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Migrations- und Wirtschaftspolitik an der Grenze zu Mexiko | USA | bpb.de

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Migrations- und Wirtschaftspolitik an der Grenze zu Mexiko

Günther Maihold

/ 11 Minuten zu lesen

Das Verhältnis der USA zum südlichen Nachbarn wird von engen Wirtschaftsbeziehungen und dem konfliktreichen Thema Grenzpolitik geprägt. Die Trump-Regierung war gegen irreguläre Zuwanderung aus Mexiko und Zentralamerika mit Abschottung und der Errichtung von Sicherheitsanlagen vorgegangen. Der neue Präsident Joe Biden muss sich der anhaltenden humanitären Krise an der Grenze stellen.

Eine Ansammlung an Menschen unter befahrener Brücke. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | William Luther)

Die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko sind lange Zeit durch ein Wohlstandsgefälle zwischen der reichen Supermacht im Norden und dem ärmeren Nachbarn im Süden gekennzeichnet gewesen. Seit Inkrafttreten des Interner Link: NAFTA-Freihandelsabkommens im Jahr 1994 hat sich daraus allmählich ein Verhältnis auf Augenhöhe entwickelt. Politiker beider Staaten versuchten – nicht zuletzt angesichts der Interner Link: gemeinsamen Herausforderungen wie der Migrationsfrage und dem grenzübergreifenden Drogenschmuggel – die "geteilte Verantwortung" in den Vordergrund zu stellen.

Die strukturelle Abhängigkeit Mexikos von den USA besteht jedoch weiter fort. An der gemeinsamen Grenze kristallisieren sich Sicherheitsprobleme, Migrationsfragen, wirtschaftliche Dynamiken und Krisen, Transport- und Logistikprozesse, Energie- und Umweltkonflikte sowie Urbanisierungsfolgen.

Mit der Wahl von Interner Link: Donald Trump zum US-Präsidenten war die Beziehung der beiden Staaten in eine neue Phase getreten, wobei Mexiko von manchen Beobachterinnen und Beobachtern als erstes Opfer von Trumps "America First"-Politik gesehen wurde. Bereits im Wahlkampf 2016 hatte er das Nachbarland als Bedrohung für die USA konstruiert. Bei der Ankündigung seiner Präsidentschaftskandidatur hatte Trump am 16. Juni 2015 erklärt: "Sie [die mexikanische Bevölkerung] sind nicht unsere Freunde, glaubt mir. Sie bringen Drogen mit. Sie bringen Verbrechen mit sich. Das sind Vergewaltiger. Und einige, nehme ich an, sind gute Menschen." Die Grenze und die Forderung nach einer Grenzmauer wurden zu zentralen Themen des Wahlkampfs und später auch des Regierungshandelns. In einem Tweet schrieb Trump am 2. Juni 2019: "Das Problem ist, dass Mexiko die Vereinigten Staaten 'missbraucht‘, es nimmt, aber gibt nie. (…) Mexiko muss die Invasion unseres Landes durch Drogenhändler, Kartelle, Menschenhändler, Schleuser und illegal Einwandernde stoppen."

Die Regierung Trump hat ihren NAFTA-Partner Mexiko, vor allem aus innen- und wahlpolitischen Motiven zum nationalen Sicherheitsrisiko und Anlass für den nationalen Notstand erklärt. Um Mexikos Kooperationswilligkeit zu erzwingen, nutzte sie die Asymmetrie der Beziehung und verknüpfte handels-, migrations- und sicherheitspolitische Agenden. Damit wurde die vorherige Politik, die auf den Aufbau eines verlässlichen Partners durch Integration setzte, zugunsten einer Politik der Abschottung aufgekündigt. Galt früher die Maxime, es liege im nationalen Interesse, an der Südgrenze einen erfolgreichen und wirtschaftlich prosperierenden Nachbarn zu stützen, so gab es unter Trump inzwischen eine Abgrenzungspolitik, die eine Schwächung des Nachbarn bewusst in Kauf nahm.

Die Rolle Mexikos in der Nachbarschaftsbeziehung mit den USA

Mexiko war für die USA früher wegen seines Erdölreichtums von Interesse. US-Firmen kontrollierten bis zur Nationalisierung des Ölsektors durch Mexiko 1938 den Zugang und die Nutzung dieser Ressource. Diesen Ölreichtum setzte Mexiko danach lange Zeit in Verhandlungen mit dem nördlichen Nachbarn ein; heute kann es sich angesichts mangelnder Prospektion und sinkender Förderraten damit kaum mehr in eine günstige Position bringen. Das Profil des Außenhandels hat sich verschoben: Anfang der 1980er Jahre entfielen 70 % des Exportwerts auf Erdöl und Erdölerzeugnisse; heute trägt das verarbeitende Gewerbe mehr als 86 % zu den Gesamtausfuhren Mexikos bei.

Das wirtschaftliche Potenzial des Landes liegt damit in den niedrigen Lohnkosten, die von US-Unternehmen, etwa im Bereich der Automobilindustrie, genutzt werden. In den Grenzregionen der beiden Länder haben sich komplementäre Arbeitsmärkte herausgebildet, die für unterschiedliche Produktionsabschnitte die jeweils günstigsten Konditionen auf der einen oder anderen Seite der Grenze nutzen. Diese Interdependenz hat viele Arbeitsplätze in den unteren Lohnsegmenten in Mexiko geschaffen, sie birgt aber auch Gefahren: So schnell das Land von einer ansteigenden Konjunktur in den USA profitiert, so unmittelbar wird es auch von rezessiven Tendenzen erreicht. Nicht zuletzt im Kontext der Covid-19-Pandemie sind jedoch die Lieferketten zwischen beiden Ländern unterbrochen worden, die wirtschaftliche Dynamik wurde insbesondere in der Grenzregion massiv beeinträchtigt. Der Grenzverkehr leidet erheblich unter den Maβnahmen zur Kontrolle der Pandemie. Das komplexe beiderseitige Verhältnis wird wesentlich von Wirtschaftsbeziehungen geprägt – 80 Prozent des Außenhandels von Mexiko werden mit den USA abgewickelt. Aber auch historische Faktoren sind wichtig: Die Niederlage im US-amerikanisch-mexikanischen Krieg (1846-48) hatte dazu geführt, dass Mexiko die Hälfte seines Staatsgebietes an die USA verlor, was bis heute viele Mexikanerinnen und Mexikaner als Demütigung empfinden. Die Migration von mexikanischen Staatsbürgerinnen und -bürgern wird in den USA zuweilen als "stille Invasion" interpretiert, mit der sie das verlorene Land "zurückerobern" wollten.

Mexiko reagiert auf eine zuweilen erniedrigende Behandlung durch Washington mit einer defensiven Außenpolitik und versucht Provokationen zu vermeiden. Mexikos Präsident Interner Link: Andrés Manuel López Obrador , seit Dezember 2018 im Amt, versucht, die im eigenen Land lautstark artikulierten nationalistischen Positionen unter Kontrolle zu halten.

Im Jahr 2019 lebten 10,9 Millionen aus Mexiko eingewanderte Menschen in den USA. Von ihnen halten sich 5,4 Millionen ohne legalen Aufenthaltsstatus im Land auf und sind von Deportation bedroht. Mexiko hat ein Netz von 50 Konsulaten eingerichtet, um ihnen rechtlichen Schutz vor Abschiebung zu bieten. 2917 gehörten 25,3 Millionen Menschen in den USA der zweiten und dritten migrantischen Generation an, d.h. sie sind in den USA geboren, besitzen also die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Mexikanische Eltern ohne Aufenthaltserlaubnis in den USA sind daher gefährdet, von ihren in den USA geborenen Kindern durch Abschiebung getrennt zu werden.

Eine besondere Gruppe mexikanischer Einwanderinnen und Einwanderer stellen die jugendlichen sogenannten Dreamers dar (nach Development, Relief, and Education for Alien Minors-Act): Personen, die im Kindesalter (mit oder ohne Eltern) in die USA eingewandert sind und kaum Beziehungen zum Geburtsland haben. Etwa 1,4 Millionen Jugendliche haben eine als DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals) bezeichnete vorübergehende Aufenthaltsberechtigung in den USA, die jedoch von der Trump-Administration immer wieder infrage gestellt wurde. Präsident Biden stützt dagegen diese Aufenthaltsregel, eine dauerhafte gesetzliche Verankerung scheitert jedoch bislang an der fehlenden Mehrheit für eine gesetzliche Regelung und an Auseinandersetzungen mit den Gerichten.

Die Mauer als Symbol und politische Praxis

Ein zentraler Punkt der Regierungsagenda von Donald Trump war der Bau einer Mauer als Grenzsicherungsanlage. Während seiner Amtszeit sind an ca. 700 km der 3.144 km langen Grenze Sicherungsanlagen installiert worden; zudem sind in abgelegenen Gebieten massivere Anlagen errichtet worden, die illegale Grenzübertritte mithilfe von Kraftfahrzeugen verhindern sollen. Die Mauer ist zugleich ein Instrument symbolischer Abgrenzung, das – so das Narrativ – die "Invasion" in die Wohlfahrtssysteme der USA und die Unterwanderung durch organisierte Kriminalität abwendet. Damit schwindet die Vorstellung von "geteilter Verantwortung" im Sinne von Lastenteilung und wird ersetzt durch die Überwälzung von Problemen an den südlichen Nachbarn, insbesondere im Bereich der Asylverfahren. Es gilt die Maxime "Remain in Mexico". Nach den Migrant Protection Protocols (MPP) vom Januar 2019 sollen Asylbewerberinnen und Asylbewerber die Bearbeitung ihres Antrages auf mexikanischem Territorium abwarten, um so den Druck auf die US-Behörden bei der Versorgung der Antragsteller zu reduzieren. Seither wurden ca. 60.000 Personen mit unbearbeiteten Asylanträgen nach Mexiko abgeschoben, weitere 27.000 sind durch Zuwanderung aus dem Süden hinzugekommen, sodass sich die Belastungen der mexikanischen Grenzkommunen durch diese Bevölkerungsgruppe deutlich verstärkt haben. Trotz der Entscheidung von Präsident Biden, diese Regelung außer Kraft zu setzen, ist diese durch Gerichtsentscheid erneut reaktiviert worden.

An der Grenze zwischen Mexiko (Ciudad Juarez) und den USA (El Paso) trafen sich am 21.6.2021 Familien und Aktivistinnen/Aktivisten anlässlich des jährlichen Aktionstags „Hugs not walls“, an dem die Grenzpolitik kritisiert wird. (© picture-alliance, AA | Stringer)

Für die USA hat die Grenzpolitik gegenüber Mexiko von jeher große Bedeutung. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump konnte an eine Reihe von Argumentationsmustern anschließen, die in verschiedenen Phasen der bilateralen Beziehungen im Vordergrund standen. US-Präsidenten haben immer wieder das Personal der Border Patrol aufgestockt und Einheiten der Nationalgarde an die Grenze verlegt. Neu war die Drohung einer Grenzschließung. Trump hatte dies in seiner Amtsantrittsrede betont: "Ich werde an unserer Südgrenze eine große, große Mauer bauen und ich werde Mexiko für die Mauer bezahlen lassen.” Er sah die Investitionen in die Grenzanlagen als Vorleistungen, die später beim südlichen Nachbarn durch Abgaben wieder hereingeholt werden sollen. Die Rede war von der Besteuerung der Rücküberweisungen von in den USA wohnenden Mexikanerinnen und Mexikanern an ihre Familienangehörigen oder der Einführung einer Grenzsteuer. Doch stehen wirtschaftliche Interessen wie die binationalen Wertschöpfungsketten und die komplementären Märkte dem Abgrenzungsinteresse entgegen, sodass auch erhebliche Folgen für den US-Markt bei einer finanziellen Belastung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs zu befürchten wären.

Der erwünschte Abschreckungseffekt des Mauerbaus auf die Migration ist verstärkt worden durch die Trennung minderjähriger Kinder von ihren Eltern, eine Praxis, die von internationalen Organisationen wie UNICEF und dem UNHCR nachdrücklich kritisiert wurde. Von 3.900 separierten Kindern aus Mexiko und Zentralamerika warten 2.000 noch auf eine Familienzusammenführung, bei mehr als 300 sind die Eltern gegenwärtig nicht mehr auffindbar. Ein Teil von ihnen, darunter wohl auch Minderjährige nicht-mexikanischer Herkunft, wurde über die Grenze ins Nachbarland abgeschoben. In der innenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Kongress nutzte die Trump-Administration die Kinder, um die Null-Toleranz-Politik zu unterstreichen und Zugeständnisse bei der Finanzierung des Mauerbaus zu erhalten. Präsident Biden hat diese Praxis als "menschliche Tragödie" bezeichnet und lehnt deren Fortführung ab.

Die migrationspolitische Agenda

Die Abschottung der USA vom südlichen Nachbarn Mexiko und den Staaten in Zentralamerika, zu denen keine geteilte Grenze besteht, hat zugenommen. Mit der anhaltenden Deportation von irregulär eingewanderten Menschen versuchen die USA das Migrationsproblem zu externalisieren, die Herkunftsländer werden zu "Interner Link: sicheren Drittstaaten" erklärt. Damit wurde Mexiko gezwungen, eine aktivere Rolle bei der Begrenzung der steigenden Zahl zentralamerikanischer Migrantinnen und Migranten einzunehmen. Im Ergebnis wurde damit die Südgrenze der USA durch erhöhte Grenzkontrollen faktisch an die mexikanische Südgrenze verschoben. Entsprechenden Druck übte Trump auch auf Guatemala, Honduras und El Salvador als Herkunftsländer der Migrationskarawanen aus – die Länder mussten sich beugen.

Mexiko setzt zur stärkeren Überwachung der Migrationsbewegungen 25.000 Mitglieder der Nationalgarde ein.

Wirtschaftsabkommen USMCA und die handelspolitische Agenda

Für die Regierung Trump war das Handelsbilanzdefizit der USA mit Mexiko neben dem wahlpolitischen Argument der Abwanderung von Arbeitsplätzen in das Nachbarland der zentrale Anstoß, die wirtschaftlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Handelsbilanz der USA mit Mexiko weist seit Jahren einen negativen Saldo aus, im Jahr 2018 lag es bei 81,5 Milliarden US-Dollar. Vor diesem Hintergrund geißelte Trump NAFTA als "das schlechteste Handelsabkommen, das je ausgehandelt wurde." Zentrale Neuregelungen des am 1.07.2020 in Kraft getretenen Nachfolgeabkommens "United States Mexiko Canada Agreement" (USMCA) beziehen sich auf Arbeits- und Umweltschutz, die Ursprungsregeln im Automobilsektor und einzelne Bestimmungen in Bezug auf Streitschlichtungsmechanismen sowie geistiges Eigentum. Besonders relevant sind die Ursprungsregeln, bei denen es um die Festlegung nationaler Inputs aus den drei Ländern geht. So sind diese Quoten etwa für die Automobilindustrie von 62,5 Prozent auf 75 Prozent angehoben wurden. 70 Prozent des eingesetzten Stahls und Aluminiums müssen demnach aus Nordamerika stammen. Gleichzeitig haben sich Kanada und Mexiko bereit erklärt, ihre Autoexporte in die USA auf 2,6 Millionen Fahrzeuge jährlich zu beschränken. Mit der Einigung auf USMCA wurde die Aufkündigung des NAFTA-Abkommens vermieden, was für die wirtschaftliche Stabilität Mexikos ein erhebliches Risiko, aber auch für US-Unternehmen mit Investitionen im Nachbarland erhebliche Kosten mit sich gebracht hätte.

Der US-amerikanisch-mexikanische Handel spiegelt jedoch nur einen Teil der wirtschaftlichen Integration der beiden Länder. Bei den Investitionen ist eine klare Tendenz der US-Unternehmen zu erkennen, sich in Mexiko mit Direktinvestitionen zu engagieren. Im Jahr 2020 lagen sie bei 29,1 Milliarden US-Dollar und nahmen damit einen Spitzenwert im internationalen Vergleich ein. Auch diese Dimension der Wirtschaftsbeziehungen hatte Trump in den Blick genommen und die US-Unternehmen aufgefordert, von weiteren Investitionen Abstand zu nehmen, um eine mögliche Verlagerung von Arbeitsplätzen abzuwenden.

Die sicherheitspolitische Agenda

Die Nachfrage nach Drogen in den USA hat die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen den USA und Mexiko in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig geprägt. Drogenkartelle und ihre Gewaltbereitschaft haben das Verhältnis stark belastet, nicht zuletzt, weil die Probleme auf beiden Seiten der Grenze unterschiedlich wahrgenommen werden. In den USA wird die Drogenproblematik als Frage der öffentlichen Gesundheit diskutiert, in Mexiko wird sie als Thema der Governance, also der Regierungsführung dargestellt, da der Staat die innere Sicherheit in weiten Teilen des Landes nicht mehr gewährleisten kann. Auch beklagt die mexikanische Seite, dass das Land einen hohen Blutzoll für den Drogenkonsum im Nachbarland entrichten muss, ohne dass eine angemessene Lastenteilung stattfinde. Drogenanbau, -handel und -konsum versteht Mexiko als globale Probleme, die nicht alleine von den Produktionsländern gelöst werden können. Die Überforderung der mexikanischen Sicherheitsorgane und der Justiz im Umgang mit den Gewaltakteuren hat das Land seit mehr als 15 Jahren in eine Lage prekärer Staatlichkeit gebracht, in der die Korruption grassiert und Politik und Justiz sowie die verschiedenen Polizeikräfte von Kartellen unterwandert sind. Besonders dramatisch ist die Lage in der Grenzregion, wo die Kartelle um die Kontrolle der legalen und illegalen Grenzübertritte in die USA kämpfen. Dabei geraten auch Migrantinnen und Migranten in das Fadenkreuz der Interessen; Menschen- und Drogenschmuggel überlagern sich zunehmend.

Der von den USA und Mexiko ausgetragene "Krieg gegen die Drogen" mit Beteiligung des Militärs auf beiden Seiten hat einen massiven Anstieg der Gewalt zur Folge. Auch im Jahr 2020 konnte mit 36.579 Toten keine Trendwende erreicht werden. Die bisherige Kooperation im Sicherheitsbereich zwischen beiden Staaten verläuft mit der neuen Regierung Mexikos (seit 2018) eher schleppend. Bei der Bekämpfung des Drogenhandels, krimineller Strukturen und der Geldwäsche betonen beide Seiten jeweils die Wahrung nationaler Souveränität. Von mexikanischer Seite wird auf die hohe Dichte von Waffengeschäften jenseits der Grenze hingewiesen. Die mexikanische Regierung beklagt, dass etwa 70 Prozent aller in Mexiko sichergestellten Schusswaffen aus den USA stammen – ein Grund, dies zum Thema der Verhandlungen mit dem nördlichen Nachbarn zu machen.

Perspektiven des Umgangs der USA mit dem südlichen Nachbarn

Für die USA vermischen sich beim Umgang mit Mexiko in zunehmendem Maße Außen- und Innenpolitik. Die gewachsene Interdependenz in mehreren Bereichen verleiht den Beziehungen zwischen beiden Ländern einerseits eine große Substanz und Stabilität, sie erscheint andererseits durch die Politisierung bestimmter Themen mit großen Problemen behaftet. Die früher angestrebte Partnerschaft auf der Grundlage "geteilter Verantwortung", die zu einer Konvergenz der nationalen Interessen führen sollte, ist Misstrauen und einer Nullsummenlogik gewichen , auch wenn Präsident Biden bemüht ist, gemeinsame Initiativen mit dem Nachbarland wieder aufzulegen. Die Flüchtlings- und Sicherheitskrise am Río Grande ist mit dem Regierungswechsel in Washington nicht verschwunden, das verlorene gegenseitige Vertrauen muss erneut aufgebaut werden. Auch für die Regierung Biden ist die Problemlast an der Südgrenze der USA unmittelbar spürbar geworden: Der Druck auf die Grenze hat deutlich zugenommen, nicht zuletzt hat die Zahl minderjähriger Migrantinnen und Migranten aus Zentralamerika die humanitäre Lage erneut sichtbar gemacht. Biden hat Vize-Präsidentin Interner Link: Kamala Harris mit der Regelung der Migrationskrise und der Gestaltung der Beziehungen zu Mexiko, Guatemala, Honduras und El Salvador beauftragt. Eine Aufgabe, die ihr – angesichts interner und externer Widerstände – alle politischen Fähigkeiten und vor allem Durchsetzungsvermögen abverlangt.

Dieser Artikel erschien zuerst im Interner Link: "Länderbericht USA", Bonn 2020. Er wurde für das USA Dossier gekürzt und aktualisiert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Julia Gelatt, More Than a DREAM (Act), Less Than a Promise, Washington, DC: Migration Policy Institute 2019.

  2. Maureen Meyer / Adam Isacson, The ‘Wall’ Before the Wall: Mexico’s Crackdown on Migration at its Southern Border, Washington, DC: WOLA 2019.

  3. Deutscher Bundestag (Wissenschaftliche Dienste): Neuerungen im nordamerikanischen Freihandelsabkommen, Berlin 2018 (WD 2 - 3000 - 142/18).

  4. Tony Payan, Improvising and muddling through: transnational government networks and security cooperation between Mexico and the U.S., in: Journal of Transatlantic Studies, Bd. 18/2020, S. 253-276.

  5. Stephania Taladrid: Can Biden reverse Trump's Damage to Latin America, in: The Newyorker, 11. Februar 2021.

  6. Ebd.

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Prof. Dr. Günther Maihold ist seit 2004 stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit/Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Er ist Professor für Politikwissenschaft am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Von 1999-2004 war er Direktor des Ibero-Amerikanischen Instituts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Seine Forschungsinteressen sind die Außenpolitiken lateinamerikanischer Staaten sowie organisierte Kriminalität und Demokratie in der Region.