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Migration | Deutschland in Daten | bpb.de

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Migration

Jochen Oltmer

/ 3 Minuten zu lesen

Die historische Migrationsforschung befasst sich nicht nur mit grenzüberschreitenden, sondern auch mit inter- und intraregionalen Wanderungsbewegungen. Für die deutsche Migrationsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte kann man fünf markante Prozesse bestimmen.

Migration kann verstanden werden als die auf einen längerfristigen Aufenthalt angelegte räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Individuen, Familien, Gruppen oder auch ganzen Bevölkerungen. Politisch, statistisch und medial besonders intensiv werden Migrationen dann beobachtet, wenn staatliche Grenzen überschritten worden sind. Die Migrationsforschung bezieht sich allerdings in der Regel auf einen weiteren, nicht nur die grenzüberschreitenden Wanderungen berücksichtigenden Migrationsbegriff, der auch inter- und intraregionale Wanderungen innerhalb eines Staatsgebietes umschließt, die für die gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung hohes Gewicht einnehmen können.

Im Wanderungsgeschehen Deutschlands des 19., 20. und frühen 21. Jahrhunderts lassen sich fünf markante und grundlegende Prozesse ausmachen:

  1. Vom frühen 19. Jahrhundert bis in die 1890er Jahre dominierten die transatlantischen Massenauswanderungen von Deutschen, die zu mehr als 90 Prozent die Vereinigten Staaten von Amerika erreichten.

  2. Industrialisierung, Urbanisierung und Agrarmodernisierung führten im 19. Jahrhundert zu einem fundamentalen Wandel der Migrationsverhältnisse: Neue und rapide aufstrebende industriell-urbane Ballungsräume boten nunmehr unterbürgerlichen und unterbäuerlichen Gruppen, aber auch (neuen) Mittelschichten Erwerbschancen, die zu millionenfachen internen und grenzüberschreitenden Wanderungen führten.

  3. Aus dem grundlegenden Umbau von Staatlichkeit im 19. Jahrhundert resultierten vielfältige Veränderungen der Rahmenbedingungen von Migration und Integration mit weitreichenden Folgen im 20. Jahrhundert: Nationsbildung zur Absicherung der Legitimität staatlicher Herrschaft wirkte dabei Ende des 19. Jahrhunderts zusammen mit kolonialistischen und imperialistischen Bestrebungen sowie dem Auf- und Ausbau des Interventions- und Sozialstaates, der auf die Massenpolitisierung und die weit ausgreifende Organisation politischer Interessen reagierte. Aus diesem Gefüge resultierten neue Muster der staatlichen Wahrnehmung grenzüberschreitender und interner Migrationen bzw. von Zuwanderergruppen. Sie mündeten zum Teil in die Errichtung gesetzlicher und administrativer Zugangsbarrieren gegenüber jenen Gruppen, denen ein hohes Maß an Fremdheit zugeschrieben wurde, aber auch in die Öffnung privilegierter Zugänge für andere Gruppen, die als national zugehörig galten. Der erhebliche Ausbau der staatlichen Ordnungs- und Interventionskapazitäten ermöglichte zugleich die Umsetzung migrationspolitischer Vorstellungen.

  4. Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und deren politische Folgen führten zu einer enormen Zunahme der Zwangswanderungen. Das galt für Deportation und Zwangsarbeit in den Kriegswirtschaften, für Evakuierung und Flucht aus den Kampfzonen sowie für Massenausweisung und Vertreibung nach Kriegsende. Deutschland war sowohl im und nach dem Ersten Weltkrieg als auch im und nach dem Zweiten Weltkrieg ein Zentrum des europäischen Zwangswanderungsgeschehens.

  5. Die Migrationsverhältnisse in der Bundesrepublik sind ein Beispiel für die Etablierung eines neuen Migrationsregimes in Rechts- und Wohlfahrtsstaaten seit Mitte des 20. Jahrhunderts: Eine weitreichende Zulassung von ausländischen Arbeitskräften seit den 1950er Jahren mit Hilfe zwischenstaatlicher Anwerbeabkommen in einer Situation hohen wirtschaftlichen Wachstums korrespondierte bei zunehmender Aufenthaltsdauer mit einer sukzessiven Verfestigung des Aufenthaltsstatus der Zuwanderer. Damit schrumpften zugleich staatliche Spielräume zum Abbruch von Prozessen dauerhafter Niederlassung und Nachwanderung, selbst nach dem Ende der Anwerbephase 1973. In der DDR, wo Ausländerbeschäftigung ein wesentlich niedrigeres Niveau hatte, wurde demgegenüber dauerhafte Zuwanderung und Integration in der Regel verhindert. Nach den Grenzöffnungen 1989 / 90 gewann die im "Kalten Krieg“ auf ein Minimum beschränkte Ost-West-Wanderung erneut erheblich an Bedeutung, zum Teil knüpften die europäischen Migrationsverhältnisse wieder an die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg an.

Zunächst blickt der Beitrag auf die Entwicklung des Abwanderungsgeschehens aus Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, um dann über die Beschreibung der Angaben zu ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland sowie zu den Zuzügen nach Deutschland seit Ende der 1940er Jahre Aspekte der Entwicklung des Zuwanderungsgeschehens darstellen zu können. Die Darstellung wird vertieft über die Dokumentation der Wanderungsbewegungen zwischen DDR und Bundesrepublik, die Zuwanderung von Aussiedlern sowie von Flüchtlingen, die in der Bundesrepublik seit Anfang der 1950er Jahre um Asyl nachsuchten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Überlegungen zur Definition des Gegenstandes und zu seinen Erscheinungsformen: Jochen Oltmer: Globale Migration. Geschichte und Gegenwart, München 2012, S. 14 – 32. Die Anmerkungen beschränken sich im Folgenden auf ein Minimum.

  2. Dazu ausführlich: Jochen Oltmer: Migration im 19. und 20. Jahrhundert (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 86), 2. Aufl., München 2013.

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Dr. phil. habil., geb. 1965, ist Apl. Professor für Neueste Geschichte und Mitglied des Vorstands des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.