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Klimapolitik in Deutschland | Klimawandel | bpb.de

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Klimapolitik in Deutschland

Michaela Roelfes

/ 5 Minuten zu lesen

Welche Akteure tragen in Deutschland zur Ausgestaltung und Umsetzung von Klimapolitik bei? Im Folgenden wird dargelegt, wie diese Querschnittsaufgabe im politischen System und den verschiedenen Institutionen verankert ist.

Blick in den Bundesrat vor der Abstimmung zum Klimapaket (20.12.2019). (© picture-alliance/dpa, Jörg Carstensen)

Wer von Klimapolitik spricht, nutzt nicht selten das Wort "Querschnittsaufgabe". Dieses Wort bezieht sich auf die Erkenntnis, dass Klimawandel als politische Aufgabe und gesellschaftliche Herausforderung nicht von einem Akteur, nicht auf einer politischen Entscheidungsebene und auch nicht in einem gesellschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Sektor alleine überwunden werden kann. Deswegen sprechen Politikwissenschaftler*innen im Kontext der Klimapolitik oft von Governance und meinen damit, dass Klimapolitik immer auch unterschiedliche Prozesse der vertikalen und horizontalen Politikintegration und in Folge die Integration unterschiedlicher Akteuren beinhalten muss.

Die Klimapolitik in Deutschland ist also eingebettet in zwischenstaatliche und völkerrechtliche Abkommen der Interner Link: internationalen Klimapolitik. Sie muss außerdem Ihren Beitrag zu den Zielen der Europäischen Union (EU) leisten, die seit 2021 in einer Verordnung – dem Externer Link: Europäischen Klimagesetz – festgehalten und damit für die Interner Link: Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich sind.

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates"Europäisches Klimagesetz"

Ausgewählte Passagen aus der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 ("Europäisches Klimagesetz"):

(1) Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung dar, die eine ehrgeizigere Zielsetzung und verstärkte Klimaschutzmaßnahmen durch die Union und die Mitgliedstaaten erfordert. Die Union hat zugesagt, sich verstärkt um die Bekämpfung des Klimawandels und die Umsetzung des im Rahmen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen geschlossenen Übereinkommens von Paris (im Folgenden "Übereinkommen von Paris") zu bemühen, und zwar auf der Grundlage ihrer Prinzipien und der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse im Kontext des langfristigen Temperaturziels des Übereinkommens von Paris.

[...]

(4) Ein festes langfristiges Ziel ist von entscheidender Bedeutung, damit zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, zu hochwertiger Beschäftigung, zu nachhaltigem Wachstum und zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beigetragen wird und das langfristige Temperaturziel des Übereinkommens von Paris in gerechter, sozial ausgewogener, fairer und kosteneffizienter Weise erreicht wird.

(Art. 1) [...] Diese Verordnung gibt das verbindliche Ziel vor, für die Verwirklichung des in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Übereinkommens von Paris festgelegten langfristigen Temperaturziels bis zum Jahr 2050 in der Union Klimaneutralität zu erreichen, und schafft einen Rahmen für Fortschritte bei der Verwirklichung des in Artikel 7 des Übereinkommens von Paris festgelegten globalen Ziels für die Anpassung. Außerdem wird in der vorliegenden Verordnung eine verbindliche Unionsvorgabe für die Senkung der Nettotreibhausgasemissionen innerhalb der Union für 2030 festgelegt.

[...]

Quelle: Externer Link: VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“)

Klimapolitik der Bundesregierung

2016 kam die Bundesregierung mit dem Externer Link: Klimaschutzplan 2050 ihrer Verpflichtung nach, eine langfristige Klimaschutzstrategie im Sinne des Interner Link: Pariser Abkommens zu verabschieden. Mit dem Externer Link: Klimaschutzprogramm 2030 wurde dieser Klimaschutzplan 2019 weiterentwickelt und ein Externer Link: Klimaschutzgesetz verabschiedet, das die (Sektor-)Ziele, den Umsetzungsprozess inklusive Monitoring und einen Mechanismus zur Nachsteuerung bei Zielverfehlung rechtlich verankert. Dieses Klimaschutzprogramm wurde jedoch von vielen Expert*innen als Externer Link: unzulänglich bewertet und als Externer Link: "Klimapäckchen" eingestuft.

Allgemein anerkannt ist auch die Diagnose, dass die Bundesregierung ihr Gesamtreduktionsziel für 2020 nur aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie einhalten konnte (siehe Klimabilanz vom März 2021). Diese hatten insbesondere auf den Verkehrssektor große Auswirkungen, dessen Bilanz ansonsten schlechter ausgefallen wäre. Dies scheint sich mit der Externer Link: Klimabilanz für 2021 auch zu bestätigen, die einen Anstieg der Treibhausgasemissionen insgesamt um 4,5 % im Vergleich zu 2020 beobachtet anstelle einer weiteren Reduktion. In 2021 konnten Gebäude- und Verkehrssektor die jährlichen Minderungsziele nach Klimaschutzgesetz nicht einhalten, sodass der Nachsteuerungsmechanismus (§ 8 Abs. 1 KSG) greift: Die zuständigen Ressorts der Bundesregierung müssen innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm mit zusätzlichen Maßnahmen zur Emissionsminderung vorlegen, um diese Umsetzungslücke zeitnah schließen zu können.

Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) Sofortprogramm bei Überschreiten der Jahresemissionsmengen (§ 8 KSG)

(1) Weisen die Emissionsdaten nach § 5 Absatz 1 und 2 eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor in einem Berichtsjahr aus, so legt das nach § 4 Absatz 4 zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat für Klimafragen nach § 11 Absatz 1 ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.

(2) Die Bundesregierung berät über die zu ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder in anderen Sektoren oder über sektorübergreifende Maßnahmen und beschließt diese schnellstmöglich. Dabei kann sie die bestehenden Spielräume der Europäischen Klimaschutzverordnung berücksichtigen und die Jahresemissionsmengen der Sektoren gemäß § 4 Absatz 5 ändern. Vor Erstellung der Beschlussvorlage über die Maßnahmen sind dem Expertenrat für Klimafragen die den Maßnahmen zugrunde gelegten Annahmen zur Treibhausgasreduktion zur Prüfung zu übermitteln. Das Prüfungsergebnis wird der Beschlussvorlage beigefügt.

(3) Die Bundesregierung unterrichtet den Deutschen Bundestag über die beschlossenen Maßnahmen.

(4) Für den Sektor Energiewirtschaft sind die Absätze 1 bis 3 beginnend mit dem Berichtsjahr 2023 im Turnus von drei Jahren entsprechend anzuwenden.


Quelle: Externer Link: Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG)

Klimapolitik der Länder und Kommunen

Neben den nationalen Klimaschutzzielen und -maßnahmen, gibt es auch auf den untergeordneten politischen Ebenen Klimaschutzbestrebungen. Stand November 2021 haben insgesamt zehn Bundesländer eine Klimaschutzgesetzgebung inklusive quantifizierter und terminierter Reduktionsziele vereinbart. Das erste Landesklimaschutzgesetz wurde im Januar 2013 in Nordrhein-Westfalen verabschiedet, das jüngste im Januar 2021 in Berlin. Die rechtliche Verankerung von Klimaschutzzielen fehlt bisher in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland. Gegen alle sechs Bundesländer ohne Klimaschutzgesetzgebung liegen mittlerweile Klagen von jungen Bürger*innen – unterstützt durch die Deutsche Umwelthilfe – vor.

Auch Kommunen engagieren sich seit Jahrzehnten für den Klimaschutz, entwickelten Klimaschutzstrategien und -maßnahmenprogramme und institutionalisierten das Klimaschutzmanagement. 2020 haben zudem viele Kommunen den Klimanotstand ausgerufen und schließen sich seither der Externer Link: race to zero-Kampagne der Vereinten Nationen an. Klimaschutz gehört allerdings nicht zu den so genannten Pflichtaufgaben einer Kommune. Gerade strukturschwache Kommunen sind daher für die Umsetzung von Klimaschutz auf Projektförderungen angewiesen.

Das Bundesverfassungsgericht

Nicht zuletzt muss die deutsche Klimapolitik auch ihrer eigenen Verfassung Genüge tragen, wie eine historische Externer Link: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ende März 2021 zeigte. Dieses beurteilte die Ambitionen des bestehenden Klimaschutzgesetzes als unzureichend: Die festgelegten Emissionsreduktionspfade könnten, so das Gericht, signifikante Auswirkungen des Klimawandels nicht verhindern und damit die Freiheitsrechte der jüngeren Generationen nicht gewährleisten. In Konsequenz mussten die Bundesregierung und der Bundestag die Zielsetzungen des deutschen Klimaschutzgesetzes verschärfen. Für Deutschland Externer Link: gilt seit Mitte 2021, dass bis 2030 60 % weniger und bis 2040 88 % weniger Emissionen ausgestoßen werden dürfen. Bis 2045 soll die Klimaneutralität erreicht werden.

Exekutive und Ressortzusammenarbeit

Neben der vertikalen gibt es aber auch noch zwei weitere Integrationsherausforderungen für die sogenannten "Querschnittsaufgaben". Horizontale Integration meint im engeren Sinne die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts und Fachbereiche auf einer politischen Ebene zur Umsetzung konkreter Ziele und Visionen. Exekutive und Legislative sind in Deutschland fast ausschließlich nach unterschiedlichen Fach- bzw. Politikbereichen organisiert. Querschnittsaufgaben, wie der Klimaschutz, können aber ihrer Natur nach nicht nur von einem Ressort alleine erfolgreich umgesetzt werden. Unterschiedliche Organisationseinheiten müssen im Interesse des Gemeinwohls zusammenarbeiten. Die Organisation und Arbeitskultur von Verwaltungen in Deutschland – diese Erkenntnis setzt sich langsam durch – kann diesen Herausforderungen bisher kaum gerecht werden. Ressortabgrenzungen und Zuständigkeitsdenken, aber auch festgefahrene Prozesse stehen dem noch zu häufig entgegen.

Wechselwirkungen und Politikpakete

Horizontale Politikintegration erfordert aber auch einen harmonisch aufeinander abgestimmten Maßnahmenmix, sowohl in Bezug auf die Restriktionen und Anreize zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, aber auch in Bezug auf die positiven wie negativen Wechselwirkungen mit anderen Zieldimensionen der nachhaltigen Entwicklung: Während viele Klimaschutzmaßnahmen voraussichtlich positive Effekte andere ökologische, soziale und ökonomische Ziele haben, so muss auch mit einigen Zielkonflikten gerechnet werden: Aufforstungsmaßnahmen zum Aufbau von Kohlenstoffsenken konkurrieren beispielsweise mit der Landwirtschaft um begrenzt verfügbare Landflächen, die wiederum gerade für eine ökologische Landwirtschaft und damit als Basis für eine nachhaltige Ernährung notwendig sind. Effektiver Klimaschutz setzt daher einen klugen Mix von Maßnahmen voraus, mit dem positive Rückkopplungseffekte verstärkt und negative Effekte abgefedert werden.

Besonders heftig wurde und wird die Einführung und Höhe eines CO2-Preises für die Sektoren Verkehr und Gebäude diskutiert. Seit 2021 gibt es einen solchen CO2-Preis in Deutschland, der bei bisher 25 Euro pro Tonne CO2 liegt. Die in 2021 gewählte Bundesregierung setzt in ihrem Externer Link: Koalitionsvertrag "auf einen steigenden CO2-Preis" und verspricht sozialen Ausgleich durch ein "Klimageld". Dadurch soll das Verursacher*innen-Prinzip, das dem CO2-Preis zugrunde liegt, um die Auszahlung einer solidarischen und vom tatsächlichen CO2-Fußabdruck entkoppelten pro-Kopf-Pauschale ergänzt werden. Erfahrungen mit einer solchen "Klimadividende" sammelt die Schweiz bereits seit 2008.

Akteurseinbindung und Governance

Hinzu kommt, dass beim Klimaschutz eine Vielzahl von Stakeholdern eingebunden werden wollen und müssen, die nicht Teil der Legislative, Exekutive oder Judikative unseres politischen Systems sind: Für die erfolgreiche Umsetzung von Klimapolitik bedarf es einer gesicherten Wissensbasis, deren Interner Link: Bereitstellung Aufgabe der Wissenschaft ist. Es bedarf aber auch einer Interner Link: Akzeptanz der Maßnahmen durch Wirtschaft, organisierte Zivilgesellschaft und die Bürger*innen. Diese Akzeptanz kann sowohl durch eine Ambitions- und/oder Umsetzungslücke gefährdet sein, als auch durch als übertrieben wahrgenommene Restriktionen.

In diesem Sinne muss Klimapolitik einen Ausgleich der Interessen vornehmen, darf dabei aber niemals das Gemeinwohl aus dem Blick verlieren und das Mögliche nicht auf den Minimalkompromiss reduzieren. Diese Aufgabe ist alles andere als trivial, denn neben der Notwendigkeit eine Vielzahl von Akteuren für diese Herausforderung zu aktivieren, muss Klimapolitik gleichzeitig auch in ihrer Wechselwirkung zu anderen Zielen der nachhaltigen Entwicklung betrachtet und entsprechend geschickt gestaltet werden.

Weitere Inhalte

Michaela Roelfes, B.Sc. Sozialwissenschaften, M.A. Politikwissenschaften in Köln und Istanbul; Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut. Sie arbeitet vorwiegend zur Governance nachhaltiger Entwicklung.