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Migrationspolitik – März 2018 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – März 2018

Viktoria Latz

/ 6 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Roland (l) und Yousef, Teilnehmer der Berliner Ferienschule, unterhalten sich am 2.11.2017 mit der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). (© picture-alliance/dpa, Zentralbild)

Zuwanderung nach Deutschland sinkt

Die Nettozuwanderung nach Interner Link: Deutschland ist 2016 gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. Das Externer Link: teilte das Statistische Bundesamt mit. Demnach sind im Jahr 2016 rund 500.000 Personen mehr nach Deutschland zugezogen als im selben Zeitraum aus Deutschland fortgezogen sind. 2015 waren es noch 1,14 Millionen Personen. Ein Grund für die verminderte Nettozuwanderung liegt im deutlichen Rückgang der Asylsuchendenzahlen. So verringerte sich vor allem der Wanderungsüberschuss bei Personen aus Interner Link: Syrien (von 298.000 im Jahr 2015 auf 146.000 im Jahr 2016), Interner Link: Afghanistan (von 80.000 auf 56.000) und Interner Link: Irak (von 60.000 auf 48.000), den Hauptherkunftsländern von Asylbewerberinnen und -bewerbern. Ein geringerer Wanderungsüberschuss wurde aber auch für die Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach Deutschland verzeichnet, so zum Beispiel aus Interner Link: Polen (von 63.000 auf 27.000) und Interner Link: Rumänien (von 92.000 auf 60.000). Beide Länder zählen zu den bedeutendsten Herkunftsländern von Zuwanderern aus der EU. Die Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes basiert auf der Zahl der Personen, die sich bei den örtlichen Meldebehörden an- bzw. abmelden. Wegen methodischer und technischer Änderungen konnten die Wanderungszahlen für das Jahr 2016 erst jetzt veröffentlicht werden. Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.

Asylzuwanderung in die Bundesrepublik weiter rückläufig

Im Februar 2018 nahm das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Externer Link: 12.490 Asylanträge entgegen, rund 2.500 weniger als im Vormonat. 11.007 neuzugewanderte Asylsuchende wurden in der Asylgesuch-Statistik registriert, rund 1.200 weniger als noch im Januar. Insgesamt entschied das BAMF im Februar über 21.301 Asylanträge. Die Gesamtschutzquote lag bei 32,1 Prozent. Zwar konnte das BAMF die Zahl der anhängigen Verfahren von 57.693 Ende Januar 2018 auf 55.279 Ende Februar verringern. Allerdings steigt die Zahl der Klagen gegen die Asylbescheide der Bundesbehörde. Damit verschiebt sich das Problem nicht abschließend geklärter Asylverfahren auf die gerichtliche Instanz.

Fast jede zweite Klage gegen negativen Asylbescheid siegt vor Gericht

Immer mehr Asylbewerber, die gegen ihren negativen Asylbescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) klagen, siegen vor Gericht. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bunderegierung auf eine Externer Link: kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke. In rund 40 Prozent der Fälle, in denen ein deutsches Gericht inhaltlich über eine Klage entschieden hat (ohne "sonstige Verfahrenserledigungen" wie z.B. Rücknahmen der Klagen), wurde im Jahr 2017 die Asylentscheidung des BAMF zugunsten der Geflüchteten korrigiert. Bei Geflüchteten aus zwei der wichtigsten Herkunftsländer, Syrien und Afghanistan, betrug die gleiche Erfolgsquote sogar mehr als 60 Prozent. Insgesamt wurden im Laufe des Jahres 2017 etwa 328.000 Klagen bei Verwaltungsgerichten eingereicht, nahezu doppelt so viele wie im Vorjahr. Fast jeder abgelehnte Asylbescheid wurde vor Gericht angefochten (91 Prozent). Die Zahl der anhängigen Verfahren im Bereich Asyl bei Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten wächst. Ende 2017 belief sie sich auf mehr als 372.000. Die Verwaltungsgerichte Interner Link: beklagen seit längerem eine enorme Überlastung.

Anerkennungsquote für türkische Asylbewerber deutlich gestiegen

Immer mehr türkische Staatsbürger erhalten in Deutschland Asyl. Laut einer Externer Link: Parlamentsanfrage lag die Anerkennungsquote im Januar 2018 bei 38,2 Prozent, während sie ein Jahr zuvor noch 6,4 Prozent betrug. Insgesamt wurde im Januar über 1.074 Asylanträge aus der Interner Link: Türkei entschieden, wovon 410 positiv beschieden wurden. Die Gründe für Asylgesuche aus der Türkei sind vielfältig. Seit dem Interner Link: Putschversuch im Juli 2016, der die Externer Link: Inhaftierung von 160.000 Menschen und die Suspendierung oder Entlassung von mehr als 150.000 Staatsbediensteten zur Folge hatte, hat sich die Menschenrechtssituation in der Türkei nach UN-Angaben deutlich verschlechtert. Vor allem türkische Oppositionelle, Kurden und Journalisten, aber auch Spitzenbeamte und Diplomaten sehen sich einem hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt. Der kürzlich erschienene Externer Link: UN-Bericht prangert Maßnahmen der türkischen Regierung wie die Einschränkung des Rechts auf Arbeit, Versammlung und Meinungsäußerung sowie willkürliche Verhaftungen, Misshandlung und Folter an. Der Bericht fordert ein Ende des Ausnahmezustands in der Türkei, da die damit verbundenen Notstandsgesetze nur dafür genutzt würden, gegen Regierungskritiker vorzugehen.

EU: Zahl der Asylanträge halbiert

Die Zahl der Asyl-Erstanträge in der Europäischen Union ist stark zurückgegangen. Stellten im Jahr 2016 noch rund 1,2 Millionen Menschen einen Asylantrag in den 28 EU-Mitgliedstaaten, so verringerte sich diese Zahl Externer Link: 2017 auf 650.000. Deutschland ist dabei weiterhin das EU-Land, in dem die meisten Asylanträge eingehen – 2017 waren es 198.255 Anträge. Auf Platz zwei lag Interner Link: Italien mit 126.550 Anträgen, gefolgt von Interner Link: Frankreich (91.070) und Griechenland (57.020). Die wenigsten Anträge wurden in der Slowakei (150), in Estland (180) und in Lettland (355) gestellt. Auch bei den Asylentscheidungen ist Deutschland in der EU Spitzenreiter. Demnach wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 524.185 Entscheidungen getroffen und damit mehr als in allen anderen EU-Staaten zusammen Externer Link: (knapp 450.000).

Wahlverhalten von Russlanddeutschen und Deutschtürken

Eine Externer Link: Studie der Universitäten Duisburg-Essen und Köln hat erstmals das Wahlverhalten von Interner Link: Deutschen postsowjetischer Herkunft ("Russlanddeutsche") und Deutschen türkischer Herkunft ("Deutschtürken") untersucht. Demnach haben bei der Interner Link: Bundestagswahl 2017 35 Prozent der Deutschtürken die Interner Link: SPD gewählt, während es bei den Russlanddeutschen nur 12 Prozent waren. Auch die Partei Interner Link: Bündnis 90/Die Grünen wählten mehr Deutschtürken (16 Prozent) als Russlanddeutsche (8 Prozent). Zwar hat die Partei Interner Link: Die Linke mehr Befürworter auf der Seite der Russlanddeutschen (21 Prozent) als auf der Seite der Deutschtürken (13 Prozent), allerdings wählte insgesamt fast die Hälfte der Deutschtürken eher linke Parteien (SPD und Die Linke). Umgekehrt ist das Verhältnis bei Parteien, die dem konservativen Spektrum zugeordnet werden: Während sich 27 Prozent der Russlanddeutschen bei der Bundestagswahl für die Interner Link: CDU/Interner Link: CSU entschieden, waren es bei den Deutschtürken nur 20 Prozent. 12 Prozent der Russlanddeutschen gegenüber 4 Prozent der Deutschtürken wählten die Interner Link: FDP. Bei der Interner Link: AfD ist der Unterschied besonders groß: fast ein Viertel (15 Prozent) der Russlanddeutschen entschied sich für diese Partei, wohingegen die Partei bei Deutschtürken keine nennenswerte Zustimmung fand. Neben den Parteipräferenzen wurde in der Studie unter anderem auch die Wahlbeteiligung der beiden Gruppen untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass Deutsche mit Migrationshintergrund seltener zur Wahl gehen als deutsche Staatsangehörige ohne Migrationshintergrund. Nur 64 Prozent der Deutschen türkischer Herkunft machten bei der Bundestagswahl 2017 von ihrem Wahlrecht Gebrauch, bei den Russlanddeutschen waren es sogar nur 58 Prozent. Insgesamt betrug die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2017 76 Prozent.

Studie zur Situation von Geflüchteten an segregierten Schulen

In deutschen Städten Interner Link: lernen viele Geflüchtete an sogenannten segregierten Schulen, an denen über die Hälfte der Schülerschaft einen Migrationshintergrund hat und sozial benachteiligt ist. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat ihre Situation stichprobenartig in einer Externer Link: Studie untersucht. Das Ergebnis: Geflüchtete Kinder und Jugendliche an segregierten Schulen zeigen nicht zwangsläufig schlechtere Leistungen als an anderen Schulen, aufgrund der Mehrfachbelastung des Lehrpersonals können sie aber in vielen Schulfächern nicht ausreichend unterstützt werden. Zwar böten separierende Beschulungsformen wie sogenannte Interner Link: Sprachlernklassen durchaus gute Lernmöglichkeiten, das eher niedrige Lernniveau könne aber den Lernerfolg einzelner Schüler mittel- bis langfristig beeinträchtigen. Laut der Studie sind die Schulen trotz langjähriger Erfahrung mit sprachlicher und kultureller Vielfalt nicht hinreichend auf die diverse Schülerschaft eingestellt und müssten sich daher konsequenter der Situation anpassen. Die Studie empfiehlt, die Lehrerfortbildung entsprechend des Qualifizierungsbedarfs anzupassen, eine bedarfsorientierte Schulfinanzierung inklusive zusätzlicher Personalstellen zu schaffen sowie eine weitere Segregation der Schülerschaft, zum Beispiel nach Alter oder verfügbaren Plätzen, zu vermeiden. Bei der Verteilung der Geflüchteten auf die unterschiedlichen Schulen sollten die soziale, sprachliche und kulturelle Zusammensetzung der Lerngruppen vor Ort stärker berücksichtigt werden.

Zwei Jahre EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen

Zwei Jahre nach Abschluss des Interner Link: Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei ist die Bilanz durchwachsen: Zwar ging die Zahl der in der Externer Link: EU ankommenden Geflüchteten und der Externer Link: in der Ägäis ertrunkenen Menschen zurück und auch die Externer Link: Situation der syrischen Geflüchteten in der Türkei hat sich verbessert. Die Situation von Geflüchteten in Interner Link: Griechenland bleibt allerdings schlecht. In den Registrierungszentren auf den griechischen Inseln, den sogenannten "Hotspots", herrschen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen zum Teil Externer Link: unzumutbare Zustände, die unter anderem auf die langen Bearbeitungszeiten der Asylanträge zurückzuführen sind. Unter anderem Externer Link: Amnesty International berichtet von unhygienischen Bedingungen, Suiziden und psychischen und physischen Erkrankungen der in den überfüllten Aufnahmelagern lebenden Menschen und von daraus resultierenden Protesten.

Zwar waren im Interner Link: März 2017 auf Externer Link: Empfehlung der EU-Kommission Dublin-Überstellungen nach Griechenland wieder aufgenommen worden, nachdem sie wegen Mängeln im griechischen Asylsystem mehrere Jahre ausgesetzt worden waren. Allerdings lehnt Griechenland viele der Überstellungsersuche ab. 2017 belief sich die Ablehnungsquote für Dublin-Überstellungen aus Deutschland Externer Link: laut Bundesregierung auf 95,5 Prozent. Das Land steht zudem im Verdacht, mehr Geflüchtete als vereinbart auf das griechische Festland zu bringen, von wo einige dann in Richtung Mitteleuropa weiterziehen. Ebenso wurden weniger Geflüchtete in die Türkei zurückgeschoben, als auf den griechischen Inseln ankamen. Externer Link: Lediglich 1.896 Personen sind in den letzten zwei Jahren entweder im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens oder unter einem bilateralen Protokoll zwischen der Türkei und Griechenland dorthin zurückgekehrt.

Viktoria Latz ist wissenschaftliche Hilfskraft in der Redaktion von focus Migration am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. E-Mail Link: vlatz@uni-osnabrueck.de