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Historische Entwicklung der Migration | Japan | bpb.de

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Historische Entwicklung der Migration

Gabriele Vogt

/ 4 Minuten zu lesen

Zuwanderung aus den Gebieten des heutigen Korea und China nach Japan ist bereits für die Vor- und Frühgeschichte Japans archäologisch nachzuweisen.

Japan (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Eine erste, in japanischen Quellen schriftlich dokumentierte Zuwanderungswelle geht auf das 6. Jahrhundert zurück; in deren Folge wurden unter anderem der Buddhismus und das chinesische Epochensystem nach Japan importiert. Mit spanischen und portugiesischen Missionaren ab der Mitte des 16. Jahrhunderts gelangten nicht nur abendländisches Gedankengut, sondern auch neuartige Waffen nach Japan. Nach anfänglichen Kooperationen einiger lokaler Fürsten mit den Neuankömmlingen wurden diese im Zuge bürgerkriegsähnlicher Unruhen jedoch bald des Landes verwiesen.

InfoJapan

Hauptstadt: Tokio
Landessprache: Japanisch
Fläche (2011): 377.955 km²
Bevölkerung (2011): 127.799.000 Personen*
Bevölkerungsdichte (2011): landesweiter Durchschnitt 343 Einwohner je km²; in Tokio 6.016 Einwohner je km²
Bevölkerungswachstum (2011): -1,6% (Negativwachstum seit 2005)
Ausländische Bevölkerung (2011): 2.078.480 Personen (1,63%)**
Erwerbsbevölkerung (7/2012): 62.770.000 Personen; Quote: 59,2% (Männer: 70,8%; Frauen: 48,3%)
Arbeitslosenquote (7/2012): 4,3%
Religionen (2007): Shintoismus (105 Millionen), Buddhismus (89 Millionen), Christentum (2 Millionen), andere (9 Millionen)***

Falls nicht anderweitig gekennzeichnet beziehen sich die hier genannten Daten auf das statistische Jahrbuch 2012 des japanischen Innenministeriums (MIAC 2012).
*Der letzte landesweite Zensus vom 1.10.2010 ergab eine Gesamtbevölkerung von 128.057.352 Personen (MIAC 2011).
**MOJ 2012a.
***U.S. Department of State 2010. Zahlreiche Japaner lehnen eine Exklusivität von Religion ab; daher ergibt die Summe der Anhänger der genannten Religionen eine Zahl größer als die Bevölkerungszahl Japans.

Phase der Abschließung

Damit begann im 17. Jahrhundert schließlich Japans Phase der Abschließung, welche unter der neu begründeten Militärherrschaft der Shogune zweieinhalb Jahrhunderte lang das Land gegenüber Einflüssen aus dem Ausland nahezu abschottete. Ein Schlupfloch war lediglich Dejima, eine künstlich aufgeschüttete Insel in der Bucht von Nagasaki, wo niederländische und britische Händler anlegen durften. Ebenso zählte dazu ein lebhafter China- und Südostasien-Handel, der durch das Nadelöhr des Ryūkyū-Königreiches Japans südlichste Hauptinsel, Kyūshū, erreichte. Zuwanderung nach Japan, gar nur japanischen Boden zu betreten, war Nicht-Japanern in dieser Zeit per Todesstrafe untersagt.

Phase der Öffnung

Japans sogenannte Öffnung erzwang der US-amerikanische Kommodore Matthew C. Perry, der 1853 im Hafen von Edo, dem heutigen Tokio einlief. Mit Diplomatie und der Androhung militärischer Gewalt erreichte er nicht nur den Abschluss eines bilateralen Handelsabkommens, sondern löste in Japan auch innenpolitische Umwälzungen aus, die zum Sturz des Shogunat-Systems und zur neuerlichen Errichtung eines kaiserlichen Herrschaftssystems führten. Dieses neue Herrschaftssystem, der sogenannte Meiji-Staat (1867–1912), war auf weitgehende wirtschaftliche Öffnung gegenüber insbesondere den USA und den Staaten Europas bedacht. Diese sollte gezielt auch einhergehen mit technischem Fortschritt und Industrialisierung ebenso mit der Modernisierung zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche, beispielsweise des Rechtssystems und des Erziehungssystems. Zentraler Baustein dieser Modernisierungsbestrebungen waren die Auslandsmissionen einer jungen gebildeten Elite des Landes ebenso wie die Anstellung von ausländischen Akademikern und Kaufleuten in Japan.

"Old comer"

Im weiteren Verlauf seiner Modernisierungsbestrebungen wurde Japan das Ziel von Zuwanderung aus China und Korea. Die chinesische als die größte Minderheit in Japan wurde 1917 von der koreanischen abgelöst – eine Folge der Kolonialisierung Koreas von 1910 und der damit einhergehenden relativen Reise-Freizügigkeit zwischen den Gebieten. Ab 1939 begann die Kriegsmobilisierung der koreanischen Bevölkerung und japanische Firmen erhielten das Recht, Koreaner als Arbeitskräfte nach Japan zu verpflichten. Ab 1941 wurden Zwangsarbeiter aus den chinesischen Territorien auf ähnliche Weise rekrutiert, insgesamt etwa 42.000 Personen. Im Jahr 1938 belief sich der Anteil der koreanischen Einwohner auf den japanischen Hauptinseln an der Gesamtbevölkerung bereits auf 1% (ca. 800.000 Personen) und stieg bis zum Kriegsende 1945 auf 2% an. Zu Kriegsende lebten in Japan auch 31.000 chinesische Zwangsarbeiter sowie 28.000 Zuwanderer aus Japans damaliger Kolonie Taiwan. Von den in Japan seit der Kriegszeit ansässigen koreanischen oder chinesischen Zuwanderern und ihren Nachkommen spricht die Fachliteratur heute als "old-comer".

Auswanderung

Trotz dieser Zuwanderung galt Japan in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Auswanderungsland. Zwischen 1885 und 1942 emigrierten etwa 800.000 Japaner insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen. Die Vereinigten Staaten ebenso wie zahlreiche Länder der Region Asien-Pazifik zählten zu den Zielländern dieser Emigration. Nach dem Inkrafttreten des sogenannten Gentlemen’s Agreement von 1908, das die Zuwanderung aus Asien in die USA begrenzte, gewannen die Länder Lateinamerikas, allen voran Brasilien und Peru, an Popularität unter japanischen Emigranten. Innerhalb von drei Jahrzehnten wanderten etwa 190.000 Japaner nach Brasilien aus; durch weiteren Zuzug und Familiengründung stieg die dortige japanische Gemeinde bis 1988 auf 1,2 Millionen Menschen an. Die Auswanderung in die Mandschurei sowie in die neuen Kolonialgebiete Korea und Taiwan – etwa eine Million japanische Siedler lebten bei Kriegsende in den Kolonialgebieten – diente hingegen mehr politischen denn wirtschaftlichen Interessen, konkret der Manifestation neu geschaffener Staatsgrenzen durch Siedlungspolitik.

"New comer"

Umfang der Zuwandererbevölkerung (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Im Jahr 1955 waren 641.482 Ausländer in Japan wohnhaft gemeldet (0,71% der Gesamtbevölkerung) – ein Großteil von ihnen Koreaner, die nach Kriegsende ihre koloniale japanische Staatsbürgerschaft verloren. In den 1970er Jahren schließlich begannen die Rückwanderungsbewegungen nach Japan aus dem Nordosten Chinas von Japanern der zweiten oder dritten Generation und damit eine verspätete Repatriierungswelle nach dem Ende des japanischen Imperialismus. Ebenso setzten drei weitere Ströme von Zuwanderungsbewegungen sogenannter "new-comer" nach Japan ein. Dazu zählte, erstens, weibliche Migration aus Korea, Taiwan, Thailand und von den Philippinen; viele dieser Frauen arbeiteten in der Aufenthaltskategorie "Entertainer" in der Sexindustrie. Zweitens – im Zuge der Internationalisierung der japanischen Wirtschaft – Geschäftsleute aus den USA und den Ländern West-Europas, ebenso wie, drittens, Indochina-Flüchtlinge. Doch die "new-comer" Migration der 1970er Jahre ließ die Zuwandererbevölkerung kaum anwachsen. So stand ihre Zahl 1985 bei lediglich 850.612 Personen (0,70% der Gesamtbevölkerung). Erst in der folgenden Dekade war erstmals ein merklicher Anstieg an Japans Zuwandererbevölkerung zu verzeichnen, welcher in abgeschwächter aber steter Form bis 2008 andauerte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bspw. im Nihon Shoki, der sogenannten Landeschronik Japans.

  2. Totman 2005: 38–59.

  3. Totman 2005: 203–235.

  4. Jap.: Sakoku, geschlossenes Land.

  5. Gehört zum heutigen japanischen Staatsgebiet als Präfektur Okinawa, bzw. die nördliche Inselgruppe Amami als Teil der Präfektur Kagoshima. Dazu auch: Kerr 2000.

  6. Totman 2005: 203–235.

  7. Jansen 2000: 274–279.

  8. Benannt nach der Regierungszeit des Kaisers Mutsuhito (1852–1912).

  9. Baum (i.E.)

  10. Jansen 2000: 317–322.

  11. Jap.: Oyatoi Gaikokujin, Ausländer zur Anstellung. Es handelte sich hierbei allerdings um keine großflächigen Zuwanderungsbewegungen. So lebten 1930 etwa 54.000 und 1940 nur noch 39.000 Ausländer in Japan, die nicht aus den Kolonialgebieten zugewandert waren (Morris-Suzuki 28.08.2008).

  12. Behaghel und Vogt 2006: 114–115; Morris-Suzuki 28.08.2008; Yamawaki 2000: 38–51.

  13. Behaghel und Vogt 2006: 114–115; Morris-Suzuki 28.08.2008; Yamawaki 2000: 38–51.

  14. Der Zustrom der Flüchtlinge aus Vietnam, Kambodscha und Laos nach Japan erreichte nach Komais Schätzung (2001: 16) eine Größenordnung von unter 10.000 Personen. Sie wurden in Japan im Aufenthaltstitel der "Langzeitresidenten" aufgenommen.

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Prof. Dr. Gabriele Vogt ist Professorin für Japanologie am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Japanforschung und umfassen neben dem Thema der internationalen Migration nach Japan auch Japans demographischen Wandel und Themen der politischen Partizipation.
E-Mail Link: gabriele.vogt@uni-hamburg.de