Irak: Flüchtlinge suchen Schutz in autonomer Region Kurdistan
Mehr als eine Million Iraker sind im laufenden Jahr 2014 bereits aus ihren Herkunftsregionen vertrieben worden. Seit Juni nimmt die Fluchtdynamik stark zu. Die Menschen fliehen momentan vor allem vor den Milizionären des "Islamischen Staates" (IS). Ein Großteil der Flüchtlinge findet Schutz in der autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak. Nach Deutschland gelangen bisher nur wenige der in diesem Jahr geflohenen Iraker.Nach aktuellen Informationen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurden im Zeitraum von Januar bis August 2014 fast 200.000 Familien beziehungsweise über eine Million Einzelpersonen aus ihren Herkunftsregionen im Irak vertrieben (vgl. Ausgabe 5/14). Davon haben laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) beinahe 700.000 Menschen im nordirakischen Kurdistan Zuflucht gefunden. Viele Flüchtlinge werden aus Mangel an Unterkünften in Schulgebäuden untergebracht. Etwa die Hälfte der 5.746 Schulen in der autonomen Region beherbergt inzwischen Schutzsuchende, was die Aufnahme des regulären Schulbetriebs zu gefährden droht. In der Region sind laut UNHCR bereits 200.000 Syrer untergebracht worden, die vor dem Bürgerkrieg in den benachbarten Irak geflohen waren (vgl. Ausgaben 6/14, 10/13, 3/12). Die kurdischen Gebiete werden in erster Linie von Peschmerga, den Streitkräften der autonomen Region Kurdistans, gegen die Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) verteidigt.
Fluchtursachen
Die Menschen fliehen vor allem vor religiöser Verfolgung durch IS-Milizen. Dies betrifft insbesondere Nicht-Muslime, Schabak, Jesiden und Christen, die dazu gezwungen werden sollen, zum Islam zu konvertieren und den religiösen Auslegungen des IS zu folgen. Jesiden hatten sich Mitte August aufgrund der vordringenden IS-Milizen zu Zehntausenden in das Sindschar-Gebirge an der Grenze zu Syrien geflüchtet, wo zahlreiche Menschen ohne Zugang zu Wasser und Lebensmitteln verdursteten und verhungerten. Das US-amerikanische Militär flog Hilfsgüter in die Region und Luftangriffe auf Stellungen der IS. Peschmerga ermöglichten wiederum einen Fluchtkorridor aus dem Gebirge.Dem Diktat des "Islamischen Staates", das einer radikal-sunnitischen Auslegung des Islam folgt, werden aber auch schiitische Muslime unterworfen, zu denen etwa ein Teil der Turkmenen im Irak gehört. Widersetzen sich die Betroffenen den Zwangsmaßnahmen, drohen ihnen Zwangsvertreibung, Sanktionierung oder Ermordung. In der von den IS-Milizen Mitte Juni eroberten Millionenstadt Mossul sollen von den zuletzt dort lebenden 35.000 Christen lediglich noch 20 Familien vor Ort sein, was laut Human Rights Watch in ähnlicher Dimension für Schabak, Jesiden und Turkmenen gilt. Die Vereinten Nationen, Amnesty International (ai) und die Gesellschaft für bedrohte Völker berichten von öffentlichen Hinrichtungen und (sexuellem) Missbrauch durch die IS-Milizen. Anfang September sprach ai in einem Bericht von "ethnischen Säuberungen" und Massenhinrichtungen durch die IS-Milizen. Gleichzeitig fliehen zahlreiche Zivilisten, die zwischen die Fronten des IS und der irakischen Armee sowie der militärischen Interventionen einzelner Drittstaaten geraten.