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Analyse: Der polnische Fernseh- und Radiomarkt

Agnieszka Łada Darmstadt Deutsches Polen-Institut Agnieszka Łada

/ 18 Minuten zu lesen

Wie steht es um die Fernseh- und Radiosender in Polen? Mit welchen Mitteln will die PiS-Regierung private Medien beeinflussen? Das beleuchtet der zweite Teil unserer Analyse des Medienmarktes.

Mit schwarzen Bildschirmen und dem Slogan "Medien ohne Wahl" protestierten viele private Anbieter gegen die Pläne der PiS-Regierung, eine Steuer auf Werbeeinnahmen einzuführen. (© picture-alliance)

Zusammenfassung

Seit der Regierungsübernahme durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) wird das öffentliche Fernsehen in Polen als Sprachrohr der Regierung wahrgenommen. Gleichzeitig geht seine Zuschauerquote zurück und die privaten Fernsehsender erzielen in Umfragen höhere Beliebtheitswerte. Auch die Sender des öffentlichen Rundfunks verlieren Zuhörer. Relativ neu am Medienmarkt sind Internetradiosender, die von bekannten und geschätzten Radiojournalisten initiiert und geleitet werden. Die Regierung wiederum unternimmt einen weiteren Versuch, den Medienmarkt zu beeinflussen, und schlägt eine "Werbesteuer" vor.Der Fernseh- und Radiomarkt in Polen erfuhr seit der Regierungsübernahme durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) im Herbst 2015 bedeutende Veränderungen. Die Unabhängigkeit der öffentlichen Medien von Regierungsinstitutionen ist praktisch nicht mehr vorhanden. Der Grund dafür sind die eingeführten rechtlichen Regelungen mit ihren Folgen sowie die immer noch nicht geregelte Frage der Finanzierung.

Am 30. Dezember 2015 wurde das sogenannte kleine Mediengesetz der PiS verabschiedet, das ab Ende Juni 2016 galt. Das Verfassungstribunal beurteilte das Gesetz in Teilen als verfassungswidrig. Dazu gehörte beispielsweise, dass der Minister des Staatsschatzes befugt werden sollte, den Vorstand des Polnischen Fernsehens (Telewizja Polska – TVP) und des Polnischen Radios (Polskie Radio – PR) auf Kosten des Landesradio- und -Fernsehrates (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji – KRRiT) zu berufen (dazu im Folgenden mehr). Ende Juni 2016 verabschiedete die Regierungsmehrheit daher ein weiteres Mediengesetz, das den Rat der Nationalen Medien (Rada Mediów Narodowych – RMN) ins Leben rief. Dieser beruft die Vorstände und Aufsichtsräte des TVP, des PR und der Polnischen Presseagentur (Polska Agencja Prasowa – PAP) bzw. beruft sie ab.

An der Spitze des TVP steht seit dem 7. Januar 2016 Jacek Kurski, der zuvor anderthalb Monate Staatssekretär im Kulturministerium sowie Sejmabgeordneter (2005–2009) und Europaparlamentarier (2009–2014) der PiS war und im Präsidentschaftswahlkampf 2005 Donald Tusk, dem Kandidaten der Gegenseite, zum Vorwurf machte, dass dessen Großvater in der Wehrmacht gewesen war. Seit 2015 wurden viele Journalisten der öffentlichen Medien, die gegen die Einführung der Änderungen waren und sich kritisch über die PiS-Regierung äußerten, von den neuen Machthabern aus disziplinarischen Gründen entlassen, unerwartet von der Leitung ihrer Programme abgezogen und ihre Sendezeiten und ihr Mitarbeiterstab wurden reduziert. Begründet wurden diese Entscheidungen u. a. mit einem Vertrauensverlust gegenüber den Journalisten, da sie den Arbeitgeber kritisiert oder die Kompetenz der Vorgesetzten angezweifelt hätten. Ein Teil der Redakteure ging aus eigenem Willen, da sie der neuen politischen Linie nicht zustimmten. Allein in den ersten Monaten des Jahres 2016 verließen mindestens 230 Personen die öffentlichen Medien. Ihre Plätze besetzten Journalisten der privaten rechtskonservativen Sender. Die Personalveränderungen dauerten auch in den folgenden Monaten an.

Die seit 2016 durchgeführten Analysen der Sendungen des TVP, vor allem der Hauptnachrichtensendung "Wiadomości", offenbarten einen Mangel an Pluralismus, Objektivität, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit, obwohl dies von den öffentlichen Medien gesetzlich gefordert wird. Maciej Mrozowski schrieb 2016, dass in den Nachrichten über politische Ereignisse gewöhnlich die Stimmen der parlamentarischen Opposition berücksichtigt worden seien, es sich in der Regel aber um kürzere und eher allgemeine Aussagen gehandelt habe, die zeigten, dass die Opposition die Regierung angreife und nichts Konkretes vorschlage und falls doch, dann nur zu propagandistischen Zwecken. Eine Analyse aus dem Jahr 2019 kommt zu ähnlichen Ergebnissen und zeigt, dass sich die Vertreter des Regierungslagers dreimal so häufig in den "Wiadomości" äußerten wie die der Opposition und dass die Kommentatoren ausschließlich rechtskonservative, regierungsfreundliche Medien repräsentierten. Die positive Einstellung gegenüber der Regierungskoalition in der Hauptnachrichtensendung des TVP wurde auch in einer Analyse thematisiert, die vom Programmrat des TVP in Auftrag gegeben wurde. Der Rat der Polnischen Sprache der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Rada Języka Polskiego PAN) wiederum stellte bei der Beurteilung des Livetickers in den "Wiadomości" zu den wichtigsten politischen Ereignissen in Polen in den Jahren 2016 bis 2017 fest, dass 70 Prozent der Botschaften mit der "Idee der Einflussnahme auf den Rezipienten [entworfen wurden] und nicht mit der Idee, ihn objektiv über das betreffende Ereignis zu informieren", was bedeutet, dass es sich um Manipulation handelt.

Zu Veränderungen kam es auch beim Polnischen Radio, wobei sie im beliebten Dritten Programm (PR 3) zunächst am wenigsten sichtbar waren. Dieses gab allerdings im Jahr 2020 Anlass, die Debatte über die Medien wieder aufzunehmen: Die Leitung des Dritten Programms zensierte die Ausgabe der berühmten Musiksendung "Lista Przebojów" vom 15. Mai 2020 (die Sendung wurde unter der Leitung von Marek Niedźwiecki ohne Unterbrechung seit 1982 jede Woche ausgestrahlt). Der Grund war, dass ein Lied gespielt werden sollte, in dem der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński dafür kritisiert wurde, dass er den Friedhof besucht hatte, während für den Rest der Bevölkerung die Friedhöfe infolge der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der herrschenden Corona-Epidemie geschlossen waren. Aus Protest gegen die Zensur quittierten mehrere Akteure, die seit Jahren die "Stimmen" des Dritten Programms waren und für professionellen und redlichen Journalismus standen, ihren Dienst.

Die öffentlichen Medien sind aber nur ein Teil des polnischen Fernseh- und Radiomarktes.

Der Fernsehmarkt

Struktur und Eigentumsverhältnisse

Zwar scheint der polnische TV-Markt sehr ausdifferenziert zu sein, wenn man die Anzahl der Programme – 410 – betrachtet. Die Analyse der Zuschauerquoten zeigt allerdings eine deutliche Konzentration auf die vier großen, landesweit ausstrahlenden Sender TVP 1, TVP 2, Polsat und TVN. Der Rückgang bei den Zuschauerzahlen und beim Anteil der positiven Beurteilungen der Sender spricht dafür, dass sich die Position des Fernsehens in den letzten Jahren verschlechtert hat.

Eine Schlüsselrolle spielen die Programme des öffentlichen TVP S.A., des zum polnischen Kapital gehörenden TV-Senders Polsat Sp. z o.o. (neben den Fernsehkanälen von Polsat auch TV 4 und TV 6) sowie des zum US-amerikanischen Kapital gehörenden Senders TVN Discovery Polska. Die Programme des Senders Puls schließen sich an.

Das Ranking der Zuschauerquoten führte im Jahr 2020 TVP 1 an, gefolgt von Polsat, das 2019 den ersten Platz belegt hatte. TVN und TVP 2 erzielten fast das gleiche Ergebnis. Werden jedoch die Daten für die Zuschauergruppe im Alter von 16 bis 49 Jahren verglichen, die für den Werbemarkt Schlüsselbedeutung hat, fallen die Ergebnisse und die Rangfolge der Sender deutlich anders aus. TVN und Polsat liegen vor TVP 1 und TVP 2. TVN befindet sich eindeutig in Opposition zur aktuellen Regierung und Polsat wurde, so die verbreitete Ansicht, in den letzten Jahren ein Sender, der mit der Regierung sympathisiert. Nach Meinung von Experten ist der Eigentümer von Polsat, Zygmunt Solorz-Żak, kein ausgesprochener PiS-Anhänger, aber aufgrund seiner Geschäfte mit dem Staat (in unterschiedlichen Branchen wie Energie, Bankwesen, Telekommunikation, Medien) kritisiert sein Sender die Regierung nicht.

Eine niedrigere Einschaltquote weisen die kleineren regierungsfreundlichen Privatsender auf, so TV Trwam (es gehört zum Medienkonzern des Redemptoristenpaters Tadeusz Rydzyk), Telewizja Republika sowie Telewizja wPolsce.pl (es gehört zum Medienkonzern Fratria, der auch Herausgeber der Zeitschrift "Sieci" ist). Es handelt sich um publizistische Informationskanäle, die seit 2003, 2013 bzw. 2017 von Journalisten mitgegründet wurden, die mit dem rechtkonservativen politischen Flügel verbandelt sind. In den Zuschauerrankings befinden sie sich nicht unter den ersten 50 Plätzen.

Zwischen den genannten Fernsehsendern besteht eine starke Polarisierung. Insbesondere die öffentlichen Sender und TVN stehen eindeutig auf den gegenüber liegenden Seiten der politischen Bühne und werfen sich gegenseitig vor, unseriös zu sein. Diese Polarisierung spiegelt sich deutlich in den Meinungen der Polen wider. In einer Umfrage des "Deutsch-polnischen Barometer 2020", in der die Antworten der Polen zu den deutsch-polnischen Beziehungen und dem Bild Deutschlands mit den Antworten kombiniert wurden, aus welchen Fernsehsendern die Befragten ihr gesellschaftspolitisches Wissen beziehen, unterschieden sich die Einstellungen der Zuschauer von TVP deutlich von denen, die TVN nannten. Die Beurteilung Deutschlands und der deutschen Politik war bei den TVP-Rezipienten negativer als bei den TVN-Nutzern.

Einschaltquoten

Untersuchungen von Nielsen Media Research zeigen, dass die Polen im Jahr 2019 durchschnittlich vier Stunden, 16 Minuten und vier Sekunden fernsahen, das heißt eine Minute weniger als 2018 und vier Minuten weniger als 2014. Außerdem sinkt die Anzahl der Zuschauer, die eine Sendung von Anfang bis Ende sehen. Dies lässt sich auf verschiedene Gründe zurückführen: Es gibt immer mehr TV-Kanäle, die Position und Programminvestitionen der "mittleren" Sender wie TV Puls wachsen, Sendungen werden parallel auf verschiedenen Kanälen ausgestrahlt oder die Premiere einer Serie findet zuerst im Internet statt und läuft erst später im Fernsehen. Keine Erklärung ist dagegen, dass aufgrund der sich verschlechternden Meinung über das Fernsehen dieses seine Zuschauer verliert. Im Jahr 2009 verzeichneten 436 Sendungen über fünf Millionen Zuschauer, im Jahr 2013 sank die Anzahl auf 151 und 2019 waren es nur noch 32 Sendungen (wovon 31 die Folgen einer TV-Serie im öffentlichen Fernsehen waren).

Einen Anstieg notierten dagegen die wichtigsten Informationskanäle Polsat News, TVN24 und TVP Info. Dies ist nicht allein der seit Frühjahr 2020 herrschenden Corona-Pandemie und dem größeren Bedürfnis nach Informationen über die aktuelle Situation geschuldet, zumal die Sender auch das Jahr 2019 mit steigenden Einschaltquoten beendeten; das gilt auch für den Zeitraum bis November 2020. In den Rangfolgen der Einschaltquoten steht TVN24 vor TVP Info und Polsat News und die Nachrichtensendung "Fakty" (TVN) vor "Wiadomości" (TVP 1) und "Panorama" (TVP 2). Die größte Reichweite und Zunahme verzeichneten die Informationkanäle im Jahr 2020 im März und April (Thema Nummer eins war die erste Welle der Corona-Pandemie), im Juni und Juli (Präsidentschaftswahlen) sowie im Oktober (Proteste gegen das Verfassungstribunal sowie die zweite Pandemiewelle). Wichtig für die Analyse der Einschaltquote ist, dass seit einigen Jahren der Anteil des kostenlosen terrestrischen Empfangs gegenüber Kabel- oder Satellitenempfang wächst. Das bedeutet, dass alle Abonnenten Zugang zu den Nachrichtensendungen "Wiadomości" im TVP 1, "Fakty" auf TVN und "Wydarzenia" auf Polsat haben, aber mehr als ein Drittel der Polen keinen Zugang zu den Informationskanälen TVN24 und Polsat News (die nur im Kabelangebot abgerufen werden können) haben, jedoch zu TVP Info und TV Trwam schon.

Die größte Gruppe der Fernsehzuschauer stellen den Untersuchungen von Nielsen zufolge mit 41 Prozent die Polen im Alter von 60 Jahren und älter. Zusammen mit den Zuschauern im Alter von 55 + machen sie mehr als die Hälfte der Fernsehrezipienten aus. Im Jahr 2005 waren es 38 Prozent. Gleichzeitig findet beim traditionellen Fernsehen ein rascher Schwund der Zuschauer im Alter von 10 bis 29 Jahren statt. Im Jahr 2005 stellten sie 21 Prozent der Zuschauer, 13 Prozent im Jahr 2018 und 2019 nur zehn Prozent.

In der Beurteilung der Polen liegen die privaten Sender vor den öffentlichen Sendern. In den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts CBOS im Jahr 2020 erhielt Polsat die besten Beurteilungen. 70 Prozent der Befragten äußerten sich positiv über seine Tätigkeit (2019: 71 Prozent) und negativ ein Zehntel. Die Tätigkeit von TVN bewerteten 57 Prozent als gut (2019: 63 Prozent) und 23 Prozent als schlecht. Differenzierter (und schlechter als im Jahr davor) fallen die Meinungen über die Tätigkeit des öffentlichen Fernsehens aus. 48 Prozent der Polen taten ihre Zustimmung kund (2019: 56 Prozent) und 38 Prozent hatten Vorbehalte. Wie vorherzusehen war, wurde das öffentliche Fernsehen hauptsächlich von PiS-Wählern positiv beurteilt, bei den privaten Sender waren es die Anhänger der Opposition.

Der Radiomarkt

Struktur und Eigentumsverhältnisse


Der polnische Radiomarkt wird seit Jahren unverändert von den landesweit ausstrahlenden Sendern dominiert, die über die Hälfte der Hörer halten. Ihre Gesamthörerquote bleibt auf gleichbleibendem Niveau, wobei die landesweiten öffentlichen Radiosender Rückgänge verzeichnen mussten, die besonders deutlich in den letzten drei Jahren zutage traten. Der Radiomarkt lässt sich in sechs Gruppen einteilen: Erstens das öffentliche Radio; zweitens die RMF-Gruppe (Eigentümer: Bauer Media, Deutschland), zum Beispiel Radio RMF; drittens die Time-Gruppe (eine bei ZPR Media Polska organisierte Gesellschaft), zum Beispiel Radio ESKA, Radio WAWA, Radio VOX FM; viertens die Agora-Gruppe (Agora S.A., Polen), zum Beispiel TOK FM, Złote Przeboje und Radio Pogoda; fünftens die Eurozet-Gruppe (SFS Ventures, Tschechien), zum Beispiel Radio ZET, Antyradio (Anteilseigner der Eurozet-Gruppe wurde im Februar 2019 die Gesellschaft Agora S.A., die 40 Prozent kaufte); sechstens die Gruppe der übrigen Lokalprogramme, von denen 56 im Rahmen des mit Eurozet verknüpften Handelsabkommens "Paket der Unabhängigen" zusammenarbeiten.

Hörerquote

Knapp 34 Prozent der Hörerquote gingen im Jahr 2019 an Radiosender der RMF-Gruppe (was vor allem auf die große Beliebtheit des Senders RMF FM zurückzuführen ist), ca. 17 Prozent an Eurozet, 16,5 Prozent an Sender des öffentlichen Radios und gut 14 Prozent an die Time-Gruppe. Radiosender der Agora-Gruppe verzeichneten mehr als sechs Prozent und die übrigen Sender erhielten insgesamt etwas mehr als elf Prozent der Hörerquote.

Bezogen auf die einzelnen Radiosender ist RMF FM seit Jahren der unbestrittene Anführer (29 Prozent), gefolgt von Radio Zet mit einem deutlich schlechteren Ergebnis (zwölf Prozent). Beide Sender waren die ersten kommerziellen Radiosender in Polen. Zwei öffentliche Sender, PR 1 und PR 3, belegen die Plätze drei (fünf Prozent) und fünf (2,6 Prozent). PR 3 wies den größten Rückgang im Jahresverlauf auf, was veranschaulicht, wie die Hörer auf die im Sender stattgefundenen Veränderungen reagierten. Als nächster in der Rangfolge befindet sich der private Informationssender TOK FM mit 2,5 Prozent (er gehört zum Medienkonzern Agora, der auch die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" herausgibt und offen die links-liberale Opposition unterstützt), es folgt mit 1,4 Prozent der Sender Radio Maryja. Er gehört zum Medienkonzern von Pater Tadeusz Rydzyk, der offen mit dem konservativsten Teil der PiS sympathisiert. Radio Maryja ist der religiöse Sender mit der größten Reichweite in Polen. Ein Teil seiner Sendungen wird parallel im TV-Sender Trwam ausgestrahlt.

Nach Untersuchungen zur Einschaltquote von Radio Track (durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Kantar Polska) hören drei Viertel der 15- bis 75-jährigen Polen täglich Radio, die Gruppe der 30- bis 51-Jährigen verbringt am meisten Zeit mit dem Radio. Durchschnittlich werden – seit Jahren praktisch unverändert – täglich vier Stunden und 29 Minuten Radio gehört. Ein großer Anteil des Radiokonsums entfällt auf Autofahrten.

Ähnlich wie beim Fernsehen werden die privaten Radiosender besser beurteilt. In einer Umfrage von CBOS aus dem Jahr 2020 wird RMF FM am besten bewertet (59 Prozent der Befragten geben dem Sender gute Noten und nur fünf Prozent sind gegenteiliger Meinung). Über die Tätigkeit von Radio Zet äußern sich 51 Prozent der Befragten positiv, beim öffentlichen Polnischen Radio sind es 38 Prozent (gegenüber 49 Prozent im Jahr 2019). Die negativen Beurteilungen über Radio Zet sind mit vier Prozent marginal, während sie beim öffentlichen Radio mit 20 Prozent deutlich häufiger auftreten. Am differenziertesten ist die Wahrnehmung von Radio Maryja. Seine Tätigkeit wird häufiger kritisiert (26 Prozent) als befürwortet (18 Prozent) und über die Hälfte der Befragten (56 Prozent) hat gar keine präzise Meinung zu diesem Sender.

Internetradio

Ein neues Phänomen am polnischen Medienmarkt sind die immer erfolgreicheren Internetsender. Ihre Gründer haben gar nicht vor, in die frequenzmodulierte Funktechnik einzusteigen, sondern konzentrieren sich auf die Präsenz im Netz. Aktuell kann man in Polen auf diese Weise Themensender für Sport und verschiedene Musikstile hören sowie Sender, die vor allem auf Wortbeiträge aufbauen. Die Gründung eines Internetradionsenders erfordert keine Konzession vom Landesrundfunk- und -Fernsehrat, erforderlich ist nur eine Lizenz für die Verbreitung von Werken, beispielsweise Musiktiteln.

Besondere Aufmerksamkeit wurde den Internetradiosendern zuteil, die von ehemaligen Journalisten des Dritten Programms des Polnischen Radios sowie bekannten Personen des öffentlichen Lebens gegründet wurden – Radio Nowy Świat bzw. Radio 357 (benannt nach den Hausnummern der Myśliwiecka Straße 3/5/7, wo sich der Sitz des Dritten Programms befindet). Untersuchungen von Radio Track zufolge hörten am 5. Januar 2021, also am ersten Sendetag von Radio 357, 273.000 Hörer die Übertragung, und das seit Juli 2020 sendende Radio Nowy Świat notierte an seinem ersten Sendetag über 450.000 Hörer. Im Herbst freute es sich über mehr als eine Million Hörer.

Beide genannten Sender haben, ebenso wie die übrigen Internetradiosender, ein Finanzierungsmodell, das auf den regelmäßigen Zahlungen von Privatpersonen, sogenannten Patronen, gründet. Die Beiträge können auf einer eigens eingerichteten Internetseite eingezahlt werden. Radio Nowy Świat zählte Anfang 2021 über 31.000 Patrone, die bis Januar über 6,8 Mio. Zloty eingezahlt haben. Radio 357 hat nach einem knappen Monat seiner Aktivität 25.300 Patrone und 1,65 Mio. Zloty auf dem Konto.

Abgesehen von der Gründung neuer Radiosender begannen immer mehr Radiojournalisten, im Internet eine Reihe thematischer Podcasts zu veröffentlichen, insbesondere zu internationalen Themen (zum Bespiel: Externer Link: https://raportostanieswiata.pl/, "Po prostu Wschód"). Das Finanzierungsmodell stützt sich ebenfalls auf Hörerspenden und Patrone.

Die Finanzierung der öffentlichen Medien

Die Bereitschaft von Privatpersonen, neue Radioprojekte zu unterstützen, steht im Kontrast zur Neigung der Polen, die obligatorischen Gebühren zu bezahlen. Seit den 1990er Jahren erhielten das landesweit ausstrahlende öffentliche Polnische Radio, die 17 öffentlichen Regionalsender und das öffentliche Polnische Fernsehen ihr Geld aus zwei Quellen, dem Verkauf von Werbeminuten sowie den Rundfunk- und Fernsehgebühren. Alle Haushalte in Polen sind dazu verpflichtet, sie zu zahlen, mit Ausnahme von Personen, die älter als 75 Jahre oder Invaliden sind. Insgesamt sind ca. 3,7 Mio. Menschen von den Zahlungen befreit. Der monatliche Beitrag beträgt 24,50 Zloty für Besitzer eines Radiogerätes und eines Fernsehers. Von den 15 Mio. Haushalten in Polen besitzen 96 Prozent zumindest ein Radio. Knapp die Hälfte hat es registrieren lassen und ungefähr ein Drittel der dazu verpflichteten Polen zahlt die Gebühr. Diejenigen, die nicht bezahlen, begründen das u. a. damit, dass die Medien ihren öffentlichen Auftrag nicht erfüllen, sowie damit, auf diese Weise ein Zeichen des Protestes gegen die politische Instrumentalisierung der öffentlichen Medien zu setzen. Nicht selten sind sie gleichzeitig "Patrone" von Internetradiosendern. Wird der Beitrag nicht gezahlt, droht eine Strafe in Höhe des 30-fachen monatlichen Satzes (seit 2021 sind das 735 Zloty). Allein zwischen Januar und August 2020 wurden bei Kontrollen nicht angemeldeter Geräte ca. 10.000 Nutzer mit einer Strafe belegt. Es gibt jedoch keine Vorschrift, dass ein Kontrolleur ins Haus gelassen werden muss. Wenn also ein Kontrolleur vor der Tür steht, um zu prüfen, ob ein nicht angemeldetes Gerät vorhanden ist, kann er abgewiesen werden. Auf diese Weise können viele Menschen einer Strafe entgehen. Diejenigen allerdings, die zunächst ihre Gebühr bezahlt, dies aber später eingestellt haben, können eine Mahnung für die ausstehende Summe zuzüglich Zinsen erhalten. Wird der Aufforderung nicht nachgekommen, kann die Angelegenheit an den Gerichtsvollzieher übergeben werden. Die fehlenden Beitragszahlungen verursachen bei den Einnahmen der öffentlichen Medien ein riesiges Loch, das die aktuelle Regierung bemüht ist, regelmäßig zu stopfen.

So erhalten das öffentliche Fernsehen und Radio zusätzliche öffentliche Mittel, um die nicht beglichenen Gebührenrechnungen auszugleichen. Der erste Kostenersatz wurde vom Sejm im Jahr 2017 beschlossen und betrug 980 Mio. Zloty, die den öffentlichen Medien zugehen sollte. Ein Jahr später wurden den öffentlichen Medien 1,26 Mrd. Zloty zugesprochen, ähnlich war es 2019. Im Haushaltsgesetz 2021 wurde festgelegt, dass das Polnischen Fernsehen und das Polnische Radio 1,95 Mrd. Zloty als Ausgleich für nicht getätige Gebührenzahlungen aus dem Staatshaushalt erhalten; eine ähnliche Entschädigung erhielten sie im Frühjahr 2020 infolge der Haushaltsnovelle. Fast 90 Prozent der Mittel gingen an das Polnische Fernsehen. Zum Vergleich: Die für das Jahr 2021 geschätzten Einnahmen aus den Rundfunk- und Fernsehgebühren belaufen sich auf 650 Mio. Zloty; davon erhält das Polnische Fernsehen ca. 330 Mio. Zloty.

Das Polnische Fernsehen verzeichnet außerdem bedeutende Einnahmen aus Werbeaufträgen von staatlichen Unternehmen. Im Jahr 2019 waren das 308 Mio. Zloty (von 123 Unternehmen), es folgte der TV-Sender Polsat mit 179,5 Mio. Zloty. Staatliche Unternehmen treten außerdem gern als Sponsoren verschiedener Initiativen und Wettbewerbe auf, die von den regierungsfreundlichen Medien organisiert werden. Beispielsweise haben elf staatliche Unternehmen und Institutionen das zehnjährige Bestehen des Internetportals wPolityce.pl, das mit der Wochenzeitung "Sieci" verbunden ist, gesponsort.

Die Medienaufsicht

Der Landesradio- und -Fernsehrat übt die Aufsicht über die gesendeten Inhalte aus und erteilt oder entzieht Konzessionen. Der KRRiT wurde 1992 berufen, seit 1997 ist er ein Verfassungsorgan. In der Verfassung wird seine Aufgabe so definiert: "Der Landesradio- und -Fernsehrat wacht über die Freiheit des Wortes, das Recht auf Information sowie das öffentliche Interesse im Radio und Fernsehen."

Aktuell besteht der KRRiT aus fünf Mitgliedern, zwei bestimmt der Präsident der Republik Polen, zwei der Sejm und eins der Senat. Sie werden für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Wie anfangs bereits gesagt, hat die PiS außerdem eine neue Institution berufen, den Rat der Nationalen Medien, dessen Kompetenzen sich teilweise mit denen des KRRiT decken bzw. der die Kompetenzen des KRRiT übernimmt. Der Rat der Nationalen Medien hat fünf Mitglieder, drei von ihnen werden vom Sejm und zwei vom Präsidenten gewählt. Die Mehrheit der aktuellen Mitglieder des RMN waren oder sind Sejmabgeordnete der PiS. Per Gesetz wird ihnen Unkündbarkeit garantiert; außerdem wird dem Organ keine konkrete Verantwortung auferlegt.

Die wichtigste Kompetenz des RMN ist die Berufung oder Absetzung des leitenden Personals des öffentlichen Radios und Fernsehens sowie der Polnischen Presseagentur. Das bedeutet, dass der RMN, ein regierungsnahes Organ, direkten Einfluss auf die Besetzung der höchsten Leitungsfunktionen und Aufsichtsräte nehmen kann. Dies ermöglicht eindeutig die verstärkte politische Instrumentalisierung der öffentlichen Medien. Auf diese Weise wurden offen und dauerhaft die Aufsicht über die öffentlichen Medien mit der aktuellen Politik verknüpft.

Eine Sondersteuer für Werbung

Anfang Februar 2021 kam eine weitere Nachricht, die die Medienwelt polarisierte. Die Regierung gab bekannt, dass sie an einem Gesetzesentwurf zur Einführung einer Steuer für Online- und Printwerbung arbeitet. Das Finanzministerium erklärte: "Der Entwurf sieht vor, zusätzliche Mittel zu beschaffen, die dazu dienen, die langfristigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu mildern. Sie werden aus Abgaben auf Werbung im Internet und in konventionellen Medien generiert." Laut Regierung soll das Gesetz vor allem "die größten digitalen Giganten", die in Polen Geld verdienen, dazu zwingen, in Polen Steuern zu zahlen.

Der Berechnungsmechanismus ist vielschichtig und besteht aus verschiedenen Steuersätzen. Zum Beispiel sollen für TV-, Radio-, Kino- und Außenwerbung bei Werbeeinnahmen von mehr als 1 Mio. Zloty 7,5 Prozent zusätzliche Steuern erhoben werden, ab 50 Mio. Zloty sollen es zehn Prozent sein. Im Falle der Presse sind die Sätze und Schwellenwerte niedriger. Für Einnahmen aus Werbung für gesundheitsschädliche Produkte, z. B. zuckerhaltige Getränke, sollen höhere Steuersätze gelten. Die Einnahmen dienen, so der Gesetzesentwurf, der Unterstützung des Gesundheitswesens und des Denkmalschutzes. Außerdem soll ein ominöser "Fonds zur Unterstützung der Kultur und des Nationalen Erbes im Bereich der Medien" geschaffen werden. Das Ministerium schätzt, dass sich die Einnahmen im Jahr 2022 auf 800 Mio. Zloty belaufen können.

Das Thema der Besteuerung von globalen Internetkonzernen, die in jedem Land der EU immense Gewinne erzielen, diese in den Ländern jedoch nicht versteuern, ist nicht neu. Die Arbeit an einem entsprechenden Richtlinienentwurf wurde vor einigen Jahren von der Europäischen Kommission in Angriff genommen, aber nie abgeschlossen. Die polnische Regierung verweist auf ähnliche Regelungen, die in (EU-)Ländern wie Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien gelten.

Experten, Vertreter der Wirtschaft und vor allem die Medien selbst bleiben skeptisch. Viele sind der Meinung, dass die Steuer eindeutig einige Akteure auf Kosten anderer begünstigt. Betroffen sind Fernsehsender, Internetkonzerne und große Presseverlage. Kleine Presseverlage (wie diejenigen, welche die Partei Recht und Gerechtigkeit unterstützen, auch die von Orlen übernommene Medienholding Polska Press, der viele kleine Verlage als separate Unternehmen angehören) können Werbung künftig um zehn Prozent günstiger anbieten als große.

Die Regierung verweist in ihrem Konzept auf die Notwendigkeit, die durch die Pandemie entstandenen Schäden auszugleichen. Doch die Pandemie selbst hat auch Verlage der traditionellen Presse sowie andere private Medien bereits stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Werbeeinnahmen sind zurückgegangen, die Zeitungsauflagen stark gesunken. Rückläufige Einnahmen aus Verkaufserlösen und Werbung haben den finanziellen Spielraum der Medienunternehmen verringert und sie zu Einsparungen gezwungen. Viele private Medien stellen fest, sie seien durch die Pandemie in eine Krise geraten, die langsam existenzbedrohend wird. Die öffentlichen Medien werden hingegen von der Regierung mit zwei Milliarden Zloty gefördert. Und noch im letzten Frühjahr versicherte sie, dass sie während der Pandemie keine neuen Steuern für Unternehmen erheben werde.

Wirtschaftsexperten weisen auch darauf hin, dass die Steuer zwar ein breites Spektrum von Unternehmen erfassen soll, in der Praxis aber schwer zu berechnen und durchzusetzen sein wird. Es heißt auch, dass das Gesetz nicht, wie von der Regierung angestrebt, vor allem die globalen Internetkonzerne betreffen wird.

Als Antwort auf den Gesetzesentwurf fand ein gemeinsamer Protest der privaten Medien statt: Unabhängige TV- und Radiosender, Zeitungen, Zeitschriften und Internetportale protestierten am 10. Februar 2021 gleichzeitig. Im Radio war nur die Ankündigung zu hören, dass an diesem Tag kein normales Programm gesendet wird, Zuhörerinnen und Zuhörer mussten sich mit dem verlesenen Aufruf zufrieden geben. Zeitungen hatten den für die gesamte Branche gemeinsamen Protesttext auf ihren leeren Titelseiten abgedruckt [siehe Dokumentation auf S. 8]. Die Informationsseiten im Internet sahen schwarz aus. Die Reaktionen auf den Protest fielen sehr unterschiedlich aus. Die Regierungsseite sah ihn kritisch, die Anhänger der Opposition haben Verständnis und Unterstützung gezeigt.

Laut Gesetzesentwurf soll das Gesetz am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Der Sejm soll sich im März damit befassen. Einer der Koalitionspartner des Regierungslagers der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica), die Partei Verständigung (Porozumienie) von Jarosław Gowin, hat allerdings angekündigt, dass er das Vorhaben in der vorgeschlagenen Version nicht unterstützen werde. Auch die gesamte Opposition ist gegen das Projekt.

Fazit

Die Analyse hat gezeigt, dass der Radio- und Fernsehmarkt in Polen deutlich polarisiert ist und die öffentlichen Medien eindeutig politisch instrumentalisiert werden. Daneben wurden auch andere Tendenzen in den Blick genommen werden. Nach wie vor nehmen die privaten TV-Sender eine starke Position ein. Die Nachrichtensendung "Fakty" von TVN sehen mehr Zuschauer als "Wiadomości" auf TVP 1. Die jüngeren Generationen wenden sich vom Fernsehen ab. Mittelfristig wird das Medium also seine Bedeutung für die Meinungsbildung verlieren, wenngleich der Einfluss des TVP auf kurze Sicht nicht bagatellisiert werden darf.

Auch am Radiomarkt verzeichnen die privaten Unterhaltungssender die größte Einschaltquote und ist die Rolle der öffentlichen Sender relativ klein. Nach den Ereignissen beim Dritten Programm des Polnischen Radios im Jahr 2020 hat es eine weitere Gruppe von gesellschaftlich und politisch interessierten Zuhörern verloren. Ein Teil von ihnen wechselte zu den entstehenden Internetradiosendern. Es bleibt die Frage, ob deren Zuhörerzahl wachsen und aus dem Kreis der intellektuellen Eliten heraustreten wird und ob die private Finanzierung eine Aufrechterhaltung der Radioarbeit weiter erlauben wird.

Darüber hinaus muss die Frage gestellt werden, welche Rolle die Medien des Konzerns von Pater Tadeusz Rydzyk spielen werden. Zwar wird TV Trwam und Radio Maryja viel Aufmerksamkeit zuteil, allerdings ist der Anteil ihrer Zuschauer und Zuhörer relativ gering. Sie gehören zur treuesten Wählerschaft der PiS, der Partei, der an der Botschaft, die diese Medien verbreiten, gelegen ist. Beide Kanäle haben somit einen bedeutenden Einfluss auf das Handeln der PiS-Politiker.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

Dr. Agnieszka Łada ist stellvertretende Direktorin am Deutschen Polen-Institut (DPI) in Darmstadt. Bis Dezember 2019 war sie Direktorin des Europa-Programms und Senior Analyst am Institut für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP), Warschau. Ihre Schwerpunkte sind die deutsch-polnischen Beziehungen, die polnische und deutsche Außen- und Europapolitik, die Wahrnehmung Polens im Ausland bzw. der Ausländer in Polen.