Der vorherrschende Eindruck beim Blick auf die Entwicklung der "Volksgesundheit" seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der einer grundlegenden, eindeutigen Verbesserung. Das kommt am klarsten in den "gewonnenen Jahren"
Tabelle 1: Lebenserwartungen nach Geschlecht (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Sie betrug in der Frühphase des Deutschen Reichs (1871 – 1881) bei Frauen 38,5 Jahre, bei Männern 35,6 Jahre. Schon bis in die frühen 1930er Jahre (1932 – 1934) hatte sich die Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern um mehr als 24 Jahre erhöht: bei Frauen auf 62,8 Jahre, bei Männern auf 59,9 Jahre. Die Hauptursache dafür war der dramatische trendmäßige Rückgang der Säuglingssterblichkeit seit Beginn des 20. Jahrhunderts nach einigen Jahrzehnten mit durchschnittlich eher stagnativer Tendenz. Bis 2010 erfolgte gegenüber den 1870er Jahren bei den Frauen eine Lebensverlängerung um über 44 Jahre auf 82,6 Jahre, bei Männern um gut 42 Jahre auf 77,5 Jahre. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich bei beiden Geschlechtern vom Beginn des Beobachtungszeitraums bis zur Gegenwart also mehr als verdoppelt.
Abbildung 1: Säuglingssterblichkeit (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Allerdings gibt es einen Lebenserwartungsvorsprung der Frauen vor den Männern von mehreren Jahren.
Festgehalten sei, dass Männer während der letzten 140 Jahre hinsichtlich ihrer Überlebenschancen stets ein wenig gegenüber den Frauen benachteiligt waren. Man darf dafür eine gewisse genetische Disposition verantwortlich machen.
Für eine genetische Komponente spricht nicht zuletzt, dass der Vorsprung der Frauen vor den Männern bei der Lebenserwartung bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisbar ist.
Darüber hinaus wird die Hypothese der Mitwirkung einer genetischen Komponente bei der Erzeugung der besseren weiblichen Überlebenschancen auch durch den Blick auf die Säuglingssterblichkeit gestützt, die bei den Jungen stets größer war als bei den Mädchen. (siehe Tab 2, Tab 3)
Tabelle 2: Gestorbene Frauen nach ausgewählten Altersklassen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Allerdings sollte der Einfluss der Lebensstilkomponente auf die Lebenserwartung nicht ignoriert werden. Nach Tabelle "Zunahme der Lebenserwartung" hatten die Männer in der Frühphase der Bundesrepublik, 1949 / 51, zwar bei Geburt ein etwas niedrigeres Ausgangsniveau der Lebenserwartung, doch war ihr Zugewinn an Lebensjahren bis 2010 prozentual etwa gleich groß wie der der Frauen (20 Prozent zu 21 Prozent). Schon nach Erreichen des 30. Lebensjahrs lag der Zugewinn der Männer bei der ferneren Lebenserwartung nur noch bei 18 Prozent gegenüber 21 Prozent, den die Frauen von ihrem absolut etwas höheren Niveau aus erreichten. Und mit 60 Jahren zeigt sich ganz klar der überhöhte Zugewinn an Lebenszeit bei den Frauen, die noch 43 Prozent gegenüber 1949 / 51 zulegten, die Männer jedoch nur 31 Prozent. Für dieses Zurückbleiben der Männer beim Gewinn von Lebensjahren während der letzten 60 Jahre kann sicher keine genetische Komponente ausschlaggebend gewesen sein, vielmehr dürften hier mit großer Wahrscheinlichkeit die erwähnten Elemente des Lebensstils neben ungünstigeren Arbeitsbedingungen die entscheidende Rolle gespielt haben. Sie waren wohl vor allem während der 1960er bis 1980er Jahre stark ausgeprägt, während die deutliche Zunahme der weiblichen Erwerbsquote in den letzten Jahrzehnten, dabei auch vermehrt Stress und Burn-out, und gewisse Annäherungen im Lebensstil (Zunahme der Zahl der Raucherinnen, besonders unter Jugendlichen; verstärkter Alkoholkonsum von Frauen; vermehrte Verkehrsbeteiligung) den Vormarsch der Frauen gegenüber den Männern bei der Lebenserwartung allmählich verlangsamen.