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Analyse: Die Ukraine und Georgien. Ein Überblick über die Beziehungen in den letzten Jahren | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Die Ukraine und Georgien. Ein Überblick über die Beziehungen in den letzten Jahren

Dr. Jenny Alwart Leipzig Von Jenny Alwart

/ 10 Minuten zu lesen

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko (r.) und Georgiens Präsident Michail Saakaschwili (l.) bei einem Treffen in Kiew. (© AP)

"Freundschaft" – "Druschba" – "Megobroba"

"Die Georgier sind unsere Freunde“, sagte der ehemalige ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko in einer Rede kurz nach dem Augustkrieg 2008 zwischen Russland und Georgien. Er sprach in Tbilisi dem "befreundeten georgischen Volk“ seinen Gruß aus, betonte die Bedeutung der territorialen Integrität des Landes und versicherte den "teuren georgischen Freunden“ seine Solidarität. Auf georgischer Seite wird diese Sicht auf das Verhältnis beider Staaten geteilt – so ist Micheil Saakaschwili von der "jahrhundertealten Freundschaft des ukrainischen und georgischen Volkes“ überzeugt. Doch nicht nur rhetorisch sind die ukrainisch-georgischen Beziehungen in den letzten Jahren immer wieder als freundschaftlich charakterisiert worden. Sie sind auch tatsächlich durch zahlreiche Bemühungen um Kooperation und Austausch gekennzeichnet, die – in Abhängigkeit von den jeweiligen Präsidenten – unterschiedlich aktiv gestaltet werden.

Vom Entstehen demokratischer Initiativen zu einem neuen Stillstand

Eine entscheidende Grundlage für den politischen Austausch der letzten Jahre waren die Entwicklungen direkt nach der Erlangung der Unabhängigkeit der Ukraine und Georgiens im Jahr 1991. Nachdem im Juli 1992 diplomatische Beziehungen zwischen den Ländern aufgenommen worden waren, wurde am 13. April 1993 der "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe zwischen der Ukraine und der Republik Georgien“ von den Präsidenten Leonid Kutschma und Eduard Schewardnadse unterzeichnet. Erst zehn Jahre später, mit der Rosen-Revolution in Georgien (2003) und der Orangen Revolution in der Ukraine (2004), konnten die Verbindungen aber entscheidend gestärkt und vorangebracht werden. Das Streben nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verband die beiden Länder nun in besonderem Maße. Gemeinsame Ziele der Außenpolitik waren die Integration in EU und NATO und eine Weiterentwicklung regionaler Kooperationen.

Die Intensivierung politischer Beziehungen und das Bekenntnis zu demokratischer Entwicklung war von zahlreichen Treffen der Staatsoberhäupter begleitet. Bereits kurz nach der Orangen Revolution, sogar noch vor Juschtschenkos Vereidigung zum neuen Präsidenten, fand am 5. Januar 2005 ein Treffen zwischen ihm und Saakaschwili in den Karpaten statt. Hier wurde die "Karpaten-Deklaration“ unterzeichnet, die die Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass die "demokratische Welt“ beide Länder in ihrer weiteren Entwicklung unterstützen würde. "We are confident“, hieß es auf der Webseite von Präsident Saakaschwili, "that the Revolution[s] in Ukraine and Georgia represent the new wave of freedom in Europe, which will bring the ultimate victory of liberty and democracy throughout the European continent“.

Schon kurze Zeit später, am 25. März 2005, unterzeichneten Juschtschenko und Saakaschwili in Kiew die "Deklaration über die Entwicklung strategischer Zusammenarbeit zwischen Georgien und der Ukraine“. Hierin wurde bekräftigt, dass eine strategische Beziehung schon deshalb bestehe, weil beide Länder zu Europa und dem euro-atlantischen Raum gehörten, und es sei gemeinsames Ziel, Georgien und die Ukraine in die EU und die NATO zu bringen. Man müsse unter anderem bei der Demilitarisierung der Schwarzmeer-Region zusammenarbeiten und für eine Weiterentwicklung der GUAM (1997 gegründeter Zusammenschluss von Georgien, der Ukraine, Aserbaidschan und Moldova) sorgen. In Anknüpfung an die Karpaten-Deklaration wurde am 12. August 2005 die Bordschomi-Deklaration unterzeichnet. Sie enthält erneut das Bekenntnis zur Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft und die Überzeugung, dass Georgien und die Ukraine Mitglieder der "Europäischen Familie“ seien, die europäischen Werte und Geschichte teilten. In der Deklaration wurde die Schaffung einer "Community of Democratic Choice“ angekündigt, die eine Gemeinschaft von Demokratien "in diesem Teil Europas“ darstellen sollte. Weitere Präsidenten aus Ländern an Ostsee, Schwarzem und Kaspischem Meer (Baltic-Black-Caspian Sea region), die "unsere Vision von einem neuen Europa teilen“, wurden zur Teilnahme aufgerufen. Die "Declaration of the Countries of the Community of Democratic Choice“ wurde schließlich am 2. Dezember 2005 von den Präsidenten der Ukraine, Georgiens, Litauens, Lettlands, Estlands, Rumäniens, Moldovas, Sloweniens und Mazedoniens in Kiew unterschrieben, wobei auch Beobachter aus den USA, von der EU und OSZE anwesend waren. Mit dem Amtsantritt von Wiktor Janukowytsch im Februar 2010 änderten sich die politischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Georgien: Die Initiativen zur Stärkung von Demokratie kamen weitgehend zum Stillstand. Von georgischer Seite hatte schon längere Zeit eine gewisse Skepsis gegenüber Wiktor Janukowytsch bestanden, weil jener sich während des Augustkriegs 2008 – Russland folgend – für eine Anerkennung der Unabhängigkeit Süd-Ossetiens und Abchasiens ausgesprochen hatte. Er nahm diese Forderung allerdings zurück, nachdem er zum Präsidenten gewählt worden war, was von georgischer Seite begrüßt wurde.

Festzuhalten ist, dass Janukowytsch während seiner mittlerweile zweijährigen Amtszeit Tbilisi keinen offiziellen Besuch abgestattet hat. Anstelle von Präsidententreffen, wie sie in der Amtszeit Juschtschenkos stattgefunden hatten, finden Begegnungen nun auf Ebene der Minister statt. So war der georgische Außenminister Grigol Waschadse im Juni 2010 in Kiew, und im Juli 2011 besuchte der ukrainische Außenminister Kostjantyn Hryschtschenko Georgien. Die Stellvertretenden Ministerpräsidenten Serhij Tihipko und Giorgi Baramidse statteten einander mehrfach Besuche ab und nahmen an Sitzungen der Zwischenstaatlichen Wirtschaftskommission der Ukraine und Georgiens teil, woraus deutlich wird, dass die Interessen sich in jüngster Vergangenheit auf die Wirtschaft konzentrieren. Die Visumspflicht zwischen beiden Ländern bleibt weiterhin aufgehoben.

Georgischer "Wein der Freiheit“ in der Ukraine. Die Wirtschaftsbeziehungen

Am 5. Oktober 2010 wurde das Protokoll über Veränderungen in der "Übereinkunft zwischen der Regierung der Republik Georgien und der Regierung der Ukraine über den Freihandel“ vom 9. Januar 1995 ratifiziert. Dieses Protokoll war von den Regierungen Georgiens und der Ukraine am 17. Juni 2009 unterzeichnet worden und soll der Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen dienen. Die Ukraine ist nach der Türkei und Aserbaidschan drittgrößter Handelspartner Georgiens. Die Ukraine exportiert Tabak, Sonnenblumenöl, Getreide, Milchprodukte, Stahlprodukte und elektronisches Zubehör nach Georgien. Der Export betrug im Jahr 2000 ca. 35 Mio. US-Dollar, im Jahr 2011 stieg er auf 706 Mio. US-Dollar (siehe Grafik 1). Im Jahr 2008 hatte er schon einmal fast 658 Mio. US-Dollar betragen, war dann aber eingebrochen. Der Import in die Ukraine aus Georgien besteht hauptsächlich aus Obst, Gemüse, Medikamenten, Wein, anderen alkoholischen Getränken, Mineralwasser, Erdöl und Produkten aus Stahllegierung. In den Jahren 2000 bis 2011 wuchs der Import von ca. 11 Mio. auf ca. 141 Mio. US-Dollar (siehe Grafik 1), mit Einbrüchen in den Jahren 2004 und 2009.

Der Transport von Gütern zwischen der Ukraine und Georgien wird hauptsächlich über das Schwarze Meer abgewickelt. Im Jahr 1998 wurde die Strecke Illitschiwsk/Odessa-Batumi, 1999 Illitschiwsk-Poti eröffnet. Diese Verbindungen werden von UkrFerry betrieben; laut Website des Unternehmens bestehen sie bereits seit Dezember 1996 im Rahmen von TRACECA (Transport Corridor Europe – Caucasus – Asia), auch "Neue Seidenstraße“ genannt. Besondere Bedeutung hatte der Schiffsverkehr direkt nach dem Augustkrieg, als der Landweg, der über Russland führt, nicht mehr genutzt werden konnte, weil der Grenzübergang Kasbegi/Oberer Lars geschlossen war.

Eine wichtige wirtschaftliche Unterstützung Georgiens durch die Ukraine war die Erhöhung des Imports von georgischem Wein und Bordschomi-Mineralwasser, nachdem Russland die Einfuhr beider Produkte Ende März 2006 wegen angeblicher Qualitätsmängel verboten hatte und damit ein zentraler Absatzmarkt für Georgien weggebrochen war. Die Ukraine wurde zu einem der Hauptabnehmer georgischen Weins. 2010 gingen 46 Prozent des georgischen Wein-Exports in die Ukraine. Wein aus Georgien wird seitdem in der Ukraine aktiv beworben. 2006 wurde beispielsweise eine Wirtschafts- und Handelsabteilung an der Botschaft Georgiens in der Ukraine eingerichtet, die unter anderem für die "Popularisierung“ georgischen Weins zuständig war. Während eines Treffens der GUAM in Kiew im selben Jahr wurde mit großen Werbeplakaten für den Konsum georgischen Weins geworben. Auf ihnen war ein Glas zu sehen, in das Rotwein eingegossen wird, und die Aufrufe lauteten: "Probier den Wein der Freiheit“ und "In ihm ist mehr Freiheit, als erlaubt ist!“ (siehe Abbildung 1). Die Werbeslogans spielten mit zwei Stereotypen: zum einen mit der Vorstellung von Georgien als dem Land der unbesiegbaren Freiheit und zum anderen mit dem Bild vom Volk des Weins und der Lebensfreude.

Relativ undurchsichtig ist das Thema Waffenhandel. Medienberichten zufolge war Georgien neben Kenia im Jahr 2008 – dem Jahr des Augustkriegs – der wichtigste Käufer ukrainischer Waffen. Nach dem Krieg machte Russland die Ukraine für Unregelmäßigkeiten im Waffenhandel mit Georgien verantwortlich, die bereits im Jahr 2007 erfolgt sein sollen. Daraufhin wurde vom Parlament am 2. September 2008 eine "Temporäre Untersuchungskommission zur Aufklärung der Umstände und Feststellung der Fakten zu den Lieferungen ukrainischer Kriegstechnik nach Georgien mit einer Verletzung der ukrainischen Gesetzgebung und von Normen des internationalen Rechts“ eingerichtet. Die Kommission stellte fest, dass die Waffenlieferungen von der Ukraine nach Georgien zwar gesetzmäßig und entsprechend den internationalen Abmachungen verlaufen seien. Allerdings sei die instabile Situation jener Zeit in Georgien nicht genügend berücksichtigt worden, und Waffenlieferungen im Vorfeld des Augustkriegs seien auf eine der Situation unangemessene Weise erfolgt. Die Ukraine habe damit nicht nur die Chance auf eine Vermittlerrolle vertan, sondern sei durch ihr unvorsichtiges Verhalten selbst beinahe in den Konflikt hineingezogen worden.

Nach dem Augustkrieg hieß es Moskau gegenüber, man habe den Waffenhandel eingestellt. So sagte Julija Tymoschenko im April 2009, die Ukraine würde keine Waffen mehr nach Georgien liefern. Die Frage der militärischen Zusammenarbeit wurde Anfang Februar 2012 erneut zum Thema, als der georgische Stellvertretende Ministerpräsident und Staatsminister für Fragen der europäischen und euroatlantischen Integration Georgi Baramidse der Zeitung Dserkalo tyschnja gegenüber äußerte, dass es – auch unter Janukowytsch – "kein Problem“ im Waffenhandel zwischen beiden Ländern gebe. Das staatliche Unternehmen Ukrspezeksport dementierte die Meldung umgehend – seit fast zwei Jahren seien keine Lieferungen von Kriegstechnik mehr nach Georgien erfolgt.

Kultur als Bühne für Freundschaftsbekundungen

Der kulturelle Austausch zwischen der Ukraine und Georgien wird, wenn er staatlich gefördert wird, von der politischen Elite dazu genutzt, um die Freundschaftlichkeit der Beziehungen zu betonen. So werden zum Beispiel Tage der ukrainischen Kultur in Georgien oder der georgischen Kultur in der Ukraine ausgerichtet. 2005 wurde sogar das "Jahr Georgiens in der Ukraine“ veranstaltet, das vom Stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine und vom Minister für Kultur, Denkmalschutz und Sport Georgiens koordiniert wurde. Im April–Mai 2010 fand im Nationalmuseum Georgiens in Tbilisi die Ausstellung "Art Voyage“ statt, in der ukrainische Kunst von den 1950er Jahren bis heute gezeigt wurde. Aus Anlass des zwanzigjährigen Bestehens der Kulturbeziehungen seit der Unabhängigkeit fanden im Mai–Juni 2011 georgische Filmtage in mehreren Städten der Ukraine statt, die von der georgischen Botschaft in der Ukraine unterstützt wurden. Zum zwanzigsten Jahrestag der Unabhängigkeit Georgiens wurden in Kiew Ausstellungen gezeigt und Lesungen sowie Vorträge gehalten; die Veranstaltungen wurden unter dem Titel "Ukraine – Georgien: Zwei Herzen, eine Seele“ durchgeführt. Wichtige symbolische Momente waren die gemeinsamen Einweihungen von Denkmälern durch Juschtschenko und Saakaschwili. Dies betrifft unter anderem das Denkmal für den ukrainischen Dichter Taras Schewtschenko in Tbilisi im März 2007 (Abbildung 2), und das Denkmal für Schota Rustaweli im Juni 2007 in Kiew (Abbildungen 3 und 4). Gemeinsam legten Juschtschenko und Saakaschwili auch den Grundstein für das Freiheits-Denkmal in Tbilisi. Mit Unterstützung Juschtschenkos und Saakaschwilis wurde im März 2007 das „Institut für Ukrainistik“ an der Staatlichen Iwane Dschawachischwili-Universität in Tbilisi gegründet. An der Kiewer Nationalen Taras Schewtschenko-Universität wurde entsprechend ein Lehrstuhl für Kartwelologie geplant. Auf der größten Buchmesse in der Ukraine, dem jährlich stattfindenden „Verlagsforum“ in Lwiw, treten regelmäßig Schriftsteller aus Georgien auf. Literatur aus der Ukraine wiederum wurde auf der Ersten Schwarzmeer-Buchmesse ausgestellt, die vom 27. bis 30. Juni 2008 in Tbilisi stattfand. Sieht man einmal vom politisch unterstützten beziehungsweise dominierten Bereich der kulturellen Begegnung ab und stellt die Frage, wie die Bevölkerungen selbst das Verhältnis zwischen der Ukraine und Georgien einschätzen, kann das Abstimmungsverhalten beim Eurovision Song Contest als Indiz dienen. Die Ukraine nimmt an diesem 1956 gegründeten, jährlich stattfindenden Wettbewerb, dem größten für Popmusik weltweit mit mittlerweile 100 Mio. Fernsehzuschauern, seit 2003 teil, Georgien seit 2008. Im vergangenen Jahr stimmten die Bevölkerungen so positiv wie noch nie zuvor füreinander: Aus der Ukraine wurde für die georgische Band mit der zweithöchsten Punktzahl gestimmt, Georgien gab der Ukraine sogar die höchste Punktzahl.

Fazit

Die Ukraine galt für die politische Elite Georgiens insbesondere nach Rosen- und Oranger Revolution als „Leader der Region“ in den Annäherungsbestrebungen an die EU. Wenn man den Worten des georgischen Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Staatsministers für Fragen der europäischen und euroatlantischen Integration Georgi Baramidse glauben will, die er unlängst der ukrainischen Zeitung Dserkalo tyschnja gegenüber äußerte, bleibt dies auch weiterhin so. Georgien wiederum gilt in der Ukraine als Vorbild im postsowjetischen Raum für die erfolgreiche Bekämpfung von Korruption und erfolgreiche Umsetzung von Reformen. Die zahlreichen Bemühungen um Kooperation zwischen der Ukraine und Georgien sind von verbalen Bekräftigungen über die Freundschaft begleitet. Mitunter liegen rhetorische Geste und tatsächliche Kooperation jedoch recht weit auseinander. So sagte Saakaschwili im Oktober 2011: „Nie war das Verhältnis zwischen unseren Völkern besser als jetzt.“ Und Janukowytsch verlieh in einem Grußwort zum Unabhängigkeitstag Georgiens im Jahr 2010 seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich die „traditionell warmen und freundschaftlichen ukrainisch-georgischen Beziehungen auch weiterhin vertiefen und zum Wohl der Völker der Ukraine und Georgiens entwickeln werden“. Tatsächlich aber finden Treffen derzeit nicht zwischen den Präsidenten, sondern auf der Ebene der Minister statt. Eine ähnlich enge Beziehung, wie jene zwischen Saakaschwili und Juschtschenko, die sogar noch eine symbolische familiäre Dimension bekam, als Juschtschenko Taufpate eines Saakaschwili-Sohnes wurde, besteht im Moment nicht. Die Freundschaftsbekundungen, die unabhängig von der Intensität der Beziehungen in den letzten Jahren gleichermaßen von Juschtschenko, Janukowytsch und Saakaschwili zu hören waren, sind als Rückgriff auf den sowjetischen Freundschafts-Topos und die Rede von den „Brudervölkern“ der Sowjetunion zu verstehen. Auch 20 Jahre nach der Erlangung der Unabhängigkeit und eingehenden Bemühungen, die sowjetische Vergangenheit abzulegen, funktioniert dieser Bezug weiterhin, um den Willen zur Zusammenarbeit in der Region zu bekräftigen.

Lesetipps

  • Kuzio, Taras: Strident, Ambiguous and Duplicitous. Ukraine and the 2008 Russia-Georgia War, in: Demokratizatsiya, 2009 (Vol. 17), No. 4, pp. 350–372.

  • Chronika 2000, Nr. 43/2001, Nr. 44/2001 und Nr. 47–48/2002 (Themenhefte Ukraine-Georgien. Erscheinungsort der Zeitschrift: Kiew).

Fussnoten

Dr. Jenny Alwart ist Lehrbeauftragte am Global and European Studies Institute (GESI) und Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Zuletzt ist von ihr erschienen: Mit Taras Ševčenko Staat machen. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in der Ukraine vor und nach 1991. Böhlau-Verlag Köln, Weimar, Wien 2012 (Visuelle Geschichtskultur 8).