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Der Genozid an den Armeniern

Prof. Dr. Mihran Dabag

/ 14 Minuten zu lesen

Wie viele Menschen dem Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs zum Opfer fielen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt - ebenso wenig ist der Genozid in der Türkei aufgearbeitet worden. Gegenstand kritischer Wissenschaft und zivilgesellschaftlicher Aufarbeitung wurden die Ereignisse der Jahre 1915 und 1916 in der Türkei erst in jüngster Zeit.

Am 24. April 2014 erinnern Demonstranten in Istanbul an den Beginn der Deportation armenischer Intellektueller aus der osmanischen Hauptstadt 99 Jahre zuvor. Der 24. April wird von Armeniern weltweit als Gedenktag begangen. (© picture-alliance, abaca)

Der Beginn der Geschichte der modernen Türkei wird heute zumeist mit der Gründung der türkischen Republik durch Interner Link: Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938) im Jahr 1923 angesetzt. Doch hatten die wichtigsten und richtungsweisenden Veränderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Bedingungen, der sozialen und ökonomischen Strukturen, des Rechtssystems aber auch der nationalen Identifikationen schon zuvor stattgefunden. In diese richtungsweisenden Veränderungen ist der Völkermord an den Armeniern der Jahre 1915/1916, der auch andere christliche Bevölkerungsgruppe wie Aramäer und Assyrer einschloss, zentral eingebunden. Er markiert den Scheitelpunkt im Prozess der Transformation des osmanischen Vielvölkerstaates in einen modernen türkischen Nationalstaat.

Vom Tanzimat und dem Versprechen der Gleichstellung

Der Beginn dieses Transformationsprozesses ist im frühen 19. Jahrhundert anzusetzen, als die von dem islamischen Differenzgedanken einer Zweiteilung der Welt und einer damit verbundenen grundsätzlichen Nicht-Gleichheit von Muslimen und Nicht-Muslimen konstitutiv bestimmte Gesellschaftsordnung in eine Krise geriet. In der von Sultan Abdülmecid I. (regierte von 1839-1861) eingeleiteten Tanzimat-Periode (deutsch: Reform-Periode) ab 1839, wurde erstmals in der Geschichte des Osmanischen Reichs eine Gleichstellung von Muslimen und Nicht-Muslimen versprochen. Doch für eine Mehrheit der damaligen Muslime war dies eine nicht-annehmbare Vorstellung. Dieser Antagonismus zwischen der Vorstellung einer hierarchischen Ordnung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen einerseits und dem Versprechen der Gleichstellung aller ethno-religiösen Gemeinschaften sollte die Geschichte des Osmanischen Reiches bis in die Zeit des Interner Link: Ersten Weltkriegs bestimmen.

Der mit den Reformen des Tanzimat eingeleitete Transformationsprozess führte dabei zur Entstehung neuer Eliten in den städtischen Zentren des Reiches, die zu Trägern der Ideen einer weiteren Umgestaltung wurden. Zudem weckte er nachhaltige Emanzipationshoffnungen der Nicht-Muslime, für die eine Periode der Aufklärung begann.

Die Lage der armenischen Bevölkerung in ihrem angestammten Siedlungsgebiet in Ostanatolien blieb von den Reformen jedoch weitgehend unberührt. Weder wurde die rigorose Besteuerungspraxis geändert, noch die fortdauernden Übergriffe gegen die armenische Bevölkerung entschärft. Vor diesem Hintergrund entstanden erste armenische politische Parteien, um den Schutz der armenischen Bevölkerung und die Durchsetzung von Reformen einzufordern. Die einflussreichsten dieser Parteien waren die 1887 in Genf gegründete Hnschtakian Kussakzuthiun (Sozialdemokratische Partei Die Glocke) sowie die 1890 in Tiflis entstandene Hay Heghabokhakan Daschnakzuthiun (Armenische Revolutionäre Föderation).

Die "Armenische" Frage

Aufgrund der ausbleibenden Verbesserung der Lebensbedingungen und der fortdauernden Schutzlosigkeit der Armenier wurde nach dem russisch-osmanischen Krieg mit den Schutzbestimmungen des Berliner Vertrages im Jahr 1878 die sogenannte "armenische Frage" zum ersten Mal Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrags. Die Regierung des Osmanischen Reichs verpflichtete sich darin, die armenische Bevölkerung vor Übergriffen zu schützen – eine Verpflichtung, die jedoch bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs nicht wirkungsvoll umgesetzt wurde. Die Bestimmungen des Berliner Vertrags bilden daher die Grundlagen und den zentralen Bezugspunkt armenischer Reformforderungen bis 1914.

Die politischen Partizipationshoffnungen der Nicht-Muslime schienen zwar zunächst Wirklichkeit werden zu können, als im Jahr 1876 eine Verfassung für das Osmanische Reich verkündet und 1877 ein Parlament eingesetzt wurde, in dem auch Nicht-Muslime vertreten waren. Mit der Auflösung dieses Parlaments, bereits im Februar 1878 und der Außerkraftsetzung der jungen Verfassung durch Sultan Abdülhamid II. (regierte von 1876-1909) begann jedoch eine Periode der Despotie. Die Phase unter der Regentschaft von Sultan Abdülhamid II. kann man sicherlich als Zwischenphase deuten. Er suchte eine Stabilisierung des Osmanischen Reiches mit zwei traditionellen Strategien zu erreichen: Zum einen mit der Idee eines auf dem Islam gründenden Integrationsmodells, dem sogenannten Interner Link: Panislamismus. Zum anderen mit Gewalt: Anstatt auf die Reform- und Schutzforderungen der Armenier einzugehen, antwortete der Sultan mit Gewalt: In den 1890er-Jahren wurden mehr als 200.000 Armenier Opfer von Massakern. Die Berichte in der europäischen Presse über diese Gräuel lösten Betroffenheit und große Diskussionen in der europäischen Öffentlichkeit aus.

Die fortgesetzten Massaker führten dazu, dass sich in der armenischen Gemeinschaft eine kleine, militante Bewegung bildete. So besetzte beispielsweise eine Gruppe der Daschnakzuthiun am 26. August 1896 die Ottoman Bank und nahm 150 Mitarbeiter – darunter zahlreiche Europäer – als Geiseln. Die Situation wurde durch Mitarbeiter der russischen Botschaft mittels Verhandlungen gelöst. Doch die osmanische Regierung reagierte wiederum mit Gewalt: mit einem 48 Stunden andauernden, systematischen Massaker an den armenischen Bewohnern Konstantinopels. Die Zahl der Opfer wird auf 6.000 bis 14.000 geschätzt.

Die Idee des "Vatan" und der Traum vom Türkismus

Die osmanischen Reformkräfte, die nicht zuletzt auch in Reaktion auf die Despotie des Sultans und dessen Gewaltpolitik entstanden waren und aus denen später die Bewegung der sogenannten Jungtürken hervorging, suchten einen anderen Weg. Sie sahen die Rettung des osmanischen Reiches nicht mehr nur allein in einer Reformierung und Modernisierung des Staatswesens, sondern zunehmend auch in der Entwicklung eines neuen, modernen Identitäts- und Integrationskonzepts.

Dem Interner Link: Panislamismus entgegengesetzt wurde zunächst der Osmanismus: ein auf Territorialität und Geschichte gründendes Integrationsmodell, das alle im osmanischen Reich lebenden Bevölkerungsgruppen einschließen sollte. In mehreren Stufen entwickelte sich in den Diskussionen der Reformer jedoch die Vision eines modernen türkischen Nationalstaats, der auf türkischer Kultur, türkischer Sprache, türkischer Geschichte und einem türkischen Territorium aufbauen würde. Daher formulierte Ziya Gökalp (1876/77-1924), der wohl einflussreiche Programmatiker der Jungtürken später, dass der Osmanismus ein geheimer Weg zur Türkisierung gewesen sei. Besondere Bedeutung gewann in diesem Prozess die Idee eines "Vatan" (Vaterland) – der Begriff wurde von Namik Kemal (1840-1888) in Anlehnung an das französische "patrie" gebildet –, das zunächst territorial ebenfalls auf die Grenzen des Osmanischen Reiches bezogen war, später aber mit einer neuen territorialen Orientierung verbunden wurde: "Turan", die Heimat aller Turkvölker. Mit dieser Neuorientierung stellte sich auch die Frage "Wem gehört das Vatan?" neu. In den Generationen der türkischen Reformer spitzten sich also die Diskussionen um die zu erreichende moderne Gestalt des Staates, in der Volk, Territorium und Herrschaft repräsentativ zusammengeschlossen würden, eng zur Frage nach der Identität der Gesellschaft zu. Die aus diesen Überlegungen abgeleitete jungtürkische Politik suchte schließlich die Einheit von Staatsvolk, Kultur und Territorium auf der Grundlage eines völkisch-kulturalistischen Traums zu verwirklichen: eben des Türkismus.

Die damit verbundene territoriale Vision "Turan" beschrieb ein sämtliche turksprachigen Völker einschließendes bis zu den Grenzen Chinas reichendes Land. Dabei sind in der Vision "Turan" zwei Gedanken zusammengeschlossen: Zum einen ein territorialer Anspruch, zum anderen ein Anspruch der Neugestaltung eines Volkskörpers. Denn "Turan", so formulierte es Ziya Gökalp, sei ein "sozialer Terminus, der allein Türken einschließt". Er betonte, dass eine kultur- und zivilisationsfähige Nation nicht von einer geographisch oder politisch definierten Gruppe gebildet werden könne. Im Gegenteil: Eine Nation müsse aus Individuen bestehen, die – und hier zeigt Gökalp eine große Nähe zum romantischen Konzept eines Nations- und Volkscharakters, wie er etwa von Johann Gottfried Herder entworfen worden war – eine gemeinsame Sprache, eine Religion, eine Moral, eine Ästhetik, eben: eine gleiche Erziehung und eine gemeinsame historische Erfahrung teilen. In das Zentrum seiner Überlegungen stellte er das Adjektiv halkçılık – halk bedeutet Volk. Verbunden ist diese Vision mit einem gestalterischen Gedanken, der Vision einer Ordnung, die durch gestalterisches Eingreifen geschaffen werden könne. Wohl selten wird man diesen Gedanken – gefasst in die Metapher der Gärtner- Gesellschaft im Sinne Zygmunt Baumans – klarer formuliert finden, als in einer Passage des 1913 entstandenen Lehrgedichts Kızılelma (deutsch: Roter Apfel – ein Symbol für das Reich Turan) von Ziya Gökalp: "[...]Das Volk ist wie ein Garten, / wir sollen seine Gärtner sein! / Man schneide erst die schlechten Triebe / und pfropfe dann das Edelreis![...]"

In der Ideologie der Jungtürken war ein türkisches Volk somit nur als "soziale Einheit" denkbar, als absolute "Harmonie" der Einzelelemente, und als Gesamtzusammenhang von Kultur und Fortschritt, Territorium und Rasse. So wurden die Armenier nicht zufällig im Rahmen der jungtürkischen Ideologie zunehmend zum grundsätzlich Nicht-Integrierbaren Anderen, zum "inneren Fremden" und "politischen Feind", zu einem Hindernis für die Verwirklichung ihrer Vision.

Interner Link: 1908 übernahmen die Jungtürken durch eine Militärrevolte gegen den türkischen Sultan Abdülhamid II. die Macht. Von breiten Schichten aller Bevölkerungsgruppen wurde dieser Machtwechsel euphorisch begrüßt – beispielsweise ließ die armenische Partei Daschnakzuthiun, die bereits im Ausland mit jungtürkischen Organisationen zusammengearbeitet hatten, um auf einen Sturz des Sultans und eine konstitutionelle Monarchie hinzuwirken, ihre Mitglieder über die Wahlliste der Junktürken für das wiedereingesetzte Parlament kandidieren. Dieser Umsturz markierte die zentrale Wende nicht nur des politischen, sondern auch des gesellschaftlichen Bildes des Reiches. Während die Atmosphäre von Hoffnungen auf Aufbruch und Zukunft, Moderne, Fortschritt und Emanzipation erfüllt war, arbeiteten die Jungtürken über ihre Parteiorganisation Ittihat ve Terraki Cemiyeti (Komitee für Einheit und Fortschritt) auch außerhalb des Parlaments an der Stabilisierung ihrer Strukturen. Mit der Errichtung zahlreicher Suborganisationen versuchten sie alle sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereiche der Gesellschaft zu beeinflussen.

Bald waren die Jungtürken auch mit einer außenpolitischen Krise konfrontiert: bis 1912 verloren sie Gebiete in Nordafrika sowie der Inselgruppe der Dodekanes in der östlichen Ägäis an Italien. Diese territorialen Verluste führten zum Sturz der jungtürkischen Regierung.

Gleichzeitig brach der erste Balkankrieg (1912-13) aus und als die neue Regierung Bereitschaft zeigte, Edirne den Bulgaren zu überlassen und damit in den Verlust nahezu sämtlicher europäischer Territorien des Reiches einzuwilligen, kam es am 23. Januar 1913 erneut zum Machtwechsel durch einen Militärputsch unter jungtürkischer Führung. Mit diesem Staatsstreich und der Ausschaltung alter Eliten und politischer Oppositionen gelang dann der Anschluss von Militär und Regionalverwaltungen an die Organisation der jungtürkische Einheitspartei: 1913 existierte keine einzige Berufs- oder Kulturvereinigung mehr, die nicht Ittihat ve Terraki zugehörte. Ein Netz paramilitärischer Unterorganisationen wurde zudem etabliert. Sämtliche Entscheidungen wurden von nun an im Zentralkomitee der Partei getroffen, nach außen repräsentiert vom sogenannten Triumvirat Talat Paşa (1874-1921), Enver Paşa (1881-1922) und Djemal Paşa (1872-1922).

Die gesellschaftliche Stimmung war geprägt von einer Euphorie "nationaler Wiedergeburt" – mit dieser Euphorie und der Hoffnung auf territoriale Expansion sollte das Osmanische Reich dann auch als Bündnispartner Deutschlands in den Ersten Weltkrieg eintreten (29. Oktober 1914). Am Vorabend des Krieges hatten sich die Armenier nochmals an die europäischen Großmächte gewandt, da die erwarteten Veränderungen in den armenischen Gebieten weiterhin nicht erfolgten. Dieser Vorstoß und die mit ihm einhergehende politische Intervention der europäischen Großmächte, die von der Regierung des Osmanischen Reichs als Provokation aufgefasst wurde, hat sicherlich dazu beigetragen, die Entschlossenheit der Jungtürken zu einer radikalen Lösung der "armenischen Frage" zu fördern.

Schwere militärische Rückschläge zu Beginn des Krieges, so die verheerende Niederlage im Kaukasus-Feldzug im Winter 1914/1915, erlaubten nun die Legitimation radikaler Maßnahmen, indem man den Armeniern Illoyalität und Verrat unterstellte: Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Aufstand der armenischen Bevölkerung in Van: Seit August 1914 hatten systematische, von Plünderungen und Mordaktionen begleitete Übergriffe von Banden und Spezialorganisationen auf armenische Dörfer in den Ostprovinzen begonnen. Dieser Aufstand, der am 20. April 1915 begann und vier Wochen andauerte, war ein verzweifelter Versuch, sich gegen die osmanische Armee und kurdische Freischärler zu verteidigen, die zuvor wochenlang die armenische Bevölkerung der Stadt und ihres Hinterlandes überfallen und Massaker unter ihr verübt hatten.

Fotografie eines Deportationszuges mit Armeniern im Frühjahr/Sommer 1915. (© picture-alliance/AP)

Am 24. April 1915 ließ die jungtürkische Regierung in einer breit angelegten Aktion armenische Notabeln und Intellektuelle in Konstantinopel verhaften, deportieren und ermorden. Dieses Datum gilt gemeinhin als Auftakt des Völkermords an den Armeniern. Doch waren bereits seit August 1914 drastische Maßnahmen gegen die Armenier angeordnet und durchgeführt worden. Auch die umfangreichen Deportationen, die sich als Methode der Vernichtung erweisen sollten, hatten bereits begonnen.

Systematik der Vernichtung

Die Vorbereitung und Durchführung des Vernichtungsprozesses lässt sich einer klaren Systematik zuordnen: Von Boykottmaßnahmen zu Beginn des Jahres 1914; über ersten gezielte Morde an kirchlichen, politischen und wirtschaftlichen Repräsentanten der Armenier; umfangreiche Durchsuchungs- und Plünderungsmaßnahmen; Entwaffnung armenischer Soldaten der osmanischen Armee ab Februar 1915, ihrer Überführung in Arbeitsbataillone und anschließenden Ermordung; bis hin zu den umfassenden, von dem österreichischen Schriftsteller Franz Werfel (1890-1945) in seinem Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933) später als "Wandernde Lager" bezeichneten Deportationen in allen Gebieten Anatoliens.

Von Norden nach Süden wurden die Armenier Stadt für Stadt, Dorf für Dorf in Richtung der syrischen Wüste deportiert. Die armenischen Männer wurden zumeist unmittelbar von den Frauen und Kindern getrennt, aus den Städten und Dörfern geführt und exekutiert, so dass die Deportationszüge zum großen Teil aus Frauen und Kindern bestanden. Die Deportierten wurden auf dem Weg immer wieder von Freischärlern und den eigens hierfür gegründeten Teşkilat-ı Mahsusa (dt: Sonderorganisation), die örtlich von zu diesem Zweck freigelassenen Straftätern verstärkt wurden, überfallen. Die Gendarmerie, die die Deportationszüge begleitete, verhinderte diese Aktionen keineswegs, sondern beteiligte sich oftmals an den Gewalttaten. Aufgrund von Massakern, Vergewaltigung, gewaltsamen Plünderungen, Krankheit, Mangelernährung und Durst erreichten nur wenige die Bestimmungsorte in Mesopotamien, wo sie weiteren Massakern, Hunger, Durst und Krankheiten zum Opfer fielen.

Wie viele Armenier dieser Politik zum Opfer fielen, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Die Schätzungen variieren zwischen 800.000 und über 1,5 Millionen.

Dass die Zielsetzungen und Dimensionen der jungtürkischen Vernichtungspolitik bereits zeitgenössisch klar erkannt wurden, lässt sich vielfach belegen. Die Akten des Politischen Archivs des deutschen Auswärtigen Amtes beispielsweise lesen sich wie ein Protokoll der Vernichtungsmaßnahmen, die das Deutsche Reich "wohl in ihrer Form mildern aber nicht grundsätzlich hindern" dürfe, wie der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Hans Freiherr von Wangenheim (1859-1915), am 31. Mai 1915 an das Auswärtige Amt in Berlin telegraphierte. Der Botschafter hatte dabei sowohl die Absicht, die systematische Planung und die rigorose Durchführung dieser Vernichtungspolitik offen benannt, als er am 7. Juli 1915 an Reichkanzler Bethmann-Hollweg schrieb, dass die Deportationen und die Art ihrer Durchführung "zeigen, daß die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reiche zu vernichten".

QuellentextEin Brief und eine Reaktion

Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht
Nr. 711
Pera, den 7. Dezember 1915

Antwort auf Erlass No. 857, Erlass No. 855 und Telegramm No. 2401.
Ich habe die Armeniergreuel im Laufe der letzten Woche mit Enver Pascha, mit Halil Bey und heute mit Djemal Pascha ernstlich besprochen und darauf hingewiesen, dass Unruhe und Empörung auch im befreundeten Ausland und in Deutschland weite Kreise ergriffen habe und der türkischen Regierung schliesslich alle Sympathien entziehen würde, wenn nicht Einhalt geschehe. Enver Pascha und Halil Bey behaupten, dass keine ferneren Deportationen – insbesondere nicht aus Konstantinopel – beabsichtigt seien. Sie verschanzen sich hinter Kriegsnotwendigkeiten, dass Aufrührer bestraft werden müssten, und gehen der Anklage aus dem Wege, dass Hunderttausende von Frauen, Kindern und Greisen ins Elend gestossen werden und umkommen. Djemal Pascha sagt, dass die ursprünglichen Anordnungen notwendig gewesen seien, ihre Ausführung aber schlecht organisiert worden sei. Er leugnet nicht, dass infolgedessen traurige Zustände herrschten, die er durch Zuführung von Lebensmitteln und Geld zu lindern bestrebt sei. Es ist dies richtig. Seine Etappenstrasse bei Aleppo ist infolge des Elends der Flüchtlinge verseucht, und er sucht nach Abhülfe, hat auch mehrere Personen, die die Flüchtlinge bestohlen haben, aufhängen lassen. Oberst von Kress, der Chef des Stabes Djemals, sagt mir, dass das Elend jeder Beschreibung spotte und alle Schilderungen übertreffe. Dabei wird im Lande verbreitet, die Deutschen wünschten die Massakres.
Ich habe eine äusserst scharfe Sprache geführt. Proteste nützen nichts, und türkische Ableugnungen, dass keine Deportationen mehr vorgenommen werden sollen, sind wertlos.
Von vertrauenswürdiger Seite erfahre ich, dass nach Auskunft des hiesigen Polizeipräsidenten, die ich bitte, geheim zu halten, auch aus Konstantinopel neuerdings etwa 4000 Armenier nach Anatolien abgeführt worden sind und dass mit den 80 000 noch in Constantinopel lebenden Armeniern allmählich aufgeräumt werden soll, nachdem schon im Sommer etwa 30 000 aus Konstantinopel verschickt und andere 30 000 geflohen sind. Soll Einhalt geschehen, so sind schärfere Mittel notwendig. Ich schlage daher folgende Veröffentlichung in der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vor, mit der Weisung an mich, dass sie im Auftrage der Kaiserlichen Regierung erfolgt sei:
"Infolge der zahlreichen Nachrichten, die über das traurige Loos der aus ihren bisherigen Wohnstätten nach anderen Gegenden umgesiedelten armenischen Bevölkerung der Türkei zum Teil aus der ausländischen Presse nach Deutschland gelangt sind, hat in weiten Kreisen des deutschen Volkes eine zunehmende Beunruhigung Platz gegriffen. Wenn schon es jedem Staate, zumal in Kriegszeiten, frei stehen muss, gegen aufrührerische Elemente seiner Bevölkerung mit aller Strenge des Kriegsrechts vorzugehen, so muss es bei Ausführung der zur Sicherheit des Staates erforderlichen Massnahmen doch vermieden werden, dass unter dem Verschulden Einzelner ein ganzer Volksstamm einschliesslich Greisen, Frauen und Kindern zu leiden hat.
Mit Rücksicht auf die engen freundschaftlichen Beziehungen, die durch das Bündnisverhältnis zwischen der Türkei und Deutschland bestehen, hat die Kaiserliche Regierung es für ihre Pflicht gehalten, sobald die ersten Nachrichten über die bei Umsiedelung der armenischen Bevölkerung vorgekommenen tief bedauerlichen Vorgänge, die hauptsächlich durch die Missgriffe von Unterbehörden entstanden zu sein scheinen, zu ihrer Kenntnis gelangt sind, die türkische Regierung in nachdrücklicher Weise durch die Kaiserliche Botschaft in Konstantinopel auf die Ausschreitungen und Härten aufmerksam zu machen, und wiederholt, schriftlich und mündlich, ihre Abstellung zu verlangen. Die Kaiserliche Regierung hofft ernstlich sowohl im Interesse der Türkei selbst als in dem des armenischen Volksstammes, dass diesen Vorstellungen Folge gegeben wird." […]
Um in der Armenierfrage Erfolg zu haben, müssen wir der türkischen Regierung Furcht vor den Folgen einflössen. Wagen wir aus militärischen Gründen kein festeres Auftreten, so bleibt nichts übrig, als mit ferneren erfolglosen Verwahrungen, die mehr verärgern als nützen, zuzusehen, wie unser Bundesgenosse weiter massakriert.
Die Seele der Armenierverfolgungen ist Talaat Bey. Er kehrt erst Ende der Woche aus Anatolien zurück. Ich werde erst dann erfahren, welche Wirkung meine Besprechungen mit seinen Kollegen und Djemal auf ihn haben. Ich schlage daher vor, mit der Veröffentlichung in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zu warten, bis ein ferneres Telegramm von mir eintrifft.
Metternich

[Notiz Zimmermann 16.12]
Das werden wir jedenfalls tun müssen. Der Artikel wird aber m. E. vor Veröffentlichung zu mildern sein. In vorliegender Form würde er der Entente zu sehr passen.

[Notiz Jagow]
Namentlich muß der Schluß freundlicher für die türkische Regierung gehalten sein.

[Notiz Bethmann Hollweg 17.]
Die vorgeschlagene öffentliche Koramierung eines Bundesgenossen während laufenden Krieges wäre eine Maßregel, wie sie in der Geschichte noch nicht dagewesen ist. Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht. Bei länger andauerndem Kriege werden wir die Türken noch sehr brauchen. Ich begreife nicht, wie Metternich diesen Vorschlag machen kann, obwohl er es nicht für ausgeschlossen hält, daß Djemal Enver verdrängt.

© Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): Externer Link: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved

Interessant in diesem Zusammenhang ist aber insbesondere eine Note der Alliierten vom 24. Mai 1915, in der die Vernichtungspolitik des jungtürkischen Regimes als ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Zivilisation" bezeichnet wird. Außerdem kündigen die Alliierten hier an, die Mitglieder der osmanischen Regierung und alle, die an diesen Verbrechen beteiligt gewesen sind, zur Verantwortung ziehen zu wollen.

Nachwirkungen

Ein internationales Tribunal kam nach Ende des Krieges zwar nicht zustande, doch wurde auf der Grundlage der genannte Note im Jahr 1919 ein Sondermilitärgericht in Istanbul eingerichtet, das gegen die Verantwortlichen und Haupttäter des Genozids verhandelte und zahlreiche Personen zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilte. Zuvor hatte bereits nach dem Sturz des Jungtürkenregimes im Oktober 1918 eine große Debatte in der Öffentlichkeit, später dann auch im Parlament, über die Politik der Jungtürken eingesetzt, in der die Verbrechen an den Armeniern offen benannt und die Fragen nach Schuld, Verantwortung und Bestrafung intensiv diskutiert wurden. Die Positionen reichten dabei von vereinzelten Feststellungen einer kollektiven Schuld (so ließ etwa die Zeitung Yeni Istanbul am 30. November 1918 verlauten "Wir alle sind Täter") bis hin zur Zuweisung der Schuld an eine verbrecherische kleine Clique jungtürkischer Machthaber, die mehrheitlich nicht der türkischen Rasse zugehörig sei und keine echten Muslime gewesen seien - bei gleichzeitiger Entschuldung des türkischen Volkes (so Innenminister Ahmet Izzet am 13. Februar 1919 in der Zeitung Tasvir-i Efkâr). Einhellig wurde die vollständige Aufarbeitung der Verbrechen und die Bestrafung der Täter als zentrale Aufgabe und moralische Pflicht begriffen.

Mit der Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923 verstummte die Diskussion. Nahezu alle in den Istanbuler Prozessen verurteilten Personen wurden rehabilitiert. Damit begann eine Politik staatlich propagierter Leugnung des Geschehens durch die Republik Türkei. Bis heute wird die Qualifizierung der Ereignisse der Jahre 1915/16 als Genozid von der offiziellen Türkei bestritten. Insbesondere eine Vernichtungsabsicht der damaligen Regierung des Osmanischen Reiches wird zurückgewiesen. Häufig wird auch das Argument angeführt, die Deportationen seien eine kriegsnotwendige Maßnahme gewesen, da die Armenier sich während des Ersten Weltkriegs mit Russland solidarisiert und so das Osmanische Reich verraten und gefährdet hätten. Oftmals werden die Deportationen als Antwort auf armenische "Terrorakte" oder "Gräuel" gegen Türken aber auch gegen Griechen und Juden beschrieben, wobei regelmäßig behauptet wird, die Zahl der ermordeten Armenier läge weitaus niedriger als die Zahl der von Armeniern getöteten Türken, oder die Deportationen werden als ein Akt der Notwehr deklariert, zudem als eine Maßnahme, die eine lange Tradition in Kleinasien habe.

Diese Haltung hat auch Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen zwischen der Republik Türkei und der im Jahr 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen Armenischen Sowjetstaates gegründeten Republik Armenien. Seit dem Konflikt um die Region Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbeidschan im Jahr 1993 gibt es keine diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Türkei und der Republik Armenien. Zudem hält die Türkei die Grenzen zur Republik Armenien geschlossen, was sich überaus negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung Armeniens auswirkt.

Erst in jüngster Zeit erfährt diese folgenreiche geschichtspolitische Haltung eine Relativierung sowie eine Aufarbeitung durch zivilgesellschaftliche Initiativen und kritische Wissenschaftler in der Türkei.

Quellen / Literatur

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  • Dabag, Mihran: Der Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich, in: Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Völkermord und Holocaust, hrsg. von Volkhard Knigge und Norbert Frei, München 2002, S. 33-55.



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  • Gust, Wolfgang (Hg): Der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Dokumente aus dem politischen Archiv des Auswärtigen Amts, Springe 2005.Herder, Johann Gottfried: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, in: ders.: Werke, Bd. 4: Schriften zu Philosophie, Literatur, Kunst und Altertum 1774-1787, hrsg. von Jürgen Brummack und Martin Bollacher, Frankfurt am Main 1994.



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  • Kieser, Hans-Lukas/Schaller, Dominik J. (Hg.): Der Völkermord an den Armeniern und die Shoah, Zürich 2003.



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  • Externer Link: http://www.armenian-genocide.org/


  • Externer Link: http://www.armenocide.org/

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der russisch-osmanischer Krieg (1877-1878) endetet mir der Niederlage des Osmanischen Reiches und schließlich dem Berliner Kongress, der eine neue Friedensordnung für Südosteuropa und Gebietsverluste des Osmanischen Reiches vorsah.

  2. Kieser: Der verpasste Friede, S. 140-154.

  3. van Kampen: Studien zur deutschen Türkeipolitik in der Zeit Wilhelms II., S. 115-130.

  4. Zur ideologischen Entwicklung der Jungtürken vgl.: Dabag, Mihran: Jungtürkische Vision und der Völkermord an den Armeniern, in: ders. / Kristin Platt (Hg.): Genozid und Moderne. Strukturen kollektiver Gewalt im 20. Jahrhundert, Opladen 1998, S. 152-206.

  5. Gökalp, Ziya: Türkleşmek, İslâmlaşmak. Çağdaşlaşmak [zuerst 1918 unter dem Titel: Türkleşmek, İslâmlaşmak, Muasırlaşmak], in: Türkleşmek, İslâmlaşmak. Çağdaşlaşmak ve Doğru Yol, Ankara/Istanbul 1976, S. 19-93, hier S. 53.

  6. Herder erkennt im National- und Volkscharakter den zentralen Konstitutionsfaktor und das eigentliche Bindemittel der nationalen Gemeinschaft. Dieser Nationalcharakter gründe dabei auf der gemeinsamen Sprache, den Umgangsformen, der Literatur und Kunst, den religiösen und sittlichen Vorstellungen. Dies alles bestimme die geteilten Eigenheiten des Menschen und konstituiere die nationale Gemeinschaft auf der Ebene subjektiver Empfindungen. Vgl.: Herder, Johann Gottfried: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, in: ders.: Werke, Bd. 4: Schriften zu Philosophie, Literatur, Kunst und Altertum 1774-1787, hrsg. von Jürgen Brummack und Martin Bollacher, Frankfurt am Main 1994, S. 33ff.

  7. Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich: Dabag, Mihran: Gestaltung durch Vernichtung. Politische Visionen und generationale Selbstermächtigung in den Bewegungen der Nationalsozialisten und der Jungtürken, in: Die Machbarkeit der Welt, hrsg. von Mihran Dabag und Kristin Platt, München 2006, S. 142-171.

  8. Bauman, Zygmunt: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Frankfurt am Main 1995, S. 33-72.

  9. Vgl. für eine Übersetzung die Nachdichtung von Tekin Alp in die deutsche Sprache in: Österreichische Rundschau 46, 6, 1916, S. 284-297, hier S. 285.

  10. "Paşa" war im Osmanischen Reich ein Titel für hohe Militärs und Beamte.

  11. Akçam: The Young Turks’ Crime against Humanity, S. 157ff.

  12. Vgl. zum Aufstand in Van ausführlich Akçam: Armenien und der Völkermord, S. 71f.; Kévorkian: The Armenian Genocide, S. 319-335.

  13. Zur Systematik der Genozidpolitik vgl. Kévorkian: The Armenian Genocide; Akçam: Armenien und der Völkermord, S. 52-76; Gust: Der Völkermord an den Armeniern 1915/16, S. 23-49.

  14. Zu einer detaillierten Rekonstruktion der systematischen Deportation auf regionaler Ebene vgl.: Kévorkian: The Armenian Genocide.

  15. Akçam, Taner: A Shameful Act. The Armenian Genocide and the Question of Turkish Responsibility. New York 2006, S. 134f.; Üngör, Uğur Ümit: The Making of Modern Turkey. Nation and State in Eastern Anatolia, 1913-1950, Oxford 2011, S. 62.

  16. (PA-AA/R 14086; A 17493, pr. 1.6.1915 a.m.)

  17. (PA-AA/R14086; A 21257, pr. 12.7.1915 p.m.)

  18. (PA-AA/R14085, ZJ: 1915-A-16924)

  19. Bereits nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wurde die Stadt im Volksmund "Istanbul" genannt. Mit der Zeit setzte sich der Name durch. Seit 1930 heißt die Stadt auch offiziell Istanbul.

  20. Vgl. hierzu ausführlich: Dadrian, Vahakn N. / Akçam, Taner: Judgment at Istanbul. The Armenien Genocide Trials, New York/Oxford 2011 (zuerst in türkischer Sprache Istanbul 2008), S. 23-57.

  21. Zitat ebd. S. 29.

  22. Ebd., S. 31.

  23. Eindrucksvoll formulierte dies Izzet Fuad Paşa, General im Ruhestand, am 26. Dezember 1918 in der Zeitung Ictihad: "Es gibt keine andere Wahl, als gegenüber der Menschheit die nicht zu verleugnende Faktizität der verbrecherischen Tat der "Ittihatisten" anzuerkennen und zwar auf ehrenhafte und edle Weise, ohne Zögern, so wie es einem großen und ruhmreichen Volkes würdig ist. Das ist die dringendste Aufgabe der Zeit.“ Zitiert nach: Dadrian/Akçam: Judgment at Istanbul, S. 32.

  24. Armenische Behauptungen und historische Tatsachen, hrsg. vom Außenministerium der Republik Türkei, Zentrum für strategische Forschung, Ankara 1998, S. 18-22, S. 28. Publiziert auf der Website des Außenministeriums der Republik Türkei: Externer Link: http://www.mfa.gov.tr/data/DISPOLITIKA/ErmeniIddialari/ArmenischeBehauptungenundHistorischeTatsachen.pdf

  25. Armenische Behauptungen und historische Tatsachen, S. 28.

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Prof. Dr. Mihran Dabag ist Direktor des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung, Professor für Neuere Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied im Direktorium des dortigen, von ihm mitinitiierten Zentrums für Mittelmeerstudien. Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte liegen in der Genozid- und Diasporaforschung sowie in der Untersuchung der Reform- und Nationalbewegungen im Osmanischen Reich, der Ideologie und Politik der Jungtürken und des Genozid an den Armeniern.