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Chronik: 1. bis 18.Oktober 2021 | bpb.de

Chronik: 1. bis 18.Oktober 2021

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01.10.2021 Grzegorz Schetyna, Mitglied des Parteivorstands der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und ehemaliger Innenminister, spricht sich in einem Interview dafür aus, Vertreter der polnischen Medien zur Berichterstattung an die polnisch-belarussische Grenze vorzulassen. Außerdem sollte die Agentur für europäische Grenz- und Küstenwache FRONTEX angefordert werden, damit die Situation an der Grenze nicht nur eine polnische Angelegenheit sei. Hintergrund ist der Migrationsdruck, den das belarussische Regime an der polnisch-belarussischen Grenze aufgebaut hat, indem es gezielt Migranten aus afrikanischen und asiatischen Ländern an die Grenze gebracht hat. Polen hat daraufhin seine Grenzsicherungsmaßnahmen verstärkt und den Ausnahmezustand im betroffenen Gebiet verhängt.
02.10.2021 Am Jahrestag des Endes des Warschauer Aufstandes (1944) gegen die nationalsozialistische Besatzung und Gedenktag der zivilen Opfer des Aufstandes enthüllt Barbara Fedyszak-Radziejowska, Beraterin des Präsidenten Andrzej Duda, auf dem Krasiński Platz in Warschau ein Denkmal für die Frauen des Warschauer Aufstandes. Es zeigt eine Soldatin, eine Sanitäterin und eine Meldegängerin und ist allen Frauen gewidmet, die das traumatische Erlebnis durchgemacht haben.
04.10.2021 Außenminister Zbigniew Rau empfängt seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. Beide zeigen sich zufrieden über den Handelsaustausch in Höhe von mehr als 6 Mrd. Euro im Jahr 2020 trotz Beeinträchtigungen durch die herrschende Corona-Pandemie. Könnten einige wesentliche Handelsbarrieren für den polnischen Export und Investitionen auf dem türkischen Markt ausgeräumt werden, sei das Handelsniveau noch steigerbar, so Rau.
06.10.2021 Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak stellt nach seinem Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Washington in Aussicht, dass die polnischen Streitkräfte im kommenden Jahr mit ersten Abrams Panzern der US-Armee ausgestattet werden.
07.10.2021 Das Verfassungstribunal (Trybunał Konstytucyjny – TK) urteilt, dass Teile der Bestimmungen der europäischen Verträge nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind. Dies sei der Fall, wenn EU-Organe außerhalb der Kompetenzen handeln, die ihnen Polen übertragen hat. So sei der Versuch des Europäischen Gerichtshofs, sich in das polnische Justizwesen einzumischen, ein Verstoß gegen die Regel des Vorrangs der Verfassung und gegen die Regel, dass die Souveränität im Prozess der europäischen Integration bewahrt bleibe.
08.10.2021 EU-Justizkommissar Didier Reynders zeigt sich auf einer Pressekonferenz in Brüssel besorgt über die Situation in Polen, wo am Vortag das Verfassungstribunal (Trybunał Konstytucyjny – TK) geurteilt hat, dass die Bestimmungen der europäischen Verträge teilweise nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Die Europäische Kommission setze sich weiter in verschiedenen Verfahren gegen Polen für die Unabhängigkeit des polnischen Justizwesens und den Schutz der Bürgerrechte in Polen ein.
09.10.2021 In Warschau findet der Vereinigungsparteitag der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD) und Frühling (Wiosna) mit ca. 1.150 Mitgliedern statt. Als Vorsitzende der Neuen Linken (Nowa Lewica) werden Robert Biedroń (936 Stimmen; vorher Parteichef von Frühling) und Włodzimierz Czarzasty (887 Stimmen; vorher Vorsitzender der SLD) gewählt. Zur Wahl gestellt hatte sich auch Piotr Rączkowski (152 Stimmen; SLD).
10.10.2021 In Warschau protestieren ca. 80.000 bis 100.000 Menschen gegen das Urteil des Verfassungstribunals (Trybunał Konstytucyjny – TK) in dieser Woche, das die teilweise Unvereinbarkeit der Bestimmungen der europäischen Verträge mit der polnischen Verfassung festgestellt hat. Donald Tusk, Parteivorsitzender der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und ehemaliger EU-Ratspräsident (2014 bis 2019), hat zu dieser Demonstration aufgerufen. Auch in ca. 100 weiteren Städten in Polen und im Ausland kommt es zu Demonstrationen.
11.10.2021 Anna Michalska, Pressesprecherin des Grenzschutzes, teilt auf einer Pressekonferenz mit, dass der Grenzschutz zurzeit im Gespräch mit dem Verteidigungsministerium darüber ist, die Anzahl der Soldaten an der polnisch-belarussischen Grenze aufzustocken. Zurzeit sind 2.500 Soldaten an der Grenze eingesetzt, um illegale Grenzübertritte aus Belarus zu verhindern. Michalska informiert, dass es vor zwei Tagen ca. 700 Versuche gab, illegal über die Grenze von Belarus nach Polen zu gelangen. Es habe sich dabei um einen bisherigen Tageshöchstwert gehandelt. Innerhalb von drei Tagen sei es zu ca. 2.000 Versuchen gekommen. Die belarussischen Grenzschützer würden die Migranten bewusst an Stellen führen, wo sie leicht die Grenze überschreiten können, so Michalska. Hintergrund ist, dass das belarussische Regime zielgerichtet Migranten aus Afrika und Asien an die belarussische Westgrenze bringt und sie nicht ins Land zurücklässt, während die betreffenden EU-Grenzstaaten die Grenzübertritte zu verhindern versuchen.
12.10.2021 Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagt auf einer Pressekonferenz bei einem Besuch in Budapest (Ungarn), die Opposition in Polen versuche der polnischen Regierung zu unterstellen, dass sie die Europäische Union und Polen schwächen wolle, indem sie Polen aus der Europäischen Union herausführen wolle. Dies sei eine Lüge, die darauf beruhe, dass die Urteile der Verfassungsgerichte anderer EU-Mitgliedsstaaten nicht richtig gelesen werden. Der Kontext ist das Urteil des polnischen Verfassungstribunals (Trybunał Konstytucyjny – TK) in der vergangenen Woche, dass die Bestimmungen der europäischen Verträge teilweise nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Das Regierungslager begrüßte das Urteil und verwies darauf, dass es ähnliche Urteile der Verfassungsgerichte in Frankreich, Dänemark, Deutschland, Italien, Tschechien, Spanien und Rumänien gegeben habe.
13.10.2021 Andrzej Sadoś, Ständiger Vertreter Polens bei der Europäischen Union, informiert Medienberichten zufolge auf einem Treffen in Brüssel seine europäischen Amtskollegen über die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze. Demnach seien die belarussischen Behörden und Streitkräfte aktiv daran beteiligt, illegale Grenzübertritte nach Polen zu erleichtern. Ein deutlicher Anteil der von Belarus zielgerichtet an die polnisch-belarussische Grenze gebrachten Migranten aus afrikanischen und asiatischen Staaten habe vorher in Ländern gelebt, in denen ihnen keine Gefahr gedroht habe, z. B. in Russland. Des Weiteren hätte Belarus die polnischen Grenzschützer und Soldaten durch Schreckschüsse, eine "falsche Bombe" sowie durch Lasereinsatz provoziert. Polen stehe in Kontakt mit der Agentur für europäische Grenz- und Küstenwache FRONTEX, deren Direktor das Grenzgebiet unlängst besucht habe, sowie mit dem Hohen Kommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen.
14.10.2021 Der Sejm stimmt mit 274 Stimmen (174 Gegenstimmen, eine Enthaltung) für die Errichtung einer dauerhaften Grenzbefestigung an der Grenze Polens zu Belarus. Die Kosten werden mit 1,62 Mrd. Zloty veranschlagt. Der Gesetzesentwurf wurde vom Innenministerium eingebracht. Hintergrund ist, dass das belarussische Regime gezielt Migranten aus asiatischen und afrikanischen Staaten an die belarussische Grenze zur Europäischen Union vorlässt, die betreffenden Staaten jedoch illegale Grenzübertritte abwehren. In Polen gilt im Grenzgebiet der Ausnahmezustand.
16.10.2021 In Warschau findet ein Marsch der Solidarität mit den Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze statt. Zu der Demonstration hatten u. a. feministische Gruppen aufgerufen; Initiatorinnen waren u. a. Janina Ochojska, Agata Młynarska und Monika Płatek. Kritisiert wurde in dem Aufruf, dass Polen an der Grenze sog. Pushbacks durchführe und den Migranten den Zugang zu einem Asylverfahren sowie zu medizinischer Versorgung verweigere. An der polnisch-belarussischen Grenze finden zurzeit mehrere Hundert Versuche des illegalen Grenzübertrittes statt. Die Migranten aus afrikanischen und asiatischen Staaten wurden vom belarussischen Regime gezielt ins Land geholt und an die Grenze gebracht. Polen will die Grenzübertritte verhindern und hat in den betreffenden Gebieten den Ausnahmezustand verhängt.
18.10.2021 Justizminister Zbigniew Ziobro fordert auf einer Pressekonferenz die Regierung Polens auf, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf Verletzung der europäischen Verträge zu verklagen. Diese basiere auf der Politisierung des Bundesgerichtshofes in Deutschland, dessen Richterstellen nicht unabhängig besetzt würden. Vizeminister Sebastian Kaleta führt aus, dass die Richter des polnischen Obersten Gerichtes (Sąd Najwyższy – SN) mehrheitlich von Richtern und in der Minderzahl von Abgeordneten des Sejm bestimmt werden. Die Richter des Bundesgerichtshofes würden jedoch von den Justizministern der Bundesländer und Abgeordneten des Bundestages gewählt. Das Verfahren in Polen beurteile der EuGH als politische Instrumentalisierung durch die Regierungskoalition der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica). Die Überprüfung des Prozedere in Deutschland werde zeigen, ob der EuGH gleiche Maßstäbe anlegt oder mit zweierlei Maß misst.

Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen.

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