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Internationale Akteure der Entwicklungspolitik

Uwe Andersen

/ 14 Minuten zu lesen

Die UNO prägt als internationale Regierungsorganisation die Entwicklungspolitik mit: UN-Vollversammlung in New York. (© AP)

Einleitung

Die Entwicklungspolitik wird immer noch dominiert von den staatlichen Akteuren. Sie sollen im späteren Verlauf der Darstellung am Beispiel Deutschland vorgestellt werden. Im Folgenden geht es zunächst um Organisatonen auf internationaler Ebene. Dazu zählen zuvorderst die staatlichen Zusammenschlüsse in Form internationaler Regierungsorganisationen (IROs), unterteilbar in globale sowie räumliche oder funktional begrenzte Organisationen. Die internationalen Nichtregierungsorganisationen (INROs) haben mit der Globalisierung an Gewicht gewonnen. Die Verbindung zwischen IROs und INROs ist in den letzten Jahren stärker geworden, weil auch die IROs eingesehen haben, wie wichtig das Engagement der Zivilgesellschaft ist.

Globale IROs

UNO-Familie

Für die meisten Organisationen der komplexen UNO-Familie gibt es einen für IROs typischen Aufbau: Sie verfügen über ein Vertretungsorgan aller Mitglieder, das für Grundentscheidungen zuständig ist und meist nur einmal im Jahr tagt. Ein von ausgewählten Einzelstaaten besetztes Direktorium fungiert als Entscheidungsorgan, und ein Stab internationaler Bürokratie mit einem gewählten Leiter an der Spitze sorgt für die Vorbereitung und Umsetzung der Entscheidungen. Mitglieder des Stabes sind internationale Beamtinnen und Beamte, die nach Leistungskriterien ausgewählt und befördert werden sollen und deren Loyalität eigentlich nur ihrem Arbeitgeber gelten soll. In der Praxis spielt bei der Besetzung der Leitungsfunktionen auch die Staatsangehörigkeit eine Rolle, da der Finanzbeitrag, den die einzelnen Länder für die Organisation entrichten, die Personalauswahl beeinflusst. Beschlüsse werden meist nach dem Mehrheitsprinzip gefasst. Das gleiche Stimmrecht aller Mitgliedsstaaten basiert auf der völkerrechtlichen Fiktion gleicher Souveränität, sagt aber wenig aus über das tatsächliche Gewicht der USA oder Chinas im Vergleich zu dem Luxemburgs oder Äquatorialguineas.

Mit der Unabhängigkeit der Kolonien entstand ein Übergewicht der Entwicklungsländer in der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Es hat dazu geführt, dass sich die Interessen der Entwicklungsländer immer stärker in den behandelten Themen niedergeschlagen haben. Die Beschlüsse der Vollversammlung sind politische Willensbekundungen und Empfehlungen, können die Mitgliedstaaten aber nicht im Sinne völkerrechtlicher Leistungsverpflichtungen binden.

Direkt der Vollversammlung zugeordnet sind die Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Conference on Trade and Development - UNCTAD) und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program - UNDP).

  • Die UNCTAD ist 1964 von den Entwicklungsländern gegen den Widerstand der westlichen Industriestaaten durchgesetzt worden. Sie zielt auf die Verbindung von Handel und Entwicklung und gilt als erste primär auf die Interessen der Entwicklungsländer ausgerichtete und von ihnen dominierte internationale Organisation. Auf der ersten UNCTAD-Konferenz schlossen sich die Entwicklungsländer zur "Gruppe der 77" zusammen, die 132 Länder (2004) umfasst. Auch die westlichen Industriestaaten sowie die damals noch kommunistischen Länder Osteuropas haben innerhalb der UNCTAD als Gruppen agiert. Die UNCTAD hat keine exekutiven Befugnisse, kann nicht über die Vergabe von Hilfsmitteln entscheiden, sondern leistet technische Unterstützung sowie Beratung für Entwicklungsländer und dient vor allem als Verhandlungsforum. Seit den 1970er Jahren hat sie zunehmend an Bedeutung verloren, worauf auch die geringe öffentliche Aufmerksamkeit für die 2004 durchgeführte elfte UNCTAD-Konferenz hindeutet. Ein Grund dafür ist der Ausbau der Welthandelsorganisation und das Beharren der westlichen Industrieländer, Verhandlungen über das internationale Handelssystem nur dort zu führen.

  • Das UNDP entstand 1965 unter ähnlichen Rahmenbedingungen. Es ist für die "Technische Zusammenarbeit" (TZ) im gesamten UN-System zuständig und soll über seine Büros in nahezu allen Zielländern die entwicklungsbezogenen Aktivitäten der vielfältigen UN-Organisationen koordinieren. Es berät die dortigen Regierungen auch in politisch sensiblen Bereichen wie good governance und verwaltet eine Reihe spezieller Entwicklungsfonds. Öffentliche Wirkung erzielt das UNDP insbesondere mit seinem jährlichen "Bericht über die menschliche Entwicklung" (Human Development Report).

  • Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Economic and Social Council - ECOSOC) soll als wirtschafts- und sozialpolitisches Scharnier innerhalb der UN-Familie wirken. Die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen haben dem ECOSOC über ihre Tätigkeit zwar Rechenschaft abzulegen, seine Einwirkungsmöglichkeiten sind aber eher begrenzt.

Zu den einflussreichsten Sonderorganisationen der Vereinten Nationen zählen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF). Sie wurden 1944, also noch vor den UN, in Bretton Woods (USA) gegründet und bilden zusammen mit der WTO die organisatorischen Pfeiler der Weltwirtschaftsordnung in den Bereichen Entwicklungsfinanzierung, Währung und Handel.

Weltbankgruppe

Die Weltbank (offizieller Name: International Bank for Reconstruction and Development - IBRD) ist die wichtigste internationale Finanzorganisation in der Entwicklungspolitik. Organisatorisch hat sie sich in fünf Institutionen ausdifferenziert, so dass auch von der Weltbankgruppe gesprochen wird. Zu ihr gehören:

  • die eigentliche Weltbank als "Mutter";

  • die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association - IDA), die wichtigste Finanzorganisation für günstige Entwicklungskredite an die ärmsten Länder;

  • die Internationale Finanz-Kooperation (International Finance Corporation - IFC), die private Unternehmen in Entwicklungsländern mit Krediten und zeitlich befristeten Unternehmensbeteiligungen fördert;

  • die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (Multilateral Investment Guarantee Agency - MIGA), die privatwirtschaftliche Investitionen in den weniger entwickelten Ländern fördert, indem sie Versicherungen gegen nichtkommerzielle Risiken, wie Bürgerkriege oder Enteignungen, anbietet;

  • das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for the Settlement of Investment Disputs - ICSID), das bei Streitigkeiten zwischen ausländischen Investoren und den Regierungen von Entwicklungsländern zu vermitteln versucht.

Die letzten drei Organisationen mit ihrer Ausrichtung auf private Unternehmen und Direktinvestitionen haben seit dem Ende des Ost-West-Konflikts und mit der zunehmenden Globalisierung an Bedeutung gewonnen. Die Weltbank finanziert ihre Kredite an Entwicklungsländer vor allemüber die Aufnahme eigener Darlehen an den globalen Kapitalmärkten. Da die Mitgliedsländer für die Anleihen der Weltbank bürgen und sie hohes Ansehen genießt, sind die Zinssätze für sie niedriger, als wenn Entwicklungsländer direkt Geld auf den Kapitalmärkten aufzunehmen versuchten. Dennoch muss auch die Weltbank von ihren Kunden - den Entwicklungsländern - marktnahe Zinsen verlangen, die für viele von ihnen jedoch zu hoch sind.

Die Gruppe der einkommensschwächsten Entwicklungsländer erhält daher von der IDA Kredite zu subventionierten Bedingungen (Standard-Laufzeit 35 bis 40 Jahre, zehn Freijahre ohne Rückzahlung, zinslos, aber eine Bearbeitungsgebühr von 0,75 Prozent pro Jahr). Die Subventionen erbringen die Geberländer unter den Mitgliedern durch Zahlungen in einen Fonds, der regelmäßig wieder aufgestockt werden muss.

Weltbank- und IDA-Kredite sind an Bedingungen gekoppelt. Damit hat die Weltbank die Möglichkeit, auf die Regierungen der Entwicklungsländer und deren Entwicklungspolitik Einfluss zu nehmen. Sie hat dies auch zunehmend genutzt, indem sie verstärkt von der Projekt- zur Programmfinanzierung übergegangen ist und so die Gesamtpolitik der Entwicklungsländer beeinflusst, zum Beispiel durch Strukturanpassungsdarlehen und Orientierung auf good governance.

Die Weltbank hat die Diskussion über die internationale Entwicklungsstrategie nicht nur durch ihre Finanzmacht geprägt, sondern auch durch ihre Datensammlungen, Veröffentlichungen und die Beteiligung an der öffentlichen Debatte. Die seit 1978 jährlich von ihr herausgegebenen Weltentwicklungsberichte sind die wohl einflussreichste entwicklungspolitische Publikation und haben mit ihren wechselnden thematischen Schwerpunkten häufig internationale Diskussionen angestoßen.

Stimmanteile der Staaten

Die entwicklungspolitische Strategie der Weltbank wurde von Entwicklungsländern, zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Industrieländern und seitens der Wissenschaft aber immer wieder scharf kritisiert. Ein zentraler Vorwurf lautet, die Weltbank sei eine westlich dominierte Organisation. Tatsächlich verfügen Weltbank und IWF abweichend von der Regel in internationalen Organisationen über ein gewichtetes Stimmrecht. Abgesehen von einem Anteil gleicher Basisstimmen für jedes Land richtet sich das Stimmengewicht eines Mitgliedsstaates überwiegend nach dem von ihm zu leistenden Finanzbeitrag (Quote). Nur die fünf stimmenstärksten Mitglieder - darunter Deutschland - haben das Recht auf einen eigenen Direktor im Exekutivdirektorium.

Aufgrund des gewichteten Stimmrechts verfügen die westlichen Industrieländer über eine deutliche Mehrheit in IWF und Weltbank. Dies hat auch zu der Tradition beigetragen, dass der Präsident der Weltbank bisher immer ein US-Amerikaner, der geschäftsführende Direktor des IWF bisher immer ein Europäer war. Die Entwicklungsländer fordern vor diesem Hintergrund zunehmend eine "Demokratisierung", womit sie ein stärkeres Mitspracherecht meinen.

Die Kritik gerade auch von entwicklungspolitisch engagierten NROs hat dazu geführt, dass Weltbank wie IWF auf größere Transparenz ihrer Organisation wie ihrer Aktivitäten achten und sich mit Kritikern im Rahmen gemeinsamer Tagungen verstärkt auseinandersetzen.

Internationaler Währungsfonds - IWF

Der IWF zielt auf die Förderung stabiler Währungsbeziehungen. Zu diesem Zweck analysiert er die Wirtschafts- und Währungspolitik seiner Mitglieder und versucht durch Beratung rechtzeitig auf Schwachstellen hinzuweisen und sie zu beseitigen. Im Fall von Zahlungsbilanz-Defiziten und Währungskrisen kann er seinen Mitgliedern mit Krediten zu Hilfe kommen, bindet diese Darlehen aber regelmäßig an Auflagen für die Währungs- und Wirtschaftspolitik. Der IWF ist von seiner Entstehung und seinen Kernzielen her eine Währungs-, keine Entwicklungsorganisation. Seine Bedeutung für die Entwicklungsländer hat aber zugenommen: Er hat die währungspolitische und institutionelle Beratung der Entwicklungsländer - zum Beispiel Wechselkurspolitik, Rolle der Zentralbanken - stark ausgebaut. Zudem sind in den letzten Jahren Währungskredite des IWF im Zusammenhang mit Währungskrisen ausschließlich von Entwicklungsländern in Anspruch genommen worden. Innerhalb des IWF haben sich Gruppen von Staaten zusammengeschlossen, die ihre Interessen vorab abstimmen und die Politik des IWF in ihrem Sinne zu beeinflussen suchen. Die wichtigsten westlichen Industrieländer sind in der G (als Abkürzung für Gruppe) 7 vereint. Mitglieder der G 7 sind die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada, die aufgrund des gewichteten Stimmrechts zusammen schon über 45 Prozent der Stimmrechte verfügen. Die Entwicklungsländer haben sich in der G 24 zusammengeschlossen, die jeweils acht Mitgliedsländer aus Lateinamerika, Afrika und Asien umfasst.

IWF und Weltbank unterhalten gemeinsam das Entwicklungskomitee (Development Commitee). Es ist ein hochrangiges Gremium, dem in der Regel Minister angehören. Deutschland wird durch die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung repräsentiert. Bei den meist zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen, in denen Industrie- und Entwicklungsländer vertreten sind, werden wichtige Fragen der Entwicklungsstrategie erörtert und nach Möglichkeit entwicklungspolitische Impulse für die Arbeit von IWF und Weltbank abgeleitet.

Welthandelsorganistation - WTO

Die Welthandelsorganisation (WTO) - formal keine UN-Sonderorganisation - wurde 1995 gegründet. Sie baut auf dem 1948 abgeschlossenen Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade - GATT) auf, in dem bis 1994 die Regeln für den internationalen Handel festgelegt worden waren. Die WTO bezieht nicht nur den Güterhandel ein, sondern auch den Handel mit Dienstleistungen und den Schutz geistigen Eigentums. Ihr Kernziel ist es, Handelshemmnisse abzubauen und Handelsvorteile allen Mitgliedern zugute kommen zu lassen (Meistbegünstigungsklausel). Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die WTO unter anderem auf ein ausgebautes, bindendes Streitschlichtungsverfahren bei Handelskonflikten. In mehrjährigen so genannten Handelsrunden wird über den Abbau von Handelshemmnissen und die Festlegung einheitlicher Mindeststandards verhandelt.

Die Entwicklungsländer sind zunehmend der WTO beigetreten, die Volksrepublik China im Dezember 2001. Obwohl sie in der Landwirtschaft und in der Textilindustrie besonders wettbewerbsfähig sind, werden ihre Exporte in die Industrieländer durch Zölle, Quoten (das heißt, Importe werden mengenmäßig begrenzt), Stützungsmaßnahmen für die Produzenten in den Industrieländern und Exportsubventionen behindert. Damit wird ein Wettbewerb verhindert. Die Agrarsubventionen der OECD-Staaten waren 2001 größer als das gesamte Sozialprodukt Afrikas südlich der Sahara und sechsmal so groß wie die geleistete Entwicklungshilfe.

Im Handelsbereich und entsprechend in den WTO-Verhandlungen dominieren immer noch die westlichen Industriestaaten, auch wenn einige Entwicklungsländer wie China an Gewicht gewonnen haben. Kommt es nicht zu Vereinbarungen im Rahmen der WTO, sind zweiseitige und regionale Vereinbarungen, die ohnehin eine wichtige Rolle spielen, eine Alternative. Sie gehen jedoch häufig zu Lasten der Entwicklungsländer. Deren Droh- und Druckpotential im Handelsbereich ist eng begrenzt. Bei den sehr komplizierten Verhandlungen in der WTO sind die Entwicklungsländer schon deshalb benachteiligt, weil es ihnen an Spezialwissen und geschulten, kompetenten Verhandlungsführern mangelt. Auch hier setzen Hilfsmaßnahmen zur Beratung und Schulung an, die die Asymmetrie in den Verhandlungen bisher aber nicht beheben konnten. Da der Abbau handelspolitischer Beschränkungen auch innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer auf unterschiedliche Interessenlagen trifft - die Schwellenländer profitieren davon ungleich mehr als die LDC - wenden sich gerade letztere auch strikt gegen den Slogan "Handel statt Hilfe" (Trade not Aid). Ihre Forderung lautet "Handel und Hilfe".

QuellentextSpielregeln in der WTO

[...] Obwohl mehr als zwei Drittel der 146 WTO-Mitglieder aus Entwicklungsländern kommen, bewegt sich in den für sie entscheidenden Fragen noch zu wenig: bei der "besonderen und differenzierten Behandlung" - Ausnahmen, Fristverlängerungen und Hilfen, die die fragilen Wirtschaftssysteme schützen sollen. Beim Zugang zu den Märkten der Industrieländer. Aber vor allem beim Abbau der Agrarsubventionen Europas und der USA. [...]
Ein Marathon von 1000 Sitzungen in einem Jahr haben Aileen Kwa und Fatoumata Jawara von der Nichtregierungsorganisation Focus on the Global South gezählt. Immer mehr dieser Treffen fänden informell statt. Ein Ärgernis für viele Entwicklungsländer. "Erst nachher kriegt man mit, dass sie stattgefunden haben", sagt ein asiatischer Delegierter, "und oft nur durch Gerüchte." Informell heißt ohne Protokoll: Allein die Teilnehmer wissen, welche Äußerungen gefallen, welche Händel vorgeschlagen worden sind. Wer nicht dabei war, kann auch das Verhalten der Länder beim großen Pokerspiel der Interessen kaum deuten.
Zwar geben die Kritiker zu, dass exklusive Einladungen manchmal notwendig seien, um voranzukommen. Und dennoch: "Der Prozess, um Teilnehmer informeller Sitzungen auszuwählen, ist eindeutig willkürlich und undemokratisch", sagt Toufiq Ali, Botschafter Bangladeschs und zugleich Sprecher der ärmsten Länder. [...]
Die vier Großen (USA, die Europäer, Japan und Kanada - Anm d. Red.). bilden in der WTO-Sprache die "Quadrilateral Group", kurz die "Quads"; sie kontrollieren zusammen rund 80 Prozent des Welthandels. Auch bei den so genannten Mini-Ministerials, informellen Treffen der Minister, sind sie stets in voller Zahl vertreten. Zwar dürfen auch einzelne Dritte-Welt-Vertreter dazustoßen. Aber manche seufzen hinterher: "Sie wollen uns nur ihre Themen oktroyieren." So werde in der WTO zwar über Patente verhandelt, aber nicht - beispielsweise - über Rohstoffpreise. [...]
Haben USA und EU mehr Gewicht in der WTO? "Ja", sagt WTO-Sprecher Keith Rockwell. "Deren Wirtschaftsmacht ist nun mal eine Realität. Aber wenn Sie fragen, ob die WTO demokratisch sei, lautet die Antwort wieder ja."
Rockwell empfiehlt die Lektüre der "Bibel", wie er den 40000-seitigen WTO-Vertrag ironisch nennt. Da finde man das Konsensprinzip: "Wenn nur einer nein sagt, ist der Prozess für alle gestoppt." Demokratisch sei, dass die Beschlüsse der Doha-Runde nach dem vorgesehenen Abschluss 2005 von den nationalen Parlamenten bestätigt werden müsse - "eine Dimension, die in der Öffentlichkeit noch nicht verstanden worden ist". (Übrigens auch noch zu wenig vom Deutschen Bundestag.) Vor allem solle der Verhandlungsprozess niemanden diskriminieren, auf klaren Regeln gründen, durchsichtig und vorhersehbar sein.
"Theoretisch." Das Wort fällt, wann immer man mit eiligen Dritte-Welt-Delegierten spricht. Meistens lächeln sie dazu, süßsauer. Einige berichten dann von Anrufen in ihren Hauptstädten, in denen sich meist die US-Regierung, aber auch schon mal Europäer über das störrische Verhalten des Genfer Botschafters beschwert und dabei dezent auf Kredite oder Handelspräferenzen hingewiesen hätten. "Unsere Minister wissen oft nicht im Detail, worüber wir hier verhandeln", sagt ein asiatischer Delegierter. "Im Zweifel entscheiden sie sich dann für den Kredit und pfeifen uns zurück."
Beim Feilschen um Handelsabkommen zählt eben, wer was bieten kann. Das ist bei Habenichtsen nur ihre Stimme. Um des lieben Konsenses willen zeigt man ihnen dafür auch Peitsche und Zuckerbrot. [...]
Doch wer glaubt, die Entwicklungsländer seien immer eine "große, glückliche Familie", vereint gegen die Starken, der irrt, sagt Cecilia Oh. Auch Schwellenländer mit beachtlichen Exportinteressen finden, der Prozess müsse schön flexibel bleiben. Der Delegierte eines solchen wohlhabenderen Landes schiebt die Schuld dennoch den westlichen Industrienationen zu. "Das Problem sind nicht die Verfahren. Sondern dass die großen Spieler nicht mit ernsthaften Zugeständnissen Verantwortung übernehmen." [...]
Jean Ziegler ( UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung - Anm. d Red.) würde die WTO am liebsten abschaffen [...].
Die meisten Entwicklungsländer aber sehen das trotz aller Drangsal anders. Vor allem angesichts der neuen Neigung der Großen, die Regeln des WTO-Abkommens mit bilateralen Verträgen zu unterminieren. [...]
Auch der Botschafter eines kleinen afrikanischen Landes sagt: "In der WTO kann man wenigstens mit den Mächtigen reden. Wenn wir aber allein sind, dann gehen die nicht mal ans Telefon."

Christiane Grefe, "Die Angst vor der letzten Minute", in: Die Zeit Nr. 36 vom 28. August 2003.

Weitere globale Organisationen

Auch wenn Weltbank, IWF und WTO die tragenden institutionellen Säulen des Weltwirtschaftssystems sind, gibt es eine Vielzahl weiterer UN-Sonderorganisationen, anderer internationaler Regierungsorganisationen und Sonderfonds, die zumindest teilweise auch in der Entwicklungspolitik tätig und damit für die Entwicklungsländer von Interesse sind.

Beispiele für entwicklungspolitisch wichtige Sonderorganisationen sind die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agricultural Organization - FAO), die Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (United Nations Industrial Development Organization - UNIDO), für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization - UNESCO) und die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization - WHO). Beispiele für Programme und Fonds mit eigenem institutionellem Unterbau, aber in unterschiedlicher organisatorischer Zuordnung und Finanzierung innerhalb des UN-Systems sind der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund - UNFPA), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Childrens Fund - UNICEF), die Globale Umweltfazilität (Global Environment Facility - GEF) und der 2001 neu eingerichtete Globale Fonds zum Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria (Global Fund to fight Aids, Tuberculosis and Malaria - GFATM).

Die Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen (United Nations Development Group - UNDG) ist 1997 von UN-Generalsekretär Kofi Annan als Reforminstrument gegründet worden, um die Vielzahl der im UN-System mit Entwicklungsländern befassten Programme, Fonds und Sonderorganisationen zusammenzuführen und eine größere Abstimmung und Wirksamkeit zu erreichen. Die Erfolge sind angesichts der Eigeninteressen der unterschiedlichen Organisationen und der geringen Druckmöglichkeiten der UNDG dürftig. Die Unübersichtlichkeit des UN-Systems und die vielfältigen, einander überschneidenden Zuständigkeiten sind ein wichtiger Grund dafür, dass seit Jahren eine Reform der UN gefordert und diskutiert wird.

IROs mit begrenztem Anspruch

Regionalorganisationen

Wirtschaftliche Zusammenschlüsse

Auch die UNO hat einen regionalen Unterbau in Form von fünf speziellen, auf die Kontinente orientierten Regionalkommissionen (ESCAP - Asien und Pazifik, ESCWA - Westasien, ECA - Afrika, ECLAC - Lateinamerika und Karibik sowie ECE - Europa), die insbesondere bei der regionalen Datensammlung und Analyse wertvolle Arbeit leisten. Ähnlich wie die Weltbank auf globaler Ebene existieren auch regionale Entwicklungsbanken, in denen allerdings nicht nur die Staaten aus der Region, sondern auch die Geberländer Mitglied sind. Die Finanzierung der Kredite folgt grundsätzlich dem Weltbankmuster, das heißt teils über den Kapitalmarkt, teils über Zuschüsse der Geberländer bei ermäßigten Zinssätzen.

Auch die Versuche unter Entwicklungsländern, im regionalen Rahmen gemeinsamene Märkte aufzubauen und die gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen zu verstärken, nehmen an Zahl und Bedeutung zu. Beispiele für solche regionalen Integrationsansätze sind für Afrika die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC), für Asien die Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN) und für Lateinamerika der gemeinsame Markt Südamerikas (MERCOSUR). Vorbild, wenn auch hinsichtlich Integrationsgrad und Bedeutung viel weitreichender, ist die Europäische Union (EU).

Die AKP-Länder

Diese engagiert sich gegenüber den Entwicklungsländern seit 1975 in einer entwicklungspolitischen Partnerschaft mit den früheren Kolonien der Mitgliedstaaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Staaten). 2000 wurde in Cotonou/Benin ein neues, breit angelegtes Partnerschaftsabkommen mit einer Laufzeit von 20 Jahren unterzeichnet (Abkommen von Cotonou), das nicht nur die aus dem EU-Haushalt und aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanzierte Entwicklungshilfe umfasst, sondern auch regionale Freihandelsabkommen, Migrationsregelungen, politischen Dialog und Bemühungen um good governance.

Funktional begrenzte Organisationen

Neben regionalen Organisationen gibt es aber auch Institutionen, deren Orientierung nur auf ein bestimmtes Ziel oder eine Aufgabe zu einem begrenzten Mitgliederkreis führt. Ein Beispiel ist die einflussreiche, nur auf ein Produkt ausgerichtete Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Ihr gehören ausschließlich Entwicklungsländer an, nicht dagegen wichtige Ölexporteure wie Norwegen, Großbritannien und Russland. Mit ihrer Ölpreispolitik beeinflusst die OPEC auch die Entwicklungschancen der meisten Entwicklungsländer, die in der Regel Öl importieren müssen.

Eine andere "begrenzte" Organisation ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie ist heute das wichtigste Instrument der Zusammenarbeit und Abstimmung der westlichen Industriestaaten und zeichnet sich durch eine sehr flexible Organisationsstruktur und eine Vielzahl von Arbeitsgruppen aus. Innerhalb der OECD ist das Entwicklungshilfekomitee (DAC) ein besonders wichtiges Diskussions- und Abstimmungsgremium für die Entwicklungspolitik der westlichen Geberländer. Eine noch enger begrenzte Gruppe mit Klubcharakter ist die G 7, die teilweise durch Beteiligung Russlands seit 2000 zur G 8 wurde. Sie veranstaltet seit 1975 Weltwirtschaftsgipfel, die jährlich in einem der Mitgliedsländer die Staats- bzw. Regierungschefs zu einer Diskussion der wichtigsten Probleme auf der höchsten politischen Ebene zusammenführen. Die auf den Weltwirtschaftsgipfeln behandelten Themen sind schnell über den ökonomischen Bereich hinaus auf alle Weltprobleme erweitert worden, und in den letzten Jahren sind mehrfach auch Probleme der Entwicklungspolitik einbezogen worden. 2002 wurden in Kananaskis/Kanada zum Beispiel mehrere afrikanische Regierungschefs zur Diskussion über die neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (Nepad) eingeladen.

QuellentextNepad - eine afrikanische Initiative

Abuja, Nigeria, Oktober 2001: Die Staatschefs verabschieden Nepad, die New Partnership for Africa's Development, ein gewaltiges Wiederaufbauprogramm für ihren maroden Erdteil. Durban, Südafrika, Juli 2002: Die African Union (AU) wird gegründet; sie ist nach dem Vorbild der EU gestaltet und ersetzt die antiquierte und ziemlich nutzlose Organisation für afrikanische Einheit (OAE). Sirte, Libyen, März 2004: Der Peace and Security Council und die Schnelle Eingreiftruppe werden beschlossen. Johannesburg, Südafrika, September 2004: Das panafrikanische Parlament tagt zum ersten Mal. All diese historischen Reformprojekte gehen von Afrika und den Afrikanern aus, ein Novum in der postkolonialen Geschichte. "Unser Kontinent hat entschieden, wohin er gehen will", verkündet Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der Spiritus Rector der "afrikanischen Renaissance". [...]
Der Lackmustest heißt Darfur. Es hat niemanden verwundert, dass die sudanesische Regierung den Plan der AU, eine Interventionstruppe mit robustem Mandat zu entsenden, zunächst empört zurückgewiesen hat; dies würde, hieß es in Khartum, auf »Kolonialismus« hinauslaufen - das beliebte Totschlagargument gegen jede Form der Einmischung. Auch Simbabwe wird ein schwerer Prüfstein für die Glaubwürdigkeit des afrikanischen Völkerbundes. Denn dort tritt der machtkranke Despot Robert Mugabe all jene hehren Grundsätze mit Füßen, auf die sich die AU verpflichtet hat: Demokratie, Wahrung der Menschenrechte, gute Regierungsführung.
Es wurde sogar ein Instrument zur freiwilligen Selbstüberwachung eingerichtet, der so genannte African Peer Review Mechanism (APRM). Allein von diesem Kontrollorgan hat man in puncto Simbabwe noch kein einziges Wörtchen der Kritik gehört. Der Zweifel, ob es sich behaupten wird, ist berechtigt, zumal die meisten Regierungen der 24 Staaten, die APRM bislang ratifiziert haben, autoritäre oder bestenfalls halbdemokratische Regime sind. Man kann sich jedenfalls schwer vorstellen, dass sich eigensinnige Länder wie Äthiopien, Algerien oder Ruanda schurigeln lassen. [...]
Fest steht: Europas Afrika-Politik bleibt unbeweglich, solange sie nicht präventiv, sondern rein reaktiv definiert wird - als Politik zur Abwehr oder Eindämmung von Gefahren. Der Westen fürchtet die Migrantenströme, Verbrecherkartelle und Seuchenherde des Kontinents, vor allem aber fürchtet er seine Chaosmächte. [...]
Die Probleme Afrikas sind einfach zu groß, um sie ignorieren oder auf sicherheitspolitische Nebenfragen reduzieren zu können. Die Gründer der AU wünschen sich mehr Weitsicht, mehr Fantasie, mehr Mut von ihren Paten in der EU. Sie erwarten, dass ihnen die Europäer im Kampf gegen Aids unter die Arme greifen, denn keinen anderen Kontinent sucht die Pandemie so verheerend heim. Sie hoffen, dass Brüssel die absurden Agrarsubventionen streicht und die heimischen Märkte öffnet; es wäre der schnellste Weg, um Arbeit und Stabilität in Afrika zu schaffen. [...]
Aber vor dem Wohlstand steht der Frieden. Zur Jahrtausendwende wurden zwei Dutzend afrikanische Staaten von latenten oder offenen Konflikten erschüttert. Man sollte sich von der Schnellen Eingreiftruppe nicht zu viel versprechen, aber die Erfolge der ersten bewaffneten Intervention in Burundi, die die AU bereits 2002 gestartet hatte, sind ermutigend. [...]

Bartholomäus Grill, " Afrika lernt, sich selbst zu helfen", in: Die Zeit Nr. 42 vom 7. Oktober 2004.

Die G 7/G 8 ist ein Club von Schlüsselländern. Wenn während ihrer Treffen Weltprobleme diskutiert und Absprachen getroffen werden, fallen damit Vorentscheidungen für die Beschlussfassung der internationalen Regierungsorganisationen. Verständlicherweise kritisieren insbesondere die nicht der exklusiven Gruppe angehörenden Länder diese als nicht repräsentativ für die Weltgemeinschaft und bestreiten ihre Legitimation. Zurzeit wird der Beitritt von China, Indien und Brasilien diskutiert. In Reaktion auf die Kritik hat die G 8 bereits eine G 20 initiiert, die zusätzlich zu den G8-Mitgliedern Australien und die großen Schwellenländer der Dritten Welt einbezieht. Die Kritik der kleinen, schwächeren Länder, dass in einem solchen System von Vorentscheidern ihre Stimmen kaum noch gehört und ihre Interessen noch leichter vernachlässigt werden, bleibt aber berechtigt.

Internationale Nichtregierungsorganisationen

Die Globalisierung hat auch dazu geführt, dass sich die NROs zunehmend international organisieren und damit zu INROs (Internationale Nichtregierungsorganisationen) werden. Die wachsende Kritik an der mangelnden Wirksamkeit der staatlichen Entwicklungspolitik von Regierungen und IROs hat Nichtregierungsorganisationen zeitweilig zu Hoffnungsträgern werden lassen, weil ihnen mit Hinweis auf ihre bessere Basisanbindung, geringere Bürokratie und Politikabhängigkeit eine erfolgreichere Entwicklungspolitik zugetraut wurde.

Inzwischen sind die Einschätzungen vorsichtiger geworden. So hat die vermehrte Entwicklungshilfe über NROs auch dazu geführt, dass sich in den Entwicklungsländern NROs bildeten, die nur auf persönliche Bereicherung zielten. Dennoch sind gerade INROs in der entwicklungspolitischen Debatte wichtiger geworden. Wie bei den nationalen Akteuren lassen sich unterschiedliche Gruppen unterscheiden. Kirchen haben Mitgliedsorganisationen in Entwicklungs- wie in Industrieländern und engagieren sich sowohl in Entwicklungsprojekten als auch in der entwicklungspolitischen Debatte.

QuellentextKirchliche Entwicklungsarbeit

Vor einem knappen halben Jahrhundert drängte der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings als Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz darauf, den Skandal der Kluft zwischen Arm und Reich mit politischen und strukturellen Maßnahmen zu bekämpfen. [...] Und so rief er das bischöfliche Hilfswerk "Misereor" ins Leben, das allein im Jahr 2003 etwa 150 Millionen Euro für die Dritte Welt aufwenden konnte. [...]
Die Spendenaktion "Brot für die Welt" der evangelischen Landes- und Freikirchen sowie der alt-katholischen Kirche kann ebenfalls auf eine fast 50-jährige Geschichte zurückblicken. Sie konnte 2003 rund 55,5 Millionen Euro an Spenden zugunsten der notleidenden Menschen auf der südlichen Erdhalbkugel verbuchen. Gegenüber dem Jahr 2002 bedeutet dies ein Zuwachs um elf Prozent. [...]
Die Zusammenarbeit zwischen "Misereor" und "Brot für die Welt" ist sehr eng. Sie reicht von der Absprache über Hilfsprojekte bis hin zur gegenseitigen Aushilfe mit Geld, wenn der einen Seite kurzfristig einmal die finanziellen Mittel für ein wichtiges Hilfsprojekt ausgehen. Ökumene ist beiden Hilfswerken längst eine praktizierte Selbstverständlichkeit - in Deutschland, wenn es um die gemeinsame Interessenvertretung gegenüber Staat und Gesellschaft geht, in der Dritten Welt, wo die notleidenden Menschen nicht nach ihrer Konfession gefragt werden.
Die Organisation der Hilfswerke ist freilich sehr unterschiedlich. Während das bischöfliche Hilfswerk "Misereor" nicht nur die Spendengelder (sowie das jährliche Fastenopfer der Katholiken) verwaltet, sondern auch die Kirchensteuergelder für die Dritte Welt sowie die finanziellen Mittel, die die Bundesregierung über die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE) zur Verfügung stellt, handelt es sich bei "Brot für die Welt" nach wie vor um ein reines Spendenwerk. Dieses ist (noch) Teil des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Letztere hat inzwischen die meisten ihrer entwicklungspolitischen Maßnahmen im Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) mit Sitz in Bonn gebündelt. Der EED verwaltet die Gelder der Landeskirchen (mindestens ein Prozent der Kirchensteuereinnahmen sollen für die Dritte Welt verwandt werden, darüber hinaus ein weiteres freiwilliges Prozent, wie etwa in der evangelischen Kirche im Rheinland). Dazu kommen die staatlichen Zuschüsse des Bundes und der Europäischen Kommission, die in der Hauptabteilung Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) gebündelt sind. Zahlreiche andere Werke und Aufgaben sind im EED nun zusammengefasst, der sich auch um die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Inneren kümmern soll. Dazu kommen Friedensdienste und ökumenische Stipendien in Entwicklungsländern. [...]

Christof Markus, "Entwicklungshilfe ist längst das Flaggschiff der deutschen Kirchen", in: Das Parlament Nr. 35/36 vom 23./30. August 2004.

Organisationen wie CARE (Cooperative for American Relief to Everywhere) haben in einer Vielzahl von Ländern eigene Organisationen aufgebaut und arbeiten vor allem in der praktischen Entwicklungshilfe. Auf eine Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung durch Publikationen, Stellungnahmen und Demonstrationen setzt dagegen ATTAC. Die Organisation ist mittlerweile weltweit aktiv (mit Schwerpunkt in Europa). Sie kritisiert die Auswirkungen der Globalisierung und die Politik der internationalen Wirtschaftsorganisationen - gerade im Hinblick auf die Entwicklungsländer. Ihre Kritik zielt auch auf die Privatwirtschaft, insbesondere auf die transnationalen Unternehmen. Deren Zentrale befindet sich meist in einem Industrieland, sie spielen mit ihren Entscheidungen, ihrer Investitions- und Geschäftspolitik aber für die Entwicklungsländer eine wichtige Rolle. Als Gegenentwurf zum primär von der Geschäftswelt finanzierten und besuchten "Weltwirtschaftsforum" in Davos/Schweiz organisierten globalisierungskritische NROs in den letzten Jahren einen "Weltsozialgipfel". Er tagt - wie das Weltwirtschaftsforum - einmal jährlich in wechselnden Entwicklungsländern und hat beachtliche öffentliche Aufmerksamkeit gefunden.

QuellentextWünsche für eine andere Welt

Eine andere Welt ist möglich, glaubt Blanca Chancoso, deshalb ist sie hier. Die kleine Frau in der blütenweißen Tracht kommt aus Otavalo in den Anden Ecuadors. [...] Sie vertritt Ureinwohner, die sich seit 500 Jahren ausgebeutet und unterdrückt fühlen. Nun sitzt die Aktivistin Chancoso beim Weltsozialforum in der brasilianischen Großstadt Porto Alegre an einem langen Tisch und erläutert ihren Widerstand. "Wir leben auf der Straße, und man verweigert uns das Land. Viele von uns werden nicht als Menschen behandelt, und man plündert unsere Bodenschätze", sagt Blanca Chancoso auf Spanisch, "aber wir kämpfen für unser Recht auf Gleichheit und Gerechtigkeit. Wir akzeptieren die Zwänge nicht mehr." [...]
"Eine andere Welt ist möglich." Der Satz ist eine Herausforderung an die gesammelten Probleme der Menschheit und speziell an das Weltwirtschaftsforum, das ebenfalls an diesem Wochenende tagt, im vornehmen Davos. Im Schweizer Winter treffen sich hinter Stacheldraht Politstars wie Tony Blair mit Spitzenmanagern wie Bill Gates.
Im brasilianischen Sommer versammeln sich bei dieser Ideenmesse linke Ikonen wie Danielle Mitterand oder José Saramago und auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Vor allem aber die Basis, die von multinationalen Initiativen wie Attac, Greenpeace und Caritas bis zu den französischen "Freunden des Lebens" reicht. Es geht um Frieden, Bush, Irak, Hunger, Boden, Wasser, Gentechnologie, Privatisierung, Kolumbien, Volksbeteiligung. Um Globalisierung und Neoliberalismus. Eine andere Welt eben.
Einer versucht den Brückenschlag nach Davos. Brasiliens charismatischer Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva sprach am Donnerstag hier über seine Kampagne gegen die Armut und spricht am Samstag dort in Davos. Seinem Aufstieg ist dieses Weltsozialforum ja vor allem zu verdanken. Porto Alegre war eine Bastion seiner Arbeiterpartei PT, ehe sie 2004 den Bürgermeister verlor. [...]
Die Organisatoren grübeln, wie die Bewegung jenseits der Parolen effektiver werden könnte. [...] Andere mahnen zur Geduld. Die französische Revolution habe auch 100 Jahre lang gebraucht, ihre Errungenschaften durchzusetzen, erinnert der deutsche Attac-Mann Philipp Hersel. Immerhin erlebt man "den historischen Versuch, eine transnationale Zivilgesellschaft auf die Beine zu stellen". [...]
So begegnen sich Umweltspezialisten, Kirchenleute, Friedensbewegte, Kommunisten, Utopisten, Pragmatiker. Eine bayerische "Initiative für das Europa der Bürger" ist dabei, und ein Deutscher will versuchsweise ein Weltparlament einberufen.
Die Indioführerin Blanca Chancoso aus Ecuador [...] ist am Freitag um halb neun in Sektor F zu finden, Bereich "Soziale Kämpfe und demokratische Alternativen". Gemeinsam mit dem brasilianischen Landlosenchef Joao Pedro Stedile und unterstützt von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, präsentiert sie in Raum 603 die Vereinigung World Dignity Forum. Dignity heißt Würde. Ein großer Wunsch für eine andere Welt.

Peter Burghardt, "Im Irrgarten des Ungleichgewichts", in: Süddeutsche Zeitung vom 28. Januar 2005

Die neuen Kommunikationsmittel haben zur wachsenden Zahl und zum größeren Gewicht der INROs beigetragen. Ihre Aktionsformen reichen von Demonstrationen und - teilweise gewaltsamen - Blockadeversuchen bei internationalen Konferenzen über Öffentlichkeitsarbeit bis zu selbstständig durchgeführten Entwicklungsprojekten. Häufig messen sie die Entwicklungspolitik der IROs an hohen moralischen Maßstäben, kritisieren die Haltung der nationalen Regierungen und bezweifeln deren Legitimation.

Die Frage nach der Legitimation müssen sich allerdings auch die INROs selbst gefallen lassen, die häufig nur wenige Mitglieder haben und bisweilen nicht frei sind von Eigeninteressen. Der Druck und die öffentliche Resonanz der INROs haben aber dazu beigetragen, dass die IROs sehr viel mehr Wert auf Transparenz ihrer Organisation und ihres Handelns legen, die Diskussion mit Vertretern der INROs suchen und sie zunehmend als Beobachter zu Konferenzen einladen.