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Chronik: 15. Juni bis 5. Juli 2021 | bpb.de

Chronik: 15. Juni bis 5. Juli 2021

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15.06.2021 Der Sejm wählt Lidia Staroń mit 231 Stimmen zur Bürgerrechtsbeauftragten. Sie wurde von der Fraktion von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) vorgeschlagen. Marcin Wiącek erhält 222 Stimmen. Er ist der Gegenkandidat der oppositionellen Fraktionen und Parteien Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO), Polnische Koalition-Polnische Bauernpartei (Koalicja Polska –KP/Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), Die Linke (Lewica), Polen 2050 (Polska 2050), Polnische Angelegenheiten (Polskie Sprawy) sowie unabhängiger Abgeordneter. Unterstützt wurde er auch von einigen Parlamentariern des Regierungspartners Verständigung (Porozumienie). Die Wahl muss noch vom Senat bestätigt werden. Daran war die Wahl der Bürgerrechtsbeauftragten in letzter Zeit viermal gescheitert.
16.06.2021 Regierungssprecher Piotr Müller teilt mit, dass Michał Dworczyk, Leiter der Kanzlei des Ministerpräsidenten, im Amt bleibt. Es lägen keine Verletzungen der rechtlichen Vorgaben für geheime Informationen vor. In der vergangenen Woche hat Dworczyk bekannt gegeben, dass sein E-Mail-Account und seine Konten in den sozialen Medien gehackt worden seien, ebenso wie die seiner Ehefrau. Er gab an, dass sich darunter keine E-Mails mit geheimen Inhalten befunden hätten. Die Tat müsse in den Kontext der "Desinformation" eingeordnet werden, weshalb sich die polnischen Geheimdienste mit der Angelegenheit befassen.
17.06.2021 Aus Anlass der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags vor 30 Jahren wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von Präsident Andrzej Duda zu einem offiziellen Besuch in Warschau empfangen. Betont wird die Freundschaft zwischen beiden Ländern, darüber hinaus werden auch unerledigte Punkte angesprochen. Duda nennt hier die Förderung der polnischen Sprache in Deutschland und die Bereitstellung finanzieller Mittel dafür von deutscher Seite.
18.06.2021 Der Senat lehnt mit 51 Stimmen (45 Ja-Stimmen, drei Enthaltungen) die Berufung der unabhängigen Senatorin Lidia Staroń in das Amt der Bürgerrechtsbeauftragten ab. Sie wurde Anfang der Woche vom Sejm gewählt und ist die Kandidatin von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS). Die Berufung des Bürgerrechtsbeauftragten ist damit zum fünften Mal gescheitert.
19.06.2021 In Warschau nehmen mehrere Tausend Menschen an der "Gleichheitsparade" teil. Die Schirmherrschaft hat Rafał Trzaskowski, Stadtpräsident von Warschau von der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), übernommen. Die Teilnehmenden demonstrieren für eine aktive Antidiskriminierungspolitik, für die Erweiterung der rechtlichen Regelungen zur Hassrede um die Aspekte geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung sowie für das Adoptionsrecht auch für gleichgeschlechtliche Paare.
20.06.2021 Adam Bielan, der im Februar nach einem parteiinternen Streit aus der Partei Verständigung (Porozumienie) ausgeschlossen wurde, kündigt auf dem "Republikanischen Kongress" die Gründung der Republikanischen Partei (Partia Republikańska) an. Verständigung ist Partner in der Regierungskoalition Vereinigte Rechte (Zjednoczona Prawica). Im Zentrum der Republikanischen Partei sollen die individuelle, nationale und wirtschaftliche Freiheit stehen, außerdem sollen die traditionelle Familie geschützt und polnische Produkte gestärkt werden. Die Republikanische Partei soll Teil der Regierungskoalition sein.
21.06.2021 In einem Interview für das Wochenmagazin "Wprost" sagt Michał Dworczyk, Chef der Kanzlei des Ministerpräsidenten, die Untersuchungen der polnischen Behörden hätten ergeben, dass die Hackerangriffe auf sein privates E-Mail Konto Mitte Juni vom Gebiet der Russischen Föderation ausgeführt worden seien. Das Ziel sei gewesen, die politische Lage in Polen zu destabilisieren. Dworczyk betont, in seinem E-Mail-Account hätten sich keine dienstlichen geheimen E-Mails befunden.
23.06.2021 Waldemar Buda, stellvertretender Entwicklungsminister, kündigt in einem Radiointerview an, dass im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialprogramms "Neue Ordnung" (Nowy Ład) ab dem 1. Januar 2022 der Steuerfreibetrag 30.000 Zloty betragen wird.
24.06.2021 Der Sejm verabschiedet eine Gesetzesnovelle, die auf ein Urteil des Verfassungstribunals im Jahr 2015 zurückgeht. Demnach kann eine Verwaltungsentscheidung nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr infrage gestellt werden. Als Reaktion darauf schreibt der Außenminister Israels, Yair Lapid, im Nachrichtendienst "Twitter", die Novelle verhindere die Rückgabe jüdischen Eigentums bzw. eine Entschädigung für die Opfer des Holocaust. Auch die Botschaft der USA in Polen kritisiert die Entscheidung des Sejm.
25.06.2021 Das US-Außenministerium ruft Polen dazu auf, die weiteren Arbeiten an der am Vortag im Sejm verabschiedeten Gesetzesnovelle einzustellen. Die Entscheidung am Vortag sei ein Schritt in die falsche Richtung. Angelegenheiten von Entschädigungen für Verluste infolge des Holocaust sollten gelöst werden, um allen Opfern Gleichheit und Gerechtigkeit zu gewähren, heißt es in der Erklärung. Die Novelle legt fest, dass eine Verwaltungsentscheidung nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr infrage gestellt werden kann.
25.06.2021 In einer Stellungnahme bekräftigt das Außenministerium, dass die vom Sejm am Vortag verabschiedete Gesetzesnovelle nicht die Möglichkeiten einschränke, auf zivilrechtlichem Wege Entschädigungen einzuklagen. Dabei sei die Staatsangehörigkeit oder Herkunft des Klägers ohne Belang. Hintergrund ist die Kritik Israels an der Gesetzesnovelle. Die Novelle legt fest, dass eine Verwaltungsentscheidung nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr infrage gestellt werden kann.
25.06.2021 Die Abgeordneten Arkadiusz Czartoryski, Zbigniew Girzyński und Małgorzata Janowska geben auf einer Pressekonferenz bekannt, die Fraktion von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) verlassen zu haben und den Abgeordnetenkreis "Wahl Polen" (Wybór Polska) zu gründen. Ein Grund dafür sei die Energiepolitik der Regierung, so Janowska. Die Fraktion der PiS zählt nun noch 229 Stimmen und stellt nicht mehr die absolute Mehrheit im Sejm.
26.06.2021 In einer Stellungnahme verurteilt Sejmmarschallin Elżbieta Witek die Reaktionen der USA und Israels auf die Verabschiedung der Gesetzesnovelle am 24. Juni im Sejm als unberechtigte Einmischung. Es werde Druck auf die polnische Politik ausgeübt. Sie hoffe auf die Unterstützung der USA und Israels, wenn Polen Entschädigungsansprüche gegen Deutschland für Verluste infolge des Zweiten Weltkrieges geltend mache.
28.06.2021 Das Statistische Institut der Katholischen Kirche in Polen stellt einen Bericht über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche Polens vor. In der Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2020 gingen bei den Diözesen und Männerorden 368 Meldungen ein, die die Jahre 1958 bis 2020 betreffen. 51 % der Fälle werden aktuell untersucht, 39 % wurden bestätigt oder gelten als glaubwürdig, 10 % werden als unglaubwürdig bewertet.
29.06.2021 Przemysław Czarnek, Minister für Bildung und Wissenschaft, spricht sich in einem Interview mit "TV Republika" dafür aus, der "Pädagogik der Scham", die 20 Jahre lang in Medien und kulturellen Einrichtungen in Polen angewendet worden sei, mehr Bildung über die jüngste Geschichte Polens entgegenzusetzen. Dies solle durch eine Bildungsreform gewährleistet werden.
30.06.2021 Das Verteidigungsministerium gibt bekannt, dass die letzten Soldaten der polnischen Streitkräfte vom beendeten NATO-Einsatz in Afghanistan zurückgekehrt sind. An dem knapp 20 Jahre dauernden Einsatz waren mehr als 33.000 Soldaten und Beschäftigte des Verteidigungsressorts beteiligt.
01.07.2021 Przemysław Czarnek, Minister für Bildung und Wissenschaft, setzt das Programm "Wissenschaft für die Gesellschaft" ein, das die Zusammenarbeit von Universitäten und Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft und Gesellschaft fördern soll. Für Projekte können Kosten zwischen 100.000 und 2 Mio. Zloty für einen Zeitraum von zwei Jahren beantragt werden.
02.07.2021 Der Parteichef von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Jarosław Kaczyński, unterzeichnet eine "Erklärung zur Zukunft Europas", in der zu einer Reform der Europäischen Union unter Aufrechterhaltung der Idee der souveränen Nationalstaaten aufgerufen wird. Abgelehnt wird, dass die europäischen Institutionen den nationalen Gremien übergeordnet sind. Außerdem wird auf gemeinsame europäische Werte wie die jüdisch-christliche Tradition verwiesen sowie angesichts des demographischen Wandels in Europa auf die Bedeutung der traditionellen Familie, die gestärkt werden soll, und nicht die Immigration nach Europa. Laut Bekanntmachung der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer des Europäischen Parlaments, der die PiS angehört, ist die Erklärung eine Antwort auf die am selben Tag beginnende "Konferenz zur Zukunft Europas" in Straßburg (die vom Parlament, dem Rat und der Kommission der Europäischen Union ausgerichtet wird) und wird auch von den Parteivorsitzenden Santiago Abascala (Vox/Spanien), Marine Le Pen (Rassemblement National/Frankreich), Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia/Italien), Viktor Orbán (Fidesz/Ungarn), Matteo Salvini (Lega/Italien) sowie Vertretern rechts-konservativer Parteien weiterer EU-Länder unterzeichnet.
03.07.2021 Der Landesrat der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) wählt Donald Tusk, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), zum neuen PO-Parteichef. Er wird außerdem einer von vier Vizevorsitzenden der PO. Tusk war vorher PO-Ministerpräsident Polens (2007–14) und Präsident des Europäischen Rates (2014–19). Der bisherige PO-Vorsitzende, Borys Budka, tritt zurück und wird zum Vizevorsitzenden gewählt. Für die neuen stellvertretenden Vorsitzenden verzichten die Vizevorsitzenden Ewa Kopacz und Bartosz Arłukowicz auf ihr Amt.
03.07.2021 Auf dem Parteitag von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) wählt der neu gewählte Politische Rat erneut Jarosław Kaczyński zum Parteivorsitzenden der PiS.
04.07.2021 Der Politische Rat von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) wählt die stellvertretenden Parteivorsitzenden der PiS: Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak, Innenminister Mariusz Kamiński sowie den Sejm-Abgeordneten Antoni Macierewicz und die EU-Parlamentarier Beata Szydło und Joachim Brudziński.
04.07.2021 In Warschau wird auf dem Parteitag der Konföderation (Konfederacja) das neue Parteiprogramm "Polen neu" ("Polska na nowo") vorgestellt. Es umfasst die Forderung nach Streichung von 15 Steuern (u. a. der Zuckersteuer), niedrigeren Preisen für Wohnungen, Strom und Abfallentsorgung, weniger Bürokratie für die Schulen, mehr Wahlmöglichkeiten für Patienten im Gesundheitsbereich und einer "Landwirtschaft ohne Ideologie". Für die Ferienzeit kündigt die Konföderation Veranstaltungen an touristischen Orten in Polen an.
05.07.2021 Nach aktuellen Schätzungen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) wird das Wirtschaftswachstum in Polen in diesem Jahr 5 % betragen; für das nächste Jahr wird von 4,8 % ausgegangen.

Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf  http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen.

Fussnoten

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