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Analyse: Die Selbstverwaltungswahlen 2010 - der Frauenanteil auf Listen und in Wahlen | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Die Selbstverwaltungswahlen 2010 - der Frauenanteil auf Listen und in Wahlen

Malgorzata Druciarek Aleksandra Nizynska

/ 14 Minuten zu lesen

Das im Januar 2011 verabschiedete Wahlgesetz sieht vor, dass sich auf einer Wahlliste nicht weniger als 35% Frauen und nicht weniger als 35% Männer befinden müssen, damit diese zugelassen werden kann. Schon im Wahlkampf zu den Regional- und Kommunalwahlen 2010 war das Thema der Teilhabe von Frauen an der Politik zu einer Schlüsselfrage geworden.

Zusammenfassung

Das im Januar 2011 verabschiedete Wahlgesetz sieht vor, dass sich auf einer Wahlliste nicht weniger als 35% Frauen und nicht weniger als 35% Männer befinden müssen, damit diese zugelassen werden kann. Schon im Wahlkampf zu den Regional- und Kommunalwahlen 2010 war das Thema der Teilhabe von Frauen an der Politik zu einer Schlüsselfrage geworden. In der Tendenz stellt die Analyse einen systematischen Anstieg des Frauenanteils unter den Kandidaten für politische Ämter fest, doch ging dieser Anstieg von Wahl zu Wahl zurück. Im Vergleich zu 2006 gab es bei den Selbstverwaltungswahlen 2010 nur um 2 Prozentpunkte mehr Kandidatinnen. Die 35%-Regelung kann sich nach Auffassung der Autorinnen nur als effektiv erweisen, wenn die Parteien sich dazu entscheiden, Frauen auf den vorderen Plätzen der Wahllisten zu platzieren. Erste Ergebnisse der Quotenregelung wird man bereits nach den Parlamentswahlen am 9. Oktober 2011 sehen können - den ersten Wahlen, bei denen die neue Regelung gilt.

Frauen in politischen Ämtern

In den meisten Ländern Westeuropas erzielen Frauen bei Wahlen größere Erfolge auf lokaler Ebene als auf der des Gesamtstaates. Im Durchschnitt der 27 EU-Staaten beträgt der Frauenanteil in den lokalen Legislativorganen 31%, in den Nationalparlamenten hingegen nur 24%. Diese Proportionen bleiben auch in der Exekutive erhalten: Auf der lokalen Ebene gibt es 32% Politikerinnen, aber nur jedes vierte Regierungsmitglied ist eine Frau. Ausnahmen bilden dabei nur die skandinavischen Länder, die in den Rankings zur Partizipation der Frauen am öffentlichen Leben die vordersten Plätze belegen (u. a. Gender Gap Index 2010). In Finnland, Island und Schweden bewegt sich die politische Partizipation von Frauen in der überregionalen Politik um 50%, in Dänemark und Norwegen erreicht sie fast 40%. Viel ungünstiger ist dagegen die Situation für Kommunalpolitikerinnen. Bei Kommunalwahlen werden skandinavische Politikerinnen viel seltener gewählt als bei Parlamentswahlen. Ihr Anteil in der Kommunalpolitik liegt bei 20-30%.

Polen unterschied sich diesbezüglich viele Jahre lang nicht vom europäischen Durchschnitt - der Frauenanteil in der Lokalpolitik war grundsätzlich höher als im Nationalparlament (Sejm). Doch vergrößerte sich, entgegen den in anderen Ländern zu beobachtenden Tendenzen, der Anteil von Politikerinnen in den Parlamenten der territorialen Selbstverwaltung nicht systematisch von Wahl zu Wahl. Im Jahr 2002 kehrte sich, wenn auch nicht für lange, die gesamteuropäische Tendenz um. Denn nach den Wahlen zu den Parlamenten von den Woiwodschaften bis zu den Gemeinden zeigte sich, dass Frauen im Sejm zahlreicher vertreten waren als dort. Dies war so, obwohl in den Monaten vor den Wahlen alles darauf hingewiesen hatte, dass der Anteil der Politikerinnen steigen würde. Vor den Parlamentswahlen 2001 hatten die drei damals wichtigsten politischen Parteien - das Bündnis der demokratischen Linken (SLD), die Arbeitsunion (UP) und die Freiheitsunion (UW) - den Grundsatzbeschluss gefasst, dass keines der beiden Geschlechter auf den Wahllisten mit weniger als 30% Kandidatinnen oder Kandidaten vertreten sein durfte. Die von den politischen Parteien eingeführten Quoten beeinflussten das Wahlergebnis, der Anteil der Frauen im Sejm wuchs signifikant. Es waren also Voraussetzungen dafür vorhanden, dass der Anteil der bei den Selbstverwaltungswahlen gewählten Frauen ebenfalls signifikant ansteigen würde. Doch dazu kam es nicht. Trotz der von manchen Parteien gefassten Beschlüsse über eine Mindestvertretung jedes Geschlechts auf den Wahllisten bestand eine beträchtliche Mehrheit der Wahlkandidaten zu den Selbstverwaltungsorganen aus Männern. Im Durchschnitt besetzten Frauen jeden vierten Platz auf den Listen für die Gemeinde- und Kreisräte. Wesentlich schlechter sah es aus bei den Kandidatinnen für die direkten Wahlen auf die Posten von Gemeindevorstehern, Bürgermeistern und Stadtpräsidenten: Hier stellten Frauen kaum mehr als 10% aller Kandidierenden.

Nach 2002 wuchs der Frauenanteil in der lokalen und regionalen Politik allmählich von Wahl zu Wahl. Aus den Daten der Staatlichen Wahlkommission geht hervor, dass 2002 18% der Mitglieder der Regional- und Kommunalparlamente Frauen waren, vier Jahre später war es schon jeder fünfte. Dieser Anteil stieg auf 25% bei den Wahlen 2010, den letzten Wahlen vor Einführung der Quotenregelung im polnischen Wahlrecht.

Die Regional- und Kommunalwahlen 2010 hatten einen besonderen Charakter angesichts der in dieser Zeit intensiv geführten öffentlichen Debatte über die Paritäten, die im Sinne der Verteidiger dieser Forderung eine Steigerung des Frauenanteils in den politischen Ämtern der Selbstverwaltungsorgane bewirken sollten. Den Anstoß zu einer lebhaften Diskussion gab der bürgerschaftliche Entwurf eines Paritätsgesetzes im Dezember 2009. Die »Einführung eines Paritätssystems, das auf den Listen für die Wahlen aller Ebenen gilt, und eine Sanktion, die die Zulassung einer Liste verbietet, bei der dieser Grundsatz nicht eingehalten wird«, war eine der Hauptforderungen des Ersten Frauenkongresses. Diese Forderung löste eine erbitterte Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern aus. Die Geschicke dieses bürgerschaftlichen Gesetzentwurfes wurden in den Medien das ganze Jahr 2010 über mit wechselnder Intensität kommentiert.

Allerdings war dies nicht der erste Versuch, eine Quote bei den Wahlen zu den Parlamenten und Entscheidungsgremien in Polen einzuführen. Das erste Mal versuchte man die Quote in dem Gesetz über den gleichen Status von Frauen und Männern festzuschreiben. Dann machte 2001 die Abgeordnete Olga Krzyzanowska den Vorschlag, die besagte Regelung in die Wahlordnung einzufügen. Beide Versuche misslangen. Etwas erfolgreicher verlief die bereits erwähnte Einführung von Quoten durch die drei wichtigsten politischen Parteien unmittelbar vor den Sejmwahlen von 2001. Jedoch erst das im Januar 2011 verabschiedete Wahlgesetz sieht vor, dass sich auf einer Wahlliste nicht weniger als 35% Frauen und nicht weniger als 35% Männer befinden müssen, damit diese zugelassen werden kann. Sicher können wir nicht von einem Sieg der Urheberinnen der Forderung des Ersten Frauenkongresses sprechen - von dem bürgerschaftlichen Entwurf des Paritätsgesetzes ist nur die Verabschiedung eines Quotengesetzes übrig geblieben. Doch ganz gewiss hat die Einführung der 35%-Quote eine lebhafte Diskussion über die Teilhabe von Frauen an der Politik ausgelöst. Das ist insofern wichtig für die Analyse des Frauenanteils in der Lokalpolitik, als in der öffentlichen Debatte, die den Selbstverwaltungswahlen von 2010 vorausging, Quoten und Paritäten den Ton angaben. Das Thema der Teilhabe von Frauen an der Politik war zu einer Schlüsselfrage in diesem Wahlkampf geworden. Hat sich das in spürbarer Weise auf den Wahlerfolg von Frauen ausgewirkt?

Kandidatinnen bei den Regional- und Kommunalwahlen 2010

Die Bewertung des Frauenanteils bei den Wahlen 2010 muss vor allem ansetzen bei der Analyse der Anzahl der Kandidatinnen, die von den einzelnen Wahlkommissionen aufgestellt wurden. Mit der steigenden Zahl von Kandidatinnen in den Wahlen auf allen Selbstverwaltungsebenen steigt auch die Anzahl gewählter weiblicher Ratsmitglieder. 2002 war unter den Kandidaten auf allen Selbstverwaltungsebenen kaum mehr als ein Viertel Frauen, 2006 stieg dieser Anteil auf 29%, und 2010 überschritt er die 30%-Marke.

In der Tendenz gibt es also einen systematischen Anstieg des Frauenanteils unter den Kandidaten für politische Ämter, doch geht dieser Anstieg von Wahl zu Wahl zurück. Im Vergleich zu 2006 gab es bei den letzten Wahlen 2010 nur um 2 Prozentpunkte mehr Kandidatinnen. Das kann bedeuten, dass die bisher verfolgten Strategien zur Steigerung des Frauenanteils bei den Wahlen unwirksam geworden sind und man entschiedenere Maßnahmen ergreifen muss.

In diesem Zusammenhang ist an die Typologie von Strategien zur Erhöhung des Anteils von Kandidatinnen bei Wahlen von Joni Lovenduski zu erinnern. Die britische Forscherin verweist auf drei grundsätzliche Möglichkeiten, die zu einer breiteren Nutzung des passiven Wahlrechts durch Frauen führen sollen:

  • Rhetorik der Gleichheit - öffentliche Debatte um die Teilhabe von Frauen an der Politik, öffentliche Akzeptanz für eine Steigerung der Anzahl von Politikerinnen, ausgedrückt durch bekannte Persönlichkeiten, offene Ermutigung von Frauen zur Kandidatur;

  • Förderung der Gleichheit - Organisation von Schulungen für Kandidatinnen, inhaltliche und finanzielle Hilfe im Wahlkampf;

  • Garantien der Gleichheit - Regelungen, die die Anzahl der Frauen auf einer Wahlliste festschreiben, meist in Form von Quoten, die von Parteien intern festgelegt bzw. im Parlament verabschiedet werden, als bindendes Recht für alle Wahlkomitees, die Wahllisten aufstellen.

Bei den Wahlen 2010 wurde die Rhetorik der Gleichheit im Hinblick auf die oben beschriebene Diskussion über Paritäten und später über die Quotenregelung ausgiebig verwendet. Dazu wurde Werbung für die Gleichheit betrieben, um die Anzahl der Wahlkandidatinnen zu erhöhen. Dank zahlreicher regionaler und überregionaler Schulungen konnten sich die Frauen Grundwissen über die territoriale Selbstverwaltung sowie über Techniken der Wahlkampfführung aneignen. Workshops über Selbstdarstellung, öffentliches Auftreten und erfolgreiche Kommunikation sollten den Frauen helfen, bestmögliche Wahlergebnisse zu holen, und die Kandidatinnen unterstützen.

Trotz dieser Aktivitäten wuchs der Anteil der Kandidatinnen im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen nur um 2 Prozentpunkte. Offenbar ist es auf dieser Ebene der Partizipation von Kandidatinnen wichtig, eine Strategie anzuwenden, die Lovenduski als »Garantie der Gleichheit« bezeichnet, also Quotenregelungen einzuführen, die eine bestimmte Anzahl von Plätzen für Frauen auf der Wahlliste des jeweiligen Komitees sicherstellen. Die im Wahlgesetz von 2011 verabschiedete Quote von mindestens 35% für beide Geschlechter wurde 2010 von keiner der im Parlament vertretenen Parteien auf Frauen angewendet.

Keine Partei erreichte auch nur einen Frauenanteil von 30% auf ihren Listen. Diesem Wert näherten sich lediglich SLD und Bürgerplattform (PO) mit jeweils 29% Frauenplätzen auf ihren Listen an. Am wenigsten Frauen fanden sich auf der Liste der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS): Für Kandidatinnen dieser Partei gab es dort gut ein Fünftel der Plätze. Doch ist nicht nur die Präsenz von Frauen auf der Liste von Bedeutung, sondern es sind auch die Plätze, von denen aus die Kandidatinnen starten. Gerade von diesem Faktor hängt in hohem Maße ihr Wahlerfolg ab. Vergleicht man die Anzahl der Frauen, die für verschiedene Parteien in die Regionalparlamente der Woiwodschaftsebene gelangten, kann man jedoch zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Bedeutung eines Listenplatzes bei einigen Parteien wichtiger ist als bei anderen.

Bei der Untersuchung der Listen der einzelnen Parteien ist festzustellen, dass die Listen der PO den höchsten Anteil von Frauen auf den Plätzen 1-5 aufwiesen (43%), danach folgte mit 41% gleich die Bauernpartei (PSL). Am wenigsten Kandidatinnen auf den vorderen Plätzen hatten Recht und Gerechtigkeit (35%), etwas mehr waren auf den Listen der SLD zu finden (38%). Betrachtet man jedoch den Frauenanteil unter den auf den Listen der jeweiligen Partei gewählten Ratsmitgliedern, stellt man fest, dass Frauen am erfolgreichsten von den Listen der SLD gestartet sind, obwohl diese einen geringeren Frauenanteil auf den vorderen fünf Listenplätzen aufweist als PO und PSL. Trotzdem stellen Frauen in zwei Woiwodschaften die Hälfte der SLD-Ratsmitglieder dar. Wie ist es zu erklären, dass ausgerechnet auf den Listen dieser linken Partei am meisten Frauen in die Regionalparlamente gelangten?

Ein Schlüsselfaktor dafür war wohl die Verbindung zwischen einem auf offenen Listen basierenden Wahlsystem und der positiven Einstellung der Wählerschaft der SLD zur Präsenz von Frauen in der Politik. Dank der offenen Listen können die Wähler selbst über die endgültige Reihenfolge der Personen entscheiden, die ins Regionalparlament kommen, und nicht die Parteifunktionäre, die die Listen aufstellen. Ins Regionalparlament kann also jemand kommen, der auf Platz 14 der Liste steht, während jemand auf Platz 2 scheitern kann, wenn er weniger Stimmen erhält. In der Praxis werden meist die Stimmen für die Personen auf den vorderen Plätzen der Liste abgegeben, denn wenn die Wähler in die Wahllokale kommen, wissen sie meist noch nicht, wen sie konkret wählen werden. Wird jedoch die Wählerschaft einer Partei für die Wahl von Frauen mobilisiert, besteht die Chance, deren Anteil in den Regionalparlamenten unabhängig von ihrem Listenplatz zu erhöhen. So war es höchstwahrscheinlich bei der SLD.

Wenn die Wähler einer Partei wiederum der Präsenz von Frauen in der Politik nicht wohlgesonnen sind, sind geschlossene Listen für die Kandidatinnen vorteilhafter, auf denen ihr Platz von vornherein feststeht und von denen aus sie aufgrund einer entsprechenden Anzahl der für diese Liste von abgegebenen Stimmen in die Entscheidungsgremien gelangen können. Natürlich nur, wenn die Parteigremien sich entscheiden, Frauen auf den vorderen Plätzen aufzustellen, was nicht oft geschieht. Bei einer allgemeinen gesellschaftlichen Ablehnung der Teilhabe von Frauen in der Politik kann daher die Einführung von Quoten auf geschlossenen Listen eine effektive Möglichkeit sein, ihnen diese zu verschaffen, unter Anwendung des so genannten Reißverschlussprinzips, d. h. der abwechselnden Platzierung von Frauen und Männern auf der Wahlliste.

Die größte Bedeutung hat die Politik der Parteien bezüglich des Frauenanteils in den Gremien bei den Wahlen zum Woiwodschaftsparlament. Für die Vertretungen von Gemeinden unter 20.000 Einwohnern kandidieren auf den Parteilisten nur 31% Frauen, für die Woiwodschaftsparlamente werden gar drei Viertel der Frauen von den Parteien aufgestellt. Angesichts der Art der Machtausübung auf dieser Ebene verwundert das nicht. Dort agieren sowohl die demokratisch legitimierte Selbstverwaltungsebene als auch die Regierungsebene in Gestalt des vom Ministerpräsidenten nominierten Woiwoden. Die Selbstverwaltung der Woiwodschaft entscheidet über Schlüsselfragen für die Entwicklung der Region: die Verteilung von EU-Mitteln, den Ausbau von Verkehrswegen, den Umweltschutz. Die enge Zusammenarbeit mit der Regierungsverwaltung auf dem Gebiet der Woiwodschaft hat zur Folge, dass die Politiker auf dieser Ebene eher gesamtstaatlichen »Playern« als lokalen »Aktivisten« ähneln. Daher nährt die Tatsache der systematischen Vergrößerung der Frauenrepräsentanz in den Regionalparlamenten die Hoffnung auf einen Anstieg des Frauenanteils auch in der Politik des Gesamtstaates.

Innerhalb von 12 Jahren ist der Frauenanteil in den Woiwodschaftsparlamenten um 12 Prozentpunkte gestiegen. 2010 wurden 23% der Mandate in diesen Parlamenten von Frauen besetzt. Festzustellen ist, dass wenn der Anteil der Kandidatinnen auf den Wahllisten in einer bestimmten Region sich dem 30%-Wert nähert oder diesen erreicht hat, sich der Frauenanteil im Regionalparlament auf demselben Niveau hält. Dies zeigt, dass die 35%-Quote die Chance bietet, die Repräsentanz der Frauen auf dem Niveau der so genannten kritischen Masse, d. h. bei 30%, zu sichern. Untersuchungen belegen, dass erst ein solcher Anteil von Vertretern einer Gruppe in Entscheidungsgremien gewährleistet, dass die Perspektiven der Mitglieder dieser Gruppe auch berücksichtigt werden.

Bei der zusammenfassenden Betrachtung des Frauenanteils in den Entscheidungsgremien nach den Regional- und Kommunalwahlen von 2010 bemerken wir eine deutlich höhere Partizipation von Frauen auf der untersten Ebene, also in den Gemeinden bis 20.000 Einwohner, in denen das Mehrheitswahlrecht galt. Unter den Ratsmitgliedern auf dieser Ebene waren 26% Frauen. Ein etwas geringerer Anteil von Politikerinnen sitzt in den Räten der kreisfreien Städte (24%). Einen vergleichbaren Frauenanteil weisen auch die Woiwodschaftsparlamente und Gemeinderäte auf. Am wenigsten Frauen wurden in die Räte der Kreise gewählt: Nur 18% aller gewählten Mitglieder dieser Ebene waren weiblichen Geschlechts.

Ausgehend von diesen Daten ist schwer zu prognostizieren, ob die Tendenz einer systematischen Zunahme der Repräsentanz von Frauen in den lokalen und regionalen Entscheidungsgremien weiter andauern und sich bei den Wahlen 2014 bestätigen wird. Die Verabschiedung des Wahlrechts wird sich zweifellos auf die Proportionen der Geschlechter in den Entscheidungsgremien auf allen Ebenen der Selbstverwaltung auswirken, doch die Richtung dieser Veränderung ist vorerst schwer einzuschätzen. Erstens wird die 35%-Quotenregelung für Frauen und Männer gelten, deren Ziel die Steigerung des Frauenanteils in der Politik ist. Ob sich diese Regelung ohne eine Garantie für bestimmte Frauenplätze auf der Liste als effektiv erweist, wird man bereits nach den Parlamentswahlen am 9. Oktober 2011 sehen können - den ersten Wahlen, bei denen die neue Regelung gilt.

Zweitens umfasst nach dem neuen Gesetz das Verhältniswahlrecht, in dem Parteilisten verpflichtend sind, nur die beiden höchsten Ebenen der Selbstverwaltung: den Kreis und die Woiwodschaft. Wahlen zu den Gemeinderäten, die nach dem Wahlgesetz unabhängig von ihrer Größe auf dem Mehrheitswahlrecht mit Einmandatswahlkreisen basieren, bleiben ohne Quotenregelungen. Denn die Parteien stellen nur einen Kandidaten oder eine Kandidatin auf. Diese Lösung ist weder für Frauen noch für andere in der Politik unterrepräsentierte Gruppierungen günstig. Außerdem hat Präsident Bronislaw Komorowski angekündigt, er werde nach den Parlamentswahlen den Entwurf eines Gesetzes vorstellen, das das Mehrheitswahlrecht auf allen Selbstverwaltungsebenen einführt.

Frauen in den Exekutivorganen der territorialen Selbstverwaltung

Die Einmandatswahlkreise gibt es in Polen bereits seit 2002, aufgrund des Gesetzes über die Direktwahl des Gemeindevorstehers (Gemeinden bis 20.000 Ew.), Bürgermeisters (Gemeinden bis 100.000 Ew.) und Stadtpräsidenten (Gemeinden ab 100.000 Ew.). Schaut man sich die Ergebnisse für Frauen bei diesen Wahlen an, lässt sich ihre minimale Repräsentanz in diesen lokalen Organen konstatieren. 2002 waren unter den gewählten Gemeindevorstehern, Bürgermeistern und Stadtpräsidenten nur 7% Frauen. Dieser Anteil stieg von Wahl zu Wahl, allerdings nur in minimalem Tempo - jeweils um 1 Prozentpunkt.

Eine direkte Ursache der eingeschränkten Repräsentanz von Frauen in den Exekutivorganen der territorialen Selbstverwaltung ist die geringe Anzahl von Kandidatinnen für diese Ämter. 2006 bemühten sich nur 12% Frauen um den Posten eines Gemeindevorstehers, Bürgermeisters oder Stadtpräsidenten, 2010 war dieser Anteil geringfügig auf 14% gestiegen.

Eine weitere Erklärung für diese schwache Partizipation von Frauen an der Exekutive auf allen Selbstverwaltungsebenen ist möglicherweise die begrenzte Rotation im Amt eines Gemeindevorstehers, Bürgermeisters oder Stadtpräsidenten. Bis zu 70% der 2010 Gewählten übten ihre Funktion auch schon vor den Wahlen aus. Wenn die Wähler in fast drei Vierteln der Kommunen die Personen wählen, die gerade das Amt ausüben, und unter diesen nur einen verschwindend geringen Anteil Frauen ausmachen (8%), kann die Langsamkeit des Anstiegs der weiblichen Repräsentanz unter Gemeindevorstehern, Bürgermeistern und Stadtpräsidenten polnischer Städte nicht verwundern.

Der geringe Frauenanteil in den Exekutivorganen ist, was Untersuchungen auf allen höheren Selbstverwaltungsebenen bestätigen, auch mit der Einstellung zu erklären, Frauen seien nicht imstande zu leiten, d. h. schwierige Entscheidungen zu fällen oder einen Haushalt zu verwalten, die sowohl von Männern als auch von Frauen vertreten wird. Feldforschungen, die unter Leitung von Prof. Malgorzata Fuszara nach den Wahlen von 2002 und 2010 durchgeführt wurden, belegen, dass neben der Notwendigkeit, die häuslichen Pflichten zu erfüllen, die den Frauen eine breite Partizipation in der Politik unmöglich macht, eben solche Einstellungen über fehlende Führungsqualitäten eine wichtige Barriere auf dem Weg der Frauen in Ämter der Selbstverwaltungsorgane darstellen. Die in den Äußerungen der Befragten zum Vorschein kommende Reserve gegenüber der Ausfüllung politischer und leitender Funktionen durch Frauen bestätigen die Untersuchungen zur Präsenz von Frauen in den Exekutivorganen, nicht nur auf der Selbstverwaltungsebene.

In der Hälfte der polnischen Woiwodschaften gibt es keine Frau im Woiwodschaftsvorstand (zarzad wojewodztwa). In keinem Woiwodschaftsparlament stellen Frauen die Mehrheit. Von 16 Woiwodschaften wird nur in einer einzigen der Posten des Marschalls, also die Führungsposition, von einer Frau besetzt. Diese Situation ist nicht mit der Bindung der Wähler an die Amtsinhaber erklärbar, denn die Zusammensetzung der Leitungsgremien wird direkt von den Ratsmitgliedern des jeweiligen Regionalparlaments durch Wahl bestimmt. Noch nicht untersucht ist, inwieweit in diesem Zusammenhang die Tatsache von Bedeutung ist, dass 77% der Ratsmitglieder auf dieser Ebene Männer sind. Frauen sind jedoch zweifellos in der Hälfte der polnischen Regionen von der Beteiligung an für die Entwicklung der jeweiligen Woiwodschaft fundamentalen Entscheidungen ausgeschlossen. Fragen wie die Verteilung von EU-Mitteln, die Erarbeitung von regionalen Entwicklungsstrategien, die Haushaltsplanung oder Bewirtschaftung des Woiwodschaftseigentums - das sind nur einige der Aufgaben der Woiwodschaftsleitung. Der geringe Frauenanteil in diesen Entscheidungsgremien kann nicht mit der begrenzten Anzahl von Frauen im Regionalparlament selbst erklärt werden. Denn die Abgeordneten können die Mitglieder des Woiwodschaftsvorstands auch unter Personen wählen, die nicht im Regionalparlament sitzen. Trotzdem befinden sich Frauen nur sehr selten in diesem Kreis.

Zusammenfassung

Die gleiche Möglichkeit aller Bürger und Bürgerinnen, am öffentlichen Leben der Gemeinschaft teilzuhaben, ist einer der Grundwerte der Demokratie. Ein Staat, in dem zumindest eine gesellschaftliche Gruppe bezüglich ihrer Partizipation am öffentlichen Leben diskriminiert wird, verfehlt das Gesamtinteresse der Gesellschaft, was sich nicht nur auf die diskriminierte Gruppe, sondern auch auf die Allgemeinheit negativ auswirkt. Die Steigerung des Frauenanteils in der Lokalpolitik dient daher nicht nur den Frauen selbst, die dadurch in der lokalen Gemeinschaft vollständige Gleichberechtigung erlangen, sondern vor allem den Organen der Kommunalverwaltung, die sich gleichmäßig entwickeln können, dank der unterschiedlichen Perspektiven, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Jahrelange Untersuchungen der Teilnahme von Frauen an Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen zeigen, dass ihre Repräsentanz zunimmt, jedoch die 30%-Marke, die so genannte kritische Masse nicht erreicht, die Frauen eine tatsächliche Einflussnahme auf die Angelegenheiten ihrer eigenen Region, ihres Kreises oder ihrer Stadt ermöglichen würde. Die besonders schwierige Situation von Frauen in den Exekutivorganen schränkt sie in ihrer vollständigen Teilhabe an der Kommunalpolitik ein. Quotenregelungen können den sich in den letzten Jahren verlangsamenden Anstieg des Anteils an weiblichen Mitgliedern in den Entscheidungsgremien wieder beschleunigen. Zu beobachten sind jedoch vor allem das Verhältnis der Parteien zur Platzierung von Frauen auf den vorderen Plätzen der Wahllisten und auch die Einstellungen der Frauen selbst zu einer Kandidatur bei lokalen Wahlen. Diese beiden Fragen erscheinen im Zusammenhang mit der Steigerung der politischen Partizipation von Frauen (nicht nur auf allen Ebenen der Selbstverwaltung) als die wichtigsten.

Übersetzung aus dem Polnischen: Ulrich Heiße

Fussnoten

Malgorzata Druciarek ist Soziologin und forscht am Institut für öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych), Warschau.

Aleksandra Nizynska ist Soziologin und forscht am Institut für öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych), Warschau; Doktorandin am Institut für angewandte Sozialwissenschaften der Universität Warschau.