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Aus russischen Blogs: Der müde Präsident: Kommentare zur Bürgersprechstunde "Direkter Draht" mit Wladimir Putin | Russland-Analysen | bpb.de

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Aus russischen Blogs: Der müde Präsident: Kommentare zur Bürgersprechstunde "Direkter Draht" mit Wladimir Putin

Sergey Medvedev

/ 8 Minuten zu lesen

Im Format "Direkter Draht" stellt sich der russische Präsident alljährlich den Fragen seiner Bürger. Die Live-Übertragung führender Fernseh- und Radiosender nutzt Putin erfahrungsgemäß vor allem zur Selbstdarstellung, doch wirkte er in diesem Jahr ungewohnt müde und unvorbereitet. Welche Schlüsse zieht die Netzcommunity aus Putins Live-Auftritt?

Eine russische Bürgerin befragt Wladimir Putin während der 15. Bürgersprechstunde "Direkter Draht". (© picture-alliance/dpa, Sputnik)

Am 15. Juni hat die 15. Bürgersprechstunde "Direkter Draht" mit Wladimir Putin stattgefunden – drei Monate später als geplant. Vier Stunden lang übertrugen sechs führende Fernseh- und Radiosender das Live-Gespräch von Bürgern mit dem russischen Präsidenten. Es ist eines der zentralen Formate zur Selbstdarstellung Putins. Seine Antworten und Aussagen prägen die Schlagzeilen der russischen Medien, auch der unabhängigen. In der Regel werden die meisten Themen der Sendung im Voraus ausgewählt und die Antworten des Präsidenten mit statistischen Belegen sorgfältig vorbereitet. Neben Fragen von Bürgern aus den Regionen und aus dem Netz melden sich auch Politiker, prominente Sportler und Kulturschaffende aus dem Publikum im Studio zu Wort. Zur Tradition der präsidialen Show gehören "spontane" Lösungen von Problemen: Unregelmäßigkeiten in fernen Gebieten Russlands werden überprüft, zerfallene Infrastruktur wird instandgesetzt oder das Staatsoberhaupt verteilt großzügig Geschenke an Kinder oder notleidende Menschen, die sich während der Liveschaltung mit einer konkreten Bitte an den Präsidenten wenden. Für die Gouverneure in den Regionen und die lokalen Machtorgane können die Beschwerden der Bürger schwerwiegende Folgen nach sich ziehen – von der Entlassung bis hin zur Einleitung eines Strafverfahrens. Dieses Mal allerdings verlief die Sendung ruhiger als in den Vorjahren. Auf viele Beobachter wirkte der Präsident etwas müde und unvorbereitet. Sie fragen sich nun, ob man aus seinen Antworten tatsächlich den Schluss ziehen kann, dass Putin bei den Präsidentschaftswahlen 2018 wieder kandidieren wird.

Das Erscheinen des gnädigen Putin

Anton Orech, Jounalist

"Der jährliche direkte Draht mit Putin ist wie das jährliche Erscheinen des Heiligen Feuers (orthodoxe Ostertradition; d. Red.). Alle warten auf dieses Feuer, als ob nach dessen Erscheinen Gottes Gnade auf sie niederkomme. Egal, dass die bärtigen Männer ein Feuerzeug mitgebracht haben, damit das Feuer ihnen garantiert erscheine – schließlich ist es eine Frage des Glaubens. Wenn man an dieses Feuer glaubt, muss einem egal sein, woher es kommt und wie es entsteht. Man fühlt sich durch die Tatsache wohl, dass es dieses Feuer gibt.

Mit Putin ist es ganz dasselbe. Egal, von welchem Pferd er erzählt und wie sehr er Sand in die Augen streut – entweder glauben Sie daran, oder eben nicht. Wenn Ihr Glaube an Putin stark ist, gefällt Ihnen alles – Sie lachen über blöde Wortspiele […] und Sie glauben wirklich, dass die Korruption nicht das größte Problem des Landes ist. Allerdings werden die Gläubigen immer weniger. […]

Immerhin kann diese Gnade durchaus auf bestimmte Bürger niederkommen. In all den Jahren, in denen der gnädige Putin erschienen ist, hat es Dutzende solcher Geschichten gegeben. Eine Straße bauen, ein Kabel verlegen, einen Weihnachtsbaum anmachen. Und allerlei Schwachköpfe schauen und sind gerührt: Was haben wir für einen guten Präsidenten, einen so gutwilligen und fürsorglichen. Ich aber sage Ihnen: wir haben einen beschissenen Präsidenten. Weil es nach fast 18 Jahre Amtszeit Putins im Land niemanden gibt, der ohne seine Anweisung eine Glühbirne im Treppenraum wechseln würde. Nur er allein kann alles lösen, und er allein ist dann auch die Macht. […]"

Anton Orech am 15. Juni 2017 bei Echo Moskwy; Externer Link: http://echo.msk.ru/blog/oreh/2000810-echo/.

Zusammenfassung des direkten Drahts

Jewgenij Mintschenko, Politologe

"1. Es gibt keine große Sorge über die Situation in der Wirtschaft;

2. Negatives wird in erster Linie mit den regionalen Regierungen und Behörden verbunden;

3. Das Problem der Proteste gibt es in der Agenda nicht;

4. Innerhalb des Politbüros 2.0 steigen die Aktien für : Tschemezow, Schoigu, die Rotenbergs, Tschaika, S[ergej]. Iwanow, Gromow, Solotow, Nabiullina, Peskow. Sobjanin hat seine Position behalten;

5. Es wird auf Rüstungsindustrie und Infrastrukturprojekte gesetzt;

6. Problemgouverneure sind (absteigend): Lewtschenko (hätte jemand was anderes gedacht?), Merkuschin, Wladimirow, Komarowa, Schdanowa, Kowtun, Radajew, Potomskij, Mikluschewskij, Kondratjew, Bretschalow, Worobjow;

7. Umprägung des Images: "Ich bin genauso einer wie ihr;

8. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die internationale Politik;

9. Bei den Wahlen wird er selbst kandidieren. Über einen Nachfolger denkt er nicht nach.

#Politbürozweinull"

Jewgenij Mintschenko am 15. Juni 2017 auf Facebook; Externer Link: https://www.facebook.com/minchenko/posts/1709559279073509

Den Anführer gibt es nicht mehr

Alexej Melnikow, Publizist

"Der Gesamteindruck des "Direkten Drahts" von W.W. Putin: flau, schlecht informiert, ohne Schwung, ideenlos, initiativlos, perspektivlos.

Dass es seit 15 Jahren ein und dasselbe Format gibt, bestätigt nur diesen Eindruck.

Als Anführer ist W.W. Putin am Ende angelangt. Als eine Person, die seine Gruppierung, die Menschen im Land zu bestimmten Zielen "vorwärts" führt, hat er seinen Zenit hinter sich. Das hat mit dem Alter nichts zu tun.

Es geht nur darum, dass W.W. Putin seine Agenda ausgeschöpft hat. Die Hülle ist noch da, aber innen ist alles verfallen: da ist es leer. Haut, aus der die Schlange herausgekrochen ist.

Innerhalb des Landes ist die Entwicklung zum Stillstand gekommen, weil W.W. Putin in 20 Jahren seiner Herrschaft einen Staudamm namens "Kapitalismus der Erzkumpane" errichtet hat. Alles stemmt sich gegen ihn, nichts kann ihn umgehen. Dabei ist er nicht in der Lage, für eine gute konkurrenzfähige Position in einer globalisierten Welt zu sorgen. Das wurde schon bewiesen. […]

Im Bereich der Außenpolitik ist W.W. Putin nach der Eroberung der Krim und dem Versuch, noch einige Teile der Ukraine einzunehmen, am Ende angelangt. Zu diesem Schluss komme ich nach den letzten drei Jahren zunächst der Erregung und dann einer immer deutlicheren Erkenntnis über die Sackgasse [in der wir stecken]. Der "Direkte Draht" hat gezeigt, dass W.W. Putin hier nicht die Initiative innehat und eine Geisel dessen ist, was da kommt – er wartet und kann nichts machen; er hat das Schiff Russland zum Spielball der mächtigen Weltmeere gemacht. […]"

Alexej Melnikow am 15. Juni 2017 auf "Livejournal.com"; Externer Link: http://aleks-melnikov.livejournal.com/442404.html

Putin ist fit, aber…

Andrej Botscharow, Schauspieler

"Ich habe soeben den "Direkten Draht" gesehen. Es wäre dumm, zu bestreiten, dass Putin voll fit ist. Er hantiert übrigens, wie immer, mit vielen Zahlen, demonstriert, dass er in unterschiedlichsten Bereichen Bescheid weiß, zeigt Mitgefühl für jene, die in Not geraten sind.

Auf meine Fragen habe ich auch Antworten bekommen.

1. Die Staatsordnung Russlands wird weiterhin so bleiben – staatlich-monopolistisch, paternalistisch […]

2. Bei den anstehendenden Wahlen wird das Land Putin wählen.

3. (keine Antwort habe ich auf die Frage bekommen, wie man vier Stunden am Stück sitzen kann und nicht ein einziges Mal auf die Toilette muss – diese Frage hatte niemand gestellt)

Und hier stellt sich eine Frage, aber nicht an Putin, sondern an euch. Ergeben die Protestaktionen einen Sinn? Macht es Sinn, sich Schlagstöcken auszusetzen und in den Knast zu wandern? Teilweise wurde die Frage schon beantwortet. Zu den Protestaktionen am 12. Juni kamen nur 20 % der von den Veranstaltern angemeldeten Personen.

Ich möchte aber euch, meine 237.158 Follower, nochmal fragen: Macht es Sinn? Liebe Facebookies? Oder sollen wir bis 2024 ruhig auf unserem Hintern sitzen bleiben?

Übrigens stellt Oliver Stone in der zweiten Folge des Films "Interview mit Putin" die Frage: "Warum funktionieren in Russland die demokratischen Institutionen nicht? Gerichte, Medien, Parlament?"

Putin antwortet darauf. "Seine ganze Geschichte lang hat Russland unter Zaren gelebt, danach unter Stalin. Was erwarten Sie, dass es sofort, über Nacht, Demokratie gibt? Wir sind in Bewegung, in der Entwicklung."

Auch [die Politologin] Jekaterina Schulman behauptet, dass Putin diese Institutionen aufbaut; mit demokratischem Inhalt werden wir sie irgendwie in der Zukunft füllen."

Andrej Botscharow am 15. Juni 2017 auf Facebook; Externer Link: https://www.facebook.com/bocharik/posts/1745251995490143

Was mit diesem direkten Draht nicht in Ordnung ist

Jekaterina Winokurowa, Journalistin (Moskau)

" "Wladimir Putin hat wieder gezeigt, dass er in bester Verfassung ist und bereit, auch auf unangenehmste Fragen zu antworten". Diesen Kommentar wiederholt der Chor der Kommentatoren von Jahr zu Jahr nach jedem markanten öffentlichen Auftritt des Präsidenten. Ich denke, dieses Mal gibt es keine Ausnahme.

Überhaupt erinnert der "Direkte Draht" mit dem Präsidenten eigentlich an einen Film, der sich jedes Jahr wiederholt. Zeigt man den "Direkten Draht" aus dem Jahr 2005 oder 2007, wird kaum jemand einen großen Unterschied merken. Das gewohnte psychotherapeutische Mantra "Alles wird gut" (dieses Mal wörtlich wiedergeben), sorgfältig ausgewählte Teilnehmer und natürlich Fragen, die zu einem einzigen Zweck gestellt werden, nämlich dem Präsidenten zu bedeuten, dass es in der allgemeinen Pracht vereinzelte Probleme "vor Ort" gibt.

Dieses Mal gab es übrigen etwas Neues.

Zum einen gab es gewisse Erwartungen. Immerhin waren wenige Tage zuvor Tausende ganz junger Leute die Twerskaja[-Straße] langgezogen, mit Losungen wie "Putin ist ein Dieb!" und mit Forderungen, die hochrangigen Staatsbeamten von Putins "Vertikale" [der Macht] zur Verantwortung zu ziehen.

Außerdem finden im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen statt. Für Putin, der heute berechtigterweise und mehr als einmal betont hat, in welch großem und schwierigem Land wir leben, wäre es eigentlich an der Zeit, klar zu sagen, ob er dieses große und schwierige Land weiter regieren will.

Aufschlussreich war der Hintergrund, vor dem Putin versicherte, dass alles unter Kontrolle ist, und dabei in den Ansichten des vor Ergebenheit triefenden Publikums im Studio badete. Zwischendurch erschienen auf dem Bildschirm Fragen, die während der Live-Schaltung nicht zur Sprache kamen, aber nicht unbemerkt bleiben konnten. "Wann gehen Sie?", "Warum decken Sie korrupte Politiker aus Ihrem engsten Kreis?", "Warum zahlen die Oligarchen keine Steuern in Russland?", "Wollen Sie die Lorbeeren Breschnews?", "Drei Amtszeiten reichen" […]

Putin zeigt von Jahr zu Jahr seine Visionen eines "lebendigen Dialogs" mit den Menschen und ruft seine "Kollegen" von der "Vertikale" zum Gleichen auf. Das Problem ist nur, dass es nicht nur keinen "lebendigen Dialog" gibt. Es gibt auch keinen Raum dafür. Es gibt völlige Imitation. […]

In den schon etwas in Vergessenheit geratenen "fetten" Jahren hatte die Imitation eines Dialogs in Verbindung mit einer alternativen Agenda funktioniert. Jetzt aber, wo man gleichzeitig weder satt wird noch frei ist, war es kein Zufall, dass so viele Leute Putin das Wort "Müdigkeit" schrieben, in all seinen Ableitungen. Den "Ermüdeten" aber hat Putin nichts Neues angeboten. Vielmehr hat er gezeigt, dass er selbst "müde" ist. Dadurch verstärkte er umso mehr die Vorahnung von "etwas Üblem" […]"

Jekaterina Winokurowa am 15. Juni 2017 bei "znak.com"; Externer Link: https://www.znak.com/2017-06-15/ekaterina_vinokurova_o_tom_chto_ne_tak_s_pyatnadcatoy_pryamoy_liniey_prezidenta

Wladimir Putin führt Russland weiterhin auf einem evolutionären Weg

Irina Alksnis, Journalistin (Moskau)

"[…] Neben den konkreten Fragen und detaillierten Einzelheiten ist allerdings noch wichtiger der allgemeine Eindruck, der durch den Direkten Draht bereitet wurde, und die persönliche Botschaft Wladimir Putins an die Gesellschaft in Russland, die der Präsident unentwegt bei seinem Auftritt sendete.

In diesem Zusammenhang erscheinen folgende Momente am wichtigsten.

Erstens: Optimismus und eine positive Dynamik im Land, ungeachtet der unzähligen Probleme und Schwierigkeiten. […]

Zweitens: Die Entwicklung von Demokratie und Meinungsfreiheit im Land. […]

Drittens: Geduld, Konsequenz und informelle Herangehensweise. […]

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es gerade dieses beharrliche Vorgehen Wladimir Putins sein wird, mit dem er Russland und die russische Gesellschaft auf einen evolutionären Weg der Entwicklung schickt, die schließlich als sein wichtigster Beitrag für die Geschichte Russlands genannt werden wird."

Irina Alksnis am 15. Juni 2017 bei "Wsglad"; Externer Link: https://vz.ru/politics/2017/6/15/874693.html

Ausgewählt und eingeleitet von Sergey Medvedev, Berlin
(Die Blogs, auf die verwiesen wird, sind in russischer Sprache verfasst)



Fussnoten

Sergey Medvedev ist Autor der Kolumne "Aus russischen Blogs" bei den Russland-Analysen. Er absolvierte von 2010 bis 2014 ein Masterstudium der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.