Daten zu Haushalt und Familie wurden seit dem frühen 19. Jahrhundert zunehmend systematisch von staatlichen Behörden erhoben und publiziert. Dafür wurden einerseits die jährlichen Daten zur Bevölkerungsbewegung genutzt, die von den bis 1874 für das Personenstandswesen zuständigen Kirchengemeinden (und danach von den Standesämtern) festgehalten wurden, andererseits, meist im Dreijahresrhythmus, Ergebnisse von Volkszählungen. Für die Zeit nach 1871 hat das Kaiserliche Statistische Amt, später das Statistische Reichsamt, in der DDR die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik und in der Bundesrepublik das Statistische Bundesamt entsprechende Reihen publiziert. Komplex ist die Quellenlage daher allenfalls für die Zeit vor 1871, und zwar aus drei Gründen: Erstens weil auf die Daten der einzelnen, erst 1871 zusammengeschlossenen Territorien zurückgegriffen werden muss, zweitens weil es sich um eine Übergangsperiode zwischen der "Protostatistik" des 18. Jahrhunderts und der modernen amtlichen Statistik handelt, drittens weil bereits im 19. Jahrhundert nachträgliche Rekonstruktionen zu zentralen Reihen der Zeit vor 1871 mit räumlichem Bezug auf das spätere Reichsgebiet erstellt wurden
Zu einer systematischen Erschließung des proto- und frühstatistischen Quellenmaterials für Deutschland kam es erst seit den 1990er Jahren durch Rolf Gehrmann bzw. das Laboratory for Historical Demography am Max-PlanckInstitut für demografische Forschung in Rostock.
Zum Weiterlesen empfohlen
Josef Ehmer: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1800 – 2010, München 2013.
Andreas Gestrich /Jens-Uwe Krause / Michael Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003.
Georg Fertig: Demographische Revolution: Die Geschichte der Weltbevölkerung, 1700 –1914, in: Walter Demel /Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.): Wissenschaftliche Buchgesellschaft Weltgeschichte, Bd. 5: Die Entstehung der Moderne: 1700 bis 1914, Darmstadt 2010, S. 13 – 40.
Rolf Gehrmann/Thomas Sokoll: Historische Demographie und quantitative Methoden, in: Michael Maurer (Hrsg.): Aufriß der historischen Wissenschaften, Bd. 7: Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2003.
Patrick R. Galloway / Eugene A. Hammel / Ronald D. Lee: Fertility Decline in Prussia, 1875 –1910: A Pooled Cross-Section Time Series Analysis, in: Population Studies, 48 (1994), 1, S. 135 –158.
Arthur E. Imhof: Einführung in die historische Demographie, München 1977.
Franz Rothenbacher: Historische Haushalts- und Familienstatistik von Deutschland 1815 –1990, Frankfurt a. M. 1997.
Lastquotient
Lastquotienten messen die Altersstruktur einer Bevölkerung. Im Nenner steht jeweils die Altersgruppe der Erwerbsfähigen, im Zähler beim Alterslastquotienten die Altersgruppen der nicht mehr Erwerbsfähigen (heute v.a.: der Rentner und Pensionäre), beim Jugendlastquotienten die noch nicht Erwerbsfähigen (Kinder und Jugendliche) bzw. beim Gesamtlastquotienten beide Gruppen. Damit können Lastquotienten als Indikator für die Transferleistungen von den erwerbsfähigen Generationen hin zu den im 19. Jahrhundert sehr zahlreichen Jungen bzw. zu den im 20. Jahrhundert zunehmend zahlreichen Alten interpretiert werden.
Haushaltsformen
In der historischen Demografie werden verschiedene Typen des Zusammenwohnens von Familien in einem Haushalt unterschieden.
Die grundlegenden Haushaltsformen sind (1) der einfache oder "Kernfamilien"-Haushalt, bestehend aus einem Ehepaar und seinen Kindern, (2) der erweiterte Familienhaushalt, das heißt eine "Kernfamilie" mit nicht mehr oder noch nicht verheirateten Großeltern oder Enkeln, und (3) der multiple Familienhaushalt, in dem zwei oder mehr Paare zusammenleben (zum Beispiel Großeltern mit Sohn und Schwiegertochter in einer "Stammfamilie"). Als "komplex" werden erweiterte und multiple Familienhaushalte bezeichnet.
Differenzierung
Differenzierung bezeichnet hier die Arbeitsteilung zwischen sozialen Institutionen wie z.B. Familie/Haushalt, soziales Sicherungssystem usw. Durch das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsteilung insbesondere seit Beginn der Industrialisierung kam es zu einer Verlagerung von Funktionen weg von Familie und Haushalt zu spezialisierten Systemen (z.B. soziale Sicherheit, Bildung). In einem Gegenprozess wurden vorindustrielle Familie und Haushalt weniger arbeitsteilig und multifunktional (z.B. keine Ausbildung von Lehrlingen mehr) und spezialisierten sich auf die Reproduktion.