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Rechtliche Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Engagements von Geflüchteten

Maren-Kathrin Diekmann Caroline Mindach

/ 7 Minuten zu lesen

Im Zuge der "Flüchtlingskrise" zeigte sich in Deutschland eine überwältigende Bereitschaft der Bevölkerung, sich ehrenamtlich zu engagieren. Menschen mit und ohne eigene Migrations- und Fluchtbiografie beteiligten sich.

Der syrische Geflüchtete Mohammad al Zain leistet Bundesfreiwilligendienst als DJ Moe Z. in einem Café in Stendal. (© picture-alliance/dpa)

Ehrenamtliches Engagement von Geflüchteten könnte eine Schlüsselrolle bei ihrer nachhaltigen gesellschaftlichen Integration spielen. Das sichtbare Engagement von Geflüchteten führt zu einer offeneren Haltung der Bevölkerung, beugt einer Radikalisierung vor, erleichtert den Spracherwerb und erste Kontakte mit der Aufnahmegesellschaft.

Für Geflüchtete gibt es aber durchaus Einiges zu beachten, wenn es um Fragen der Abgrenzung einer ehrenamtlichen Tätigkeit zu einer (vergüteten) Beschäftigung oder um Praktika geht. Denn: Für bürgerschaftliches Engagement benötigen Geflüchtete grundsätzlich keine Erlaubnis der Ausländerbehörde. Bei Beschäftigungsverhältnissen und Praktika sieht dies aber anders aus. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich sind.

Die verschiedenen Arten ehrenamtlichen Engagements

Die Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist facettenreich. Der Begriff des ehrenamtlichen Engagements wird im allgemeinen Sprachgebrauch sehr weit gefasst. Er umfasst dabei das Ehrenamt, die ehrenamtliche Tätigkeit und das bürgerschaftliche Engagement.

Der Begriff des Ehrenamtes ist nicht klar definiert. Das Ehrenamt bezeichnet ursprünglich ein öffentliches Amt, für das zwar eine Aufwandsentschädigung, nicht aber ein Gehalt gezahlt wird. Im juristischen Sinn handelt es sich bei Ehrenämtern originär um Funktionsstellen innerhalb der öffentlichen Verwaltung, die nicht besoldet werden.So gilt zum Beispiel das kommunale Ehrenamt nach den Regelungen der Kommunalverfassungsordnungen als Prototyp des Ehrenamts.

Unter einer ehrenamtlichen Tätigkeit wird hingegen ein spezifisches, nebenberufliches, öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis verstanden. Das Ehrenamt stellt damit eine durch seine Dauer und Intensität qualifizierte ehrenamtliche Tätigkeit dar. Es lässt sich als Unterfall der ehrenamtlichen Tätigkeit einordnen. Im Einzelfall fällt die Abgrenzung allerdings schwer.

Lediglich der Begriff des bürgerschaftlichen Engagements steht nicht im Zusammenhang mit einer öffentlichen Funktion. Stattdessen wird darunter in den Sozialwissenschaften "in der Regel individuelles Handeln verstanden, das sich durch Freiwilligkeit, fehlende persönliche materielle Gewinnabsicht und eine Ausrichtung auf das Gemeinwohl auszeichnet". Anders als es der Begriff des "bürgerschaftlichen Engagements" zu meinen scheint, wird darunter nicht lediglich das Engagement von Bürgern, also deutschen Staatsangehörigen, sondern jegliches ehrenamtliches Engagement verstanden.

Unter ehrenamtlichem Engagement von Geflüchteten versteht dieser Beitrag daher jedes gemeinnützige Handeln unabhängig vom Aufenthaltsstatus der handelnden Person. Darunter fallen sowohl die klassischen Ehrenämter oder ehrenamtlichen Tätigkeiten mit öffentlich-rechtlichem Bezug als auch privates bürgerschaftliches Engagement in Vereinen oder Nichtregierungsorganisationen. Diese weite Begriffsverwendung führt allerdings zur Notwendigkeit, die Aktivitäten voneinander abzugrenzen und die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Rechtliche Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Engagements finden sich für die öffentlich-rechtlichen Ehrenämter und ehrenamtlichen Tätigkeiten z.B. in den Kommunalverfassungsordnungen der Länder oder anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Es gibt kein eigenes "Ehrenamtsgesetz", welches verbindlich und allgemein Regelungen für alle Arten ehrenamtlichen Engagements enthält.

Soll das ehrenamtliche Engagement der Geflüchteten im Rahmen eines Vereins wahrgenommen werden, sind die Möglichkeiten, ob und in welcher Form dieses Engagement möglich ist, von den Vorgaben Bürgerlichen Rechts (BGB) in Verbindung mit der Vereinssatzung abhängig. Enthält die Vereinssatzung keine Regelungen zum ehrenamtlichen Engagement von Geflüchteten oder sonstige Regelungen, die auf die geflüchtete Person zutreffen (z.B. Altersbegrenzungen o.ä.), dann steht dem ehrenamtlichen Engagement im Grunde nichts entgegen.

Abgrenzung: Ehrenamtliches Engagement – Praktikum – Arbeitsverhältnis

Abzugrenzen ist das ehrenamtliche Engagement von Praktikums- und Arbeitsverhältnissen. Für die Durchführung eines Praktikums sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sind grundsätzlich eine Beschäftigungserlaubnis der Ausländerbehörde sowie die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Geflüchtete können frühestens drei Monate nach ihrem Asylgesuch und nach Ausstellung des Ankunftsnachweises eine Beschäftigungserlaubnis von der Ausländerbehörde erhalten. Um sich ehrenamtlich zu engagieren, ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.08.2012 eine Beschäftigungserlaubnis hingegen nicht erforderlich.

In dem Urteil stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit bei einer karitativen oder gemeinnützigen Organisation auch bei Zahlung einer geringen Aufwandsentschädigung keine "Arbeitnehmereigenschaft" darstelle. Die Ausübung eines Ehrenamtes ist daher nicht als "Beschäftigung" einzuordnen, weshalb es grundsätzlich nicht erforderlich ist, eine Beschäftigungserlaubnis bei der Ausländerbehörde einzuholen. Letztendlich hängt die Beurteilung aber immer vom Einzelfall ab.

Die Beurteilung im Einzelfall fällt leichter, wenn Geflüchteten der Zugang zu einer Beschäftigung im Rahmen von anerkannten Sonderprogrammen eröffnet wird. Mit dem Asylpaket I wurde für Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte und Asylbewerber, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, die Möglichkeit geschaffen, am Sonderprogramm "Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug" teilzunehmen. Trotz des gemeinnützigen Charakters ist eine Beschäftigungserlaubnis der Ausländerbehörde für die Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst (BFD) erforderlich. Leistungen aus dem BFD werden insbesondere nach § 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes angerechnet. Das Sonderprogramm ist allerdings bis zum 31.12.2018 befristet. Dieses Beispiel zeigt, wie eng die Schnittstellen zwischen ehrenamtlichem Engagement und Beschäftigung sein können.

Teilweise erfolgt eine Abgrenzung von Praktika zu ehrenamtlichem Engagement bzw. das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses danach, ob die Tätigkeit "weisungsgebunden und in die Betriebsabläufe eingegliedert" ist. Da jedoch auch das ehrenamtliche Engagement in vielen Fällen ähnliche Strukturen aufweist wie z.B. die Beschäftigung in einem Unternehmen, wird in diesem Beitrag für die Abgrenzung zu einem Arbeitsverhältnis darauf abgestellt, ob ein Entgelt für die Arbeitsleistung vereinbart wurde. Ist das der Fall, dann ist grundsätzlich eine Beschäftigungserlaubnis von der Ausländerbehörde erforderlich und die Tätigkeit als Beschäftigung einzuordnen.

Im Unterschied zu ehrenamtlichem Engagement besteht bei Praktika, die nicht im Rahmen einer Schul-, Berufs- oder Hochschulausbildung vorgeschrieben sind (vgl. § 22 des Mindestlohngesetzes), ein Anspruch auf eine Vergütung. Gekennzeichnet ist ein solches zu vergütendes Praktikum dadurch, dass es absolviert wird, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben (vgl. § 26 des Berufsbildungsgesetzes). Anders als bei einem Praktikum, steht bei ehrenamtlichem Engagement nicht der Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten im Vordergrund, sondern eine freiwillig erbrachte Arbeitsleistung ohne Entgelt oder gegen eine Aufwandsentschädigung.

Die Aufwandsentschädigung für das ehrenamtliche Engagement von Geflüchteten sollte im Monat 200 Euro nicht übersteigen, da ansonsten eine Anrechnung auf die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt. Bestehen Zweifel, ob ein Praktikum, ein Arbeitsverhältnis oder ehrenamtliches Engagement vorliegt, dann sollte die Ausländerbehörde mit einbezogen werden.

Fazit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Klärung des ehrenamtlichen Engagements von Geflüchteten sind ebenso facettenreich wie die Arten des ehrenamtlichen Engagements selbst. Obwohl die Rechtsprechung klare Kriterien für die Abgrenzung von ehrenamtlichem Engagement zur Beschäftigung definiert, ist der Grad der Abgrenzung zwischen Beschäftigung, Praktika und ehrenamtlichem Engagement weiterhin schmal. Eine genaue Einordnung hängt letztlich vom Einzelfall ab. Daher kann eine frühzeitige Kontaktaufnahme zur zuständigen Ausländerbehörde unter Zuhilfenahme der o.g. Rechtsprechung empfehlenswert sein, um rechtliche Klarheit im Einzelfall zu erlangen.

Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autorinnen wieder.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Beitrag basiert auf einem Praxisleitfaden, den die Autorinnen im Auftrag der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation Engagement Global gGmbH und ihrer Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) zum Thema "Rechtliche Rahmenbedingungen für Praktika, Referententätigkeit oder ehrenamtliches Engagement von Geflüchteten – ein Praxisleitfaden für Einstiege und Chancen zur Teilhabe" erstellt haben.

  2. Obwohl umgangssprachlich oft verwendet, ist der Begriff Flüchtling juristisch unscharf. In einem engeren Sinne wird er lediglich für die Personen verwendet, die der Genfer Flüchtlingskonvention unterfallen und denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Als Flüchtlinge werden umgangssprachlich aber auch diejenigen bezeichnet, die im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention subsidiär schutzberechtigt sind oder diejenigen, die nach dem Grundgesetz (Art. 16a GG) asylberechtigt sind oder die sich als Asylsuchende noch im Asylverfahren befinden. Aufgrund der negativen Konnotation, die in Wissenschaft und Praxis teilweise dem Begriff "Flüchtling" zugeschrieben wird, verwendet der vorliegende Beitrag den umfassenderen und neutraleren Begriff "Geflüchtete".

  3. Vgl. m.w.N. Klasen/Schaefer, Betriebsrat, Vereinsorgan, Ratsmitglied: Haftungsrisiken für das wirtschaftliche Handeln in Ehrenämtern, GWR 2013, S. 287.

  4. Groß, in: Waechter, FG Treiber, 2010, 447, weiterhin kann noch zwischen privaten (z.B. die Tätigkeit als Betriebsrat nach § 37 Abs. 1 BetrVG und öffentlichen Ehrenämtern (z.B. Personalrat nach § 46 As. 1 BPersVG ) unterschieden werden, letztlich war dieses private Ehrenamt ursprünglich auch dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

  5. Vgl. m.w.N. Klasen/Schaefer, Betriebsrat, Vereinsorgan, Ratsmitglied: Haftungsrisiken für das wirtschaftliche Handeln in Ehrenämtern, GWR 2013, S. 287; Groß, in: Waechter, FG Treiber, 2010, Hat das kommunale Ehrenamt eine Zukunft?, 447.

  6. Burgi, Kommunalrecht, 5. Aufl. 2015, § 11, Rn. 11.

  7. Burgi, Kommunalrecht, 5. Aufl. 2015, § 11, Rn. 11; so wohl auch Lange, Kommunalrecht, 2013, Kap. 2 Rn. 26 zu verstehen, der die ehrenamtliche Tätigkeit als Oberbegriff sieht.

  8. Historisch gesehen sind Ehrenamt und ehrenamtliche Tätigkeit dem Gedanken entsprungen, dass der Staat im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit trotz allem seine staatlichen Aufgaben erledigen muss und somit abgeleitete staatliche Tätigkeiten unentgeltlich an die Ehrenträger unter den Bürgern delegiert, Han-Broich, Ehrenamt und Integration, 2012, S. 66.

  9. Vgl. m.w.N. Blome/Priller, Entwicklungspolitisches bürgerschaftliches Engagement, Ein Beitrag zur Schärfung der Definition, Discussion Paper, SP V 2013–305 2013, S. 11, abrufbar unter Externer Link: https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2013/v13-305.pdf (07.02.2017).

  10. BAG, Urt. Vom 29.08.2012, Az.10 AZR 499/11, BAGE 143, 77-83.

  11. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, 2015, S. 1722, 23.10.2015, in Kraft getreten am 24.10.2015.

  12. Externer Link: https://www.bundesfreiwilligendienst.de/aktuelles/news/detail/News/sonderprogramm-bundesfreiwilligendienst-mit-fluechtlingsbezug.html (07.02.2017).

  13. So zum Beispiel der Sachstandsbericht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zum Thema ehrenamtliche Tätigkeit von schutzsuchenden Personen nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, abrufbar unter Externer Link: https://www.bundestag.de/blob/412772/b69b6db5af5e4b5dc184274c78e57dda/wd-9-001-16-pdf-data.pdf (7.2.2017).

  14. ISIS GmbH – Sozialforschung, Sozialplanung, Politikberatung Studie "Potentiale von Geflüchteten anerkennen – Soziale Integration durch Förderung von Bürgerschaftlichem Engagement und Selbstorganisation", S. 9, abrufbar unter http://isis-sozialforschung.de/wp-content/uploads/2016/05/Studie_BE_Flüchtlinge.pdf (7.2.2017).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autoren/-innen: Maren-Kathrin Diekmann, Caroline Mindach für bpb.de

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Dr. Maren-Kathrin Diekmann studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August Universität Göttingen und arbeitete anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Thomas Groß am European Legal Studies Institute der Universität Osnabrück, wo sie zum Thema "Menschenrechtliche Grenzen des Rückführungsverfahrens in Europa" promovierte. Seit 2015 ist sie Justiziarin der Gemeinde Weyhe in Niedersachsen.

Caroline Mindach studierte Rechtswissenschaften an der Justus-Liebig Universität Gießen und der Universität Luxemburg. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Thomas Groß am European Legal Studies Institute der Universität Osnabrück. Sie promoviert zum Thema "Komplexe Vollzugskonstellationen im Europäischen Verwaltungsverbund". Seit 2016 ist sie Regierungsrätin in der Bezirksregierung Detmold.