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100 Jahre KPCh – Inszenierung einer Erfolgsgeschichte

Nele Noesselt

/ 9 Minuten zu lesen

Im Juli 2021 feiert die Kommunistische Partei Chinas ihr 100-jähriges Bestehen. Ausstellungen, Gemälde und Fernsehserien visualisieren die partei-offizielle Erfolgsgeschichte, die eine glorreiche Zukunft Chinas als Weltmacht in greifbare Nähe rückt.

Bei Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas zelebrieren tausende Bewohner/-innen der Stadt Yuncheng mit riesigen Flaggen und Bannern. (© picture-alliance, Yan Xin/Costfoto)

Am 1. Juli 2021 eröffnete Interner Link: Xi Jinping mit einer flammend patriotischen Rede die offiziellen Feierlichkeiten des hundertjährigen Parteijubiläums auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Die Parallelen zu Interner Link: Mao Zedongs Ausrufung der Volksrepublik China (VR China) 1949 vom Tor des Himmlischen Friedens – von wo aus auch Xi seine Rede hielt – waren offenkundig: In seiner Rede griff Xi Jinping die Mao zugeschriebenen Schlüsselformeln zum "Wiederaufstieg des chinesischen Volkes" auf – und präsentierte sich mit seinem grauen Mao-Anzug als Erbe des revolutionären Staatsgründers. Dekorative Blumenteppiche, Militärparaden, Chöre und Hubschrauber, die im Formationsflug die symbolträchtige Zahl 100 abbildeten, vervollständigten die Inszenierung der politischen Macht der Partei und Chinas Machtanspruch als Weltmacht.

Auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking wird eine Rede von Xi Jinping anläßlich der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag der KPCh auf einem großen öffentlichen Bildschirm übertragen. (© picture-alliance/AP, Andy Wong)

Im Jubiläumsjahr 2021 beansprucht die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) absolute Deutungshoheit über die chinesische Geschichte – und setzt zur Vermittlung der offiziellen Erfolgsgeschichte auf Ausstellungen in Museen, Kinofilme, Fernsehserien, chinesische Opern (teils mit neuen Stoffen – wie die 2021 uraufgeführte Oper "Rotes Boot") sowie Popsongs. Die Analyse ausgewählter Ausstellungen mit historischen Artefakten in Kombination und Vergleich zu fiktionalisierten Darstellungen der chinesischen Parteigeschichte erlaubt einen Blick hinter die Kulissen der offiziellen Feierlichkeiten des 1. Juli.

Ausstellung im Pekinger Hauptstadtmuseum

Museen fungieren nicht nur in China als Orte der Archivierung und Präsentation des gemeinsamen kulturellen und historischen Erbes eines Landes. Sie dokumentieren und konstruieren mit ihren Ausstellungen eine gemeinsame Erinnerung, indem sie durch die Auswahl und Zusammenstellung der Exponate, untermalt von erläuternden Begleittexten, Sinn- und Deutungszusammenhänge vermitteln. So eröffnete beispielsweise das Beijing Capital Museum am 9. März 2021 eine in vier Episoden untergliederte Ausstellung zum hundertjährigen Parteijubiläum der KPCh: Die erste Episode widmet sich revolutionären Umbrüchen und Wendepunkten vor der offiziellen Parteigründung: der Xinhai-Revolution des Jahres 1911 und der Interner Link: Vierten-Mai-Bewegung 1919. Hierauf folgt die Phase der gescheiterten Versuche der Machtübernahme durch die KPCh in den 1920er Jahren und ihr Machtausbau außerhalb der chinesischen Städte. Die Konferenz von Zunyi im Jahr 1935, mit der Mao Zedong sich der offiziellen chinesischen Geschichtsschreibung zufolge als zentrale Führungsfigur der Partei durchsetzte, wird als Schlüsselereignis und Wendepunkt der Parteigeschichte beschrieben. Der dritte Block thematisiert die Phase des anti-japanischen Widerstandskrieges. Die Ausstellung endet mit dem Sieg der chinesischen Kommunistinnen und Kommunisten gegen die Truppen und Anhänger/-innen der Republik China. Die Begleittexte zur Ausstellung weisen Xi Jinpings Chinesischen Traum (中国梦)als Fortsetzung des chinesischen Traums der Befreiung von Imperialismus und Feudalismus sowie des "Wiederaufstiegs" zu einer Weltmacht aus. Als Reaktion auf die traumatische Niederlage gegen die westlichen Kolonialmächte propagierte die chinesische Selbststärkungsbewegung den Slogan "eine reiche Nation, eine starke Armee" (富国强兵).Die zentrale Idee der Bewegung bestand darin, die (Waffen-)Technologien des Westens zu erlernen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität Chinas wiederherzustellen und zur alten (chinesischen) Ordnung zurückzukehren.

Bei einer Sonderausstellung zum 100. Geburtstag der KPCh in Peking betrachten Besucher/-innen die Exponate. (© picture-alliance, Fan Jiashan/Costfoto)

Die ausgestellten historischen Dokumente und Artefakte verleihen den offiziellen Narrativen der Partei den Anschein einer unanfechtbaren historischen Authentizität. Ähnliche Wirkungsmechanismen können archivierte Aufzeichnungen von Nachrichtensendungen und Dokumentationsreihen, die auf historische Bild- und Filmaufzeichnungen zurückgreifen, entfalten. In Abgrenzung von Fiktionalisierungen und künstlerischen Variationen von historischen Ereignissen werden historische Artefakte als gesicherte und belegte Realität anerkannt.

Visualisierung des KP-Gründungsmythos im chinesischen Staatsfernsehen

Eine besondere Form der Visualisierung der politischen Geschichte Chinas an der Schnittstelle zwischen Fiktionalisierung und historiographischer Nacherzählung findet sich in der einhundert Teile umfassenden Dokumentationsreihe "Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas in Meisterwerken" (美术经典中的党史). Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Produktion der China Media Group, des chinesischen Nationalmuseums und der chinesischen Akademie der Schönen Künste. In 15-minütigen Beiträgen zu jedem der 100 Kunstwerke wird dessen Entstehungsgeschichte skizziert. Die Reihe bietet dem Publikum über kurze Auszüge aus diesen Interviews und Aufnahmen zur Werkgenese einerseits einen Schlüssel zum Verständnis der intendierten Bildsprache und der zentralen Symbolik. Andererseits verbindet sie diese oft emotionale Interpretation mit kurzen, moderierten Gesprächsrunden zu den partei- und kunsthistorischen Dimensionen der (Meister-)Werke, die oftmals ausgehend von dem gegenwärtigen Forschungsstand eine kritische Betrachtung des dargestellten historischen Ereignisses vornehmen. Zudem werden ausgewählte Archivmaterialien oder auch neuere Hintergrunddarstellungen des chinesischen Staatsfernsehens (beispielsweise zum sino-japanischen Krieg (1937-1945)) eingebunden.

Die erste Folge, mit der der zentralstaatliche chinesische Fernsehsender CCTV am 25. Januar 2021 die Reihe eröffnete, behandelte ein Ölbild, das sich dem Gründungsparteitag der KPCh widmete. Das Bild zeigt ein Boot, auf dem die Hauptfiguren des Gründungsparteitags versammelt sind, während weitere Personen von einem Zubringerboot an Bord steigen. Das Wasser ist unruhig, am Himmel ballen sich bedrohliche Gewitterwolken. Mao, gekleidet in seinem blauen klassischen Gewand, steht in der Bildmitte, am Rande des Hauptbootes, den Blick über die Zusteigenden hinaus in den Himmel gerichtet. Die hellen Gewänder der anderen Personen setzen einen Gegenakzent zu den mit grobem Strichen gezeichneten drohenden Naturgewalten. Hintergrund des Gemäldes ist die kurzfristige Verlagerung des Gründungsparteitages der KPCh nach Jiaxing in der benachbarten Provinz Zhejiang, nachdem die republikanischen Sicherheitskräfte von dem Treffen der chinesischen Kommunisten im französischen Viertel von Shanghai erfahren hatten.

Der Gründungstag der KPCh ist entgegen des offiziellen Gründungsmythos nicht auf den 1. Juli zu datieren (auch wenn an diesem Tag traditionellerweise der Parteigründung gedacht wird), sondern fällt auf Ende Juli, wie das CCTV-Expertengespräch zu der Visualisierung des ersten Parteitages unterstreicht. Den Kalkulationen des Parteihistorikers zufolge, der seine These auf die in Archiven aufbewahrten Dokumente zu den Reisebewegungen der Gründungsmitglieder stützt, fand das Gründungstreffen höchstwahrscheinlich am 23. Juli statt. Indem die Gründungsjahre der Partei einer wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung unterzogen werden, suggeriert die CCTV-Reihe dem chinesischen Publikum sehr sublim, dass ihre Darstellung der VR China als Weltmacht des 21. Jahrhunderts keine Utopie, sondern faktenbasierte Realität sei.

Die symbolische Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft Chinas bildet das auf dem Bild dargestellte Boot auf dem Nanhu (dem "See im Süden" der Stadt Jiaxing). Dieses rote Bootdient als Namensgeber für den "red boat spirit" (红船精神): Auf die Frage, was sich hinter diesem verbirgt, antwortet die erste Episode der CCTV-Reihe mit Aufnahmen von chinesischen Schnellzügen, modernen Talbrücken, die in symbolischer Konkurrenz zu dem Wahrzeichen San Franciscos treten, und Bildern des erfolgreichen chinesischen Weltraumprogramms. Nach einem kurzen Kamerablick auf den ersten chinesischen Flugzeugträger, Symbol des neuen chinesischen Selbstverständnisses als maritime Großmacht, schwenkt die Kamera zurück auf das (rekonstruierte) rote Boot und zeigt die Anziehungskraft, die dieses Symbol moderner chinesischer (Partei-)Geschichte auch im 21. Jahrhundert auf die chinesische Gesellschaft (und chinesische Touristenmassen) entfaltet.

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Zur besten Sendezeit begann das chinesische Staatsfernsehen im Februar 2021 über seinen Kanal CCTV-1 mit der Ausstrahlung der 43 Folgen umfassenden Serie "Zeitalter des Erwachens" (觉醒年代). Das Titelbild, mit dem die Serie u.a. auf dem chinesischen Portal Sohu beworben wurde, zeigt den jungen Mao Zedong neben den Gründungsvätern der KPCh Li Dazhao und Chen Duxiu. Obwohl Mao nicht zu den Gründungsmitgliedern der ersten Stunde gehörte, suggeriert dieses Bild die Beteiligung Maos an den intellektuellen Reformbewegungen, die die Bevölkerung über eine neue, in einer allgemeinverständlichen Umgangssprache verfassten Form der Literatur in ihrem Denken wachrütteln und erneuern wollten. Dass Mao auf dem Bild eine Zeitung in die Luft hält, untermauert die Bedeutung, die den Printmedien für die Verbreitung neuer politischer Ideen zugeschrieben wurde. 1915 gründete Chen Duxiu in Shanghai die Zeitschrift Jugend/La Jeunesse 青年报 (wenig später umbenannt in Neue Jugend 新青年报), die sich mit ihren Essays gegen Chinas traditionelle Werte, insbesondere gegen den Konfuzianismus und das mit diesem unterlegte Staats- und Beamtensystem aussprach. Li Dazhao, der sich wie Chen Duxiu aktiv an Chinas Neuer Kulturbewegung beteiligte, war in Peking als Herausgeber verschiedener reformorientierter Zeitungen und Zeitschriften tätig. Die Neue Kulturbewegung wie auch die Proteste der patriotischen Vierten-Mai-Bewegung im Jahr 1919, die sich als Reaktion auf die Nichtberücksichtigung chinesischer Interessen und Forderungen auf den Friedensverhandlungen in Versailles entluden, forderten das Ende der alten Staats- und Gesellschaftsordnung zugunsten eines modernen, auf Wissenschaft und Technik ausgerichteten Staates. Die über CCTV-1 ausgestrahlte Serie weist die 1921 gegründete KPCh als Erbin und Fortsetzerin dieser kulturellen (und technologischen) Erneuerungsbewegung aus.

Im Mittelpunkt dieser Serie stehen nicht primär die Orientierung der chinesischen Reformbewegung an marxistischen Idealen und der Austausch mit der Komintern. Vielmehr wird die Erneuerungsbewegung darin als ein originär chinesisches Projekt inszeniert. Die Serie verzeichnete, nicht zuletzt aufgrund der Besetzung der Rollen mit bekannten Kinostars, enorme Sympathiewerte, gerade unter den jüngeren Generationen in China. Die einzelnen Episoden nehmen keinen Versuch einer faktenbasierten realhistorischen Visualisierung vor, sondern setzen die persönlichen Lebenswege der jugendlichen Idealisten in China zwischen der Gründung der Zeitschrift (Neue) Jugend 1915 und der Gründung der KPCh 1921 gekonnt in Szene. Neben bekannteren Personen wie Li Dazhao, Chen Duxiu, Hu Shi oder Mao treten auch weniger bekannte Gestalten der frühen marxistischen Bewegung in China wie Chen Yannian, Chen Qiaonian, Deng Zhongxia und Zhao Shiyan auf.

Jiang Menglin, Cai Yuanpei, Hu Shih und Li Dazhao 1920 in Peking. (© Public Domain via Wikimedia Commons)

Inszenierung der Parteipolitik als zukunftsorientierte Erfolgsgeschichte

Nicht nur (kommerzielle) Galerien und Kunstwerkstätten, sondern auch Unternehmen in China nutzen die offiziellen Visualisierungskampagnen, um über großformatige Plakate ihre eigenen, oft an der Schnittstelle zwischen Kunst und Kommerz befindlichen, Projekte zu bewerben. Dabei verwenden sie ausgewählte Elemente der offiziellen visualisierten Narration der Parteigründung wie die Kombination der symbolischen Schlüsselfarben rot und gelb. Neben Hammer und Sichel, dem Emblem der KPCh, findet sich auf diesen Plakaten auch eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne. Das Historisch-Traditionelle wird beispielsweise repräsentiert durch das Tor des Himmlischen Friedens, dem Haupteingang zur Verbotenen Stadt in Peking, von dem aus Mao Zedong 1949 die VR China ausgerufen hatte. Die Skyline der Sonderwirtschaftszone Pudong in Shanghai symbolisiert hingegen Chinas Aufbruch in die Moderne. Dass kein Bild des französischen Viertels in Shanghai, in dem, der offiziellen Erzählung zufolge, der erste Gründungsparteitag der KPCh einberufen wurde, abgebildet wird, verdeutlicht einmal mehr, dass die offizielle Visualisierung der Parteigeschichte primär im Sinne der Legitimierung der gegenwärtigen (im weitesten Sinne post-maoistischen) Parteipolitik zu deuten ist.

Eine Frau in der chin. Küstenstadt Rizhao liest eine Sonderausgabe über die Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas. (© picture-alliance, Yu Fangping/Costfoto)

Mit der Herausgabe einer neuen Kurzen Geschichte der Partei (中国共产党简史) im Februar 2021, ergänzt um die Veröffentlichung eines neuen Bandes der gesammelten Reden Xi Jinpings mit dem Titel Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas (论中国共产党历史), wurden die offiziellen Narrative einer partiellen Neuschreibung unterzogen, die von oben herab erfolgte und keinen Spielraum für alternative Interpretationen vorsieht. Visualisierungen über (Spiel- und Kino-)Filme vermitteln diese offiziellen (Neu-)Interpretationen weitaus subtiler als ein geschriebener Text, indem sie eine emotionale Ebene einbeziehen. Da sie eine fiktionalisierte Darstellung der Geschichte anbieten, ist die über diese transportierte Neuinterpretation der chinesischen (Partei-)Geschichte gut verpackt und erst bei sehr genauer Betrachtung erkennbar.

Mit dem Slogan der "Zwei Einhundert" (两个一百年) hat der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping konkrete Termine und Meilensteine für den Aufstieg Chinas zur Weltmacht vorgegeben: 2021, das einhundertste Gründungsjahr der KPCh, sowie 2049, das Jahr des einhundertsten Gründungsjubiläums der VR China. Das Parteijubiläum wird begleitet durch die mediale Visualisierung von Schlüsselepisoden der chinesischen Parteigeschichte, die als lineare Entwicklung skizziert wird: Die Entscheidungen und Beschlüsse der Parteigründer und der ersten Generation chinesischer KP-Führungspolitiker – mit Mao Zedong als Gallionsfigur – werden als wegweisend für Chinas erfolgreiche Positionierung als globale Wirtschaftsmacht ausgewiesen. Die aktuellen Programme im Bereich der Forschung zu Künstlicher Intelligenz und Chinas Projekte zur wissenschaftlichen Erkundung des Weltraums werden als Ergebnis weitsichtiger entwicklungsstrategischer Überlegungen der Regierungspartei inszeniert, deren Grundstein in der Mao-Ära gelegt wurde. Fehlentwicklungen der maoistischen Massenkampagnen (Großer Sprung, Kulturrevolution) werden in der gegenwärtigen Retroperspektive der Partei nicht thematisiert.

Auch Hongkong wurde in die offizielle Erfolgsgeschichte der KPCh eingebunden – wie die Sonderbriefmarken der Hongkonger Post zum einhundertsten Parteijubiläum plakativ unterstreichen. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong – der dortigen Interner Link: Regenschirmbewegung – und der sich dort wie auch in Teilen der taiwanesischen Bevölkerung abzeichnenden zunehmenden Distanz gegenüber Peking erscheint die glorreiche Inszenierung der Parteigeschichte als ein Versuch, die fragile Einheit innerhalb der VR China symbolisch abzusichern – durch identitätsstiftende Narrative und die Förderung eines neuen patriotisch-kulturalistischen Selbstbildes als "wiedererstarkte" Großmacht.

Weitere Inhalte

Nele Noesselt ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politikwissenschaft und China/Ostasien am Institut für Politikwissenschaft (IfP) und dem Institute of East Asian Studies (IN-EAST) an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Internationale Beziehungen, Global Governance und Vergleichende Politikwissenschaft.