Auswanderung und Auswanderungspolitik



Dauerhafte Auswanderer
Die Einwanderungspolitik der Zielländer philippinischer Auswanderer gilt als Haupt-Pull-Faktor, der Filipinos dazu veranlasst, dauerhaft im Ausland zu verbleiben.[3] Die Nachfrage nach Einwanderern, Filipinos eingeschlossen, hat sich in Richtung qualifizierter Arbeitskräfte verschoben. Zwischen 1981 und 2012 waren beispielsweise nur 10 Prozent der Filipinos vor ihrer Auswanderung als Produktionsarbeiter tätig, während jährlich 40-50 Prozent der Auswandernden mindestens einen College-Abschluss vorweisen konnten und qualifiziert oder hochqualifiziert waren. Zwei von drei dauerhaften Auswanderern waren arbeitslose abhängige Familienmitglieder (Hausfrauen, Minderjährige, Rentner usw.). In dieser Zahl spiegeln sich Programme zur Familienzusammenführung, vor allem in den USA, sowie Programme, die die Mitwanderung von Angehörigen qualifizierter Arbeitskräfte erlauben, wider.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten waren jährlich 20 bis 30 Prozent der dauerhaften Auswanderer Heiratsmigranten. Durchschnittlich registrieren sich jährlich rund 20.000 philippinische Verlobte, Ehegatten oder Lebenspartner ausländischer Staatsangehöriger bei der Übersee-Kommission, 90 Prozent davon sind Frauen.
Temporäre Arbeitsmigranten
Die Philippinen haben seit 2006 jährlich mindestens eine Million Arbeitsmigranten ins Ausland entsandt; 1975 waren es nur 36.000. Der Mangel an Arbeitskräften in Zeiten des Baumbooms im Nahen Osten in den 1970er Jahren führte dazu, dass die ölreichen Golfstaaten die benötigten Arbeitskräfte zunehmend in Asien, einschließlich der Philippinen, rekrutierten. Nach Abschluss vieler Infrastrukturprojekte in den frühen 1980er Jahren kam es zu einem Rückgang der Zahl der in der Baubranche beschäftigten Arbeitskräfte. Es öffneten sich jedoch andere Beschäftigungsfelder in der Golfregion, z.B. im Bereich der Haushaltsdienstleistungen. Die Herausbildung von Schwellenländern in Ost- und Südostasien in den 1980er und 1990er Jahren hat zu einem weiteren Anstieg der Zahl temporär entsandter philippinischer Arbeitsmigranten geführt. Die Abwanderung heimischer Arbeitskräfte aus diesen Schwellenländern in Länder mit besser entwickelten Wirtschaften hinterließ eine Arbeitskräftelücke in einigen Wirtschaftssektoren, die durch Arbeitsmigranten aus den Philippinen gefüllt wurde. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen führte in der Region darüber hinaus zu einer wachsenden Nachfrage nach ausländischen Haushaltshilfen. Seit den 1990er Jahren ist daneben eine zunehmende Nachfrage nach qualifizierten und hochqualifizierten Arbeitskräften zu beobachten, vor allem im medizinischen Bereich sowie im IT-Sektor. Schätzungen zur Zahl temporärer Arbeitsmigranten aus dem Jahr 2011 zeigen, dass sich philippinische Wanderarbeiter vor allem auf Saudi Arabien (33,9 Prozent), die Vereinigten Arabischen Emirate (14,6 Prozent), Katar (7,3 Prozent), Kuwait (4 Prozent), Hongkong (3,5 Prozent), die USA (2,5 Prozent) und Kanada (2,3 Prozent) konzentrieren. Rund 300.000 philippinische Arbeitsmigranten sind auf See angestellt, sie stellen etwa 20-30 Prozent der internationalen Schiffsbesatzungen.[4]Feminisierung temporärer Arbeitsmigration
Die Nachfrage nach temporären Wanderarbeitskräften zeigt eine klare Asymmetrie hinsichtlich der (Aus-)Bildung, des Alters und der Geschlechterverteilung. Im Verhältnis zu den (sesshaften) einheimischen Arbeitskräften sind die temporären philippinischen Arbeitsmigranten jünger und besser ausgebildet. Der Anstieg der Nachfrage nach Haushaltskräften und Entertainern[5] – beides traditionell weibliche Beschäftigungsbereiche - hat zu einer zunehmenden Feminisierung der temporären Arbeitsmigration aus den Philippinen geführt, auch wenn strengere nationale Politiken und Grenzkontrollen für darstellende Künstler und Entertainer, vor allem in Japan, in den vergangenen Jahren zu einer stärker ausgeglichenen Geschlechterzusammensetzung geführt haben. 1992 stellten Frauen etwa die Hälfte der neu entsandten temporären Arbeitskräfte. Dieser Anteil stieg bis 1998 auf 61 Prozent und erreichte im Jahr 2004 mit 74 Prozent seinen Höhepunkt. Aufgrund der Einführung strengerer Regeln bezüglich darstellender Künstler und Entertainer auf den Philippinen und im Aufnahmeland Japan verringerte sich der Anteil von weiblichen Arbeitsmigranten bis 2009 wieder auf 53 Prozent.
Steuerung temporärer Arbeitsmigration
Die Philippinen mit ihren vierzig Jahren Erfahrung im Umgang mit einem großen Aufkommen an temporärer Arbeitsmigration werden oft als globales Modell für das Management internationaler Arbeitsmigration betrachtet.[6] Öffentliche Einrichtungen wurden etabliert, die den Arbeitsmigranten und ihren Familienmitgliedern auf jeder Stufe des Migrationsprozesses (Anwerbung, Entsendung, Beschäftigung im Ausland sowie Rückkehr und Reintegration) Dienst- und Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellen. Schaubild 1 bietet einen Überblick über diese öffentlichen Ämter und ihre Funktionen.

1977 wurde ein Sozial- und Ausbildungsfonds für Arbeitskräfte in Übersee (Welfare and Training Fund for Overseas Workers) unter dem Ministerium für Arbeit und Beschäftigung ins Leben gerufen, der soziale und wohlfahrtsstaatliche Leistungen für philippinische Arbeitsmigranten zur Verfügung stellt, einschließlich Versicherungsschutz, Unterstützung bei der Stellenvermittlung, Rücküberweisungsdienstleistungen, sowie Angebote zur Weiterbildung und Karriereentwicklung. Der Fonds wurde im Zuge der Reorganisation des Arbeitsministeriums 1987 in "Overseas Workers’ Welfare Administration" umbenannt.
Eine zunehmende Zahl von Zuwiderhandlungen gegen philippinische Arbeitsmigranten in den Zielländern, insbesondere gegen niedrigqualifizierte Arbeitskräfte, ebnete den Weg für die Verabschiedung des Arbeitsmigrationsgesetzes (Migrant Worker Act) von 1995 (RA 8042). Dieses institutionalisierte Regeln für die Beschäftigung in Übersee und legte Mindeststandards zum Schutz der Arbeitnehmer und ihrer sozialen Absicherung fest. Es machte außerdem deutlich, dass der Staat die Beschäftigung philippinischer Arbeitskräfte in Übersee nicht als Entwicklungsstrategie betrachtet. Das Gesetz legte zunächst die Basis für eine komplette Dezentralisierung des überseeischen Beschäftigungssektors, 2007 wurde es jedoch in einer gegenteiligen Richtung geändert. Dadurch wurden die regulativen Funktionen der Regierung gestärkt. Die Klausel zur gemeinsamen und solidarischen Verantwortung von heimischen Rekrutierungsfirmen und ausländischen Arbeitgebern gilt als ein Eckstein des Arbeitsmigrationsgesetzes; sie erlaubt Arbeitnehmern und der Regierung Rekrutierungsfirmen für Verstöße gegen Arbeitskräfte durch Arbeitgeber zur Rechenschaft zu ziehen. Zusätzliche Sozialleistungen und –garantien für Arbeitsmigranten wurden 2010 durch eine weitere Ergänzung des Arbeitsmigrationsgesetzes eingeführt.
Die Verabschiedung von RA 8042 ebnete den Weg für die Etablierung anderer öffentlicher Institutionen, die Dienstleistungen zur Reintegration von philippinischen Arbeitsmigranten zur Verfügung stellen. 1995 wurde ein Amt zur juristischen Unterstützung von Arbeitsmigranten (Office for the Legal Assistace for Migrant Workers Affairs) im Außenministerium eingerichtet, das später in Amt des Staatssekretärs für Angelegenheiten von Arbeitsmigranten (Office of the Undersecretary for Migrant Workers Affairs) umbenannt wurde und in dessen Aufgabenbereich sowohl der Rechtsbeistand als auch die Koordination aller juristischen Unterstützungsangebote für in Not geratene Filipinos in Übersee fällt. Angegliedert an die philippinischen Konsulate im Ausland agieren Arbeitsämter (Overseas Labor Offices) als erweiterte Arme des Arbeitsministeriums, um arbeitsmigrationsbezogene Programme durchzusetzen und zu verwalten. 2007 wurde das Nationale Reintergrationszentrum für überseeische philippinische Arbeitskräfte (National Reintegration Center for Overseas Filipino Workers) eingerichtet, das Angebote zur Unterstützung der Reintegration von zurückkehrenden Arbeitsmigranten und ihren Familien zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus haben die Philippinen bilaterale und multilaterale Abkommen über Arbeitsmigranten als Ergänzung zu unilateralen Strategien zum Management internationaler Arbeitsmigration abgeschlossen. Zwischen 1968 und 2011 hat die Regierung 37 bilaterale Arbeitsabkommen mit insgesamt 21 Ländern ratifiziert. Die Philippinen sind ebenfalls Unterzeichner von wichtigen internationalen Abkommen zum Wohl von Arbeitsmigranten und ihren Familien, darunter beispielsweise die UN Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen und die Konventionen Nr. 97 (Migration for Employment), Nr. 143 (Migrant Workers) und Nr. 189 (Domestic Workers) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese Abkommen haben vermutlich aber nur geringe positive Auswirkungen für die Sicherheit der Arbeitskräfte, da viele Zielländer temporärer philippinischer Arbeitsmigranten sie nicht unterzeichnet haben.