Die Zusammenstellung historischer Übersichtsdaten ist je nach Gegenstand weit ins 19. Jahrhundert zurück auszudehnen, wobei erhebliche sachliche Interpretationsprobleme zu lösen sind. Echte Zeitreihen auf Jahresbasis für eine größere Zahl von Variablen zu bilden, fällt sehr schwer, da viele der zentralen Variablen (etwa Zahl der Ärzte, Apotheker, Hebammen oder auch der Betten in Krankenanstalten) nur in größeren Zeitschritten erhoben und veröffentlicht worden sind.
Die konkrete Ausgestaltung der Statistik des Gesundheitswesens seit dem frühen 19. Jahrhundert in den verschiedenen deutschen Staaten hing davon ab, ob und wann sich ein öffentliches Gesundheitswesen ausbildete und wie dies dann in den jeweiligen staatlichen Verwaltungsapparat einbezogen wurde. Während des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts war dieser Prozess in allen größeren deutschen Staaten abgeschlossen.
Damit waren die Voraussetzungen für die Entstehung einer systematischen Medizinalstatistik gegeben, als deren eigentliche Erhebungspersonen bis ins späte 19. Jahrhundert und teilweise bis in die Bundesrepublik die Amtsärzte fungierten. Erhoben wurden von diesen vor allem die Zahlen der Heil- und Pflegepersonen, der Apotheken, der Krankenanstalten sowie der Gestorbenen nach Todesursachen.
Erst seit dem späten 19. Jahrhundert fanden mehr und mehr auf Reichsebene diskutierte und empfohlene Vorgehensweisen für die Erhebung und Aufbereitung der Statistik des Gesundheitswesens auch in den einzelnen Bundesstaaten Anwendung. Sie führten zu einer Verstetigung der Erhebung, Aufbereitung und Veröffentlichung von gesundheitsstatistischen Daten nach Kriterien, die sich allmählich stärker anglichen, ohne vereinheitlicht zu werden. Die Quellenlage für eine Statistik des Gesundheitswesens ist spätestens mit Beginn des "statistischen Zeitalters", also der Gründung von Statistischen Ämtern in den Bundesstaaten, gut.
Buchveröffentlichungen zur Statistik des Gesundheitswesens haben in der Gegenwart in der Regel eine sehr kurze Zeitperspektive.
Im Kaiserreich und in der Zwischenkriegszeit wurden, beginnend 1865 mit dem Handbuch von Oesterlen
Überarbeitete Version meines Aufsatzes "Historische Statistik des Gesundheitswesens", in: Nils Diederich u. a.: Historische Statistik in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1990 (Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Forum der Bundesstatistik, Bd. 15), S. 107–126.
Zum Weiterlesen empfohlen
Claudia Huerkamp: Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert. Vom gelehrten Stand zum professionellen Experten: Das Beispiel Preußens, Göttingen 1985.
Klaus Hurrelmann u. a. (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften, 4. Aufl., Weinheim 2006.
Alfons Labisch / Reinhard Spree: Krankenhaus-Report 19. Jahrhundert. Krankenhausträger, Krankenhausfinanzierung, Krankenhauspatienten, Frankfurt a. M. / New York 2001.
Alfons Labisch / Reinhard Spree: Neuere Entwicklungen und aktuelle Trends in der Sozialgeschichte der Medizin in Deutschland – Rückschau und Ausblick, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 84 (1997), S. 171 – 210, 305 – 321.
Alfons Labisch / Reinhard Spree (Hrsg.): "Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett." Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. / New York 1996.
Alfons Labisch / Florian Tennstedt: Der Weg zum "Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens" vom 3. Juli 1934. Entwicklungslinien und -momente des staatlichen und kommunalen Gesundheitswesens in Deutschland, Düsseldorf 1985 (Schriftenreihe der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen, Bd. 13, H. 1 u. 2).
Reinhard Spree: On Infant Mortality Change in Germany since the Early 19th Century, Universität München 1995 (Münchener Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge. Discussion Papers, Nr. 95-03, hrsg. v. d. Volkswirtschaftlichen Fakultät).
Reinhard Spree: Veränderungen des Todesursachen-Panoramas und sozio-ökonomischer Wandel. Eine Fallstudie zum Epidemiologischen Übergang, in: Gérard Gäfgen (Hrsg.): Ökonomie des Gesundheitswesens, Berlin 1986 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Bd. 159).
Reinhard Spree: Soziale Ungleichheit vor Krankheit und Tod. Zur Sozialgeschichte des Gesundheitsbereichs im Deutschen Kaiserreich, Göttingen 1981.
Klaus-Dieter Thomann: Die Entwicklung der Chirurgie im 19. Jahrhundert und ihre Auswirkungen auf Organisation und Funktion des Krankenhauses, in: Alfons Labisch / Reinhard Spree (Hrsg.): "Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett." Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. / New York 1996, S. 145 –166.