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Schlussfolgerung | bpb.de

Schlussfolgerung

Christian Joppke

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Wie erfolgreich ist die zivile Integration? Die Antwort ist: Niemand weiß es. Das ist schon deshalb so, weil die Programme noch zu neu sind. Darüber hinaus aber sind die Ziele der Maßnahmen nicht eindeutig.

Überblick über die neuen Anforderrungen der zivilen Integration in den Niederlanden, in Frankreich, in Deutschland und im Königreich (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Offiziell soll natürlich die Integration von Zuwanderern gefördert werden. An dieser Stelle darf jedoch in Frage gestellt werden, ob es bei der Bewertung ausreicht, erfolgreiche Kursabsolvierungen zu betrachten, wie dies in einer Reihe von Evaluierungsstudien (vor allem in den Niederlanden und in Deutschland) der Fall ist. Diese Art der Erfolgsmessung ist angesichts der erklärten Ziele der Kurse, Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Sozialleistungen bei Zuwanderern zu verringern, eher fragwürdig, ist doch ein solcher Erfolg nicht ausschließlich von politischen Maßnahmen, sondern von einer Reihe anderer Faktoren abhängig. Man beachte, dass Deutschland (zusammen mit dem Vereinigten Königreich) seit Jahren eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten bei Migranten aufweist – trotz fehlender Integrationspolitik in Deutschland vor 2004. Dies deutet darauf hin, dass strukturelle Faktoren, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit Integrationsprogrammen stehen, für die sozioökonomische Integration letztlich von größerer Bedeutung sind – so etwa das duale Ausbildungssystem in Deutschland (Berufsausbildung in Firmen und Betrieben in Kombination mit formaler Ausbildung an staatlichen Berufsschulen) oder der flexible Arbeitsmarkt im Vereinigten Königreich. Es ist also grundsätzlich irreführend, davon auszugehen, dass ein multidimensionaler und komplexer Prozess wie die Integration von Zuwanderern durch eine einzige Politikmaßnahme erzielt werden könne, erst recht, wenn diese mit einem derart schmalen Budget ausgestattet ist, wie es die neuen Integrationskurse sind.

Aber vielleicht ist Integration ja gar nicht die primäre Intention der neuen Maßnahmen. Es gibt andere, eher implizite Ziele. Ein solches Ziel ist etwa, den "unerwünschten" Familiennachzug zu reduzieren, wie es in den niederländischen, französischen und deutschen Ansätzen deutlich wird – ein Anliegen, das mehr mit Zuwanderungskontrolle als mit Zuwandererintegration zu tun hat. Man kann sagen, dass gerade der niederländische Ansatz zur "Integration im Ausland" in dieser Hinsicht recht erfolgreich war, sind doch die Anträge auf Familiennachzug zuletzt rapide zurückgegangen.

Ein zweites implizites Ziel liegt darin, die einheimische Bevölkerung zu besänftigen, die einer erneuerten legalen Zuwanderung ablehnend gegenüberstehen könnte. Es ist auffällig, dass die neuen politischen Richtlinien eingeführt wurden, als durch ökonomische und demografische Entwicklungen bedingte Rufe nach mehr legaler Zuwanderung lauter wurden. So betrachtet sind die Adressaten der Politik weniger die Zuwanderer selbst als vielmehr die einheimische Bevölkerung. Ihr signalisiert der Staat, dass er Neuankömmlinge dazu anhält, sich anzupassen – und auf diese Weise den Status quo bewahrt. In diesem Sinne sind Pflichtkurse zur gesellschaftlichen Integration ein eindrückliches Beispiel für "symbolische Politik", deren bloße Existenz wichtiger ist als ihre explizit verfolgten Ziele.

Welche Bedeutung haben die Integrationsmaßnahmen schließlich für den unabgeschlossenen Prozess der Harmonisierung von Integrationspolitik in der EU? Erwartungsgemäß zeitigen sie primär restriktive Folgen. Art. 15 Abs. 3 der EU-Richtlinie über den Status langfristig aufenthaltsberechtigter Personen, die im November 2003 verabschiedet wurde, räumt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, auch Drittstaatsangehörige, die bereits eine langfristige Aufenthaltsberechtigung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erworben haben, zur Teilnahme an Sprachkursen zu verpflichten. Daraus ergibt sich eine Reihe kumulativer Integrationsanforderungen, die für EU-Bürger natürlich nicht gelten, für Europas Migrantenbevölkerung aus Nicht-EU-Staaten jedoch eine erhebliche Einschränkung in ihrer Freizügigkeit bedeuten. Dabei war es das eigentliche Ziel der Richtlinie, die Freizügigkeit für Drittstaatsangehörige zu erleichtern. Wenn überhaupt, wird die Integration von Zuwanderern in Europa weiterhin bloß im Interesse der jeweiligen Mitgliedsstaaten verfolgt werden. Jegliche weitere geplante Vereinheitlichung in diesem Bereich wird stets zunächst deren kritischer Prüfung standhalten müssen.

Dr. Christian Joppke ist Professor für Politikwissenschaft an der Graduate School of Government, The American University of Paris.