Wirtschaftswachstum, also die langfristige Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion, sowohl absolut als auch pro Kopf der Bevölkerung, ist ein Schlüsselphänomen moderner Gesellschaften, die ohne ein solches Wirtschaftswachstum nicht denkbar sind. Der zentrale Indikator für dieses Wachstum ist heute das um Preisveränderungen bereinigte (reale) BIP
Die langfristige Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion vollzieht sich allerdings nicht stetig und gleichmäßig (was eine konstante Wachstumsrate des BIP bedeuten würde), sie ist vielmehr in einen mehr oder weniger stark ausgeprägten rhythmischen Wechsel von Aufschwung und Abschwung, von Prosperität und Depression eingebettet, den man auch als Konjunktur bezeichnet. Eng verbunden mit dem Begriff Konjunktur ist die Vorstellung der Regelmäßigkeit. Die sich nach einem bestimmten Muster wiederholenden Veränderungen der Gesamtlagen der Volkswirtschaft bezeichnet man deshalb auch als Konjunkturzyklen. Die Forschung hat im Laufe der Zeit Zyklen unterschiedlicher Länge ausgemacht und dafür auch unterschiedliche Erklärungen gegeben.
Tabelle 1: Bruttoinlandsprodukt (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Bei der Betrachtung der BIP-Reihen in jeweiligen (laufenden) Preisen lässt sich Folgendes feststellen: Im Jahr 2012 beträgt der Wert des BIP 2 643,9 Milliarden Euro, im Jahr 1950 sind es für das Gebiet der früheren Bundesrepublik 49,69 Milliarden Euro, im Jahr 1913 (für das Gebiet des Deutschen Reiches) 28,95 und schließlich im Jahr 1850 3,64 Milliarden Euro für das Gebiet des späteren Deutschen Reiches ohne Elsass-Lothringen. Setzt man 1913 = 100, dann steigt der Index von 12,6 im Jahr 1850 auf 9 133 im Jahr 2012. Einen ähnlich dramatischen Anstieg verzeichnet das BIP je Einwohner in jeweiligen Preisen. Es beträgt im Jahr 2012 32 276 Euro, 1950 waren es 1 059 Euro, 1913 432 Euro und 1850 103 Euro (wieder für die bereits genannten Gebietsgrenzen). Setzt man auch hier wieder 1913 = 100, ergibt sich ein Zuwachs des Index von 24 im Jahr 1850 auf 7 478 im Jahr 2012. Die Unterschiede zwischen dem BIP insgesamt und dem BIP pro Einwohner ergeben sich durch die Bevölkerungsentwicklung.
Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen von 2005 mit Trend (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Angaben in jeweiligen Preisen vermitteln zwar ein Bild der zeitgenössischen Werte, über die reale Entwicklung sagen sie aber nichts aus. Diese zeigt sich in den preisbereinigten BIP-Reihen. Nach ihnen ist das reale BIP von 61 Milliarden Euro im Jahr 1850 auf 2 469 Milliarden Euro im Jahr 2012 angestiegen. In Deutschland beträgt der Realwert des BIP pro Einwohner im Jahr 2012 24 679 Euro, 1950 sind es in der Bundesrepublik 4 777 Euro, im Jahr 1913 im Deutschen Reich 4 720 Euro und schließlich im Jahr 1850 für das spätere Deutsche Reich ohne Elsass-Lothringen 1 775 Euro. Setzt man auch hier 1913 wieder 100, dann steigt der Index des realen BIP von 20 im Jahr 1850 auf 800 im Jahr 2012 und der Index des realen BIP pro Einwohner im selben Zeitraum von 38 auf 523. Gegenüber 1913 hat sich damit das reale BIP verachtfacht und das reale BIP pro Einwohner mehr als verfünffacht. Die reale gesamtwirtschaftliche Produktion Deutschlands hat langfristig enorm zugenommen – trotz steigender Bevölkerungszahlen, trotz zweier Weltkriege, trotz der politischen Teilung und anschließender Wiedervereinigung. Die Dynamik dieses Expansionsprozesses erschließt sich dem Betrachter aber erst bei der grafischen Darstellung der Reihen. (siehe Abb 1)
In Abbildung 1 sind die Werte für das reale BIP (obere Grafik) und die Werte für das reale BIP pro Einwohner (untere Grafik) in halblogarithmischem Maßstab
In dieses langfristige Wachstum sind kurzfristige Veränderungen des BIP eingebettet, die man, in Abhängigkeit von ihrer Intensität und Dauer, als Rezession, Krise oder auch als Konjunkturschwankungen bezeichnet. Diese kurzfristigen Veränderungen lassen sich mit Hilfe der Wachstumsraten, also den prozentualen Veränderungen der Werte aufeinanderfolgender Jahre, darstellen. (siehe Abb 2)
Abbildung 2: Jährliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in konstanten Preisen von 2005 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Wachstumsraten für das reale BIP sind in Abbildung 2 eingezeichnet. Zwischen 1850 bis 1913 gibt es 12 Jahre mit negativem Wachstum, 10 davon fallen in die Zeit bis 1880. Von 1914 bis 1944, also in nur 31 Jahren, gibt es 11 Jahre mit negativen Wachstumsraten. Allein von 1914 bis 1919 geht das BIP in sechs aufeinanderfolgenden Jahren zurück. Es ist in seinem Gesamtausmaß der schwerste Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Deutschland überhaupt. 1923 führt die Interner Link: Hyperinflation zu einem Minus von 13 Prozent des BIP. In Folge der Weltwirtschaftskrise geht das BIP von 1929 bis 1932 dann noch einmal in vier aufeinanderfolgenden Jahren zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es zwischen 1946 und 2012, also in 67 Jahren, nur 6 Jahre mit negativen Wachstumsraten, das erste 1967, das letzte 2009. In diesem Jahr war das reale BIP infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 / 08 um 5,2 Prozent niedriger als im Jahr 2008, was einem "realen" Einbruch des BIP um 125 Milliarden Euro entspricht. Rein rechnerisch ist das die reale Produktion des Deutschen Reiches im Jahr 1883.