Die beitragsfinanzierte Erwerbslosenfürsorge nach der Reichsverordnung vom 15. Oktober 1923 vergab ihre Leistungen nach Kriterien der Bedürftigkeit. Das Versicherungssystem entstand mit dem Arbeitsvermittlungs- und Arbeitslosenversicherungs-Gesetz (AVAVG) vom 16. Juli 1927, das einen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld ohne Bedürftigkeitsprüfung festschrieb. Die Kopplung an die Vermittelbarkeit beschränkte den Leistungsempfang auf Personen, die arbeitsfähig und -willig sowie unfreiwillig arbeitslos waren. Die Mittel wurden zu gleichen Teilen von Versicherten und Arbeitgebern aufgebracht, wobei der Höchstsatz 3 Prozent des Grundlohns betrug. Die Konstruktionsmängel der Arbeitslosenversicherung offenbarten sich unmittelbar nach ihrer Einführung.
Tabelle 5: Arbeitslosenversicherung (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Als die Arbeitslosigkeit im Zuge der Weltwirtschaftskrise dramatisch stieg, wurden durch die zeitliche Begrenzung des Leistungsbezugs auf ein Jahr immer mehr Arbeitslose aus dem Versicherungssystem ausgeschlossen. Für sie trat der Staat mittels der Krisenfürsorge ein, um die Überforderung der kommunalen Fürsorge zu verhindern. Gleichzeitig erwirtschaftete die Arbeitslosenversicherung Gewinne, weil sie immer weniger Leistungsempfänger zählte. Sie erwies sich als tauglich, Konjunkturarbeitslosigkeit aufzufangen, versagte aber in Bezug auf Dauerarbeitslosigkeit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ging die Zahl der Leistungsempfänger stark zurück, was nicht nur Arbeitsbeschaffung und Rüstungskonjunktur, sondern auch den Ausschluss von Bevölkerungsgruppen aus dem Sozialversicherungssystem durch das Regime widerspiegelte.
Abbildung 3: Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die kriegsbedingte Arbeitskräfteknappheit endete mit der Kapitulation im Mai 1945. Bis zur Währungsreform im Juni 1948 hamsterten die Unternehmen Arbeitskräfte, weil Lohnkosten eine geringe Rolle spielten. Nach der Reform war die Beschäftigung leicht rückläufig, weil die Unternehmen die vorher gehorteten Arbeitskräfte freisetzten. Bei Gründung der Bundesrepublik bestand ein Sockel von weit über einer Million Arbeitslosen, die wegen fehlender Anwartschaftszeiten nur zu einem Bruchteil reguläres Arbeitslosengeld erhielten. Die strukturelle Arbeitslosigkeit dieser Jahre war vorrangig ein Ergebnis der Fehlallokation der Flüchtlinge und Vertriebenen. Die boomende Wirtschaft fragte immer mehr Arbeitskräfte nach, sodass bis 1959 Vollbeschäftigung erreicht wurde, das heißt nach internationaler Auffassung eine Arbeitslosenquote unter 3 Prozent. Die Nachfrage nach Arbeitskräften war so groß, dass nicht nur der Zustrom aus der DDR integriert werden konnte, sondern gleichzeitig ausländische Arbeitskräfte angeworben wurden. Nach Ende der Rekonstruktionsperiode und den Ölkrisen der 1970er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit wieder schubweise an. Im Konjunkturhoch ging sie aber nicht mehr zurück, sondern eine Sockelarbeitslosigkeit verblieb. Ein weiterer markanter Anstieg war nach 1990 durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Planwirtschaft zu verzeichnen. Seit 2006 ist die Arbeitslosenrate in Deutschland wieder rückläufig.