Die Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth im Jahr 1835 markierte noch nicht den Durchbruch, aber den Anfang der Transportrevolution im 19. Jahrhundert. Erst die Erfindung eines maschinengetriebenen Verkehrsmittels mit einer niedrigen Gleitreibung ermöglichte den kostengünstigen Transport schwerer Massengüter wie Kohle und Erz abseits der Flüsse und der noch kaum vorhandenen Kanäle. Obwohl die Eisenbahn als schnelles Transportmittel für Menschen, Briefe und Zeitungen bereits in der Revolution von 1848 eine Rolle spielte, war das deutsche Eisenbahnnetz 1850 mit einer Länge von 4 800 km jedoch noch weitmaschig.
Tabelle 1: Eisenbahnen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Der Durchbruch der Eisenbahn zum Leitsektor der Industriellen Revolution in Deutschland lässt sich auf die 1850er Jahre datieren. In diesem Jahrzehnt führten die noch überwiegend privatwirtschaftlichen Eisenbahngesellschaften den "Pfennigtarif" ein, bei dem der Transport von einer Tonne Kohle über einen Kilometer nicht mehr als einen Pfennig kostete. Neben dem positiven Angebotseffekt des preiswerten Gütertransports erzeugten die Eisenbahn und der Eisenbahnbau einen nachhaltigen Nachfrageeffekt für Bauleistungen und Erzeugnisse des Maschinen- und Fahrzeugbaus, der den Take-off der deutschen Wirtschaft im Zeitalter der Industrialisierung beschleunigte.
Die Transportrevolution im Landverkehr beschleunigte neben der privaten Kommunikation per Brief auch die mediale Massenkommunikation durch Zeitungen, die immer häufiger noch am gleichen Tag den Zeitschriftenhandel und die Abonnenten erreichten. Obwohl das Landstraßennetz in Preußen und den anderen Staaten des Deutschen Bundes systematisch gepflastert und für schwerere Fuhrwerke ausgebaut wurde
Abbildung 1: Güterverkehr der Bahn - in Milliarden Tonnenkilometern (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die fälschlicherweise als "Große Depression" bezeichnete Gründerkrise von 1873 bis 1878 schlug sich neben dem spektakulären Konkurs des Eisenbahnkonzerns von Bethel Strousberg in einer zeitweisen Verlangsamung des Verkehrswachstums auf der Schiene nieder. In diesen fünf Jahren wuchs der Güterverkehr (in Tonnenkilometern) lediglich um 14 Prozent, was aber nicht als Zeichen einer Rezession zu werten ist. Zur gleichen Zeit scheiterte Reichskanzler Otto von Bismarck mit seinem Versuch, die Staatsbahngesellschaften der Länder auf das Deutsche Reich zu überführen. Angesichts der erheblichen Ertragsüberschüsse der Länderbahnen stieß sein Versuch, die Macht des Reichs zu Lasten der Bundesstaaten zu steigern, auf den unüberwindlichen Widerstand der Bundesstaaten im Reichsrat.
Aus haushaltspolitischen Gründen machten die Regierungen in Preußen und den anderen deutschen Ländern in den späten 1870er Jahren von ihrem Recht Gebrauch, die Aktien der größeren privaten Eisenbahngesellschaften aufzukaufen. Die Königlich Preußische Eisenbahnverwaltung (KPEV) war, wie der Name sagte, kein selbstständiges öffentliches Unternehmen, sondern eine unselbstständige Betriebsverwaltung innerhalb des Staatsministeriums für öffentliche Arbeiten. Das Preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten nutzte seinen finanziellen Spielraum aus, um mit den Betriebsüberschüssen der KPEV den Bau von Nebenbahnen zu finanzieren und andere Gebietskörperschaften, wie die Provinzialverwaltungen und die Landkreise, bei der Finanzierung von eigenen Nebenbahn- und Kleinbahnprojekten zu unterstützen.
Tabelle 2: Binnenschifffahrt (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Obwohl der Binnenschiffverkehr auf Flüssen und Kanälen ab den 1880er Jahren signifikant wuchs, verzeichnete der Güterverkehr auf der Eisenbahn von 1878 bis 1914 nochmals eine Versechsfachung seines Volumens in Tonnenkilometern. Der Wachstumsschub des Binnenschiffverkehrs war unter anderem eine Folge des Kanalbaus, der viele Steinkohlezechen des schnell wachsenden Ruhrgebiets durch den Rhein-Herne-Kanal (Eröffnung 1914) mit dem Rheinhafen Duisburg verband. Seit 1899 stellte der Dortmund-Ems-Kanal eine Schifffahrtsverbindung zwischen dem Nordseehafen Emden und dem Ruhrgebiet dar, durch den vor allem die Hochöfen des Ruhrgebiets mit Eisenerz aus Schweden versorgt wurden. In der gleichen Zeit wurde durch den Oder-Spree-Kanal (1891) und den Oder-Havel-Kanal (1914) eine direkte Schiffverbindung zwischen dem oberschlesischen Industrierevier und der Reichshauptstadt Berlin geschaffen, die bis 1945 Deutschlands größte Industriestadt bleiben sollte. (siehe Tab 2, Tab 3)
Tabelle 3: Seeschifffahrt (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Während bis 1900 die Berliner Häfen die größte Umschlagmenge verzeichneten, standen danach die Häfen von Duisburg und Berlin bis in die 1920er Jahre auf vergleichbarer Höhe. Duisburg profitierte besonders von seiner Lage am Rhein, der weitaus verkehrsreichsten Binnenwasserstraße in Deutschland und Europa. Die Schifffahrt auf dem Rhein wuchs auch dank der Mannheimer Rheinschifffahrtsakte von 1868, die den Schiffen aller Anrainerstaaten die abgabenfreie Benutzung und den freien Marktzugang zusicherte. Aus der Sicht der Landeseisenbahnverwaltungen war das Wachstum des Binnenschiffverkehrs nicht problematisch, solange die Bahnen im Güterverkehr Gewinne erwirtschafteten. Spezielle Umschlagtarife der Eisenbahnverwaltungen für den "gebrochenen" Verkehr mit Bahn und Binnenschiff ermutigten eine funktional und verkehrsgeografisch begründete Arbeitsteilung im Massengutverkehr. Die Bedenken der ostelbischen Agrarlobby verhinderten jedoch bis in die 1920er Jahre den Weiterbau des Mittellandkanals von Hannover in Richtung Elbe und damit eine Verbindung zwischen den Stromgebieten von Rhein, Weser, Elbe und Oder.