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Steuerzahler und Finanzverwaltung | Steuern und Finanzen | bpb.de

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Steuerzahler und Finanzverwaltung

Constanze Hacke

/ 12 Minuten zu lesen

Die meisten Steuerzahler müssen den Finanzbehörden jährlich ihre Einkünfte erklären. Dabei können sie sich professionell beraten lassen. Ist der Steuerbescheid fehlerhaft, steht ihnen der Rechtsweg offen. Allerdings kann ihnen auch ein strafrechtliches Verfahren drohen, wenn Steuern hinterzogen wurden.

Das Verhältnis von Steuerzahler und Staat als Karikatur. (© Klaus Puth)

Einleitung


Die Abgabenordnung (AO) ist die Basis des deutschen Steuerrechts. Sie erläutert steuerliche Grundbegriffe, legt Vorschriften fest, die für alle Steuern gemeinsam gelten und schreibt die Einzelheiten des Steuergeheimnisses fest. Sie enthält zudem grundlegende Regelungen darüber, wie die Steuer festzusetzen und wann sie zu entrichten ist. Wer wofür Steuern bezahlen muss und wer wie unter welchen Umständen begünstigt oder gar von der jeweiligen Steuer befreit ist, regeln in Deutschland inzwischen mehr als 200 Bundesgesetze und Verordnungen. Dazu kommen jährlich zahlreiche neue Anordnungen und Erlasse der Ministerien für die Finanzverwaltung.

QuellentextDie Finanzverwaltung

ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Bundesfinanzverwaltung ist vor allem für Zölle und die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern zuständig. Die Länder verwalten die weiteren Steuern entweder in eigener Sache oder im Auftrag der anderen föderalen Ebenen. Der Aufbau der Finanzverwaltung ergibt sich aus dem Finanzverwaltungsgesetz.

Landesfinanzbehörden sind die Landesfinanzministerien als oberste Behörden, die Oberfinanzdirektionen (Landesabteilungen) als Mittelbehörden und die Finanzämter als Ortsbehörden. Steuern werden grundsätzlich von den Finanzämtern verwaltet. Ausnahmen bilden vor allem:

  • Zölle und Verbrauchsteuern, für die die Bundeszollverwaltung zuständig ist

  • Steuern, deren Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist

Die Steuererklärung


Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind nach der Abgabenordnung dazu verpflichtet, dabei zu helfen, die für die Steuerfestsetzung relevanten Daten zu ermitteln. So müssen Selbständige Auskünfte über ihre Einnahmen und Ausgaben geben und sind in vielen Fällen dazu verpflichtet, Buch zu führen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird zwar die Lohnsteuer als eine Art Vorauszahlung auf die Einkommensteuer direkt vom Gehalt abgezogen, sodass die (Steuer-)Angelegenheit damit eigentlich erledigt sein könnte. Oft aber müssen auch diese eine Steuererklärung abgeben, zum Beispiel, weil sie noch andere Einkünfte haben, Freibeträge in Anspruch genommen haben oder als Ehegatten mit den Steuerklassen III und V abgerechnet worden sind (siehe S. 25). Aber auch in folgenden Fällen ist der Steuerzahlende verpflichtet, seine Einkünfte dem Finanzamt zu erklären:

  • Wer Elterngeld, Arbeitslosengeld, Kranken- oder Kurzarbeitergeld über 410 Euro bekommen hat, muss eine Steuererklärung einreichen. Die Lohnersatzleistungen sind zwar für sich genommen steuerfrei, erhöhen aber den Steuersatz der übrigen Einkünfte.

  • Wer parallel bei mehreren Arbeitgebern gearbeitet hat, muss ebenfalls eine Steuererklärung abgeben. Das Finanzamt geht davon aus, dass möglicherweise zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurde.

  • Rentnerinnen und Rentner, deren Einkünfte über 8004 Euro (bei Ehepaaren 16 008 Euro) liegen, müssen eine Steuererklärung machen.

  • Die gleichen Grenzen wie bei Rentnern gelten auch für Selbständige; sie orientieren sich am steuerfreien Grundfreibetrag. Wer mehr einnimmt, muss eine Steuererklärung machen.

Zudem möchten manche Arbeitnehmer einfach zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet bekommen – und reichen deswegen eine Steuererklärung ein. Ist man per Gesetz dazu verpflichtet, eine Steuererklärung abzuliefern, muss dies bis zum 31. Mai des nachfolgenden Jahres geschehen.

Wer seine eigene Erklärung nicht selbst erledigen möchte, kann sich an einen Steuerberater wenden. Hilfeleistung in Sachen Steuern dürfen neben Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern in Deutschland aber auch andere geben. Lohnsteuerhilfevereinen und Handwerkskammern ist es beispielsweise erlaubt, Stellen für die steuerliche Betreuung ihrer Mitglieder einzurichten, und auch Gewerkschaften, Haus- und Grundbesitzervereine können ihre Mitglieder in Steuerfragen beraten. Banken dürfen ebenfalls bei der Anlageberatung auf einkommensteuerrechtliche Folgen hinweisen. Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine haben übrigens immer bis zum Jahresende Zeit für die Steuererklärungen, die sie im Auftrag ihrer Mandanten und Mitglieder bearbeiten. Wer nicht zur Steuerberatung befugt ist und trotzdem andere in Steuersachen berät, muss mit Strafe rechnen. „Unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen“ heißt das im offiziellen Amtsdeutsch – und die wird mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass dem Steuerzahler durch eine nicht fachkundige Beratung Nachteile entstehen.

QuellentextWas Steuerpflichtige gerne falsch machen

1. Die Frist verstreichen lassen

Wer seine Steuererklärung selbst macht, muss sie bis 31. Mai beim Finanzamt abgeben. Nur wer sich vom Steuerberater oder einem Lohnsteuerhilfeverein beraten lässt, hat bis Jahresende Zeit. Die Frist ist ernst gemeint. Wird sie überschritten, kann der Finanzbeamte einen Zuschlag erheben. Wer triftige Gründe hat, kann einen Aufschub beantragen. Die Frist gilt nicht für alle, die die Erklärung freiwillig abgeben – etwa Arbeitnehmer ohne weitere Einkünfte. Sie haben vier Jahre Zeit für die Erklärung.

2. Gar keine Steuererklärung abgeben

Weil Arbeitnehmern die Einkommensteuer automatisch vom Lohn abgezogen wird, könnte man auf die Idee kommen, die Sache sei damit erledigt. Tatsächlich sind viele Angestellte nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Nach Erfahrung von Ulrich Derlien, Steuerberater bei der Augsburger Kanzlei Sonntag & Partner, lohnt es sich aber fast immer, freiwillig eine Erklärung abzugeben: „Höhere Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen führen zu einer Steuererstattung.“ Auch wer Handwerker oder eine Haushaltshilfe beschäftigt hat, kann Geld zurückbekommen. Ein Risiko geht der Arbeitnehmer dabei nicht ein. Sollte wider Erwarten statt einer Steuererstattung eine Nachzahlung herauskommen, ist es möglich, die Erklärung innerhalb eines Monats zurückzuziehen. Übrigens: Nur weil man einmal eine freiwillige Steuererklärung abgegeben hat, ist man nicht dazu verpflichtet, das im nächsten Jahr wieder zu tun.

3. Kapitalvermögen verschweigen

Die Abgeltungsteuer hat vieles vereinfacht. So einfach, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Steuererklärung nicht mehr auftauchen müssen, ist es aber nicht. Von ausländischen Konten etwa wird die Pauschalsteuer nicht automatisch abgeführt. Solche Einkünfte müssen dem Finanzamt gemeldet werden. Und manchmal lässt sich auch Geld zurückholen: Wenn der individuelle Einkommensteuersatz unter 25 Prozent liegt, kann man seine Kapitaleinkünfte nach diesem Satz versteuern. Zu viel gezahlte Abgaben gibt´s dann zurück.

4. Bei der Pendlerpauschale schummeln

Es mag verlockend sein, bei der Angabe der gefahrenen Kilometer zum Arbeitsort ein bisschen großzügiger zu rechnen. Schließlich summieren sich auch kleine Übertreibungen übers Jahr hinweg zu einer ordentlichen Summe. Aber kaum etwas ist für die Finanzbeamten leichter zu überprüfen – mit einem Routenplaner im Internet ist das in wenigen Sekunden gemacht. Nicht einmal aufrunden ist erlaubt. Wer also 69,9 Kilometer zurücklegt, darf in der Steuererklärung nicht einfach 70 Kilometer angeben. Es zählen nur die vollen Entfernungskilometer, in diesem Fall 69. […]

5. Fehler auf sich beruhen lassen

Viele glauben, dass sie nichts mehr ändern können, sobald ihre Steuererklärung beim Finanzamt ist. Dabei sind Fehler zulasten des Finanzamts zu melden und fehlende Unterlagen nachzureichen, die Angaben müssen nach bestem Wissen und Gewissen korrekt sein. Das gilt auch noch, nachdem der Bescheid ergangen ist. Fehler des Finanzamtes zugunsten des Steuerpflichtigen darf man auf sich beruhen lassen. […]

Malte Conradi, „Die größten Irrtümer“, in: Süddeutsche Zeitung vom 19. Mai 2012

QuellentextSo ist der Steuerbescheid aufgebaut

Ein Steuerbescheid ist im Grunde recht einfach zu lesen, denn der Aufbau ist immer gleich. Da man die Sprache des Finanzamts aber erst einmal verstehen muss, hier eine kleine Lesehilfe:

Links oben findet sich der Name des Finanzamts, darunter die Steuer-Identifikationsnummer des Steuerzahlers.

Auf der gegenüberliegenden, rechten Seite etwas weiter unten steht dann, um welchen Bescheid es sich handelt – für welches Jahr, für welche Steuerarten, zum Beispiel „Bescheid für 2011 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“.

Dann folgt – ungefähr auf der Mitte der ersten Seite – das fettgedruckte Wort „Festsetzung“. Hier beginnt der eigentliche Bescheid. Und hier findet sich meist die Formulierung „Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig.“ Das bedeutet, dass der Steuerbescheid in einigen Punkten noch offen ist. Und mindestens in diesen Punkten kann der Steuerbescheid von beiden Seiten aus noch geändert werden. Welche Teile des Steuerbescheids davon betroffen sind, steht ganz am Ende des Bescheids. Dort wird der gleiche Paragraf noch einmal genannt und dort folgt dann die Aufzählung der offenen Punkte, die sich meist aus den Vorläufigkeitsvermerken ergeben.

Auf der ersten Seite findet sich in der Mitte ein Kasten, in dem das Wichtigste steht, nämlich wie viel Steuer festgesetzt wird. Dies wird getrennt nach den Steuerarten aufgelistet, mögliche Steuervorauszahlungen (etwa über einbehaltene Lohnsteuer) sind hier ebenfalls zu finden. Danach folgt der entscheidende Satz:

  • entweder „bleiben zu viel gezahlt x Euro“: Das heißt im Klartext, es gibt eine Steuererstattung, die auf das darunter stehende Konto überwiesen wird.

  • oder „Bitte zahlen Sie spätestens bis zum ... Summe x“: Das bedeutet, dass man eine Steuernachzahlung leisten muss.

Der nächste Teil des Steuerbescheids ist mit „Berechnung des zu versteuernden Einkommens“ (ebenfalls fett gedruckt) überschrieben. Hier finden sich alle Einkünfte wieder – und alle Kosten, die anerkannt wurden.

In den „Erläuterungen“ schließlich erklärt das Finanzamt, welche Ausgaben oder Ansätze nicht anerkannt worden sind und warum. Zugleich gibt es abschließend noch den Hinweis (unter „Rechtsbehelfsbelehrung“), dass ein Einspruch gegen den Bescheid möglich ist.

QuellentextE-Government in Steuerangelegenheiten

Auch in Steuerangelegenheiten ist das elektronische Zeitalter angebrochen. Bereits im Juli 2007 wurde die Steuer-Identifikationsnummer eingeführt. Jeder Steuerpflichtige in Deutschland hat seitdem eine eigene 11-stellige Identifikationsnummer, die von Geburt an lebenslang gilt. Ein Umzug oder eine Heirat ändern nun nichts mehr an der individuellen Steuer-Identifikationsnummer.

Elektronisch geht es nun auch bei den Steuererklärungen zu: Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben die Möglichkeit, ihre Daten per Computer und Internet ans Finanzamt zu übermitteln. Und selbst die Lohnsteuerkarte aus Pappe gehört inzwischen der Vergangenheit an. Allerdings lässt die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte weiterhin auf sich warten. Grund dafür sind technische Probleme des neuen Computersystems. Bis das System ausgereift und einsatzbereit ist – als neuer Starttermin wird der 1. Januar 2013 genannt–, gilt eine Übergangslösung: Die alte Lohnsteuerkarte bleibt provisorisch weiter in Gebrauch.

Mit der elektronischen Lohnsteuerkarte soll alles einfacher werden – für alle Beteiligten. Zentral und einheitlich soll die Finanzverwaltung alle Besteuerungsmerkmale in einer bundesweiten Datenbank verwalten können. Abläufe sollen einfacher und Verfahren sicherer werden. Die Finanzämter sollen in die Lage versetzt werden, alle Daten, die bisher auf der Lohnsteuerkarte erfasst werden, elektronisch an die Arbeitgeber zu melden. Der jeweilige Arbeitgeber gibt dann beim Finanzamt die Identifikationsnummer und das Geburtsdatum der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers ein und kann damit alle relevanten Daten in der Lohnabrechnung verarbeiten.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bietet inzwischen ein ausgedehntes Netz an elektronischen Möglichkeiten in der Steuerverwaltung. Ganz vorne mit dabei sind die skandinavischen Länder, allen voran Dänemark. Sie alle bieten den Steuerzahlenden eine komplett vorab ausgefüllte Steuererklärung in elektronischer oder in Papierform an. In Dänemark erhalten die meisten Steuerpflichtigen schlicht eine Nachricht, dass die Steuererklärung erledigt ist – und können sich dann in ihr persönliches Steuerkonto einloggen, um gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. In Deutschland besteht laut OECD noch ein großes Potenzial für die elektronische Steuerverwaltung, das bislang allerdings noch nicht ausgeschöpft wird.

Einspruch und Klage


Ist ein Steuerzahler mit einer Entscheidung seines Finanzamts nicht einverstanden, hat er mehrere Möglichkeiten, sich zu wehren. Manchmal verrechnet sich nämlich auch das Finanzamt. Handelt es sich dabei um einen klassischen Zahlendreher, so kann dieser auf einfachem Wege geändert werden: Offensichtliche Unrichtigkeiten wie Rechenfehler im Steuerbescheid lassen sich mit einem Berichtigungsantrag korrigieren.

Möglicherweise ist aber auch noch ein Beleg aufgetaucht, der wichtig für den Werbungskostenabzug ist. Dann kann ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids gestellt werden. Das geht sogar mündlich, sollte aber aufgrund des besseren Nachweises schriftlich erledigt werden. Die Frist für einfache Änderungen beläuft sich auf vier Wochen; das Finanzamt darf dann nur die angesprochenen Punkte korrigieren. In einigen Teilen sind Steuerbescheide manchmal von Amts wegen noch längere Zeit veränderbar. Das gilt immer dann, wenn sich auf dem Bescheid der Satz „Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig“ findet. Am Ende des Steuerbescheids sind die Punkte aufgelistet, in denen der Bescheid noch offen ist. Dabei handelt es sich um die sogenannten Vorläufigkeitsvermerke; diese werden von den Finanzbehörden für ausgewählte Fälle festgelegt, in denen Gerichtsverfahren anhängig sind. Die Liste aller aktuellen Vorläufigkeitsvermerke wird regelmäßig vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht.

Manchmal steht auch der gesamte Steuerbescheid unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“. Das bedeutet, dass der Bescheid noch nicht abschließend geprüft ist; das Finanzamt will sich hiermit in der Regel die Möglichkeit einer Betriebsprüfung offen halten. Daher findet sich dieser Vorbehalt meist nur bei Selbständigen.

Fühlt sich ein Steuerzahler zu Unrecht zur Kasse gebeten, kann er gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen. Damit wird ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren in Gang gesetzt, in dem der Steuerbescheid umfassend überprüft wird – späterer Rechtsweg (für den Steuerzahler) nicht ausgeschlossen. Allerdings muss der Einspruch innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheids eingelegt werden. Die Finanzbehörde entscheidet über ihn in Form einer „Einspruchsentscheidung“. Mit dem Einspruch hat der Steuerpflichtige auch die Möglichkeit, die sogenannte Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Das bedeutet, dass der strittige Steuerbetrag solange nicht bezahlt werden muss, bis die Finanzbehörde über den Einspruch entscheidet. Ein Einspruch muss ganz konkret begründet werden; die Begründung kann allerdings auch später nachgereicht werden. Das Finanzamt hat mehrere Möglichkeiten, auf einen Einspruch zu reagieren:

1. Abhilfe oder Teilabhilfe: Das bedeutet, dass die Behörde ganz oder in Teilen den Argumenten des Einspruchs folgt und den Steuerbescheid entsprechend ändert.

2. Rücknahme des Einspruchs: Kommen die Finanzbeamten zu der Auffassung, dass der Einspruch keine Aussicht auf Erfolg hat, wird dem Steuerzahler dies mitgeteilt. Danach hat der Betroffene die Möglichkeit, seinen Einspruch zurückzunehmen – mit der Folge, dass der Steuerbescheid bestandskräftig wird.

3. Förmliche Einspruchsentscheidung: Wird der Einspruch in solchen Fällen nicht zurückgenommen, entscheidet das Finanzamt, dass der Einspruch ganz oder teilweise als unbegründet zurückgewiesen wird. Dagegen kann vor dem Finanzgericht geklagt werden.

Wird ein Einspruch zurückgewiesen, ist die Klage beim Finanzgericht der nächste Schritt. Jeder Steuerzahler kann sich nach einem negativen Bescheid über seinen Einspruch grundsätzlich selbst an das Finanzgericht wenden – und ein Verfahren entweder schriftlich oder per E-Mail einleiten. Voraussetzung für eine Klage beim Finanzgericht ist eine (negative) Einspruchsentscheidung. Dann kann binnen eines Monats die Klage eingereicht werden. Diese sollte eine Kopie des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung enthalten. Die Begründung der Klage kann gegebenenfalls nachgereicht werden; aufgrund der Komplexität des Steuerrechts ist es empfehlenswert, spätestens bei diesem Stand des Verfahrens einen Steuerberater oder Fachanwalt hinzuzuziehen.

Das Finanzgericht verlangt einen Vorschuss auf die Gerichtskosten. Dieser bemisst sich nach dem Streitwert. Das Finanzgericht prüft nun den Sachverhalt, bittet das beklagte Finanzamt um Stellungnahme, fordert möglicherweise weitere Unterlagen oder Zeugen an. In der Regel kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, das Gericht kann aber auch ohne eine solche zu einer Entscheidung kommen. Am Ende des Verfahrens steht das Urteil oder der Gerichtsbescheid. Oder aber das Gericht versucht zwischen den Parteien zu vermitteln: Bei einer gütlichen Einigung legt der Richter einen Kompromissvorschlag vor; wird dieser angenommen, müssen sich die Beteiligten die Gerichtskosten teilen. Weist das Finanzgericht die Klage ab, kann man gegen diese Entscheidung vor den Bundesfinanzhof (BFH) ziehen. Dort besteht allerdings Vertretungszwang, sprich dort können nur Steuerberater oder Anwälte das Verfahren führen. Voraussetzung für ein BFH-Verfahren ist, dass das Finanzgericht die Revision zugelassen hat. Ansonsten bleibt nur die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde: Dann prüft der BFH selbst, ob Verfahrensfehler vorliegen oder der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Finanzgerichtsbarkeit besteht – anders als die anderen Gerichtsbarkeiten in Deutschland – lediglich aus zwei Stufen: den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof. Während es beispielsweise bei Klagen gegen Verwaltungsbescheide als erste Instanz das Verwaltungsgericht und als zweite Instanz die Oberverwaltungsgerichte gibt, bevor eine Sache dann an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen wird, sind die 19 Finanzgerichte bereits sogenannte Obere Landesgerichte. Deshalb gibt es in der Regel in jedem Bundesland nur ein Finanzgericht. Die Ausnahmen bilden Bayern (München und Nürnberg) und Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf, Köln und Münster). Gegen eine Entscheidung des jeweiligen Finanzgerichts ist Revision oder Beschwerde beim BFH möglich, und zwar immer für denjenigen, der durch die Entscheidung des Gerichts „beschwert“ ist – dessen rechtliche Auffassung also vom Gericht nicht oder nicht ganz geteilt wird.

Manchmal erlangen Entscheidungen der Finanzgerichte, vor allem aber des Bundesfinanzhofs, einen größeren Bekanntheitsgrad. Jedoch kommt ein steuerfreundliches Urteil nicht immer auch bei anderen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern an: Mit einem „Nichtanwendungserlass“ können die obersten Finanzbehörden die Finanzämter verpflichten, eine bestimmte Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Das ist deswegen möglich, weil Urteile in einem finanzgerichtlichen Verfahren in aller Regel nur diejenigen binden, die am Rechtsstreit beteiligt waren. Im Gegensatz zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben Urteile des Bundesfinanzhofs keine allgemeinverbindliche Wirkung. Umgekehrt kann es aber auch der Fall sein, dass die obersten Finanzbehörden Entscheidungen des BFH prüfen, ob das entsprechende Urteil oder der Beschluss im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung über den Einzelfall hinaus angewandt werden kann.

Entwicklung der Finanzgerichtsbarkeit



Fast genauso alt wie der Streit über Steuern ist auch das Bemühen, solche Konflikte von unabhängiger Seite klären zu lassen. Bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts hatte das Reichskammergericht die Befugnis, Finanzstreitigkeiten über die erste allgemeine Reichssteuer und andere Fiskalsachen zu schlichten.

Eine eigene Steuergerichtsbarkeit gibt es in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts. 1848 wurden in Baden Gesetze erlassen, um Kataster aufzustellen und Steuerschwurgerichte zu errichten. Die Steuergerichte sollten – von der Finanzverwaltung unabhängig – als letzte Instanz in Steuersachen entscheiden. Die Idee, die Tätigkeit der Finanzverwaltung gerichtlich kontrollieren zu lassen, setzte sich dann in fast allen deutschen Ländern durch.

Der Erste Weltkrieg machte es für das Deutsche Reich notwendig, weitere Steuerquellen zu erschließen – zum Beispiel durch die Einführung einer allgemeinen indirekten Steuer, der Umsatzsteuer, die ab 1916 zunächst in Form eines Umsatzsteuerstempels erhoben wurde. Dieses und andere Reichssteuergesetze sollten nun im ganzen Reichsgebiet einheitlich gehandhabt werden; die Zeit für einen obersten Gerichtshof in Sachen Steuern war gekommen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1918 wurden dem Reichsfinanzhof als oberstem Gericht nicht nur die Entscheidung über Umsatzsteuersachen, sondern auch über andere Reichsabgaben, etwa den Wehrbeitrag, die Besitzsteuern, die Kriegsabgaben, die Erbschaftsteuer, die Verkehrsteuern und die Kohlensteuer übertragen. Ein Jahr später wurden mit der Reichsabgabenordnung die Finanzgerichte etabliert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der britischen und französischen Zone keinen obersten Gerichtshof in Abgabensachen. In der britischen Zone war lediglich die damalige Leitstelle der Finanzverwaltung dazu berufen worden, als Rechtsbeschwerdeinstanz zu entscheiden. Der Bundesfinanzhof nahm seine Tätigkeit am 1. Oktober 1950 auf. Er war damit der erste der obersten Gerichtshöfe des Bundes, der eingerichtet wurde.

Kontrolle und Strafe


Mancher Steuerpflichtige geht beim Versuch, Steuern zu sparen, zu weit, nennt Einnahmen nicht vollständig in seiner Steuererklärung oder setzt Ausgaben zu hoch an. Und manch einer wendet dabei sogar kriminelle Energie auf, hinterzieht Steuern in großem Stil oder bringt gar Geld ins Ausland. Die Bandbreite der Steuersünden ist groß, sodass die Finanzbehörden nicht umhin kommen, nicht nur die fristgerechte, sondern auch die ordnungsgemäße Steuerzahlung zu überwachen.

Zunächst einmal können die Finanzämter selbst die Angaben der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kontrollieren: Die sogenannte Außenprüfung – im Sprachgebrauch besser bekannt als „Betriebsprüfung“ – dürfen Finanzbeamte in der Regel bei Unternehmen anordnen, also bei Gewerbetreibenden, Land- und Forstwirtschaftsbetrieben sowie bei Freiberuflern. Aber manchmal werden die Prüfer auch zu anderen Steuerzahlenden geschickt, nämlich dann, wenn „die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist“ (§ 193 AO, Abs. 2). Mit anderen Worten: Im Fall der Fälle kann es jeden treffen.

Im Jahr 2010 beliefen sich die Steuermehreinnahmen durch Außenprüfungen auf 16,8 Milliarden Euro. Mehr als 200 000 Betriebe wurden geprüft. In Einzelfällen kann es sehr hohe Nachzahlungen geben, häufig aber ergibt sich gar keine Beanstandung – und in manchen Fällen bekommt der Geprüfte sogar Geld zurück.

Rechnet man die Kosten einer Außenprüfung gegen die möglichen Einnahmen, lohnt sich die Prüfung, rein finanziell betrachtet, nicht unbedingt. Die vorbeugende Wirkung ist entscheidend, weil jeder Unternehmer weiß, dass er geprüft werden kann. Die Außenprüfung ist also im Grunde mit einer Verkehrskontrolle vergleichbar: Auch ein Autofahrer weiß, dass er jederzeit von der Polizei angehalten werden kann, und überlegt sich, ob er zu schnell oder mit Alkohol im Blut fährt und damit eine Strafe riskiert. Auch bei einer Außenprüfung kann neben den Steuernachzahlungen samt Zinsen die Grenze zur Strafbarkeit überschritten werden; Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.

Bei der Außenprüfung ist die Finanzverwaltung entgegen der gängigen Annahme nicht an einen bestimmten Prüfungsrhythmus gebunden. Wie oft ein Außenprüfer der Finanzbehörden in ein Unternehmen kommt, hängt vor allem von der Betriebsgröße ab. Das Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht alle zwei Jahre die aktualisierten Merkmale für Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe. Generell gilt: Je größer der Betrieb, desto öfter wird er geprüft. Bei Groß- und Konzernbetrieben geschieht dies laufend. Statistisch gesehen schickt das Finanzamt bei Kleinbetrieben alle 25 Jahre einen Betriebsprüfer vorbei und bei mittleren alle zwölf Jahre. Bei Kleinstbetrieben ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Betriebsprüfer ankündigt, noch erheblich geringer oder anders gesagt: Bei vielen Kleinunternehmern findet während der ganzen Zeit ihrer betrieblichen Tätigkeit keine einzige Betriebsprüfung statt.

Ein erheblicher Teil der Betriebsprüfungen findet rein routinemäßig statt. Wenn allerdings

  • auffällige Sachverhalte in der Steuererklärung der Aufklärung bedürfen oder

  • bestimmte Sachverhalte in der Steuererklärung nicht ausreichend erläutert wurden,

  • der Betrieb aufgegeben wird,

  • der Unternehmer seit Jahren nur Verluste verbucht,

  • die betrieblichen Kennzahlen im internen Betriebsvergleich abweichen (der Gewinn also Achterbahn fährt) oder

  • dem Finanzamt Kontrollmaterial oder sogar eine Anzeige vorliegt, ist eine Außenprüfung mehr als wahrscheinlich.

Mehrergebnis durch Betriebsprüfungen

Einsehen dürfen die Prüferinnen und Prüfer die Daten der Finanz-, Lohn- und Anlagebuchhaltung. Daher müssen sämtliche Aufzeichnungen der Buchhaltung inklusive der Buchungsbelege und Kontenblätter zehn Jahre aufbewahrt werden – und in jedem Fall solange, bis die jeweiligen Steuerbescheide verjährt sind.

Zahlt ein Steuerpflichtiger seine Steuern nicht, so kann das Finanzamt die Steuern zwangsweise eintreiben; Säumniszuschläge werden für verspätete Steuerzahlung fällig und Steuerschulden verzinst. Allerdings ist auch das Finanzamt zur Zinszahlung verpflichtet, wenn es nach Ablauf bestimmter Fristen zurückzuerstattende Steuern nicht überwiesen hat. Und in bestimmten Fällen können Steuerzahlungen sogar gestundet oder erlassen werden.

Wenn ein Steuerzahler jedoch gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben macht, beispielsweise seine Einkünfte nicht in voller Höhe angibt, Nebeneinnahmen verschweigt oder sogar Unterlagen vernichtet, macht er sich der Steuerhinterziehung schuldig. In der Abgabenordnung (§ 370 AO) ist Folgendes festgelegt:

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, 2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder 3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.“

Auch derjenige, der nicht vorsätzlich handelt, muss mit einem Bußgeld rechnen, wenn die Finanzbeamten ihm auf die Schliche kommen: Leichtfertige Steuerverkürzung – wie es im Amtsdeutsch heißt – kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro geahndet werden.

Die Arbeit der Steuerfahndung

Steuerfahnder haben in Steuerstrafsachen ein weitgehendes Zugriffsrecht auf die Daten des Steuerpflichtigen – Hausdurchsuchung inklusive – und können auch bei anderen Stellen nachhaken: So sind die Kreditinstitute zur Auskunft und Vorlage von Unterlagen verpflichtet, ohne sich auf das Bankgeheimnis berufen zu können.

Tätige Reue kann sich aber in Sachen Steuerhinterziehung lohnen: Wenn eine Steuerzahlerin oder ein Steuerzahler gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben macht, diese aber noch rechtzeitig korrigiert, bevor das Finanzamt die Steuern festsetzt, werten die Juristen das als „Rücktritt vom Versuch“ – und bestrafen den Steuersünder nicht. Nach einer Steuerhinterziehung können sich reuige Steuersünder nur noch mit einer Selbstanzeige behelfen, um der Härte des Gesetzes zu entgehen. Aber selbst das nutzt nicht jedem: Denn straffrei bleibt nur der, der sich anzeigt, bevor seine Tat entdeckt ist – der Steuersünder darf noch nicht wissen, dass ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Sind die Betriebsprüfer bereits beim Steuerberater, die Steuerfahnder schon auf dem Grundstück oder hat das Finanzamt die Steuerhinterziehung bemerkt, bringt eine Selbstanzeige nicht mehr viel. Und die entgangenen Steuern müssen in jedem Fall plus Zinsen nachgezahlt werden.

QuellentextSteuerhinterziehung und Steuermoral

Das Ausmaß der Steuerhinterziehung ist naturgemäß schwer zu beziffern. Ähnlich wie bei der Schwarzarbeit sind die Experten hier auf die Kombination aufgedeckter Fälle und auf Schätzungen angewiesen. Sicher ist nur so viel: Die jährlichen Einnahmeausfälle durch Steuerhinterziehung bewegen sich mindestens im zweistelligen Milliardenbereich. Betrachtet man die gesamte Schattenwirtschaft, schätzen Experten deren Umfang auf knapp 350 Milliarden Euro jährlich. Die fiskalische Bedeutung, also die Auswirkung auf die öffentlichen Haushalte, ist damit offensichtlich.

Das Bundesfinanzministerium beauftragte daher vor einiger Zeit das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen (IaW), um herauszufinden, wie es um die Steuermoral in Deutschland bestellt ist. Das Ergebnis ist vielschichtig. So fällt die Steuermoral der Bürgerinnen und Bürger im OECD-Vergleich umso besser aus, je größer die Bedeutung direktdemokratischer Elemente ist. Mit anderen Worten: Haben die Steuerzahler Einflussmöglichkeiten auf einzelne Gesetze, also auf das, was mit ihren Steuern gemacht wird, sind sie eher bereit, die geltenden Steuernormen zu akzeptieren. Dazu kommt: Je dezentraler ein Staat aufgebaut ist, desto höher ist im Durchschnitt die Steuermoral seiner Bürgerinnen und Bürger. Mit seiner Stadt, seiner Gemeinde, seinem Bezirk kann sich ein Steuerzahler eher identifizieren – und sieht vor Ort, wofür seine Steuergelder ausgegeben werden.

Dagegen verwundert es kaum, dass die Steuermoral durch eine entscheidende Größe negativ beeinflusst wird: die steigende wirtschaftliche Gesamtbelastung. Wobei die Bürgerinnen und Bürger kaum zwischen Steuern und anderen Abgaben unterscheiden; der Unterschied zwischen einer Steuer, über deren Verwendung der Steuerzahler nicht mitbestimmen kann, oder einer Sozialabgabe, die für eine zunehmend unsicherer werdende Absicherung geleistet wird, fällt hier nicht ins Gewicht. Der Steuerzahler fühlt sich insgesamt unfair behandelt – und verhält sich entsprechend.

Dazu kommt: Wer davon ausgeht, dass andere Steuerzahlende ihren Pflichten nicht nachkommen, wird darüber nachdenken, ebenfalls nicht alles wahrheitsgemäß beim Finanzamt anzugeben. Fast zwei Drittel der Deutschen sind der Meinung, dass so gut wie alle anderen oder zumindest viele andere Steuern hinterziehen würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.

Die deutschen Steuerzahler sind jedoch ehrlicher, als die aktuelle Debatte glauben macht: International liegt Deutschland bei der Steuermoral – ähnlich wie bei der Tendenz zur Schwarzarbeit – im Mittelfeld.

QuellentextJagd auf Steuersünder

Die Schatten der Schweizer Alpen hat der Eurocity 197 von Zürich nach München gerade hinter sich gelassen, ebenso den großen schwarzen Fleck des Bodensees. Unaufgeregt rattert der Zug durch die Nacht zum rettenden Ziel. Die deutsche Grenze ist passiert, München nicht mehr weit. Im grellen Licht des Großraumwaggons rutscht ein Rentner im weißen Anzug entspannt auf seinen bunt gemusterten Sitz zurück. Die Freude wird ihm bald vergehen.

Auf Männer wie ihn haben es die Zöllner Thomas Ibelshäuser und Helmut Schiller abgesehen. […] Die beiden Zöllner sind Teil der zehnköpfigen „Kontrolleinheit 34“ in Lindau am Bodensee. Offiziell suchen sie nach unangemeldetem Bargeld, um Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche aufzudecken. Doch in Lindau, nur wenige Kilometer von den Steuerfluchtorten in der Schweiz, Österreich und Liechtenstein entfernt, sind es vor allem Steuerbetrüger, die sie enttarnen.

Die Entspannung des Rentners im weißen Anzug hat ein jähes Ende, als die beiden Zöllner ihm von der Seite ihre grünen Dienstmarken ins Gesicht halten. „Schönen guten Abend, der Zoll.“ In schwarzer Lederjacke steht Zöllner Schiller vor dem Mann, will wissen, ob der Rentner Bargeld zu verzollen habe. Damit der Rentner nachher nicht behaupten kann, die Frage nicht richtig verstanden zu haben, legt Schiller alles auch schriftlich vor. Der 68-Jährige verneint, er komme lediglich von einem Tagesausflug aus der Schweiz. […]

Der Reisekoffer auf der Ablage legt eine andere Absicht nahe. Was der Rentner denn besichtigt habe? Und warum er für einen Kurztrip so einen großen Koffer benötige. Während sich der Reisende in Widersprüche verstrickt, durchsucht Kollege Ibelshäuser mit schnellen Handbewegungen das Gepäck. In einer Nylon-Tasche, zwischen Schmutzwäsche, findet er ein silbern glänzendes Paket. Nach mehreren Schichten Alufolie hält der Zöllner 50.000 Euro in Händen.

Schwarzgeld-Schmuggler wie der Rentner in Weiß gehen den Zöllnern nahezu täglich ins Netz. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres [2012] hat das zehnköpfige Team der Kontrolleinheit Lindau des Hauptzollamts Ulm unangemeldetes Bargeld in Höhe von 644 902 Euro gefunden. Und nicht nur Bares interessiert die Kontrolleure. Mit stoischer Gelassenheit durchsuchen die Zöllner auch ordnerweise Unterlagen von Geschäftsreisenden. Denn mit Hilfe von Kontoauszügen und anderen Bankunterlagen lassen sich Auslandsvermögen nachweisen. In den ersten Monaten dieses Jahres sammelten die Beamten so Hinweise auf über 86 Millionen Euro Auslandsvermögen.

Neben den Zügen aus der und in die Schweiz prüfen die Beamten auch auf der Autobahn und auf den Fähren über den See. Obwohl sie nur für einen kleinen Grenzabschnitt zuständig sind und lediglich Stichproben nehmen, fanden sie im vergangenen Jahr drei Millionen Euro Bargeld und sicherten Hinweise auf eine halbe Milliarde Euro unversteuertes Auslandsvermögen.

Unabhängig davon, ob es tatsächlich in Kraft tritt: Allein die Debatte über das deutsch-schweizerische Steuerabkommen […] könnte die Erfolgsquote der Zöllner weiter steigen lassen. Ein Blick auf die Statistiken der vergangenen Jahre zeigt: Je stärker der Steuerbetrug zum öffentlichen Thema wird, desto nervöser werden offenbar die Steuersünder und versuchen ihr Geld zurückzuholen. Gleichzeitig steigen die Fahndungserfolge der Zöllner an. […]

Das lautstarke Gezerre um das Abkommen könnte nun eine neuerliche Torschlusspanik unter Steuerbetrügern wecken. Bestätigen Bundestag und Bundesrat das […] von Finanzminister Wolfgang Schäuble und seiner schweizerischen Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf unterzeichnete Abkommen […], werden deutsche Vermögen in der Schweiz ab dem kommenden Jahr pauschal mit 21 bis 41 Prozent besteuert. Bis dahin haben Steuerflüchtige Zeit, sich selbst anzuzeigen und die Steuern in Deutschland nachzuzahlen. […]

Wenn es um ihre unversteuerten Vermögen geht, werden betuchte Bundesbürger zu kreativen Kriminellen. Zöllner Schiller und seine Kollegen haben das Schwarzgeld schon aus Büstenhaltern blitzen sehen und Geldbündel im Tuchspender auf der Zugtoilette entdeckt. Ein Banker, der belastende Kontoauszüge verschwinden lassen wollte, stopfte sich die Papiere wie im Agentenfilm in den Mund und aß sie auf.

Die Angst ist begründet. Wer bei der Frage nach Bargeld aus der Schweiz Summen über 10.000 Euro verschweigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Die Lindauer Zöllner kassieren gleich vor Ort zwölf Prozent der geschmuggelten Summe als Bußgeld. Der Rentner im weißen Anzug durfte zwölf seiner 500-Euro-Scheine gleich beim Zoll lassen. Doch was meist noch viel schwerer wiegt: Schiller und seine Kollegen melden ihre Entdeckungen dem Essener Finanzamt für Steuerfahndung, das wiederum die zuständigen Finanzbehörden informiert. Die Steuerfahnder überprüfen anschließend, ob die hohen Summen in der Schweiz auch auf der Steuererklärung zu finden sind. Falls nicht, kann es teuer werden.

Geht es nach dem jüngst unterzeichneten Steuerabkommen, würde diese Zusammenarbeit zwischen Zöllnern und Steuerfahndern bald überflüssig. Denn nach Inkrafttreten des Abkommens gibt es offiziell keine Schwarzgelder mehr. Gegen eine einmalige Besteuerung von 21 bis 41 Prozent der Vermögen könnten sich Steuerbetrüger dann freikaufen. […]

Massimo Bognanni, „Auf der Jagd nach dem Schwarzgeld“, in: Handelsblatt Online vom 14. April 2012, unter: Externer Link: http://www.handelsblatt.com/6506570.html (Stand: Juli 2012) © Handelsblatt GmbH

Constanze Hacke arbeitet in Köln als Wirtschaftsjournalistin, Dozentin und Moderatorin für Hörfunk, Printmedien, Fachverlage, öffentliche Auftraggeber und Unternehmen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie unter dem Motto "Wirtschaft – leicht gemacht!" erfolgreich selbständig und hat sich vor allem im Bereich Steuern als Expertin einen Namen gemacht. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in den Bereichen Recht, Finanzen, Wirtschaftspolitik, Mittelstand und Management. Als Fachjournalistin sieht sie ihre Aufgabe darin, komplexe Zusammenhänge und trockene Themen zu verstehen, zu erklären sowie verständlich und anschaulich zu machen. Ende 2011 ist ihr Buch "Selbstständig und dann? Wie Freiberufler langfristig erfolgreich werden" im Wiley-VCH Verlag erschienen. Im Frühjahr 2013 folgt der Ratgeber "Steuern leicht gemacht. Erste Hilfe für Selbstständige" im gleichen Verlag.
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