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Weltwirtschaftliche Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts | Internationale Wirtschaftsbeziehungen | bpb.de

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Weltwirtschaftliche Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Klaus-Peter Kruber Anna Lena Mees Christian Meyer Christian Meyer Anna Lena Mees Klaus-Peter Kruber

/ 26 Minuten zu lesen

Ein Container wird im Hafen von Hamburg beladen. (© AP)

Einleitung

Früh morgens klingelt der Wecker - made in China. Während wir zum Frühstück Kaffee aus Südamerika trinken und ein Brötchen mit holländischem Käse essen, hören wir im Radio Lieder englischer oder amerikanischer Bands. Auf dem Weg zur Arbeit begegnen uns Autos deutscher, japanischer, schwedischer oder französischer Hersteller. Im Büro schalten wir den Computer ein und arbeiten mit US-amerikanischer Software und chinesischer Hardware. Auf dem Weg nach Hause halten wir noch kurz im Supermarkt und stehen vor einer großen Palette heimischer und ausländischer Produkte. Wir haben die freie Auswahl: Der griechische Spargel und das argentinische Rindfleisch sind im Angebot; die spanischen Orangen sehen sehr gut aus, und ein französisches Shampoo wirbt mit Bestnoten der Stiftung Warentest. Wenn wir das Nötigste in den Einkaufswagen gepackt haben, suchen wir noch schnell das besonders leckere englische Weingummi und die original-italienische Pastawürzmischung.

Wieder zu Hause angekommen, stellen wir noch eine Waschmaschine mit unserer in Taiwan produzierten Kleidung an und läuten den Feierabend ein. Wir machen es uns auf dem Sofa einer schwedischen Möbelhauskette bequem, schauen einen Film aus Hollywood, trinken ein Glas von dem südafrikanischen Wein und überlegen, inspiriert durch die ausländische Tourismuswerbung, welches Land wir in unserem nächsten Urlaub gerne mal erkunden würden.

Dieser kleine Ausschnitt eines exemplarischen Tagesablaufs verdeutlicht, dass ausländische Produkte in unserem Alltag selbstverständlich geworden sind - die positive Folge eines intensiven Außenhandels und internationaler Wirtschaftsbeziehungen. Andere Auswirkungen enger wirtschaftlicher Verflechtungen werden als weniger positiv wahrgenommen. Wenn Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, die Energiepreise steigen oder Finanzkrisen drohen, löst das Besorgnis und Irritationen aus. Eins wird aus all dem deutlich: Internationale Wirtschaftsbeziehungen sind kein abstrakter ökonomischer oder politischer Gegenstand, sondern haben praktische Bedeutung für das Leben jedes Einzelnen. Es ist daher nützlich zu wissen, unter welchen Bedingungen sie sich vollziehen.

In den letzten Jahren haben sich mehrere, teils grundlegend neue globale Rahmenbedingungen bzw. Entwicklungstendenzen ergeben. Technischer Fortschritt, besonders in der Kommunikationstechnologie und im Transportwesen, und politische Entscheidungen, wie die Liberalisierung des Welthandels durch den Abbau von Handelshemmnissen, haben zu einer bisher nicht gekannten wirtschaftlichen Verflechtung der Staaten untereinander geführt. Diese zunehmende Vernetzung von Volkswirtschaften ist der ökonomische Kern dessen, was heute als Globalisierung verstanden wird. In ihrer Folge ist das Wirtschaftswachstum gestiegen, haben sich die Märkte vergrößert, und der globale Wettbewerb hat sich intensiviert. Unsere Darstellung zeigt, wie sich der Warenhandel und der Dienstleistungssektor unter den Bedingungen der Globalisierung entwickelt haben, welchen Bedeutungszuwachs multinationale Unternehmen und der grenzüberschreitende Kapitalverkehr erfahren haben und welche Auswirkungen das für den Standort Deutschland hat.

Die Intensivierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen bietet Chancen und Risiken. Beispielsweise kann der wachsende internationale Wettbewerb zu einer die Wohlfahrt steigernden internationalen Arbeitsteilung führen, Forschung und Innovation vorantreiben, neue Absatzmärkte erschließen und Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen. Andererseits kann die erhöhte Konkurrenz auf Märkten Arbeitsplätze gefährden und den Druck auf die Einkommen von Beschäftigten erhöhen. Im Zuge der Konkurrenz um ausländische Investitionen können Staaten in Versuchung bzw. unter Druck geraten, ihre Standards, beispielsweise in der Sozial- oder Umweltpolitik, zu senken, um so ihre Attraktivität als Standort für wirtschaftliche Aktivitäten zu steigern.

QuellentextWettbewerb und Moral

[...] Süddeutsche Zeitung (SZ): Sind Werksverlagerungen [...] Ausgeburten eines Turbokapitalismus?
Homann: [...] Sie sind Ausgeburten eines stinknormalen Wettbewerbs, der die Bedingung unseres Wohlstands ist. Die Mehrheit profitiert davon, indem sie möglichst billig einkaufen kann.
SZ: Ist diese Geiz ist-geil-Mentalität moralisch?
Homann: Wenn die Kunden das wollen, dann sollen sie dort einkaufen, wo sie die Ware am günstigsten bekommen.
SZ: Auch wenn das zu Lasten anderer geht?
Homann: Wettbewerb geht immer zu Lasten anderer. Er bringt aber auf lange Sicht uns allen die größten Vorteile. Letztlich ist Wettbewerb solidarischer als Teilen.
SZ: Wie bitte? Teilen gilt als eine der solidarischsten Verhaltensweisen überhaupt. Wettbewerb hat das eigene Wohlergehen im Blick.
Homann: Seit wir auf dem Telefonmarkt Wettbewerb zulassen, ist das Telefonieren so billig wie nie zuvor. [...] Monopole beuten die Kunden aus. Das alte Mütterchen mit kleiner Rente, das seine sozialen Kontakte über das Telefon aufrechterhält, hat vom Wettbewerb ganz klar profitiert. [...]
SZ: [...] Ist unternehmerisches Handeln nicht auch daran zu messen, welche kurzfristigen Folgen es für die Arbeitsplätze hat?
Homann: Grundsätzlich nein. [...] Unternehmerisches Handeln ist daran zu messen, ob und wie weit es der Allgemeinheit und nicht den Arbeitsplatzbesitzern dient.
SZ: Unternehmer haben keine soziale Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten?
Homann: Doch, natürlich haben sie die. Unternehmer haben eine Fürsorgepflicht und für menschengerechte Arbeitsplätze zu sorgen. Wenn Unternehmer keine Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern zeigen, dann haben sie eine Belegschaft, bei der die innere Kündigung an der Tagesordnung ist. Das wirkt sich auch wirtschaftlich aus. Wertschöpfung erfolgt durch Wertschätzung. Deshalb wird kein Unternehmer leichtfertig Mitarbeiter entlassen. Das wäre ökonomisch nicht rational. [...] Es kann in einer Marktwirtschaft keinen Bestandschutz geben. [...] Allerdings müssen die Härten für die von Arbeitslosigkeit Betroffenen abgefedert werden. Wir müssen den Menschen die Chance geben, wieder in den Arbeitsprozess zu kommen. Dazu müssen wir die Arbeitnehmer besser qualifizieren und vor allem die Jugend gut ausbilden. [...]
SZ: Zeigt der Fall Nokia, das es zu wenige gesetzliche Regelungen für internationale Wirtschaftsverflechtungen gibt?
Homann: Jeder Wettbewerb braucht Spielregeln. Der internationale Wettbewerb hat in der Tat bisher noch relativ wenig Spielregeln. Daran müssen wir arbeiten.
SZ: Machen internationale Ethikstandards die globale Wirtschaftswelt menschlicher oder ineffizienter?
Homann: Sie machen sie menschlicher und damit effizienter. Wir dürfen nicht von diesem Gegensatz ausgehen. Wenn das Wirtschaftsleben menschlicher wird, dann zahlt sich das langfristig aus. [...] In China geht die Kinderarbeit wegen des exorbitanten Wirtschaftswachstums deutlich zurück. Wenn der Wohlstand steigt, schicken die Menschen ihre Kinder nicht zur Arbeit, sondern in die Schule. Diese Entwicklung kennen wir aus unserer eigenen Geschichte ja nun auch.

Mit dem Wirtschaftsethiker Karl Homann sprach Sibylle Haas.

"Wettbewerb ist solidarisch", in: Süddeutsche Zeitung vom 29. Januar 2008

Die Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik müssen die dynamischen wirtschaftlichen Veränderungen rund um den Globus bei ihren Entscheidungen einkalkulieren.

Sie tun dies auf der Basis klassischer und theoretischer Grundlagen (Kapitel 2), wobei immer wieder die Kontroverse um das Ausmaß der außenwirtschaftlichen Liberalisierung aufbricht, und stützen sich auf verschiedene Instrumente und Institutionen der internationalen Handels- (Kapitel 3) und Währungspolitik (Kapitel 4). Vielfach sind die derzeitigen Denkstrukturen der Akteure, sind Institutionen und Handlungsinstrumente im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen noch nicht genügend auf die Herausforderungen der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen eingestellt. Um Gestaltungsdefiziten zu begegnen, werden in Zukunft Bemühungen um die Koordinierung im Rahmen einer "Weltwirtschaftsordnung" (Kapitel 5) unverzichtbar sein.

Expansion des Warenhandels

Handel in der globalisierten Welt

Der Gesamtumfang des Welthandels mit Waren stieg in der Zeit von 1948 (59 Milliarden US-Dollar) bis 2006 (11 783 Milliarden US-Dollar nominal, ausgedrückt in den Preisen des jeweiligen Jahres), auf das knapp 200-fache. Insbesondere seit 2000 hat der Welthandel noch einmal stark zugenommen. Wuchs das Exportvolumen in den 1980er und 1990er Jahren ungefähr in dem gleichen Maß oder nur leicht stärker als die weltweite Warenproduktion insgesamt, hat es sie seither deutlich hinter sich gelassen. Auch wenn man zur realen Berechnung übergeht und die im Wachstum steckenden Preissteigerungen von den nominalen Werten abzieht, bleibt dieses Verhältnis bestehen. So nahm von 2000 bis 2006 der weltweite Warenhandel jahresdurchschnittlich um circa sechs Prozent zu, während das Weltwirtschaftsergebnis (World Gross Domestic Product) insgesamt um nur circa drei Prozent anstieg (International Trade Statistics 2007, www.wto.org). Dieser Sachverhalt kann als Indiz für die fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft gedeutet werden. Triebkräfte des Welthandels waren bisher vor allem die Konjunktur in den USA und das starke Wirtschaftswachstum in China, Indien und anderen asiatischen Volkswirtschaften.

Ländergruppen

2006 entfielen 57,3 Prozent aller Exporte auf die Industrieländer (siehe auch Glossar), die ihre Waren zum überwiegenden Teil untereinander austauschten. Die Entwicklungsländer (siehe Glossar) und die Transformationsländer (siehe Glossar), das heißt Russland und andere ehemalige Staatshandelsländer, sind deutlich geringer in den Welthandel eingebunden. Eine Unterteilung des Welthandels in sieben Regionen verdeutlicht deren Unterschiede in ihrer Bedeutung für den weltweiten Handel.

Exportanteile am globalen Warenhandel

Innerhalb der Industrieländer konzentriert sich der Handelsaustausch auf drei Regionen: Westeuropa, Nordamerika sowie Japan und die entwickelten Länder Südostasiens. Dieses Welthandelsdreieck wird häufig als "Triade" bezeichnet. Der Konzentration des Welthandels entsprechen handelspolitische Blöcke: die Europäische Union (EU), die Nordamerikanische Freihandelszone (North American FreeTrade Agreement, NAFTA, siehe Glossar), und Ansätze einer südostasiatisch-pazifischen Freihandelszone (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC ; siehe Glossar). Innerhalb dieser Zusammenschlüsse ist ein gemeinsamer Markt für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte weitgehend realisiert (Binnenmarkt der EU), entsteht (NAFTA) beziehungsweise wird eine entsprechende Liberalisierung angestrebt (APEC). Aber auch zwischen den Blöcken wurden in den letzten Jahrzehnten Handelshemmnisse abgebaut oder deutlich verringert. Diese Entwicklungen sind das Ergebnis der Handelsliberalisierung durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) und der daraus 1995 hervorgegangenen Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO;).

Geteilte Welt

Die Zusammensetzung der globalen Wertschöpfung (des gesamten auf der Erde produzierten Sozialproduktes) zeigt in ihrer Entwicklung, dass sich das Wohlstandsgefälle zwischen reichen und armen Staaten bis heute nicht verringert, sondern eher noch ausgeweitet hat. Eine wesentliche Umverteilung des Wohlstands weltweit fand in den letzten 25 bis 30 Jahren somit nicht statt. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass die derzeitigen wirtschaftspolitischen Regelungen, die den Welthandel gestalten, nicht nur in den Entwicklungsländern zunehmend kritisch gesehen werden. Trotz dieser unveränderten Tendenzen konnten zwei Staatengruppen den Abstand zu den wohlhabenden Industrieländern - gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf - beträchtlich verringern. Es handelt sich zum einen um Staaten im Nahen Osten, die seit Ende der 1970er Jahre hohe Einnahmen aus dem Erdölexport erzielen, und zum anderen um einige ehemalige Entwicklungsländer, die sich seit den 1980er Jahren zu Schwellenländern entwickelten. Letztere zählen zu den global am raschesten wachsenden Volkswirtschaften. Dazu gehören einige Staaten Ost- und Südostasiens - insbesondere die Volksrepublik China, Südkorea, Taiwan, Singapur und Malaysia. Ihr Wachstumserfolg wird vor allem auf ihre Öffnung für den internationalen Handel zurückgeführt.

Welthandel 2007

So konnte China, indem es sein Wirtschaftswachstum auf eine exportorientierte Produktion stützte, große wirtschaftliche Erfolge verbuchen und Anfang 2007 mehr Waren exportieren als die USA. Für 2008 wird damit gerechnet, dass die Volksrepublik ihren Exportanteil auf über acht Prozent des Welthandels steigern wird und auf dem Weg ist, Deutschland als bisherigen "Exportweltmeister" abzulösen.

Als nächstes dürften die Transformationsländer Mittel- und Osteuropas, die seit 2004 der EU angehören, zu den wohlhabenden Industriestaaten aufschließen. Ihre überdurchschnittlich steigenden Wirtschaftsergebnisse sind durch ihren Beitritt in die EU zu erklären, der einen Wachstumsschub auslöste.

Die Zusammensetzung des internationalen Warenhandels zeigt, dass nicht alle Güter in gleichem Ausmaß von der Zunahme des Welthandels betroffen sind. Die internationale Handelsstatistik der WTO erfasst den Welthandel nach Warengruppen. Danach entfällt der größte und am stärksten wachsende Anteil (circa 70 Prozent) des Warenhandels heute auf industriell gefertigte oder bearbeitete Produkte. Unter den verarbeiteten Produkten sind die wichtigsten Untergruppen Büro- und Telekommunikationswaren (12,3 Prozent), chemische Produkte (10,6 Prozent), Fahrzeuge (8,6 Prozent), Textilien und Bekleidung (4,2 Prozent) sowie Eisen- und Stahlerzeugnisse (3,2 Prozent). Agrarprodukte, Energieträger und Bergbauprodukte sind derzeit mit etwa 30 Prozent beteiligt.

Der internationale Austausch bezieht sich nicht nur auf den Handel mit Fertigprodukten, sondern gleichermaßen auf den Austausch von Rohstoffen und Vorprodukten. Unternehmen gehen zunehmend dazu über, nicht nur ihre Produkte weltweit zu vertreiben, sondern auch die für ihre Fertigung benötigten Rohstoffe und Vorprodukte global zu beschaffen. Hierdurch entstehen komplexe Netzwerke zwischen international verteilten Produktionsstandorten. Ein Beispiel sind die Zuliefererbeziehungen in der Automobilindustrie.

Wachstumsmarkt Dienstleistungen

Jahrhunderte lang konzentrierte sich die internationale Arbeitsteilung ausschließlich auf den Handel mit Waren. Dies hat sich heute sehr verändert. Zählten Dienstleistungen noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts - abgesehen von den mit dem Warenhandel verbundenen Transport- und Versicherungsdienstleistungen - im Wesentlichen zu den Binnengütern, sind sie heute in wachsendem Maße Gegenstand des internationalen Austauschs: 2005 wurden weltweit Dienstleistungen im Wert von 2 415 Milliarden US-Dollar gehandelt. Ihre Wachstumsrate liegt über der des Warenhandels. Die Verschiebung des Schwergewichts vom primären (Agrarwirtschaft und Bergbau) und sekundären Sektor (Industrie) zur Dienstleistungswirtschaft (tertiärer Sektor) zeigt sich heute in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen besonders ausgeprägt. Die wachsende Bedeutung des tertiären Sektors erlaubt es, von einer "Tertiarisierung" der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen.

Besonders spektakulär ist die Expansion des internationalen Tourismus seit den 1960er Jahren. Zwar führten die anhaltende Kriegs- und Terrorfurcht seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf die USA und die schlechte Konjunkturlage vieler Industrieländer im Zeitraum von 2001 bis 2003 zu einer Stagnation des internationalen Reiseverkehrs. Doch bis 2005 erholte er sich wieder vollständig, und im Jahr 2006 wurden weltweit 693 Milliarden US-Dollar für Auslandsreisen ausgegeben. Eine besonders große Bedeutung haben Ausgaben für Tourismusdienstleistungen in Deutschland. So zahlten die Deutschen im Jahr 2006 nach Angaben der International Trade Statistics der WTO von 2007 75 Milliarden US-Dollar für Auslandsreisen, Ausländer ließen 33 Milliarden US-Dollar in der Bundesrepublik.

Ein weiterer relativ junger Wachstumsmarkt sind internationale Kommunikationsdienstleistungen. Die moderne Telekommunikation hat die Welt zu einem globalen Markt vernetzt. Multimedia und Internet haben einen Entwicklungssprung auf den internationalen Telekommunikationsmärkten bewirkt. International gehandelt werden Informationen (Nutzung von Datenbanken) und Dienstleistungen der Werbungs- und Unterhaltungsbranche (Vermarktung von Sport- und Popveranstaltungen, Film- und TV-Rechte) sowie Lizenzen für die Nutzung von Patenten. Für die USA ist mittlerweile die Film- und TV-Branche die zweitgrößte Einnahmequelle im Außenhandel geworden. Für die Nutzungsrechte an Spielfilmen oder Fernsehserien werden Hunderte Millionen US-Dollar in die USA überwiesen.

Auch die Entwicklungsländer haben von der Zunahme des Dienstleistungshandels und vom Fortschritt der Technologien profitiert. Die Bandbreite der Dienstleistungen, die heute in diese Länder verlagert werden, wächst und umfasst neben einfachen inzwischen bereits auch anspruchsvolle Dienstleistungsaufgaben. Dies ist möglich, da auch dort qualifizierte Informatiker und Ingenieure ausgebildet werden, die ihre Dienstleistungen zu wesentlich niedrigeren Löhnen zu Verfügung stellen. Deshalb vergeben deutsche Anlagenbaufirmen wie Lurgi und Uhde Konstruktionsaufträge an indische Ingenieure, mit denen sie über das Internet kommunizieren. Es entwickeln sich weltumspannende, weitgehend standortunabhängige virtuelle Unternehmensnetze.

Ausweitung des Kapitalverkehrs

Die wichtigsten Börsen der Welt

Der dritte, seit den 1970er Jahren am schnellsten wachsende Teilbereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen - noch vor dem Waren- und dem Dienstleistungshandel - ist der internationale Kapitalverkehr, auf den sich die Globalisierung der Wirtschaft in besonders starkem Maß auswirkte: Als Folge der Liberalisierung der Finanzmärkte und der wachsenden Bedeutung multinationaler Unternehmen häufte sich die Zahl der Finanztransaktionen und die internationalen Kapitalströme schwollen an.

Für die Zunahme der internationalen Kapitalbewegungen lassen sich mehrere Gründe anführen. So entsteht beispielsweise durch den wachsenden Waren- und Dienstleistungshandel ein zunehmender Finanzierungsbedarf. Bedeutender als Ursache ist jedoch die Internationalisierung der Finanzmärkte und der Anlagemöglichkeiten. Banken agieren heute in einem weltweiten, durch Telekommunikation verbundenen Finanzsystem und legen ihre Gelder dort an, wo sie - unter Berücksichtigung von Wechselkurs- und politischen Risiken - die günstigsten Renditen, das heißt die den größten Erfolg versprechende Verzinsung des eingesetzten Kapitals finden. Geldinstitute decken ihren Geldbedarf dort, wo die Zinsen am niedrigsten sind.

Täglich werden circa 2000 Milliarden US-Dollar auf den internationalen Finanzmärkten gehandelt, wobei nur fünf Prozent davon auf die Finanzierung des Handels selbst entfallen. Doch nicht nur die Banken haben ihre internationalen Geschäfte ausgedehnt; auch die privaten Auslandsgeschäfte haben zugenommen. So sind die Aktien- und Wertpapierkäufe von Privatpersonen und die von multinationalen Unternehmen im Ausland aufgenommenen Bankkredite seit den 1970er Jahren um das 16fache gestiegen.

QuellentextBörse London

[...] Mit einem Handelsvolumen von 10,2 Billionen Euro ist die London Stock Exchange (LSE) die zweitgrößte Börse der Welt und zugleich eine der ältesten. Die Wurzeln der LSE reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Bereits 1695 gab es in London 140 Aktiengesellschaften, die Anteilsscheine wurden in zwei Kaffeehäusern in der City gehandelt, dem Garraway's und dem Jonathan's. 1697 verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz, um die "Zahl und das Fehlverhalten der Makler und Börsenjobber zu beschränken". Das aber konnte Fehlspekulationen nicht verhindern: 1720 platzte die "South Sea Bubble", eine der berüchtigsten Börsenblasen der Geschichte.
Nahe dem historischen Sitz der Londoner Börse, an der Ecke Threadneedle Street/Old Broad Street, weihte Queen Elizabeth II. 1972 den neu errichteten Stock Exchange Tower ein. Nach dem Big Bang von 1986, der weitreichenden Liberalisierung des britischen Finanzmarktes, fand der Handel jedoch zunehmend außerhalb des Börsengebäudes statt.
Obendrein führte der Vormarsch des Computers dazu, dass immer weniger auf dem Parkett selbst gehandelt wurde.
Im Juli 2004 zog die Börse in ein besser geeignetes Gebäude am Paternoster Square um, ganz in der Nähe der St. Pauls Cathedral. In den folgenden Jahren versuchten nacheinander die australische Investmentbank Macquarie, der amerikanische Börsenbetreiber Nasdaq und die Deutsche Börse, die London Stock Exchange zu übernehmen.
LSE-Chefin Clara Furse wehrte entschlossen die Attacken ab. Im Juni 2007 übernahm sie ihrerseits die Borsa Italiana in Mailand.

G.H., "Börse London", in: Die ZEIT Nr.19 vom 30. April 2008.

Die Ausweitung des internationalen Kapitalverkehrs ist auch auf das Auftreten neuer Akteure auf dem internationalen Kapitalmarkt zurückzuführen. Neben Banken, Versicherungen und "klassischen" Investmentfonds geraten neuerdings die so genannten Hedgefonds und staatliche bzw. unter staatlichem Einfluss stehende Investmentfonds als bedeutende Investoren auf den internationalen Kapitalmärkten in den Blick der Öffentlichkeit.

Investmentfonds

Investmentfiónds kaufen Wertpapiere, beispielsweise Schuldverschreibungen oder Aktien verschiedener Unternehmen. Auf diesen "Korb" von Wertpapieren geben sie Zertifikate aus, die einen Anteil am Investmentvermögen repräsentieren und die ein Anleger erwerben kann. Auf diese Weise wird das Risiko auf mehrere Aktien gestreut. Durch Spezialisierung auf bestimmte Branchen oder Länder bieten Investmentfonds dem Anleger Wahlmöglichkeiten mit unterschiedlichen Chancen und Risiken.

Terminmärkte

An den internationalen Börsen haben sich in den letzten Jahrzehnten Terminmärkte gebildet, auf denen Derivate gehandelt werden. Derivate (von lat. derivare, ableiten) sind Wertpapiere, deren Kurse vom Kurs anderer zu Grunde liegender Werte abhängen. Sie sind demnach abgeleitete, das heißt derivative Finanzpapiere. Es gibt verschiedene Formen von Derivaten; vor allem Kauf- und Verkaufsoptionen für Rohstoffe, Aktien oder Devisen sind verbreitet. Es werden also zunächst nicht die Rohstoffe, Aktien oder Devisen selbst gehandelt, sondern Verträge über das Recht beziehungsweise die Pflicht, eine bestimmte Rohstoffmenge, eine Aktie, einen Währungsbetrag innerhalb der Optionsfrist zu einem vorher vereinbarten Preis (Kurs) zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Erst zum vereinbarten Termin werden die Kauf- bzw. Verkaufsoptionen (calls bzw. puts) gegebenenfalls ausgeübt. Der Käufer eines puts spekuliert auf sinkende, der Käufer eines calls auf steigende Preise (Kurse).

QuellentextNeue Spekulanten im alten Geschäft

Im Herzen Chicagos steht die Börse. [...] An jedem Werktag zwischen 9.30 und 13.15 Uhr werden hier [...] die Rohstoffpreise für die ganze Welt gemacht. [...] Was in Chicago ausgehandelt wird, bestimmt das Leben von Farmern im Mittleren Westen der USA und von Reisbauern in Vietnam, von Bettlern in den Slums von Manila und von Bäckern in Deutschland. Und heute geht es dabei oft um Sein oder Nichtsein. [...]
Eigentlich wurde die Rohstoffbörse ja einst mit dem Ziel gegründet, Sicherheit zu schaffen. Als eine Gruppe von 83 Kaufleuten am 3. April 1848 den Chicago Board of Trade gründeten, wollten sie Ordnung in den Handel mit den Agrarprodukten des Mittleren Westens bringen. Damals waren dies Mehl, Gras-Samen und Heu. Drei Jahre später konnten Farmer erstmals ihre Ernte "forward" verkaufen, also im Voraus. Damit sicherten sie sich gegen fallende Preise ab, die Händler gegen steigende. An diesem Prinzip hat sich nichts geändert. Mit einem der heute üblichen Terminkontrakte erwirbt ein Händler das Recht und die Pflicht, 5000 Bushel (altes amerikanisches Schüttmaß, im internationalen Getreidehandel üblich - Anm.d.Red.) Mais, Weizen, Sojabohnen oder Reis zu einem festgesetzten Preis und Zeitpunkt zu liefern oder zu kaufen. [...]
In früheren Zeiten galt Rohstoff-Spekulation [...] als ein riskantes Geschäft für Profis, die etwas von Landwirtschaft verstehen. Doch jetzt versuchen [...] Investoren von der Wall Street [...] ihr Glück mit Reis und Soja. Anders als Farmer und Getreidehändler suchen sie nicht Sicherheit, sondern die maximale Rendite. [...] Jede Woche fließt im Durchschnitt eine Milliarde Dollar [...] nach Chicago, und das bei einem Gesamtmarkt von überschaubaren 240 Milliarden Dollar. So genannte Index-Fonds, die ihr Geld mit Wetten auf Rohstoff-Indices verdienen, kontrollieren derzeit 4,5 Milliarden Bushel Mais, Weizen und Sojabohnen, was ungefähr der Hälfte der gesamten Vorräte in den Silos der USA entspricht.
Wer die Spezialisten an der Chicagoer Börse fragt, was diese neuen Spekulanten nun bewirken, der stößt auf einige Unsicherheit. "Die Index-Fonds sind wie ein Elefant in einem Zimmer. Man weiß nicht genau, was er anstellen wird", sagt Greg Wagner, ein Marktforscher bei der Analyse-Firma AgResource in Chicago. "Normalerweise ist die Gruppe der Käufer und Verkäufer hier begrenzt. Jetzt hat alles eine neue Dimension bekommen." David Lehman, Chef-Ökonom der Börse, findet sogar Positives an den neuen Mitspielern: "Die Spekulanten [...] bringen Liquidität in die Märkte, das erleichtert den Ausgleich von Angebot und Nachfrage."
Im April musste allerdings die zuständige Aufsichtsbehörde, die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) in Washington eine Anhörung über die Rolle der neuen Spekulanten veranstalten. Grund war, dass das Spiel der Rohstoffkontrakte plötzlich nicht mehr so funktionierte wie gewohnt. [...]
Terminkontrakte sind teurer als die Ware, die dahinter steht [...]. Die Folgen aber sind fatal: Manche Getreidehändler weigern sich, den Farmern ihre Ernte im voraus abzukaufen, weil ihnen die Kontrakte zu riskant sind. Die Farmer müssen das Risiko wieder selber tragen, wie in den Tagen, ehe es die Börse in Chicago gab. [...]

Nikolaus Piper, "Tiefdruckgebiete und Terminkontrakte", in: Süddeutsche Zeitung vom 15. Mai 2008

Am Terminmarkt werden also Werte in der Zukunft zu einem bereits festgelegten Preis gekauft, der auch erst in der Zukunft zu zahlen ist. Will man sich gegen das eingegangene Kursrisiko absichern, kann man dies mit entgegen gerichteten Kauf- oder Verkaufsoptionen tun. Banker bezeichnen dies als "hedging" (von engl. to hedge, einhegen). Am Kassamarkt, an dem Käufe und Verkäufe noch am gleichen Tag abgewickelt werden, ist diese Absicherung hingegen nicht möglich. Termingeschäfte und hedging sind vor allem bei international aufgestellten Unternehmen üblich. So sichern beispielsweise die deutschen Autohersteller einen bestimmten Euro-Dollar-Kurs durch Termingeschäfte ab, um Produktion und Verkauf besser planen zu können.

Hedgefonds

Einige Investmentfonds haben sich auf hoch spekulative, im Erfolgsfall aber auch besonders rentable Termingeschäfte spezialisiert. Typisch sind der Handel mit Derivaten, hedging, Leerverkäufe und die Ausnutzung des Leverage-Effekts. Etwas irreführend werden diese Fonds in der Öffentlichkeit als Hedgefonds bezeichnet, denn hedging ist - wie oben beschrieben - eine generell im Finanzsektor verbreitete Strategie zur Risikoabsicherung bei Finanzanlagen. Bei einem Leerverkauf (short selling) spekuliert der Fondsmanager darauf, von einem erwarteten Kursverfall eines Wertpapiers profitieren zu können: Er verkauft beispielsweise Aktien und hofft, sie zu einem vereinbarten Termin billiger zurückkaufen zu können. Tatsächlich besitzt der Fondsmanager die Aktien bei Vertragsabschluss aber gar nicht, sondern hat sie lediglich bei einer Bank oder einem Unternehmen für diesen Zeitraum geliehen. Liegt bei Fälligkeit des Geschäfts der Kurs der Aktie unter dem Verkaufskurs, macht der Fonds Gewinn. Liegt der Aktienkurs zum Rückkaufzeitpunkt allerdings höher als der Verkaufskurs, ist der Fonds verpflichtet, die Aktien trotzdem zu kaufen, denn sie müssen ja an die ausleihende Bank zurückgegeben werden. In diesem Fall macht der Fonds Verluste. Ein Fondsmanager sollte über fundierte Marktanalysen und gutes "Gespür" verfügen, denn er muss nicht nur die Kursentwicklung der ausgewählten Aktie richtig einschätzen, sondern auch den Zeitpunkt der Transaktion günstig auswählen.

QuellentextLeerverkauf am Fallbeispiel

Eine hoch spekulative Anlagestrategie auf internationalen Finanzmärkten sind Leerverkäufe (short selling). Ein Börsenspekulant erwartet den Kursverfall eines Wertpapiers und hofft daran verdienen zu können, indem er es jetzt verkauft und später zu einem niedrigeren Kurs wieder erwirbt. Dabei handelt er nicht mit eigenen Wertpapieren, sondern leiht sich die benötigten Aktien für die Dauer der Transaktion von anderen aus. Auf diese Weise können mit relativ geringem Kapitaleinsatz große Kapitalbeträge bewegt werden. Dies sei an folgendem Beispiel erläutert.
Die Aktien der MaxAG werden an der Börse mit dem Kurs von 100 Euro pro Anteilsschein notiert. Eine Bank besitzt 10 000 Aktien, möchte sie nicht verkaufen, aber doch gern einen zusätzlichen Ertrag erzielen. Sie verleiht die Aktien für sechs Monate an den Manager des Spekfonds gegen eine Leihgebühr von fünf Prozent. Der Fondsmanager bezahlt der Bank die Leihgebühr von 50 000 Euro und kann nun über die Aktien verfügen. In der Erwartung, dass der Kurs der MaxAG sinken wird, verkauft er die Aktien zum aktuell gültigen Kurs (also für 1 000 000 Euro). Drei Fälle sind nun denkbar:

  • Der Kurs der Aktie fällt in den sechs Monaten um zehn Prozent auf 90 Euro. Der Fondsmanager kann die 10 000 Aktien für 900 000 Euro zurückkaufen und an die Bank zurückgeben. Er macht einen Gewinn von 50 000 Euro (100 000 Euro Kursgewinn minus 50 000 Euro Leihgebühr). Steuern und Spesen seien hier vernachlässigt. Bezogen auf den Kapitaleinsatz (die Leihgebühr) ergibt dies einen Gewinn von 100 Prozent bei einer Kursänderung der Aktie von zehn Prozent.

  • Der Kurs der Aktie ist zum Rückgabezeitpunkt unverändert. Der Fondsmanager kauft die Aktien für 1 000 000 Euro zurück. Zwar entsteht kein Kursverlust, dennoch macht er einen Verlust von 50 000 Euro (die bezahlte Leihgebühr). Das eingesetzte Kapital ist zu 100 Prozent verloren.

  • Der Kurs der Aktie steigt um zehn Prozent auf 110. Der Manager muss nun 1 100 000 Euro für den Rückkauf aufwenden. Er macht einen Verlust von 150 000 Euro (höherer Rückkaufpreis plus Leihgebühr). Bezogen auf den Kapitaleinsatz von 50 000 Euro (Leihgebühr) bedeutet das einen Verlust des Spekfonds in Höhe von 300 Prozent.

Bei Leerverkäufen wirkt sich eine relativ geringe Änderung des Aktienkurses überproportional aus und kann hohe Gewinne, aber auch extreme Verluste auf das eingesetzte Kapital erbringen.

Der Leverage-Effekt (Hebeleffekt) beruht darauf, dass ein Fonds sich durch die Aufnahme von Krediten, also Fremdkapital, finanzielle Mittel für den Kauf von Wertpapieren beschaffen kann, die weit über das in den Fonds eingezahlte Kapital (Eigenkapital) hinausgehen und ihm somit erheblich größere Transaktionen ermöglichen. Für Fremdkapital müssen allerdings Zinsen gezahlt werden. Solange die Rendite aus den getätigten Finanzinvestitionen über diesem Zins liegt, erhöht sich der Gewinn des Fonds; bezogen auf das Eigenkapital steigt die Rendite überproportional (Hebeleffekt). Ist die Rendite der Anlage dagegen niedriger als der Zins, entsteht ein Verlust; bezogen auf das Eigenkapital ergibt sich auch hier ein überproportionaler Wertverlust.

Auch in diesem Fall steht also der spekulativ besonders hohen Gewinnchance der Kapitalgeber des Fonds ein entsprechend höheres Verlustrisiko gegenüber.

Steuerparadiese

Die meisten Hedgefonds haben ihren Firmensitz an so genannten offshore-Plätzen.Es handelt sich vielfach um Inselstaaten wie die Cayman-Inseln, die Virgin-Islands, die Bermudas oder "politische Inseln" wie Liechtenstein. Dort unterliegen sie geringerer Steuerbelastung und weniger strengen Vorschriften zur Rechenschaft und zur Offenlegung ihrer Risikostrukturen (Publizitätspflichten) als in den USA, England, Japan oder Deutschland. Sie verfolgen eine äußerst flexible und radikal am Ertrag orientierte Anlagestrategie und bewegen hohe Geldbeträge. Die größten Hedgefonds waren Ende 2006 Renaissance Technologies, JPMorgan Asset Management und Bridgewater Associates, jeweils mit einem Fondsvermögen von mehr als 30 Milliarden US-Dollar.

Riskant ist insbesondere der hohe Fremdkapitalanteil bei spekulativen Geschäften. Bei ungünstiger Marktentwicklung oder Fehlspekulationen kann der Hebeleffekt zu enormen Verlusten führen - bis hin zum Zusammenbruch des Fonds. Spätestens dann sind die gewährten Kredite verloren, so dass die Verluste auch auf die Kredit gebenden Banken durchschlagen. Auch kann es - ausgelöst durch spektakuläre Verluste eines Fonds - zu einem gleich gerichteten Verhalten vieler Marktteilnehmer, wie beispielsweise Verkäufen von Wertpapieren auf breiter Front und der Kündigung von Krediten kommen. Ein solches Herdenverhalten, der so genannte Dominoeffekt, kann schwere Krisen auf den Finanzmärkten auslösen. Natürlich sind Verlustrisiken ein generelles Problem auf Geld- und Kapitalmärkten, wie beispielsweise die weltweiten Turbulenzen im Gefolge der "Hypothekenkrise" in den USA im Sommer 2007 zeigten. Sie wurde jedoch nicht durch Hedgefonds ausgelöst, sondern durch den Zusammenbruch von vermeintlich besonders wertstabilen Hypothekenbanken.

Dennoch geraten besonders die Hedgefonds wegen ihrer außerordentlich riskanten Geschäftspraktiken und ihrer Undurchsichtigkeit zunehmend in die öffentliche Kritik. Gefordert werden vor allem strengere Anforderungen an das Risikomanagement der Fondsmanager, mehr Transparenz im Hinblick auf die Finanzstrukturen der Fonds und auf die Kreditvergabe durch die Banken. Solche Informationen würden eine fundiertere Bewertung der Fonds durch Rating-Agenturen ermöglichen. Die Politik ist hier gefordert. Hedgefonds waren ein Thema des Gipfeltreffens der Regierungschefs der G8-Staaten (Konferenz der größten Industrienationen einschließlich Russlands) in Deutschland im Juni 2007, allerdings ohne dass hier bereits neue Regeln vereinbart werden konnten. Das Problem ist, dass nur eine weltweite Vereinbarung mit verbindlicher Wirkkraft Erfolg verspricht. Anderenfalls können sich die Hedgefonds durch Abwanderung in weniger regulierte "Oasen" den verschärften Regeln entziehen. Die wirksame Durchsetzung eines internationalen Vertrags scheitert aber immer wieder daran, dass jedes Land Anreize hat, sich durch Ausscheren Vorteile wie den Zufluss von ausländischem Kapital zu verschaffen, die umso größer ausfallen, je mehr die übrigen Vertragspartner sich an die eingegangenen Verpflichtungen halten. In der Wirtschaftswissenschaft spricht man vom Gefangenendilemma (siehe Glossar).

Private Eigenkapitalanlagegesellschaften

Zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert werden auch die Privaten Eigenkapitalanlagegesellschaften (Private Equity Fonds). Auch hier handelt es sich um weltweit tätige Investmentfonds, die ihren Kapitalgebern besonders ertragreiche, aber eben auch riskante Geldanlagen anbieten. Sie sammeln Kapital von privaten Anlegern und investieren es in Beteiligungen an Unternehmen bzw. sie kaufen ganze Unternehmen oder Unternehmensteile. Interessant sind besonders Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden und deshalb relativ "preiswert" zu erwerben sind, von den Fondsmanagern aber als potenziell rentabel angesehen werden. Ziel ist es, nach - oft sehr einschneidenden - Umstrukturierungen die rentablen Unternehmensteile durch gezielte Investitionen "fit" zu machen, um sie dann mit Gewinn an andere Unternehmen oder an der Börse zu verkaufen. Die nicht rentablen Teile werden häufig liquidiert, das heißt, sie gehen in Konkurs, die Betriebe werden stillgelegt. Kritiker sprechen in solchen

Finanzinvestoren

Fällen von "Heuschrecken", die die sozialen Folgen wie den Abbau von Arbeitsplätzen dem Kapitalinteresse (shareholder value) unterordnen. In vielen Fällen haben sich diese Fonds aber auch als rettende Kapitalquelle für Unternehmen in Not erwiesen und so Arbeitsplätze gesichert.

Staatliche Investmentfonds

Devisenreserven der Welt

Neu als Akteure an den internationalen Finanzmärkten sind auch staatliche bzw. unter staatlicher Kontrolle stehende Investmentfonds aus Ölexportländern wie Saudi-Arabien und Kuwait, aus Russland sowie aus China. Allein die Volksrepublik verfügte 2007 im Durchschnitt über etwa 1400 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven aus angesammelten Exportüberschüssen. Bisher hat die chinesische Regierung ihre Dollarreserven überwiegend in US-Anleihen zinsbringend angelegt. Der Kauf dieser Anleihen hat das Angebot an der chinesischen Währung Yuan und die Nachfrage nach US-Dollars auf den Devisenmärkten erhöht und somit gleichzeitig dazu beigetragen, einen Kursanstieg des Yuan gegenüber dem US-Dollar zu vermeiden. Hinter dieser Strategie steckt das Bestreben Chinas, sich Vorteile auf den Exportmärkten durch einen unterbewerteten Yuan zu erhalten.

Neuerdings werden die Devisenreserven zur Bildung von Investmentfonds verwendet. So wurde zum Beispiel der Fonds China Invest mit einem Kapital von 200 Milliarden US-Dollar gegründet. Dieser beteiligt sich an Firmen in den USA, Kanada, Europa und Südamerika bzw. kauft Unternehmen in diesen Ländern auf. In westlichen Staaten wird diese Entwicklung kritisch diskutiert. Umstritten ist, ob die USA oder europäische Staaten die Übernahme wichtiger Firmen aus Schlüsselindustrien durch undemokratische Regime bzw. durch von ihnen kontrollierte Fonds hinnehmen wollen. Aktuelle Beispiele sind der geplatzte Einstieg des chinesischen Fonds bei der amerikanischen Ölfirma Unocal oder die Pläne der russischen Firma Gazprom für den deutschen Energiemarkt. Befürchtet wird eine Abhängigkeit von politisch motivierten Entscheidungen der Regierungen dieser Staaten. Zu beachten ist allerdings, dass die westlichen Staaten ihrerseits großen Wert auf freien Kapitalverkehr und Investitionsfreiheit gerade auch in den Ländern des Nahen Ostens, in Russland und in China legen. Auch bleiben die meisten Beteiligungen (noch) unter dem Anteil von zehn Prozent am Aktienkapital, ab dem erst ein "maßgeblicher Einfluss" auf die Geschäftspolitik erwartet wird; nach internationaler Konvention handelt es sich in diesen Fällen nicht um Direktinvestitionen, sondern um Portfolioanlagen (siehe Glossar).

QuellentextStaatlich, reich und verschwiegen

[...] Staatsfonds als Großanleger in der Wall Street. Schwellenländer, die mit ihrem Geld bedeutende Unternehmen der alten Industrienationen retten. Autoritäre Regime, die mit Devisenüberschüssen in den Demokratien des Westens auf Einkaufstour gehen. Es ist Globalisierung paradox.
Die neuen Supermächte an den Finanzmärkten sind staatlich, reich und ziemlich verschwiegen. Es ist diese Kombination von Eigenschaften, die Politikern und Managern des Westens Sorgen bereitet. In der Bundesregierung in Berlin oder auch beim Frühjahrsgipfel der EU (2008 - Anm.d. Red) in Brüssel fragen sich die Verantwortlichen: Wer sind die neuen Investoren? Welche Ziele verfolgen sie? Droht der Ausverkauf strategisch wichtiger Unternehmen? Ist die öffentliche Versorgung durch die neuen Geldgeber gefährdet?
Auch die Finanzwelt ist in Aufregung. Banken und Berater wittern neue Geschäftsmöglichkeiten und geben sich in der Hoffnung auf lukrative Verträge in Peking, Kuwait City oder Abu Dhabi die Klinke in die Hand. Private Finanzinvestoren sehen im Geschäft mit Firmenübernahmen neue Konkurrenz heranwachsen. Und Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sorgen sich um den Einfluss der neuen Akteure auf die Kapitalmärkte.
Es wäre ein Fehler, die politischen Fragen gering zu schätzen, aber eine Herausforderung sind die Staatsfonds in erster Linie für das Weltfinanzsystem. Noch beschränken sich die Anlagegesellschaften auf kleine Beteiligungen an Unternehmen. Doch dabei wird es nicht bleiben. Viele Staatsfonds wachsen rasant, ihre Strategien dürften sich dabei verändern. Ihre Bedeutung für Banken und die Stabilität der Kapitalmärkte nimmt zu. Die Gefahr, dass sie politische und finanzielle Ziele vermischen, bleibt. Staatsfonds sind keine normalen Wirtschaftsakteure - und sie werden es wohl auch nie sein.
"Seit mehr als 50 Jahren haben wir keine politisch motivierten Geldanlagen getätigt. Wir achten nur auf die Rendite", beteuert Bader al Sa?ad. Der Finanzmanager [...] leitet die Kuwait Investment Authority (KIA). 1953 gegründet, ist sie der älteste Staatsfonds der Welt. Mit mehr als 200 Milliarden Dollar ist KIA zugleich einer der größten Geldverwalter. Seit Jahrzehnten, so Al Sa?ad, sei Kuwait an Daimler oder BP beteiligt. Und, so die unausgesprochene Frage: Hat Kuwait etwa das Know-how des deutschen Autoherstellers geklaut?
Das Beispiel Kuwaits zeigt, dass Staatsfonds keine völlig neue Erscheinung sind. Im Nahen Osten speisen sich die Fonds aus den Öleinnahmen, in Südostasien meist aus den Devisenreserven, die durch Exporte entstehen. Ihr Geld investierten die Fonds bisher in renditearme Staatsanleihen. Stiegen sie bei Unternehmen des Westens ein, dann meist nur mit kleinen Anteilen und unter Verzicht auf Stimmrechte und Aufsichtsratsmandate. Große Risiken scheuten sie, sie sahen es als ihre Aufgabe an, das Vermögen ihrer Länder für künftige Generationen zu erhalten. Die Fonds interessierten sich nicht für das tägliche Auf und Ab der Börse, sondern dachten langfristig. Damit wirkten sie stabilisierend auf das globale Finanzsystem.
Jetzt kommen die Dinge in Bewegung. Der steigende Ölpreis ließ viele Staatsfonds zuletzt massiv wachsen. Das veranlasste eine Reihe von Fonds, ihr Geld stärker als bisher in Aktien und andere Anlageklassen zu stecken, die riskanter, aber auch einträglicher sind. Neugründungen wie der 2007 eingerichtete Staatsfonds Chinas und der Anfang Februar geschaffene Wohlfahrtsfonds Russlands erinnerten daran, dass viele Staatsfonds aus Ländern kommen, denen Demokratie und Transparenz fremd sind.
Schon jetzt ist klar: Staatsfonds sind Teil einer Machtverschiebung, die die Weltwirtschaft tief greifend verändert. In Europa gehören ihnen Teile von Ferrari, der Londoner Börse oder der Schweizer Banken UBS und Credit Suisse.
Vor allem werden die neuen Finanzmächte immer größer. Rund 40 solcher Fonds kontrollieren inzwischen 3200 Milliarden Dollar, haben Experten der Deutschen Bank ermittelt. Im Jahr 2015 dürften es laut Morgan Stanley 12 000 Milliarden Dollar sein. Diese gewaltigen Summen wollen angelegt sein. Viele Fonds werden nicht umhinkommen, ihre Strategie weiter zu verändern.

[...] Sind Staatsfonds die neuen "Heuschrecken"? Stefan Zuschke, Deutschland-Chef des europäischen Finanzinvestors BC Partners, sieht in den Fonds bereits Konkurrenten. "Die nächste Stufe ist, zu sagen: Ich habe das Geld, ich habe das Know-how, das kann ich auch allein!" Zuschke verweist auf Dubai International Capital (DIC), eine Holding, die angeblich das Privatvermögen des Scheichs verwaltet, von vielen aber als Staatsfonds eingestuft wird. DIC verfügt über eine Private-Equity-Tochter, der in Deutschland der Verpackungshersteller Mauser und der Aluminiumverarbeiter Almatis gehören. Andere Fonds würden folgen, glaubt Zuschke. Mehr noch: Dass Staatsfonds weiter darauf verzichten, den Einstieg in Firmen auch über Kredite zu finanzieren, gehört für Zuschke der Vergangenheit an: "Das wird sich mit Sicherheit ändern." Die Schlagkraft der Fonds stiege damit weiter. [...]

Arne Storn, "Die neuen Finanziers", in: DIE ZEIT Nr. 12 vom 13. März 2008

Krisenpotenzial internationaler Kapitalbewegungen

Internationale Kapitalbewegungen haben einen erheblichen Einfluss auf Angebot und Nachfrage an den Devisenmärkten und beeinflussen in beachtlichem Maße die Entwicklung von Wechselkursen. Gleichzeitig ist die Ausnutzung von Wechselkursschwankungen ein wichtiges Motiv für spekulative Kapitalbewegungen. Politische Krisen oder der Versuch von Regierungen, nicht den Marktgegebenheiten entsprechende Wechselkurse zu verteidigen, können Spekulationswellen auslösen. Jüngste Beispiele für solche Krisen fanden sich in Südostasien (1997/98) und Südamerika (2001/02), wo ausgehend von Währungskrisen einzelner Staaten, Thailand bzw. Argentinien, das gesamte Weltwährungssystem erschüttert wurde. Für die international vernetzten Geldmärkte und Devisenbörsen ist die Bezeichnung "Weltmarkt" sicher angebracht.

QuellentextSpekulation - mehr als ein Risiko

[...] Spekulanten sorgen dafür, dass Märkte liquide bleiben und dort schnelle Reaktionen erfolgen können. Der Preis für Erdöl ist derzeit zweifellos spekulativ überhöht. Aber dank der Spekulation wird in schwierigen Zeiten wie diesen überhaupt schnell ein Preis gebildet, und die Märkte können angemessen auf neue Phänomene wie den Nachfrageschub aus China und Indien reagieren.
Es geht aber um mehr. Das Wort "Spekulation" kommt aus dem lateinischen "speculari", was so viel heißt wie "spähen" oder "in die Zukunft schauen". Tatsächlich ist Spekulation eine unersetzliche ökonomische Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft. Märkte gab und gibt es immer und überall auf der Welt. Selbst in kommunistischen Diktaturen haben Menschen Dinge des Alltags getauscht. Aber nicht jeder Markt sorgt automatisch für wachsenden Wohlstand. Das geht nur, wenn der Kreislauf von Sparen und Investieren in Gang kommt, wenn es also Märkte gibt, auf denen die Zukunft gehandelt wird. Und dazu sind Spekulanten nötig, die Risiken eingehen.
Jeder, der investiert, spekuliert. Wer Bundesanleihen kauft, geht das sehr geringe Risiko ein, dass die Bundesrepublik den Staatsbankrott erklärt. Weil das Risiko kleiner ist als bei manch anderen Ländern, ist der Käufer mit einer entsprechend niedrigeren Rendite zufrieden. Wer Aktien kauft, stellt Unternehmen Risikokapital zur Verfügung, er wird an den Gewinnen ebenso wie an den Verlusten beteiligt. Entsprechend höher ist seine Renditeerwartung. Wer sich schließlich am Spiel mit Optionen und Futures beteiligt, riskiert täglich den Totalverlust seines Kapitals und spekuliert daher auf zweistellige Renditen.

Zum Spiel gehört es, dass sich Spekulanten irren können, unter Umständen auch massiv. Immer wieder kommt es vor, dass an den Börsen alle ihrem Herdentrieb folgen und kollektiv in die falsche Richtung rennen. Das war bei der holländischen Tulpenzwiebel-Hysterie im 17. Jahrhundert nicht anders als bei der amerikanischen Immobilienspekulation dieser Tage. Aber selbst an Spekulationsblasen ist nicht alles schlecht. Vom Eisenbahnboom des 19. Jahrhunderts blieben Schienen übrig, die nach dem Platzen der Blase von gesünderen Unternehmen genutzt werden konnten. Die Glasfaserkabel, die während des letzten Internet-Booms gelegt wurden, erhöhen heute die Produktivität der Wirtschaft.
Kein Zweifel allerdings auch, dass Spekulation Einrichtungen zur Schadensbegrenzung braucht; ohne staatliche Regulierung können Märkte in die Katastrophe laufen. Wenn sie ihren Job gut machen, lernen die Regulierer aus jeder größeren Krise. Nach dem Börsenkrach von 1987 wurden an der New York Stock Exchange Sicherungen eingebaut, die den Handel mit einer Aktie bei extremen Kursstürzen unterbrechen. [...]
Und vielleicht werden die Gelehrten bald herausfinden, dass selbst der Kredit- und Immobilienboom der vergangenen Jahre noch irgend etwas Gutes in der Welt hinterlassen hat, auch wenn sich das heute noch niemand vorstellen kann.

Nikolaus Piper, "Ein Lob der Zockerei", in: Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 2008

Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen

Eine weitere Quelle für das rasche Wachstum des internationalen Kapitalverkehrs ist der längerfristige Kapitalexport in Form von Direktinvestitionen. Als Direktinvestition (Foreign Direct Investments, FDI) wird die Gründung von Tochterfirmen im Ausland oder der Erwerb von beziehungsweise die Beteiligung an ausländischen Unternehmen bezeichnet. Im Unterschied zu Portfolioinvestitionen wird eine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Unternehmen angestrebt. Direktinvestitionen führen zur Internationalisierung von Unternehmen; sie sind daher ein besonders hervorzuhebendes Element im Globalisierungsprozess der Wirtschaft. Immer mehr Unternehmen errichten Produktionsstätten oder erwerben Tochtergesellschaften im Ausland und sind bestrebt, neue ausländische Absatzmärkte zu erschließen, wodurch weltweite Handelsnetze entstehen.

Die Direktinvestitionen machen einen beträchtlichen Anteil der internationalen Kapitalströme aus. Seit Beginn der 1980er Jahre bis zur Jahrtausendwende sind Investitionen in ausländische Produktionsstätten etwa sechsmal so stark gewachsen wie das Welthandelsvolumen. Schätzungen der Welthandelskonferenz (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD) zufolge bestreiten multinationale Unternehmen heute bis zu 80 Prozent des Welthandels. Knapp die Hälfte des Handels multinationaler Unternehmen bezieht sich auf den internen Hnadel zwischen Standorten eines multinationalen Konzerns. Es handelt sich dabei um die Vernetzung von Produktionsstätten eines Konzerns in verschiedenen Staaten. Ein Beispiel ist das weltweite Netz von Produktionsstätten großer Automobilunternehmen.

Größte Unternehmen

Die Geschäfte der multinationalen Unternehmen sind heute aus dem Welthandel nicht mehr wegzudenken: Unter anderem Nahrungsmittelkonzerne wie Unilever, Nestlé oder Coca Cola sind mit ihren im In- oder Ausland erzeugten Markenprodukten Teil unseres Alltags. Multinationale Banken wickeln den größten Teil des internationalen Kapitalverkehrs ab. Entscheidungen in den Führungsspitzen großer multinationaler Unternehmen, zum Beispiel über Produktionsstätten, Innovationen und Marktstrategien spielen eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung von betroffenen Staaten.

Bis zum Ende der 1960er Jahre kamen fast alle multinationalen Unternehmen aus den USA. Seit Mitte der 1970er Jahre geht ihr Wachstum jedoch nicht mehr nur von den Vereinigten Staaten aus, und es sind auch nicht mehr nur Großunternehmen, die international tätig werden. Besonders europäische und japanische Unternehmen entwickelten sich zu multinationalen Unternehmen und dehnten ihre Aktivitäten auch auf den US-amerikanischen Markt aus. Die Bundesrepublik Deutschland, die in den 1960er Jahren beim Aufbau ihrer Wirtschaft stark vom Nettozufluss ausländischer Direktinvestitionen profitiert hatte, investiert heute sehr viel mehr Kapital im Ausland, als von dort hereinströmt.

Investieren in der Ferne

Die wichtigsten Kapitaltransfers betreffen Investitionen westeuropäischer und nordamerikanischer Firmen in anderen Industrieländern, in den Schwellenländern Lateinamerikas und Südostasiens sowie in den osteuropäischen Transformationsländern. In die ärmeren Entwicklungsländer fließen dagegen weniger Investitionen, weil man sie für wirtschaftlich und politisch krisenanfälliger hält. Nach Angaben des World Investment Report 2007 der UNCTAD (www.unctad.org) wurden 2006 weltweit Direktinvestitionen in Höhe von 1305 Milliarden US-Dollar getätigt. Davon entfielen auf die Industrieländer 857 Milliarden (65,7 Prozent), auf die Entwicklungsländer 379 Milliarden (29,0 Prozent) und auf die Transformationsländer 69 Milliarden (5,3 Prozent). Der Hauptteil der Investitionen in die Entwicklungsländer ging nach China und in die fortgeschrittenen Schwellenländer Ostasiens und Südamerikas. In die 50 am wenigsten entwickelten Länder flossen weniger als zwei Prozent der weltweiten Auslandsinvestitionen.

Bemerkenswert ist die zunehmende Verschiebung der Direktinvestitionen vom industriellen in den Dienstleistungsbereich. Multinationale Unternehmen finden sich nicht mehr nur im primären Sektor (Landwirtschaft und Bergbau) und im sekundären Sektor (Industrie). Auch Handelsunternehmen, Banken, Medienkonzerne, Hotelketten und Werbeagenturen sind heute weltweit mit Niederlassungen vertreten. 2004 wurden 63 Prozent der Direktinvestitionen im tertiären Sektor getätigt.

Die multinationalen Unternehmen und ihre Investitionen sind für Volkswirtschaften von großer Bedeutung. Ausländische Standorte werden immer wichtiger für deutsche Firmen, während die Bundesrepublik nicht in gleichem Maße ausländische Unternehmen anzieht. 2006 investierten deutsche Firmen 45,1 Milliarden Euro im Ausland, ausländische investierten 28,4 Milliarden Euro in Deutschland. Wichtigste Zielländer für deutsche Direktinvestitionen sind die Industriestaaten, in erster Linie die EU-Mitgliedstaaten, in die etwa die Hälfte der deutschen Direktinvestitionen geht. An zweiter Stelle stehen die USA. Relativ geringe Prozentanteile entfallen auf die übrigen Industriestaaten (einschließlich Japan) und die Entwicklungsländer. Von wachsender Bedeutung als Standorte deutscher Direktinvestitionen sind die mittel- und osteuropäischen Transformationsländer. Inzwischen ist besonders China ein bevorzugter Investitionsstandort für deutsche Firmen vor allem aus dem Bereich der Automobilindustrie.

Generell tendieren die wichtigen Kapitalexportländer dazu, in Industriestaaten mit vergleichbarem Entwicklungsniveau in Europa und Nordamerika zu investieren. Hier treffen sie auf kaufkräftige Nachfrage, technologisches Know-how, qualifizierte Arbeitskräfte, Rechtssicherheit und die infrastrukturellen Voraussetzungen für Auslandsengagements wie Verkehrswege, Telekommunikation und eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung. Seit Mitte der 1990er Jahre ziehen auch südostasiatische und südamerikanische Entwicklungsländer als Standorte Investitionen, besonders aus Amerika und Japan, an. Deutschland folgte mit etwas Verzögerung.

Motive für Auslandsinvestitionen

Die rasche Entwicklung der multinationalen Unternehmen hat viele Ursachen: Zu nennen sind vor allem die Liberalisierung des Welthandels und des internationalen Kapitalverkehrs zwischen den westlichen Industriestaaten sowie der technologische Fortschritt, der leistungsfähige globale Informations-, Kommunikations- und Transportnetze entstehen ließ.

Im Ausland engagiert

Unter den betriebswirtschaftlichen Motiven für eine internationale Geschäftstätigkeit steht die Erschließung neuer Absatzmärkte an erster Stelle. Die Nähe zum Kunden macht eigene Vertriebs-, Service- oder gar Produktionsstätten vor Ort erforderlich. Diesem Motiv folgen nicht nur die großen Weltkonzerne, sondern auch immer mehr mittelständische Betriebe, um so wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ein weiteres Motiv für Auslandsinvestitionen ist die Ausnutzung von Standortvorteilen, insbesondere von unterschiedlichen Arbeitskosten (durchschnittlicher Stundenlohn plus Lohnzusatzkosten). Deutschland ist seit vielen Jahren ein Hochlohnland und lag im Jahr 2006 mit Arbeitskosten von 32 Euro pro Stunde im verarbeitenden Gewerbe im europäischen Vergleich auf Rang vier. Die Arbeitskosten sind in Ostdeutschland rund 40 Prozent niedriger als in Westdeutschland. Entscheidender Faktor bei der Standortwahl von Unternehmen ist aber nicht die absolute Höhe der Arbeitskosten, sondern die Höhe der Lohnstückkosten, das heißt das Verhältnis von Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität. Da auch die Arbeitsproduktivität in Deutschland dank moderner Technologien, effizienter Infrastruktur und hoch qualifizierter Arbeitskräfte internationale Spitzenwerte erreicht, kann diese bei anspruchsvollen Produkten den Nachteil hoher Arbeitskosten teilweise kompensieren. Im Falle von arbeitsintensiven Vorprodukten gelingt dieser Ausgleich häufig nicht. In diesem Fall kann die teilweise Verlagerung der Produktion ins kostengünstigere Ausland die Wettbewerbsfähigkeit auch der inländischen Standorte verbessern. Der Einsatz kostengünstig produzierter Vorprodukte macht in Deutschland hergestellte Fertigprodukte preiswerter.

Arbeitskosten im globalen Wettbewerb

Die vergleichsweise hohen Lohnstückkosten bedeuten einen Kostennachteil für den Standort Deutschland. Er löst massiven Rationalisierungsdruck in der Industrie aus und hat zum Abbau von Arbeitsplätzen in vielen Wirtschaftszweigen geführt: Immer häufiger verlagern Unternehmen arbeitsintensive Produktionen oder Teilprozesse in Entwicklungsländer oder nach Osteuropa, und auch bei technisch komplexen Produkten erweisen sich Standorte in anderen EU-Ländern und in den USA als kostengünstiger. Diese besorgniserregende Tendenz hat in den vergangenen Jahren zu einer kontroversen Diskussion über die Zukunft der wirtschaftlichen und sozialstaatlichen Entwicklung Deutschlands geführt.

Ein drittes Motiv für Auslandsinvestitionen neben dem Absatz- und dem Kostenmotiv kann die Sicherung der Rohstoffversorgung (zum Beispiel in der Mineralölwirtschaft oder Stahlindustrie) sein. Von wachsender Bedeutung ist darüber hinaus das Bestreben, Zugang zu neuen Technologien oder zum innovativen Know-how an Hightech-Standorten zu erhalten. Kapitalstarke multinationale Unternehmen übernehmen innovative kleine Unternehmen und sorgen für die breite Einführung der Erfindungen am Markt. Beispiele lassen sich in der EDV-Branche, der Pharma- oder Gentechnik finden.

Weitere Motive für die Standortwahl liefern von Staaten gesetzte Rahmenbedingungen, wie etwa die Höhe der Gewinnbesteuerung. Die Verteilung der Standorte eines multinationalen Unternehmens auf verschiedene Staaten ermöglicht es ihm, durch Festsetzung von internen Verrechungspreisen seine Gewinne dort zu versteuern, wo es für das Unternehmen am günstigsten ist. Diese Praxis ist umstritten, da sie zu einer verstärkten Konkurrenz zwischen einzelnen Staaten um günstigere Unternehmenssteuern und letztlich zu einer geringeren Besteuerung der Unternehmensgewinne führt.

Ebenso können sich starre arbeits- und sozialrechtliche Standards - und damit verbunden hohe Personalzusatzkosten und geringe Flexibilität von Arbeitszeiten, aber auch strenge Umweltschutz- oder Wettbewerbsgesetze negativ auf Standortentscheidungen auswirken. Eine bedeutende Rolle spielen zudem das "soziale Klima" zwischen den Tarifparteien und die politische Stabilität eines Landes. Hohe Streikhäufigkeit, die Gefahr von Enteignung oder Beschränkung des Gewinntransfers in das Heimatland können kostenmäßig vorteilhafte Standorte unattraktiv machen.

Schließlich schafft auch die wirtschaftliche Integration von Staaten Anreize für Direktinvestitionen: Schließen sich Volkswirtschaften zu Wirtschaftsgemeinschaften zusammen, entsteht ein Anreiz für Firmen aus Drittländern, sich durch Gründung oder Erwerb von Betrieben den Marktzugang zu Binnenmarktbedingungen zu sichern. Dieses Motiv spielt besonders für die amerikanischen und japanischen Investitionen in der EU eine wichtige Rolle. Großbritannien ist ein bevorzugter Standort für Firmen aus Japan und den USA, die von dort aus den EU-Binnenmarkt beliefern können. Ähnliches gilt im Falle der NAFTA für europäische und japanische Unternehmen, die sich über Mexiko Zugang zum US-amerikanischen Markt verschaffen. Ein Beispiel ist der Volkswagen-Konzern, der den US-Markt vom mexikanischen Standort Puebla aus beliefert.

Arbeits- und Armutsmigration

Karikatur: EU - Non-EU

Im Zuge der Internationalisierungsprozesse und des Ausbaus weltumspannender Netzwerke nimmt die Arbeitsmigration zu. Zum einen sind durch die grenzüberschreitenden Verflechtungen der Unternehmen auch die Arbeitskräfte mobiler geworden. So ist eine zeitweilige Tätigkeit im Ausland für viele Arbeitnehmer etwa in der Tourismusbranche, im Anlagenbau oder in international tätigen Industriefirmen und Banken selbstverständlich geworden. Internationale Erfahrungen und Fremdsprachenkenntnisse werden zunehmend zu Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere. Zum anderen führte Fachkräftemangel in einigen Ländern besonders nach der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu einer erhöhten Mobilität von qualifizierten Arbeitskräften und Führungsnachwuchs in Europa und weltweit. Der Fachkräftemangel löste auch die Diskussionen über Zuwanderungserleichterungen für qualifizierte Arbeitskräfte in die EU aus.

QuellentextUmworbene Arbeitskraft

Das Billigfliegerterminal des Warschauer Flughafens platzt aus allen Nähten. Drei lange Schlangen haben sich bis auf den Vorplatz des Terminals "Etude" gestaut. [...] Die Passagiere wollen nur eines: schnell und billig an den Arbeitsplatz. Trondheim, Sheffield und Dortmund werden fast gleichzeitig angeflogen; in den Warteschlangen ist man sich einig: Alle wollen irgendwann zurück nach Polen, doch jetzt noch nicht. "Wenn die Wohnung bezahlt ist", sagt der eine. "Wenn unser Sohn in England eingeschult werden soll", eine junge Mutter. "Wenn ich in Polen gleich viel verdienen werde", ein Dritter.
Und dennoch, Umfragen unter polnischen Arbeitsmigranten im Ausland zeigen, dass sich die Auswanderungswelle seit Polens EU-Beitritt 2004 in diesem Jahr (2008 - Anm. d. Red.) zum ersten Mal abschwächen dürfte. Wie viele Polen ausgewandert sind, weiß niemand. Schätzungen sprechen von 0,7 bis zwei Millionen allein in den vergangenen vier Jahren. Die Mehrheit davon ist zwischen 18 und 34, ein Drittel hat Hochschulbildung. Allein im letzten Jahr haben sie vier Milliarden Euro in die Heimat überwiesen. In Großbritannien, wohin die meisten Polen ausgewandert sind, gaben in einer Umfrage kürzlich 50 Prozent an, in den nächsten Jahren wieder nach Polen zurückkehren zu wollen. Zwölf Prozent planten diesen Schritt für das laufende Jahr. 2007 waren es noch sechs Prozent, etwa 50 000 polnische Gastarbeiter. [...]
Eine vermehrte Rückwanderung könnte den großen Facharbeitermangel in Polen beheben und das Land so wieder attraktiver für ausländische Investoren machen. Die rechtsliberale Regierung von Donald Tusk hat bereits Rückholkampagnen gestartet; sie bietet Heimkehrern auch eine Steueramnestie und Hilfe bei Firmengründungen an. Das Entscheidende aber sei, dass in Polen die Gehälter kräftig angestiegen sind, erklärt Rainer Pauly, der Geschäftsführer der Warschauer Niederlassung der deutschen Personalberatungsfirma PSP-International [...] "Auswanderer sind für uns attraktiv, denn sie haben bewiesen, dass sie sich schnell auf neue Situationen einstellen können", sagt Pauly, der händeringend Handelsvertreter, Bauingenieure, Qualitätsmanager, Produktionschefs und viele weitere Vertreter des mittleren Managements sucht. Bieten kann der Personalberater in Polen nicht selten Löhne von 3000 Euro.
Polnische Ökonomen machen die Lohnsteigerungen von rund 20 Prozent in einem Jahr sowie vor allem den schlechten Pfundkurs für die gestiegene Rückkehrbereitschaft verantwortlich. Eine Umfrage des Interaktiven Marktforschungsinstituts in England hat jedoch ergeben, dass 35 Prozent wegen Heimwehs wieder zurück wollen. Jeder Dritte nannte die beschränkten beruflichen Aufstiegschancen als Grund. Die meisten Polen arbeiten trotz guter Bildung in Großbritannien manuell. Doch nun haben etwa Hotels damit begonnen, massiv einfache polnische Hotelangestellte aus Irland abzuwerben und zu Hause in hohe Positionen zu katapultieren. Wer als Gastarbeiter in Deutschland in der Fahrzeugbranche am Fließband gearbeitet habe, könne in Polen mit einem verantwortungsvollen Posten rechnen, bestätigt Pauly den Trend.
Dennoch warnen Arbeitsmarktforscher vor zu viel Optimismus. Bisher hätten in erster Linie die Erstauswanderungen abgenommen, sagen sie. Auch Personalberater Pauly glaubt nicht an das große Rückkehrerwunder: "Entweder muss Polen seine Produktion künftig nach Osten verlegen oder seine Tore weit für Gastarbeiter der östlichen Nachbarländer öffnen."

Paul Flückiger, "Heim nach Polen", Die Welt vom 30. April 2008

Ebenfalls zugenommen hat die Armutsmigration, die durch das Wohlstandsgefälle zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern ausgelöst wird. Die EU erfährt einen unvermindert anhaltenden Migrationsdruck, der von Afrika, Osteuropa, Asien und der Karibik ausgeht. Ursachen der teilweise illegalen Einwanderungen liegen in Armut und fehlenden Beschäftigungsaussichten, oftmals bedingt durch unzureichende politische Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Herkunftsländer. Hinzu kommen Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen Zuflucht suchen.

Armuts- und Arbeitsmigration sind häufig Anlass politischer Diskussionen über Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen ausländischer Arbeitskräfte. Das oft zu hörende Vorurteil, ausländische Arbeiter könnten den Inländern die Arbeitsplätze wegnehmen, muss differenziert betrachtet werden. Wenn Einwanderer bereit sind, für weniger Lohn als im Inland üblich zu arbeiten, kann dies zu einem Absinken der Löhne führen. Angesichts des streng regulierten Zugangsrechts zum deutschen Arbeitsmarkt ist diese Sorge nicht generell berechtigt. In Teilen des Niedriglohnsektors, beispielsweise im Reinigungs- und Gaststättengewerbe, ist der verstärkte Konkurrenzdruck jedoch deutlich spürbar. Oftmals übernehmen Ausländer aber auch wichtige Arbeiten, die von Inländern auf dem Arbeitsmarkt nicht besonders nachgefragt werden. Dazu zählen etwa die häusliche Pflege älterer Menschen oder Erntearbeiten. Mit ihren Arbeitsleistungen, ihren Sozialabgaben und Steuern tragen ausländische Beschäftigte zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Deutschlands Verflechtung in die Weltwirtschaft

Die wirtschaftlichen Vorgänge zwischen In- und Ausländern in einem Jahr werden in der vom Statistischen Bundesamt erstellten Zahlungsbilanz erfasst. Als Inländer gelten alle Personen und Unternehmen mit Sitz im Inland. Somit zählen auch im Inland lebende Ausländer und inländische Firmen in ausländischem Besitz zu den Inländern. Die Zahlungsbilanz wird nach Art der ökonomischen Vorgänge in Teilbilanzen gegliedert. Die Im- und Exporte von Waren werden in der Handelsbilanz und die Im- und Exporte von Dienstleistungen in der Dienstleistungsbilanz erfasst. Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkünfte beinhaltet grenzüberschreitende Entgelte für Produktionsfaktoren (Einkommen einer im Inland beschäftigten, aber im Ausland lebenden Person). Die Bilanzen von Außenhandel, Dienstleistungen, Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie die laufenden Übertragungen (zum Beispiel Heimatüberweisungen ausländischer Arbeitnehmer, Entwicklungshilfezahlungen) sind in der Leistungsbilanz zusammengefasst.

Vermögensmitnahmen von Aus- bzw. Einwanderern oder Schuldenerlasse werden in der Bilanz der Vermögensübertragungen erfasst. Die Kapitalbilanz erfasst laufende Kapitaltransaktionen (Kredite an Ausländer bzw. von Ausländern) und Direktinvestitionen.

Deutsche Zahlungsbilanz

Die Differenz aus Zahlungszuflüssen und Zahlungsabflüssen ergibt die Veränderung der Währungsreserven. Die Zahlungsbilanz wird durch diesen Saldo ausgeglichen. Da in der Praxis nicht alle grenzüberschreitenden Aktivitäten erfasst werden können, wird mathematisch der Ausgleich durch einen "Restposten" herbeigeführt.

Deutschland zählt neben den USA, China und Japan zu den wichtigsten Außenhandelsnationen. Im Jahr 2006 erreichte die Ausfuhr deutscher Waren 904,9 Milliarden Euro; die Einfuhr von Waren nach Deutschland betrug 741,5 Milliarden Euro. 2008 dürfte bei den Ausfuhren die Marke von 1000 Milliarden Euro überschritten werden.

Deutschlands Kunden und Lieferanten

Einen Eindruck von der Einbindung Deutschlands in den internationalen Handel vermitteln die Import- und Exportquote. Das Verhältnis der Einfuhren zum BIP betrug 2006 31,7 Prozent (Importquote); die Exportquote betrug 38,7 Prozent. Mit anderen Worten: Fast ein Drittel der im Inland verfügbaren Fertigwaren und Vorprodukte stammten aus dem Ausland. Etwa 40 Prozent aller Arbeitsplätze im Inland produzieren für ausländische Kunden. Berücksichtigt man zusätzlich zum Warenverkehr noch den Dienstleistungs- und den Kapitalverkehr ist die Auslandsabhängigkeit noch weitaus größer.

Außenhandel nach Warengruppen

Die Auslandsverflechtung ist nicht in allen Wirtschaftszweigen gleich. Auffallend ist, dass viele Industriezweige sowohl beim Export als auch beim Import mit hohen Zahlen vertreten sind. Dies kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden: In der Papier- und Chemieindustrie zum Beispiel müssen fast alle Rohstoffe importiert werden, ein erheblicher Teil der Fertigerzeugnisse wird exportiert. Demgegenüber finden sich im Straßenfahrzeugbau auf der Import- und der Exportseite gleichartige Erzeugnisse (Autos in- und ausländischer Hersteller). Die Differenzierung der Nachfrage auf dem Heimatmarkt ist ursächlich für diesen intra-industriellen Handel. Die deutschen Fahrzeugkunden interessieren sich zum Beispiel nicht nur für einheimische, sondern auch für japanische, französische oder italienische Automobile. Der deutsche Außenhandel ist sehr stark auf den intra-industriellen Austausch gleichartiger Produkte ausgerichtet.

Eine auf Regionen bezogene Betrachtung zeigt, wie stark Deutschland in den europäischen Binnenmarkt eingebunden ist. 2007 stammten 59,7 Prozent der Importe aus Ländern der Europäischen Union (EU-27), 64,8 Prozent der Exporte gingen dorthin. Allerdings ist zu fragen, ob es hier wirklich noch um "Außenhandel" im klassischen Sinne geht: Mit der fortgeschrittenen Integration entwickelt der europäische Binnenmarkt sich für immer mehr Unternehmen zu einem Teil des "heimischen" Marktes. Nach der Errichtung der Währungsunion wurde der intra-EU-Handel im "Euroland" praktisch zum Binnenhandel.

Auf den Handel mit den westlichen Industriestaaten (den EU-Ländern, USA, Kanada dazu auch Japan) entfallen etwa drei Viertel sowohl der Importe wie der Exporte. Daneben gewinnen Ost- und Südostasien an Bedeutung: Nach China gingen 2007 3,1 Prozent der Ausfuhren, von dort kamen 7,1 Prozent der Importe. Ebenso bedeutsam ist der Handel mit den südostasiatischen Schwellenländern (Anteile am Export 2007 3,3 Prozent, am Import 4,3 Prozent). Hohe Zuwachsraten weist auch der Handel mit den mittel- und osteuropäischen Ländern auf, die seit 2004 EU-Mitglieder sind (11,6 Prozent Anteil am Export, 13,6 Prozent Anteil am Import -Stand 2006). Etwas zurückgegangen ist der Handel mit den Staaten, die der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Organization of Petrol Exporting Countries, OPEC) angehören, unter anderem die Nahost-Staaten, Venezuela, Nigeria und Indonesien. Dies ist vor allem auf die wachsende Bedeutung von Großbritannien, Norwegen und Russland als Erdöllieferanten zurückzuführen, die neben die OPEC-Länder getreten sind.

geb. 1944, ist Professor für Wirtschaft/Politik und ihre Didaktik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktor am Institut für Sozialwissenschaften. Seine wichtigsten Forschungsgebiete sind konzeptionelle Ansätze der ökonomischen Bildung, das Verhältnis von Wirtschafts- und Politikdidaktik, Theoriegeschichte ökonomischen Denkens und Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Prof. Kruber hat an der Universität Bonn Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeografie studiert und war danach an den Universitäten Erlangen und Wuppertal tätig. 1975/76 wurde er als Professor an die damalige Pädagogische Hochschule Kiel berufen. Seit 1994 lehrt er an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität in den Lehramtsstudiengängen Wirtschaft/Politik.

E-Mail: kruber@politik.uni-kiel.de

ist nach dem Abschluss ihres Studiums für das Lehramt an Gymnasien (Wirtschaft/Politik und Englisch) als Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaft/ Politik und ihre Didaktik tätig.

Christian Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach dem Abschluss des Studiums Wirtschaft/Politik und Mathematik (Lehramt für Gymnasien) ist er dort am Lehrstuhl für Wirtschaft/Politik und ihre Didaktik tätig.

E-Mail: cmeyer@politik.uni-kiel.de