Deutschland: Bericht belegt höheres Armutsrisiko von Migranten
Am 6. März hat die Bundesregierung ihren vierten Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht. Demnach ist das Armutsrisiko von Personen mit Migrationshintergrund weiterhin höher als das von Personen ohne Zuwanderungsgeschichte.Der unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales verfasste Bericht trägt Ergebnisse zu wesentlichen Entwicklungen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Gesundheit zusammen und befasst sich schwerpunktmäßig mit der sozialen Mobilität im Lebensverlauf. Er umfasst den Berichtszeitraum 2007 bis 2011. Insgesamt haben sich die Arbeitsmarkt- und Einkommensbedingungen der Menschen in Deutschland verbessert. Die Einkommensspreizung hat im Berichtszeitraum leicht zugenommen. Der Bericht zeigt aber auch, dass die Bevölkerung mit Migrationshintergrund weiterhin deutlich schlechtere materielle Lebensbedingungen und Teilhabechancen hat als die Bevölkerung ohne Zuwanderungsgeschichte (vgl. Ausgabe 6/08).
Personen mit Migrationshintergrund
Im Jahr 2010 lebten 15,7 Mio. Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland (vgl. Ausgaben 8/12, 8/11). Das waren rund ein Fünftel (19,3 %) der Gesamtbevölkerung. Über die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. In der Altersgruppe der Unter-Fünfjährigen hatten 35 % einen Migrationshintergrund. In 2,3 Mio. von insgesamt 11,7 Mio. Familien in Deutschland hatte mindestens ein Familienmitglied einen Migrationshintergrund (19,7 %, vgl. Ausgaben 4/12, 7/08).Neben Alleinerziehenden sind es vor allem Familien mit Migrationshintergrund, die überdurchschnittlich oft einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind. Unter Armutsrisiko verstehen die Autoren das Vorliegen eines bedarfsgewichteten Nettoeinkommens von weniger als 60 % des nationalen Durchschnittseinkommens. Hierbei werden sowohl altersspezifische Bedarfe als auch Einsparungen von Mehr- gegenüber Ein-Personen-Haushalten berücksichtigt. Die sogenannte Armutsrisikogrenze beträgt je nach verwendeter Datenbasis 848 Euro (2011, Mikrozensus), 952 Euro (2010, EU-SILC) bzw. 993 Euro (2010, Sozio-ökonomisches Panel) pro Monat.
Materielle Situation von Migrantenfamilien

Insgesamt sind die materiellen Lebensbedingungen von Migrantenfamilien deutlich schlechter als die von Familien ohne Zuwanderungsgeschichte. Sie verfügten 2009 mit 2.208 Euro über ein um 13 % geringeres mittleres monatliches Nettoeinkommen im Vergleich zu Familien ohne Migrationserfahrung (2.538 Euro). Auch leben sie häufiger von Transferleistungen, insbesondere von Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Ihr Armutsrisiko ist doppelt so hoch wie das von Familien ohne Migrationshintergrund (vgl. Abb.). Zwar weisen die Familien mit Migrationshintergrund mit 14 % einen geringeren Anteil von Alleinerziehenden auf als diejenigen ohne Migrationshintergrund (19 %). In diesen Familien treffen aber beide Risikofaktoren, Migrationshintergrund und alleinige Erziehungsaufgabe, zusammen. Dadurch sind sie besonders häufig von Armut bedroht: Während 37 % der Alleinerziehenden ohne Migrationshintergrund ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle beziehen, trifft dies auf die Hälfte (51 %) der Alleinerziehenden mit Migrationshintergrund zu. Die Autoren des Berichts identifizieren geringere Bildung und schlechteren Arbeitsmarktzugang als wesentliche Ursachen für die vergleichsweise schlechte materielle Situation der Familien mit Migrationshintergrund. So haben 28 % der Eltern mit Migrationshintergrund keine anerkannte berufliche Qualifikation, unter den Eltern ohne Migrationshintergrund sind dies nur 7 %.
Bildung und Ausbildung
Die geringere Nutzung von Bildungsangeboten durch Menschen mit Migrationshintergrund beginnt schon in der frühkindlichen Bildung. Bei den Unter-Dreijährigen besuchten 2011 14 % der Kinder mit Migrationshintergrund eine Kinderkrippe. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund lag die Betreuungsquote bei 30 %. Trotz des Ausbaus der Krippenplätze in den letzten Jahren ist der Abstand zwischen den Anteilen von extern betreuten Kleinkindern mit und ohne Migrationshintergrund sogar gestiegen (vgl. Ausgaben 2/12, 4/11). Auch bei den Drei- bis Sechsjährigen bestehen Unterschiede. Hier lag der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund mit 85 % deutlich unter der von Kindern ohne Migrationshintergrund (97 %). In dieser geringeren Betreuungsquote schlägt sich die geringere Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Migrationshintergrund nieder (50 % gegenüber 72 %). Diese bleiben häufiger zuhause bei ihren Kindern, statt sich um einen der in Deutschland weiterhin knappen Betreuungsplätze zu bemühen.Im weiteren Bildungsverlauf setzen sich die Nachteile für die Kinder von Migranten fort. Besucht die größte Gruppe der Kinder ohne Migrationshintergrund in Deutschland ein Gymnasium (37,8 %), findet sich die größte Gruppe der Kinder mit einem Migrationshintergrund beider Eltern auf einer Hauptschule wieder (35,4 %). Rund 40 % der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die eine betriebliche Ausbildung anstreben, sind auch zweieinhalb Jahre nach dem Schulabschluss ohne Ausbildungsplatz. Unter den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund trifft dies auf etwa ein Viertel zu. Neben schlechteren schulischen Leistungen stellen die Autoren vor allem für türkische und arabische Bewerber systematische Benachteiligungen bei der Stellenvergabe fest (vgl. Ausgaben 9/12, 7/12).