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Staatsbürgerschaft | Niederlande | bpb.de

Staatsbürgerschaft

Evelyn Ersanilli

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Seit Jahrhunderten haben die Niederlande Einwanderer angezogen. Diese wurden lange Zeit dazu ermutigt, ihre eigene Kultur beizubehalten. Das hat sich seit den 1990er Jahren jedoch geändert. Seitdem ist der Druck zur Anpassung an die niederländische Kultur deutlich gewachsen; eine erfolgreiche Integration ist für Einwanderer zunehmend zur Voraussetzung geworden, um Rechte zu erlangen. Das gilt auch für den Erwerb der Staatsangehörigkeit: Seit 2003 müssen Bewerber um die Staatsangehörigkeit einen Einbürgerungstest bestehen, der Sprach- und Landeskundekenntnisse abfragt.

Einwanderer mit Einbürgerungsverträgen der Stadt Utrecht (1995): Seit 2003 müssen Bewerber um die Staatsangehörigkeit einen Einbürgerungstest bestehen, der Sprach- und Landeskundekenntnisse abfragt. (© dpa)

Die Staatsbürgerschaftspolitik der Niederlande ist vergleichsweise offen. Seit 1953 erhält die dritte Generation (z.B. Enkel von Einwanderern) von Geburt an die niederländische Staatsangehörigkeit. Im Jahr 1985 führten die Niederlande ein neues Gesetz zur Staatsbürgerschaft ein, welches das bis dahin geltende Gesetz von 1892 ablöste. Dieses neue Gesetz erleichterte das Erlangen der Staatsbürgerschaft für Migranten der zweiten Generation. Beispielsweise können in den Niederlanden geborene Kinder von Einwanderern nun zwischen ihrem 18. und 25. Lebensjahr entscheiden, ob sie die niederländische Staatsbürgerschaft annehmen wollen. In anschließenden Gesetzesänderungen, die 2003 in Kraft traten, wurde die Begrenzung auf diese Altersspanne zwar aufgehoben, aber das Optionsrecht wurde im Falle eines laufenden Ermittlungsverfahrens nur vorbehaltlich des Ermittlungsausgangs eingeräumt.

Einwanderer können sich nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt in den Niederlanden einbürgern lassen, bzw. nach drei Jahren, wenn eine Ehe mit einem niederländischen Staatsangehörigen besteht. Bis zum Jahre 2003 waren die Anforderungen an die Einwanderer äußerst gering: Antragsteller auf Einbürgerung mussten lediglich vorweisen, dass sie keine erheblichen Vorstrafen hatten und einen verhältnismäßig anspruchslosen mündlichen Sprachtest absolvieren, der ihre Niederländischkenntnisse prüfen sollte. Für gewöhnlich beinhaltete dieser Test ein Gespräch mit einem Beamten, welcher den Bewerber darum bat, in niederländischer Sprache Auskunft über seinen Namen, seinen Geburtsort, seine Adresse und das Jahr der Einwanderung zu geben. Diese vergleichsweise niedrigen Anforderungen, die für eine Einbürgerung erfüllt werden mussten, waren von der niederländischen Regierung bewusst gewählt. Die Regierung empfand es als elementar, die rechtliche Gleichstellung von Einwanderern sicherzustellen. Die Gewährung der Staatsbürgerschaft wurde als geeignete Möglichkeit betrachtet, dies zu gewährleisten. Die Einbürgerung wurde darüber hinaus als wichtiger Schritt zur Integration verstanden. In den 1980er und 1990er Jahren organisierte die Regierung immer wieder öffentliche Kampagnen, die Einwanderer ermutigen sollten, sich einbürgern zu lassen. Auch nicht eingebürgerte Einwanderer, die sich legal in den Niederlanden aufhalten, verfügen über eine Vielzahl von Rechten, die in vielen anderen Ländern nur für Staatsbürger gelten. So dürfen Ausländer seit 1985 im öffentlichen Dienst arbeiten; ausgenommen davon ist lediglich der Dienst bei Polizei und Militär. Zudem dürfen Einwanderer, die keine niederländischen Staatsbürger sind, nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthaltes, an Wahlen auf kommunaler Ebene teilnehmen.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Im Januar 1992 wurde die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt. Dies führte zu einem Anstieg der Einbürgerungsrate. Das Konzept blieb jedoch höchst umstritten und wurde im Oktober 1997 wieder abgeschafft. Infolgedessen sank die Einbürgerungsrate von 10,9 Prozent im Jahr 1996 auf 8,2 Prozent 1998 (vgl. Abbildung 4). Der Zwang zur Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit wird zuweilen allerdings nicht sehr konsequent durchgesetzt, es lassen sich zahlreiche Ausnahmen feststellen. So wird Einwanderern auch heute noch häufig die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt, was dazu geführt hat, dass die Zahl der Doppelstaater von 600.000 im Jahr 1998 auf 1,3 Millionen 2014 angestiegen ist. Dieser Anstieg geht nicht nur auf anhaltende Ausnahmen vom Zwang zur Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit zurück, sondern ist das Ergebnis früherer Politiken. Eltern, die vor der Abschaffung der Regelung zwei Staatsangehörigkeiten besaßen, können diese an ihre Kinder weitervererben.

Verschärfung des Einbürgerungsrechts

Abbildung 4: Einbürgerungsrate und Zahl der Doppelstaater (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Im Einklang mit der allgemeinen Verschärfung der Integrationspolitik sind auch die Bedingungen, die an eine Einbürgerung geknüpft sind, strenger geworden. Die Gewährung der Staatsangehörigkeit wird nicht mehr als ein Mittel zur Beschleunigung der Integration betrachtet, sondern als Belohnung für Einwanderer, die sich durch eine bereits erfolgreiche Integration als der Staatsbürgerschaft würdig erwiesen haben. Um prüfen zu können, wie erfolgreich sich ein Antragsteller bereits in die Gesellschaft integriert hat, wurde 2003 ein offizieller Einbürgerungstest eingeführt. Dieses schriftliche Examen testet sowohl die Niederländischkenntnisse des Bewerbers als auch sein Wissen über die niederländische Kultur und Gesellschaft. Die Einführung des Einbürgerungstests hat zu einem Rückgang der Einbürgerungen geführt. 2005 lag die Einbürgerungsrate bei 3,2 Prozent, was im Vergleich zu anderen europäischen Ländern immer noch hoch ist. 2013 lag sie auf einem etwa vergleichbaren Niveau wie 2005. Seit 2007 müssen Personen, die einen Integrationstest bestanden haben, keinen Einbürgerungstest mehr ablegen . 2008 wurden Einbürgerungszeremonien eingeführt. Diese finden am nationalen Einbürgerungstag (15. Dezember) und an anderen von den Gemeinden festgelegten Tagen statt. Bewerber um die niederländische Staatsangehörigkeit nehmen an diesen Zeremonien teil und erklären ihre Verbundenheit mit den Niederlanden (verklaring van verbondenheid).

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Fussnoten

Fußnoten

  1. 1984 erklärte der verantwortliche Staatssekretär, dass weder die "Identifikation mit dem niederländischen Volk und seiner Geschichte" noch die "Aufgabe der eigenen Kultur und der Verbundenheit mit dem Herkunftsland" für die Einbürgerung notwendig sei (zitiert nach Heijs (1995), S. 193).

  2. Die Einbürgerungsrate, auch Einbürgerungspotenzial genannt, ist definiert als die Zahl der Einbürgerungen geteilt durch die Zahl der Ausländer. Ausgenommen sind Personen, die die niederländische Staatsangehörigkeit per Option (z.B. zweite Generation oder Eheschließung) erwerben.

  3. Siehe Michalowski (2011) für eine interessante Analyse der Inhalte des Tests.

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Dr. Evelyn Ersanilli ist Dozentin am Fachbereich Migrationsstudien am Internationalen Migrationsinstitut (IMI) der Universität Oxford. E-Mail: E-Mail Link: evelyn.ersanilli@qeh.ox.ac.uk