Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Kommentar: Kein Endpunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise in Sicht | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: Kein Endpunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise in Sicht

Gunter Deuber Wien Von Gunter Deuber

/ 4 Minuten zu lesen

"In den kommenden Monaten werden wohl noch einige unangenehme Reform- und Umgestaltungsschritte in der Ukraine nötig sein, während sich auch die westlichen Geldgeber klar auf höhere Summen zur Unterstützung der Ukraine einstellen müssen", kommentiert Gunter Deuber die wirtschaftliche Situation der Ukraine.

Die Zentralbank der Ukraine (CC, Alexander Noskin) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Die Ukraine erduldet gegenwärtig, bis dato ohne massivste gesellschaftliche Verwerfungen, eine einschneidende Wirtschaftskrise. Die Summe der Bruttoinlandsprodukte 2014 und 2015 wird um etwa 15 Prozent schrumpfen. Im Alltag fühlt sich der Wohlstandsverlust durch den Griwna-Verfall noch heftiger an. In diesem Jahr hat die Griwna etwa die Hälfte ihres Außenwertes zum Dollar und Euro verloren. In der Ukraine, wo viel mit Fremdwährung bezahlt wird, leiden Durchschnittsbürger und kleinere Unternehmen besonders unter einer Währungsabwertung. Heimische Großunternehmen haben oft Einkünfte in Fremdwährung; in der Ukraine tätige ausländische Großunternehmen leiden derzeit dagegen unter Restriktionen im internationalen Kapitalverkehr. Mit solchen Maßnahmen der Devisenbewirtschaftung soll der Griwna-Verfall zumindest abgefedert werden, denn die Notenbank der Ukraine hat nur noch sehr niedrige Devisenreserven zur Stützung der Griwna (etwa zwölf Milliarden US-Dollar) und Kapital verlässt in großen Mengen das Land (etwa neun Milliarden Dollar im ersten Halbjahr). Die Devisenreserven sind so niedrig, dass nur noch ca. zwei Monate an Importen bezahlt werden können. Insofern verwundert es auch nicht, dass es die ersten Anzeichen von Knappheit im Gesundheitssystem gibt; letzteres ist sehr stark auf Importe angewiesen.

Der aktuelle Wirtschaftseinbruch ist schroffer als von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU antizipiert. Der extreme wirtschaftliche Rückschlag ist in Teilen auf den Konflikt im Osten des Landes zurückzuführen, der administrative und finanzielle Ressourcen bindet, wobei die aktuellen ökonomischen Verwerfungen auch die geringe Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik, etwa im Bereich der Staatsfinanzen, über die letzten Jahre aufzeigen. Hier gilt es aber auch zu betonen, dass der wirtschaftspolitische Reformkurs im Jahr 2014 nicht sonderlich ambitioniert war. Und angesichts der prekären Lage der Volkswirtschaft und der Staatsfinanzen erscheint die lange dauernde Regierungsbildung nahezu fahrlässig. Die Steuereinnahmen brechen derzeit, wie auch andere ökonomische Indikatoren (etwa die Industrieproduktion), im zweistelligen Prozentbereich ein. Das Staatsdefizit wird dieses Jahr (eingerechnet Naftogaz) an die zwölf Prozent des BIP betragen. Und der in großen Teilen marode Bankensektor (hier sind vor allem die Banken in heimischer und/oder Staatshand zu nennen) wird – wie unlängst offiziell bestätigt – gewichtige staatliche Kapitalzuschüsse benötigen (ausländische Banken müssen – falls nötig – ihren Tochterbanken in der Ukraine selbst Kapital zuführen). Zur Bankensektorstabilisierung werden wohl drei bis vier Milliarden Dollar nötig sein, während für diesen Zweck im bisherigen IWF-Abkommen nur knapp eine Milliarde vorgesehen ist.

Angesichts der skizzierten Gesamtlage wird das IWF-Programm für die Ukraine wahrscheinlich in absehbarer Zeit revidiert werden müssen. Solch eine Programmrevision, einhergehend mit einer zusätzlich notwendigen Finanzunterstützung im Bereich von fünf bis zehn Milliarden US-Dollar kann helfen, unmittelbare Finanzierungslücken zu decken, wobei hier voraussichtlich v. a. Gelder anderer Geber bzw. Staaten die Lücke füllen müssen, da der IWF gemäß seiner Regularien mit 17 Milliarden US-Dollar schon sehr viel Geld an die Ukraine ausgereicht hat. Kurzfristig könnten auch eine an sich geplante internationale Geberkonferenz für die Ukraine oder ein Schuldenschnitt etwas Luft verschaffen. Für eine Geberkonferenz fehlen allerdings wichtige politische Voraussetzungen und insofern wird ein Schuldenschnitt, v. a. bei staatlichen Fremdwährungsanleihen, immer wahrscheinlicher, zumal die Ukraine in Bezug auf maßgebliche Indikatoren der Schuldentragfähigkeit (Staatsschulden und deren Anstieg in kurzer Zeit, Auslandsschulden, Währungsabwertung, Wirtschaftseinbruch) derzeit mindestens so schlecht dasteht wie vor der letzten Umschuldung Ende der 1990er Jahre. Von einem Schuldenschnitt darf allerdings auch nicht zu viel Entlastung erwartet werden. Mit einem Staatsschuldenschnitt kann die Staatsschuldenquote einer Volkswirtschaft in der Regel um etwa 15 bis 20 Prozentpunkte gedrückt werden. Die Staatsschulden in der Ukraine belaufen sich aber schon auf fast 70 % der Wirtschaftsleistung; und IWF-Gelder müssen zudem immer zur Gänze zurückgezahlt werden.

Über die Herausforderung einer kurzfristigen Stabilisierung hinausgehend gilt es zu betonen, dass derzeit unklar ist, wie die wirtschaftliche Situation in der Ukraine mittel- oder gar langfristig stabilisiert werden kann. Ohne Zugriff der Regierung in Kiew auf große Teile des Donbass, wo das Gros der Exporte generiert wird, wird die ökonomische Stabilisierung noch schwieriger als gedacht (die Regionen Donezk und Luhansk tragen etwa 16 % zum BIP der Ukraine bei bzw. 27 % zu den Exporten). Zudem fehlt der Ukraine ohne große Teile des Donbass auch eine wirtschaftliche Strategie, zumindest als Produktionsstandort im EU-Binnenmarkt (ggfs. mit weiterem Zugang zum russischen Markt) und es ist derzeit nicht absehbar, dass Russland einen konstruktiven Beitrag zur ökonomischen Stabilisierung der Ukraine liefern kann und will. Bis dato fällt Russland v. a. durch Handelsrestriktionen gegenüber der Ukraine negativ auf. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage in der Ukraine wird auch zunehmend offensichtlich, dass die westliche internationale Gemeinschaft und v. a. die EU langfristig umfangreiche Gelder zu Verfügung stellen müssten, um das Land zu festigen und aufzubauen. Ob dies politisch möglich ist, kann derzeit nicht eindeutig beantwortet werden. Im Zuge des von der EU angebahnten Gasabkommens zwischen der Ukraine und Russland ist auf jeden Fall deutlich geworden, dass die direkte Zahlungsbereitschaft der EU für die Ukraine eher begrenzt ist.

Angesichts der skizzierten Gesamtlage ist nicht damit zu rechnen, dass die tiefe Wirtschaftskrise in der Ukraine schnell überwunden wird. In den kommenden Monaten werden daher wohl noch einige unangenehme Reform- und Umgestaltungsschritte in der Ukraine nötig sein, während sich auch die westlichen Geldgeber klar auf höhere Summen zur Unterstützung der Ukraine einstellen müssen. Im Lichte von Erfahrungen in anderen Transformationsländern in Mittel- und Mittelosteuropa würden für einen langfristig nachhaltigen Aufbau in der Ukraine – die notwendigen institutionellen Zustände vor Ort vorausgesetzt – in den kommenden Jahren mindestens 200 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Geldern bzw. Investitionen benötigt.

Fussnoten

Gunter Deuber leitet die volkswirtschaftliche Osteuropaanalyse bei der Raiffeisen Bank International AG (RBI), einer der größten in der Ukraine tätigen Auslandsbanken, die in Wien sitzt. Der vorliegende Kommentar repräsentiert die persönliche Auffassung des Autors und nicht notwendigerweise die der Raiffeisen Bank International.