weniger entwickelten Ländern stattfinden, und diese Staaten werden auch die stärkste Urbanisierung verzeichnen, die wiederum zu einem erheblichen Teil von Land-Stadt-Wanderungen getrieben wird.
Zwei grundlegende Trends bestimmen die globale Bevölkerungsentwicklung: Einerseits weisen fast alle Industriestaaten sehr niedrige Geburtenzahlen auf. Angesichts des zunehmenden Lebensalters ergibt sich hieraus eine zum Teil dramatische Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu müssen viele Entwicklungsländer mit tendenziell abnehmenden, aber immer noch hohen Geburtenzahlen zurecht kommen. Die "demografische Teilung" der Welt in Gebiete mit hohem und solche mit niedrigem Bevölkerungswachstum wird sich in den nächsten Jahrzehnten verfestigen.
Es ist zu erwarten, dass diese unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung zu neuen Konflikten führen wird, und zwar sowohl in den Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum als auch zwischen den Gebieten mit und ohne Wachstum. So werden viele Staaten mit großem Wachstum – bei denen es sich in der Regel um die ärmeren Länder handelt – zunehmende Schwierigkeiten haben, ihre Bevölkerung zu versorgen, materielle und verwaltungstechnische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und genügend Arbeitsplätze zu schaffen. In diesen Staaten drohen Ressourcen- und Verteilungskonflikte, und im Falle einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen und politischen Lage sind auch größere innerstaatliche und grenzüberschreitende Wanderungen nicht ausgeschlossen.
Aber auch die potenziellen Spannungen zwischen Weltgebieten mit und ohne Bevölkerungswachstum werden zunehmen: Viele Staaten in weniger entwickelten Weltregionen werden eine zunehmend junge, wirtschaftlich aber oft perspektivlose Bevölkerung aufweisen, die meisten Industriestaaten hingegen eine zunächst alternde, dann schrumpfende Bevölkerung. Die ärmeren Staaten sind bereits heute auf (legale) Auswanderungsmöglichkeiten angewiesen, um ihre Arbeitsmärkte zu entlasten und den wachsenden innenpolitischen Druck zu reduzieren, und sie sind inzwischen zum Teil wirtschaftlich von den Rücküberweisungen ihrer Migranten abhängig. Sie stoßen aber zunehmend auf eine restriktive Zuwanderungspolitik der Industriestaaten. Die reicheren Staaten ihrerseits haben einen beträchtlichen demographischen und wirtschaftlichen Zuwanderungsbedarf, den sie auf unterschiedliche Weise decken. Sie haben aber jetzt schon Schwierigkeiten, mit den sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der bisherigen Zuwanderung, beispielsweise mit ungelösten Integrationsproblemen, umzugehen. Auf die wahrscheinlich sehr viel umfangreicheren künftigen Zuwanderungen sind sie weder politisch, institutionell noch mental ausreichend vorbereitet.