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Lesetipp: Geschichtsbilder im Konflikt – Ukraine und Polen | bpb.de

Lesetipp: Geschichtsbilder im Konflikt – Ukraine und Polen

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Die nationale Geschichte in Polen und der Ukraine ist in „Erinnerungsgesetzen“ geregelt. Eine Gesetzesänderung in Polen hat den alten Konflikt um die gemeinsame Vergangenheit jedoch neu entfacht.

Originaldokumente aus den Archiven des Sicherheitsdienstes der höchst umstrittenen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) (© picture-alliance/dpa, RIA Novosti)

Ukraine-Analysen 199, 12. April 2018

Regelung der Vergangenheit per Gesetz – Einordnung der ukrainischen "Erinnerungsgesetze" Von Oksana Myshlovska (Graduate Institute, Genf)

Seit den frühen 1990er Jahren hat in Osteuropa und in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion eine Gesetzgebung an Bedeutung gewonnen, die eine bestimmte Lesart der Vergangenheit vorschreibt oder verbietet (Erinnerungsgesetze). Diese Gesetzgebung verfolgt das übergeordnete Ziel, mit den Hinterlassenschaften der vergangenen Regimes fertigzuwerden und neue Legitimationsgrundlagen für postkommunistische und postsowjetische Eigenstaatlichkeit zu fördern. In der Regel wurden die Erinnerungsgesetze und das mit ihnen verbundenen Gedenken zuerst von populistischen und nationalistischen Parteien und Bewegungen angeregt, die eine spaltende Definition von politischer Gemeinschaft ansetzen, die sich auf das von einer Nation in der Vergangenheit erfahrene Leid stützt und die gesamte Schuld für die vergangenen Verbrechen den "totalitären" Regimes zuschreibt. Die Gesetze wurden wegen der potentiellen Verletzung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie aufgrund ihrer Einschränkung der wissenschaftlichen Diskussion kritisiert. Entscheidender ist jedoch, dass mit der Rechtfertigung und Legitimierung vergangener Gewalt und mit dem Aufrechterhalten negativer Emotionen gegenüber früheren Feinden die Erinnerungsgesetze und das mit ihnen verbundenen Gedenken Friedenskonsolidierung und Aussöhnung in der Gegenwart behindern können. Der vorliegende Beitrag betrachtet die jüngsten in Polen und in der Ukraine verabschiedeten Erinnerungsgesetze in diesem Zusammenhang.

Im Nationalismus vereint – und gespalten Geschichtspolitik im polnisch-ukrainischen Konflikt Von Florian Peters (Institut für Zeitgeschichte, Berlin)

Die jüngste Novelle des polnischen Gesetzes über das "Institut des Nationalen Gedenkens" (IPN-Gesetz) von Anfang 2018 bildet den vorläufigen Höhepunkt eines bereits seit Längerem andauernden geschichtspolitischen Entfremdungsprozesses zwischen Polen und der Ukraine. Dieser Streit um die Vergangenheit überschattet die immer engere wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtung beider Länder, die unter anderem durch die massenhafte Arbeitsmigration von Ukrainerinnen und Ukrainern nach Polen voranschreitet. Hier wie dort wird das Gedenken an die Gewaltverbrechen der 1940er Jahre zunehmend von radikalen Nationalisten dominiert, die sich durch die in beiden Ländern verabschiedeten Geschichtsgesetze sanktioniert und ermutigt fühlen können. Sowohl in Polen als auch in der Ukraine begünstigt ein undifferenzierter Antikommunismus die Externalisierung der sowjetischen Vergangenheit und die Glorifizierung nationaler Heldengeschichten. Je stärker die kritische Aufarbeitung der je eigenen Nationalgeschichte ins Hintertreffen gerät, desto mehr steht die bereits erreichte Annäherung an europäische Standards dialogischen Erinnerns auf dem Spiel.

Beide Artikel finden Sie in den Ukraine-Analysen 199, 12. April 2018 Externer Link: http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen199.pdf

Fussnoten