Das Aufkommen struktureller Arbeitslosigkeit und darauffolgende Politiken
In den 1990er Jahren und insbesondere in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts sahen sich die einheimischen Arbeitskräfte in den GCC-Staaten mit einem neuen Phänomen konfrontiert: struktureller Arbeitslosigkeit.Mitte der 1990er Jahre lag die Arbeitslosenrate in jedem einzelnen der GCC-Staaten bei über 10 Prozent (Dito 2008, S. 11; Harry 2007, S. 135; Winckler 2009, S. 153). Den Obrigkeiten der GCC-Staaten wurde bewusst, dass ihre traditionelle Strategie der "Nationalisierung" der Erwerbsbevölkerung[1], die darauf abzielte, die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften zu verringern (vgl. z.B. Randeree 2012), zwar im öffentlichen Dienst erfolgreich war, nicht aber in der Privatwirtschaft. Hier war sie fast gänzlich fehlgeschlagen, was hauptsächlich auf große Einkommensunterschiede zwischen einheimischen und ausländischen Arbeitskräften sowie eine starke Opposition seitens privatwirtschaftlicher Arbeitgeber gegenüber der Einstellung einheimischer Arbeitnehmer zurückgeführt werden kann (vgl. z.B. Kapiszewski 2006, S. 5; Forstenlechner et al. 2012, S. 408). Es zeigte sich daher, dass die Arbeitslosenquote unter GCC-Staatsangehörigen nicht eine Folge von Angebot und Nachfrage auf dem gesamten Arbeitsmarkt war, sondern vor allem das Resultat der Fähigkeit des öffentlichen Sektors zusätzliche einheimische Arbeitskräfte zu absorbieren.
Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft
Folglich wurde die vermehrte Schaffung von Arbeitsplätzen für Einheimische in der Privatwirtschaft seit Mitte der 1990er Jahre zur erklärten Priorität der Arbeitsmarktpolitik in den GCC-Staaten. Zuvor hatte der Fokus vor allem darauf gelegen, die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren. Die folgenden fünf Strategien wurden von den GCC-Obrigkeiten verfolgt, um im Privatsektor angemessene Arbeitsmöglichkeiten für die eigenen Staatsangehörigen zu schaffen:- Bestimmte Tätigkeiten dürfen nur noch von Einheimischen ausgeführt werden.
- Die Mindestzahl einheimischer Arbeitnehmer in den Reihen der Belegschaft privatwirtschaftlicher Unternehmen wird über eine Quote festgelegt.
- Die Löhne von in der Privatwirtschaft angestellten GCC-Staatsangehörigen werden stark bezuschusst.
- Um den Anforderungen des Privatsektors zu genügen, soll das Qualifikationsniveau einheimischer Arbeitnehmer verbessert werden (Hertog 2012, S. 91-92).
- Das "Dubai Entwicklungsmodell" (Foley 2010, S. 144-147; Hvidt 2009, S. 401-402) wurde übernommen, welches eine wirtschaftliche Diversifizierung anstrebt, die auf der Entwicklung von Nicht-Mineralölsektoren beruht wie dem Ausbau der Tourismusindustrie, des Banken- und Versicherungswesens, des Seeverkehrs und –Handels sowie der Elektronik- und High-Tech-Industrie. Alle diese Bereiche erfordern zwar ebenfalls die Beschäftigung einer großen Zahl ausländischer Arbeitskräfte, schaffen aber gleichzeitig umfassende Beschäftigungsmöglichkeiten für einheimische Arbeitnehmer.
Entwicklung der Arbeitsmigration nach der Jahrtausendwende

Arbeitsmigration nach Saudi Arabien

Arbeitsmigration nach Katar, Kuwait und in die Vereinigten Arabischen Emirate
Die größten Zuwächse im Hinblick auf die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte verzeichneten Katar, die VAE und Kuwait, Länder, die im letzten Jahrzehnt nicht nur von stark wachsenden Öl- und Gaseinkünften profitierten, sondern auch von einem massiven Ausbau der Nicht-Mineralölsektoren, vor allem der Tourismusindustrie, des Banken- und Versicherungswesens sowie der Immobilien- und Baubranche. Das schnelle Wirtschaftwachstum führte auch zu deutlichen Verbesserungen im Lebensstandard, die wiederum eine zunehmende Einstellung von ausländischen Hausangestellten bedingten. Die Wirtschaft Katars, die innerhalb der GCC-Staaten die höchsten Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts verzeichnete[4], absorbierte entsprechend auch die größte Zahl ausländischer Arbeitsmigranten.Die Entwicklung des Ölpreises und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsmigration in den GCC-Staaten
Es muss angemerkt werden, dass entgegen einiger Annahmen das deutliche Absinken des Ölpreises nach dem Ausbruch der jüngsten globalen Rezession nur einen geringfügigen und kurzzeitigen Einfluss auf die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in den Staaten der Golfregion hatte.[5] Tatsächlich verzeichneten nur Dubai und in geringerem Maße Oman einen leichten Rückgang der Zahl ausländischer Arbeitsmigranten. Diese Zahl stieg aber in beiden Ländern mit der Erholung des Ölpreises im zweiten Quartal des Jahres 2009 wieder an und setzte den Trend einer kontinuierlichen Zunahme fort. Während der Ölpreis in der Wirtschaftskrise 2008/2009 kurzfristig fiel, ist dies im Zuge der derzeitigen Rezession in der EU und in den USA nicht der Fall. Daher ist die Wirtschaftssituation in den GCC-Staaten, anders als in den meisten Ländern der Welt, die von der Krise betroffen sind, weiterhin stabil. Folglich nimmt auch die Zahl ausländischer Arbeitskräfte weiterhin zu.Warum unterscheidet sich die Beschäftigungssituation in den GCC-Staaten so grundlegend von der in anderen reichen Wirtschaftsstaaten? Warum schafften es die Arbeits- und Zuwanderungspolitiken der GCC-Staaten nicht, die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren? Die Antwort auf diese Fragen liegt in der spezifischen sozio-politischen Struktur der GCC-Länder, nämlich ihrer Rentenökonomie, begründet.
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Die "Rentenökonomie" und die "Rentenmentalität" der GCC-Ölstaaten
Entsprechend befasst sich die Regierung eines Rentenstaates nicht mit der Umverteilung interner Ressourcen einerseits durch Steuern, die auf Einkommen und Waren erhoben werden, und andererseits der Bereitstellung verschiedener sozialer Dienstleistungen, Subventionen und Zuwendungen als Gegenleistung für politische Partizipation. Stattdessen sorgt sie für die politisch vorteilhafteste Verteilung der externen Renteneinkünfte unter der einheimischen Bevölkerung. Folglich entwickelte sich in den GCC-Staaten eine "Rentenmentalität" (rentier mentality), wonach die Regierung nicht als repräsentatives Organ des Volkes verstanden wird, sondern vielmehr als Anbieter von Beihilfen, Zuschüssen und verschiedenen Dienstleistungen, die den eigenen Staatsangehörigen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Als Gegenleistung verzichten die Staatsangehörigen auf politische Partizipationsmöglichkeiten. Infolgedessen wurde die Staatsangehörigkeit in einem Rentenstaat zur Grundlage direkter und indirekter finanzieller Zuwendungen.
Ein Hauptinstrument zur Verteilung des auf den Renteneinkünften beruhenden Reichtums unter den Staatsangehörigen ist die Anstellung im öffentlichen Sektor, der den einheimischen Arbeitnehmern hohe Gehälter und luxuriöse Arbeitsbedingungen gewährt, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung in Form von Leistung zu erwarten. Ein gut bezahlter Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst ist das Schlüsselelement des "sozialen Vertrags" zwischen den regierenden Königsfamilien in den GCC-Staaten und ihren Staatsbürgern. Es handelt sich um Arbeitsplätze auf Lebenszeit. Darüber hinaus müssen Staatsangehörige keine Einkommenssteuern zahlen. Im Gegenzug erwartet der Staat bzw. erwarten die regierenden Familien von ihren Bürgern absolute Loyalität. Der Staat erlaubt keine politische Mitsprache wie dies demokratische Wohlfahrtsstaaten tun. Die politische Implikation eines Rentenstaates ist daher "keine Besteuerung und keine Repräsentation" (no taxation and no representation)
(Beblawi/Luciani 1987; Beblawi 1990, S. 85-98; Ayubi 1995, S. 251-252; Gause 1994, S. 42-77; El-Katiri et al. 2012, S. 168-181; Niblock/Malik 2007, S. 14-21; Ross 2001, S. 325-361).