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Analyse: Was geschieht mit dem Rubel? | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Was geschieht mit dem Rubel?

Philip Hanson

/ 9 Minuten zu lesen

Der russische Rubel ist gegenüber anderen Währungen dramatisch gefallen. Was sind die Gründe für diesen drastischen Kursverfall? Und welche Folgen hat der schwache Rubel für Wirtschaft und Bevölkerung? Diese Analyse sucht nach Antworten - und gibt einen vorsichtigen Ausblick.

Die Talfahrt des Rubels lässt die russischen Realeinkommen sinken. (© picture-alliance/dpa)

Am 18. Februar 2015 waren der Wirtschaftszeitung »Wedomosti« folgende aktuelle Kursstände für den Rubel zu entnehmen: 62,40 Rubel für einen US-Dollar und 71,08 Rubel für einen Euro. Im Februar 2014 hatten die Rubelkurse im Durchschnitt bei 35,22 bzw. 48,04 Rubeln gelegen (http://www.cbr.ru/stati stics/print.aspx?file=credit_statistics/ex_rate_ind_14.htm&pid=svs&sid=analit). Die russische Währung hatte also mit anderen Worten innerhalb eines Jahres gegenüber dem US-Dollar, der weltweit bei Devisenreserven führenden Währung, die Hälfte ihres Wertes eingebüßt und nahezu ebenso stark gegenüber dem Euro nachgegeben.

Warum ist das geschehen? Was sind die Folgen? Wie sind die Aussichten für die nähere Zukunft? Diese Fragen sollen im vorliegenden Beitrag beleuchtet werden.

Der Ölpreis und der Rubel

Eine einfache, häufig genannte Erklärung lautet: Der Russische Rubel wird vom Ölpreis bestimmt. Tatsächlich liegt hier ein wichtiger Teil des Problems. Doch hängen beim Rubel Gesamtangebot und Gesamtnachfrage von einer ganzen Reihe Faktoren ab. 2014 waren die folgenden Faktoren am wichtigsten:

  • Der Ölpreis

  • Die Sanktionen des Westens, die den Zugang russischer Banken und Unternehmen zu externen Krediten unterbanden und sie dazu nötigten, zur Tilgung bestehender Schulden in höherem Maße Dollars und Euros zu kaufen.

  • Der außergewöhnlich hohe Netto-Kapitalabfluss (auch außerhalb der Schuldentilgung), was die verstärkte Wahrnehmung von sowohl wirtschaftlichen als auch politischen Risiken in Russland widerspiegelt.

  • Die Politik der Zentralbank Russlands (ZBR) sowohl bei der Gewährleistung von Rubelliquidität wie auch bei (bis zum nahezu vollständigen Freigabe des Rubelkurses am 10. November 2014) vorhersehbaren Verkäufen von Devisenreserven zur Stützung des Rubel.


Der Zusammenhang mit dem Ölpreis ist stark gewesen. Der Umstand, dass es diese Verbindung gegeben hat, insbesondere seit Sommer 2014, wirft allerdings weitere Fragen auf. Grafik 4 stellt die monatlichen Werte für den Preis der Sorte Brent dar (an den der Preis für die Sorte Urals eng gekoppelt ist), sowie den Rubelkurs gegenüber dem US-Dollar im Verlauf des Jahres 2014.




Im Verlauf des letzten Jahres ist der Rubelkurs zum US-Dollar, wenn man ihn monatlich betrachtet, nicht eng an den Ölpreis gebunden gewesen. Eine plausible Erklärung für die erste Jahreshälfte wäre, dass zunächst erhöhte wirtschaftliche Risikoerwartungen und dann die politischen Risiken durch Russlands Ukraine-Abenteuer und die anschließende Reaktion des Westens den Rubel etwas unter Druck gesetzt haben; als aber der Ölpreis im Sommer zu fallen begann, tat es der Rubelkurs auch, und zwar schneller als zuvor. In den letzten Jahren hatte ein fallender Ölpreis gewiss einen drastisch fallenden Rubelkurs bedeutet, und das hat sich auch 2014 und bis hinein in das Jahr 2015 bestätigt.

Hieraus folgt jedoch nicht, dass Russlands Rolle als großer Ölexporteur für die Volatilität des Rubel oder gar die derzeitige allgemeine wirtschaftliche Schwäche des Landes verantwortlich ist. Diese Erklärung hat in der Krise von 2008/09 nicht standgehalten, und sie tut es auch jetzt nicht. 2008/09 sind die Ölpreise drastisch zurückgegangen, ebenso wie das BIP Russlands, nämlich um 7,8 %. Allerdings war in anderen großen ölexportierenden Ländern ein sehr viel geringerer oder sogar gar kein Rückgang des BIP zu verzeichnen. Die Auswirkungen auf den Rubel erscheinen diesmal erneut außergewöhnlich groß, was in Grafik 5 deutlich wird.




Das Abrutschen der norwegischen Krone ist zwar erheblich, jedoch von geringerer Größenordnung als das des russischen Rubel, während der Saudi-Riyal seine Position gegenüber dem US-Dollar halten konnte (3,75 Saudi-Riyal = 1 US-Dollar) Die Gründe für diese offensichtlich erhöhte russische Sensibilität gegenüber dem Ölpreis werden nicht in ihrer Gänze verstanden. Ja, es stimmt: Öl und Gas haben zwei Drittel der russischen Handelsexporte ausgemacht und die Einnahmen daraus bestreiten die Hälfte der Einnahmen des Föderalen (nicht des gesamten) Haushalts. Allerdings weisen auch andere große öl- und gasexportierende Länder solche Zahlen auf. Die Gründe sind also woanders zu suchen.

Gründe

Clifford Gaddy und Barry Ickes liefern einen Hinweis, der weiterhelfen könnte: Sie verweisen auf ein Wirtschaftssystem, bei dem die Behörden an der Nadel verschwenderischer Renten aus fossilen Rohstoffen hängen, unter anderem, weil Mittel in Unternehmen aus der Sowjetzeit gepumpt werden, um diese zu stützen und am Leben zu halten. Dieser Hinweis impliziert, dass ein großer Teil der wirtschaftlichen Aktivität in Russland (außerhalb der Öl- und Gasindustrie und deren Zulieferbranchen) durch einen Rückgang der Einnahmen aus fossilen Rohstoffen sehr verwundbar ist. Mit anderen Worten: Die Wirtschaft ist zum Teil ein Kartenhaus, das ziemlich unsicher durch Öl zusammengehalten wird; und das Gebäude schwankt, wenn der Ölpreis sinkt.

Der Fall des Rubels ist einer der Aspekte der allgemeinen Schwäche der Wirtschaft Russlands gewesen. Diese Schwäche ist in einer Phase eingetreten, die jetzt üblicher-, aber auch korrekterweise als »perfekter Sturm« beschrieben wird. Langfristige Strukturmerkmale der Wirtschaft Russlands, etwa der Rückgang der Arbeitskräfte und der wachstumshemmende Charakter der Putinschen Gesellschaftsordnung (schwache Rechtsstaatlichkeit, geringer Wettbewerb) fielen nun mit konjunkturellen Faktoren wie der Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums, dem wachsenden Ölangebot, dem absehbaren Ende der quantitativen Lockerung in den USA und darüber hinaus mit den stark gestiegenen politischen Risiken durch den Krieg in der Ukraine zusammen und haben Russland in eine Rezession getrieben.

Diese Einflüsse haben Wechselwirkungen, die die Dinge nur verschlimmern. In der zweiten Jahreshälfte 2014 hat es netto einen Rückgang der Immigrantenzahlen gegeben, wenn die Flüchtlinge aus der Ukraine unberücksichtigt bleiben. Das wurde zum Teil durch einen sinkenden Dollarwert der Einkommen ausgelöst. Die Netto-Immigration (vor allem aus Zentralasien) hatte den demographischen Schwund bei der den Bevölkerungsgruppen im erwerbsfähigen Alter zum Teil wieder wettgemacht. Dieser ausgleichende Einfluss bricht nun weg.

Folgen

Die auffälligste Folge des Wertverlusts des russischen Rubel war dessen Auswirkung auf die Inflation und somit auf die Realeinkommen der Bevölkerung. Die Implikationen für Import und Export sollen an dieser Stelle außer Acht gelassen und im Schlussteil betrachtet werden. Der Wertverlust des Rubel hat zwar weniger offensichtliche, aber gleichwohl erhebliche Auswirkungen auf die föderalen Haushaltseinnahmen, die Eigenkapitalausstattung, die Netto-Migration und den Wohlstand der Superreichen gehabt.

Analytiker der Alfa-Bank haben geschätzt, dass 2014 ein zehnprozentiger Rückgang des Wechselkurses (beispielsweise von 60 auf 66 Rubel für einen US-Dollar) den Index der Verbraucherpreise (CPI) um ein bis anderthalb Prozentpunkte (aufs Jahr bezogen) steigen lassen würde (siehe AlfaBank: Macro Insights, 5. Dezember 2014). Der Effekt wirkt mit Verzögerung, doch die könnte nur rund einen Monats betragen. Grafik 6 stellt den Zusammenhang zwischen CPI und Rubel in der jüngsten Zeit dar.




Der CPI ist weniger volatil als der Wechselkurs, doch fällt die beschleunigte Inflation grob mit dem beschleunigten Wertverlust des Rubel zusammen. Es gibt allerdings einen weiteren wichtigen Faktor, der im Sommer 2014 ins Spiel kam, nämlich den Bann der russischen Regierung auf die meisten Lebensmittelimporte aus Ländern, die gegen Russland Sanktionen verabschiedet hatten. Rund 44 % des Imports dieser Güter (bezogen auf 2012) war dadurch betroffen (Rollo, Jim: Hard Evidence: who will reap rewards from Russia farm sanctions?; eingestellt am 08. 10. 2014 unter Externer Link: https://theconversation.com/hard-evidence-who-will-reaprewards-from-russia-farm-sanctions-32338). Zur Frage, welchen Anteil diese Güter am Verbrauch der Haushalte haben, hat es eine ganze Bandbreite an Antworten gegeben. Alexej Kudrin hat behauptet, 50 % des Lebensmittelverbrauchs würden durch Importe (aus allen möglichen Ländern) bestritten (Kudrin, Alexej: Prawila igry, in: Kommersant, 09. 10. 2014; (Externer Link: http://www.kommersant.ru/doc/2585078/), doch das könnte zu hoch gegriffen sein. Wie dem auch sei, das Lebensmittelembargo hat die Inflation zusätzlich angetrieben und wird das wohl auch weiterhin tun. Eine Schätzung der Auswirkungen auf den diesjährigen CPI beläuft sich auf zusätzliche anderthalb Prozentpunkte für den Jahreswert; Dieser ist jüngst auf 12 % beziffert worden (East Office of Finnish Industries, s.o.). Die Auswirkungen des abrutschenden Rubel auf die emporschnellende Inflationsrate (Anfang Februar 2015 lag diese, aufs Jahr bezogen, bei 15,6 %; siehe US-Russia Business Council: Daily Update, 11. 02. 2015) ist mit anderen Worten stark, es ist aber nicht der einzige Faktor. Eine weitere der wichtigen Folgen des Rubelverfalls (der Handel sei hier zunächst ausgeklammert) lässt sich schnell, wenn auch skizzenhaft zusammenfassen.

Der föderale Haushalt profitiert von der Rubel-Entwertung, da die in Dollar ausgewiesenen Öl- und Gaseinnahmen rund die Hälfte aller Haushaltseinnahmen ausmachen und bei abgewertetem Rubel nominal dort zu höheren Einnahmen führen. Der gefallene Ölpreis wirkt allerdings in der entgegengesetzten Richtung. Netto war das Ergebnis 2014 ein sehr bescheidenes Defizit, das 0,5 % des BIP entspricht (BOFIT Weekly, 30. Januar 2015).

Die in Rubel ausgestellten Einlagen bei russischen Banken sind mit der Rubelabwertung angewachsen; allerdings sind sie schneller gestiegen als das Bankkapital, wodurch die Kapitalausstattung der Banken zurückgeht. Die Zentralbank hat vorübergehend ihre Vorgaben gelockert, um sich dieser Entwicklung anzupassen. Der Bankensektor ist nun in einem eher fragilen Zustand und sucht um staatliche Hilfe nach.

Das Wichtigste zur Migration ist bereits gesagt worden. Arbeitsmigranten sind verwundbarer gegenüber Entlassungen als russische Arbeiter und Angestellte. Der Abzug von derart vielen Arbeitsmigranten ist aber wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass ihre in Rubel gezahlten Löhne nun weniger Dollar wert sind.

Die Spitze der russischen Gesellschaft hat ebenfalls gelitten, und zwar auf eigene Art. »Forbes« schätzt, dass zwischen dem 12. Februar und dem 16. Dezember 2014 zwanzig russische Milliardäre 73 Milliarden US-Dollar verloren haben (http://www.forbes.ru/rating-photogal lery/276109-minus-73-mlrd-kak-bedneyut-bogateishie-lyudi-rossii/photo/1). Ein großer Teil dieser Verluste erfolgte durch den verringerten Dollar-Wert der in Rubel ausgestellten Vermögenswerte.

Aussichten

Die extreme wirtschaftliche Ungewissheit macht jeden Versuch einer Prognose für die Entwicklung in Russland zu einem riskanten Unterfangen. Das gilt mit Sicherheit für den Rubelkurs. Gegenwärtig erscheint es allerdings recht wahrscheinlich, dass der Ölpreis im Laufe des Jahres 2015 seine Talfahrt beenden wird, während kostenaufwendigere Produktionen außer Betrieb genommen und die gegen Russland verhängten Sanktionen möglicherweise nicht intensiviert werden, selbst wenn die gegenwärtigen Restriktionen aufrecht erhalten bleiben. Das würde den Druck auf die russische Währung spürbar mindern.

Wo könnte der Rubel mittelfristig – wenn überhaupt – zur Ruhe kommen? Es wurde argumentiert, dass der Rubel Ende 2013 mit 32 Rubeln überbewertet gewesen sei. Schätzungen des IWF zum BIP bei Kaufkraftparität (PPP) legen hingegen nahe, dass die Währung unterbewertet war. Der PPP-Kurs betrug 19,1 Rubel für einen Dollar. Die Einschätzung, dass die Währung überbewertet sei, könnte auf Moskauer Preisen für Konsumgüter und Wohnraum beruhen; die Preise über die gesamte Bandbreite des BIP (genauer gesagt: die gesamte Bandbreite der gehandelten Güter und Dienstleistungen im BIP) sowie über das ganze Land wären wohl relevanter.




Die Grafik zeigt, dass auch bei Berücksichtigung der Inflationsraten in Russland, den USA und der Eurozone zwar eine erhebliche Volatilität der Notierungen festzustellen war, die realen Wechselkurse sich aber unerbittlich von dem durch den IWF geschätzten PPP-Kurs entfernten. Es gibt viele Gründe, warum marktgesteuerte Wechselkurse (sogar erheblich und langfristig) von dem PPP-Kurs abweichen, und es sieht so aus, als dürfte der Rubel, selbst wenn er zur Ruhe kommen sollte, in Bezug auf seine Binnenkaufkraft in erheblichem Maße unterbewertet bleiben.

Wird die Abwertung des Rubel den Export ankurbeln und die Importe zurückgehen lassen? Es wäre merkwürdig, wenn dies nicht zu einem gewissen Grad eintreten würde, doch zwei Überlegungen lassen vermuten, dass der Effekt nur begrenzt sein dürfte. Die erste besteht darin, dass die Industrieproduktion in Russland, sei sie nun für den Export bestimmt oder als Ersatz für die Importausfälle (z. B. bei Autos), ihrerseits in hohem Maße auf Importe angewiesen ist. Zum zweiten mangelt es der einheimischen Produktion an Flexibilität und Stimuli durch Wettbewerb.

Die Importe, so argumentieren Jewsej Gurwitsch und andere, dürften wahrscheinlich auf Grund einer Kombination aus höheren Rubelpreisen und vom Staat errichteter Beschränkungen bei der Anpassung der Einkommen im öffentlichen Sektor und der Sozialleistungen zurückgehen. Die Haushalte in Russland werden die Kosten der Krise in höherem Maße zu tragen haben als noch 2008/09.

Der Rubel wird nicht ewig weiter fallen. Er wird sich stabilisieren, wahrscheinlich im Verlaufe dieses Jahres. Das wäre für die Bürger Russlands eine gute Nachricht. Was mit dem Haupthemmnis für Russlands Entwicklung, der Putinschen Gesellschaftsordnung geschehen wird, ist weniger leicht vorauszusagen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe den Blogeintrag von Igor Nikolajew bei »Echo Moskwy« (<Externer Link: http://echo.msk.ru/blog/nikolaev_i/1435010-echo/>, eingestellt am 11. November), wo dieser eine ganz ähnliche Aufzählung unternimmt.

  2. Clifford G. Gaddy, Barry W. Ickes: Russia after the Global Financial Crisis, in: Eurasian Geography and Economics, 51.2010, Nr. 3, S. 281–311; dies.: Bear Traps on Russia’s Road to Modernization, London: Routledge, 2013.

  3. Hietikko, Mikko: Q414: Slowdown continuing—banking sector under pressure, in: East Office of Finnish Industry: Quarterly Review of the Russian Economy, 12. Februar 2015, S. 8.

  4. Kuwschinowa, Olga: Rossijskuju ekonomiku shdjot dvuchletnjaja rezessija, in Wedomosti, 06. Oktober 2014, dort wird Natalja Orlowa von der Alfa-Bank zitiert.

  5. S. East Office of Finnish Industries, wie oben. Siehe auch Alfa-Bank: Macro Insights. Banking Sector in Focus, 02. Februar 2015.

  6. Mironow, Maxim: Nam wsem globalno pereplatschiwali, in: Wedomosti, 6. November 2014.

  7. IMF World Economic Outlook database, Oktober 2014.

  8. Jewsej Gurwitsch, zitiert bei: Olga Kuwschinowa, Filipp Sterkin und Alexej Nikolskij: Minfin podgotowit wojenno-sozialnyj manjowr, in: Wedomosti, 11. Februar 2015.

Philip Hanson ist Associate Fellow beim Russland- und Europa-Programm von Chatham House.