Der langfristige Verlauf des agrarischen Wachstumsprozesses schlägt sich in seinen unterschiedlichen Phasen deutlich in den im Folgenden dargelegten Zeitreihen zu landwirtschaftlichen Schlüsselindikatoren nieder. Diese beinhalten die Landnutzung, die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, den Viehbestand, die wichtigsten Flächenerträge, den Kunstdüngereinsatz und die agrarische Betriebsstruktur.
Abbildung 1: Landnutzung in Deutschland (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Zwischen 1883 und 1913 umfasste die landwirtschaftliche Nutzfläche fast unverändert durchgehend um die 35 Millionen Hektar. In den neuen Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg stieg sie zwischen 1925 und 1930 leicht an von 28,5 auf 29,4 Millionen Hektar. Der gesamte Flächenzuwachs vollzog sich während der Weimarer Republik. Zwischen 1938 und 1997 bewegte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche der alten Bundesländer zwischen 13 und 14 Millionen Hektar, um erst danach auf 12,6 Millionen Hektar (2010) abzusinken. Auf dem Gebiet der früheren DDR sank die Nutzfläche zwischen 1950 und 2010 ebenfalls nur langsam ab von 6,5 auf 6,1 Millionen Hektar. Eine gewisse Konstanz weisen dabei auch die Anteile des Acker- und des Grünlandes an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche auf.
Tabelle 1: Landnutzung (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Soweit Nutzflächenverluste eintraten, lag dies weniger an einer Ausdehnung der Forstflächen. Die durchschnittliche jährliche Zunahme der Waldflächen war über den ganzen Zeitraum vernachlässigbar gering mit einer jährlichen Rate von 0,05 Prozent zwischen 1883 und 1938 und 0,15 Prozent für beide deutschen Staaten von 1950 bis 1989. Danach kam es zu einem leicht beschleunigten Zuwachs von 0,19 Prozent für die alten und 0,17 Prozent für die neuen Bundesländer. Entscheidend für landwirtschaftliche Flächenverluste war vielmehr die enorme Beschleunigung der Flächenbebauung für Infrastruktur- und Siedlungszwecke.
Abbildung 2: Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Ausbreitung sehr arbeitsintensiver Betriebssysteme der integrierten Landwirtschaft führte dazu, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zwischen 1895 und 1907 weiter kräftig anstieg von 8,3 auf 9,9 Millionen. Erst in den 1920er Jahren begann die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen langsam abzunehmen. Nach 1950 erreichte der Schrumpfungsprozess in der Landwirtschaft dann eine ganz neue Dynamik. Gegenüber dem Zeitraum von 1925 bis 1939 vervielfachten sich die jährlichen Abnahmeraten von 1950 bis 1989 von – 0,6 Prozent auf – 3,7 Prozent in den alten Bundesländern. Danach schwächte sich die Abwärtsdynamik ab auf –2,6 Prozent (1989 – 2010). In der ehemaligen DDR verschärfte sich dagegen der Arbeitskräfteabbau nach 1989 von jährlich –2,7 Prozent auf –3,9 Prozent. Diese Entwicklung spiegelt die zügige Restrukturierung der landwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung wieder, bei der hochproduktive Agrarbetriebe entstanden. (siehe Abb 2)
Festzuhalten bleibt noch, dass sich von 1925 bis 1939 die Zahl der Familienarbeitskräfte kaum verminderte (– 0,2 Prozent pro Jahr), während die der familienfremden bereits deutlich abzunehmen begann (– 1,7 Prozent). Zwischen 1950 und 1989 setzte dann auch in der Bundesrepublik bei den Familienarbeitskräften der Abbau ein (– 3,5 Prozent), wobei die jährlichen Abnahmeraten bei den familienfremden mit – 4,8 Prozent aber immer noch deutlich höher lagen. Der Übergang zu einer voll maschinisierten Landwirtschaft war demnach mit einer ausgeprägten Familiarisierung der landwirtschaftlichen Arbeit verbunden. Nur so ließ sich die Abwanderung der Arbeitskräfte in die Industrie kompensieren.
Tabelle 4: Arbeitskräfte-, Maschinen- und Düngereinsatz in der Landwirtschaft (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Von den drei Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital wuchs nur der landwirtschaftliche Kapitalstock bestehend aus Gebäuden, Maschinen und Geräten, Vieh und Vorräten beständig mit jährlich 1,25 Prozent vor dem Zweiten Weltkrieg und 1,54 Prozent in der jungen Bundesrepublik.
Abbildung 3: Tierbestand (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Vieh stellt einen wichtigen Bestandteil des landwirtschaftlichen Kapitalstockes dar mit einem Anteil von durchgehend ca. 25 Prozent zwischen 1850 und 1938 und noch 18 Prozent um 1960. Bei enormen Steigerungen der Leistung pro Tier entwickelte sich auch der Viehbestand positiv.
Tabelle 3: Tierproduktion in der Landwirtschaft (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Der Viehbestand liefert den größten Teil der landwirtschaftlichen Wertschöpfung, vornehmlich bestehend aus Molkerei- und Fleischprodukten. Der Anteil der tierischen an der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung stieg dabei schon vor dem Ersten Weltkrieg von 48 Prozent um 1850 auf knapp 70 Prozent um 1913. Bis heute hat er eher noch weiter zugenommen.
Tabelle 2: Pflanzenproduktion der Landwirtschaft (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Das anhaltende Wachstum der pflanzlichen Produktion beruht seit Ende der 1870er Jahre fast ausschließlich auf steigenden Flächenerträgen. Diese wuchsen zwischen 1850 und 1913 bei stark nachgefragten Getreiden wie Weizen und Gerste pro Jahr um durchschnittlich 1,1 Prozent und bei Kartoffeln um 1,2 Prozent an. In der Zwischenkriegszeit gelang es meistens nur, das Vorkriegsertragsniveau wieder zu erreichen. In den vier Jahrzehnten nach 1950 stiegen die jährlichen Ertragszuwächse in der ehemaligen Bundesrepublik bei Weizen und Gerste auf Werte zwischen 1,9 und 2,4 Prozent an.
Abbildung 4: Flächenertrag für Getreide und Kartoffeln pro Hektar (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Ähnliche Zuwächse erreichten Runkelrüben (2,9 Prozent), während die Erträge für Kartoffeln und Zuckerrüben um 1,3 Prozent zunahmen. Weniger dynamisch, aber immer noch kräftiger als im Kaiserreich verlief die Ertragsentwicklung in der DDR. Nach 1990 verlangsamte sich das Flächenertragswachstum deutlich. Hier scheint die veränderte Agrarförderung der EU, weg von produktionsgebundenen Beihilfen, Wirkung gezeigt zu haben.
Abbildung 5: Düngemitteleinsatz (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Flächenerträge bei Getreide und Hackfrüchten je nach Anbaupflanze verfünf- bis verachtfacht. Über die Hälfte bis zwei Drittel dieser Ertragszuwächse vollzogen sich nach 1950. Eine maßgebliche Rolle hat hierbei seit dem Ersten Weltkrieg Kunstdünger gespielt. Allein die Ausbringung an Stickstoff (Reinnährstoff) pro Hektar Nutzfläche hat sich von 1921/23 bis 1987/89 verdreizehnfacht, bei Phosphat versechs-, bei Kali verdrei- und bei Kalk vervierfacht. Knapp über 80 Prozent des Zuwachses haben sich bei Stickstoff und Kalk nach 1950 vollzogen, während die entsprechenden Werte für Phosphat und Kali bei 65 Prozent bzw. 37 Prozent liegen. Seinen Höhepunkt erreichte der mit erheblichen Umweltfolgen verbundene Einsatz von Kunstdünger Ende der 1980er Jahre. Seitdem ist der Einsatz an Stickstoff pro Hektar um ein Fünftel, von Phosphat und Kali um ca. zwei Drittel und von Kalk um ein Viertel zurückgegangen. Die ökologisch motivierten Extensivierungsmaßnahmen der deutschen und europäischen Agrarpolitik haben somit neben anderen Maßnahmen einen Effekt.
Tabelle 5: Landwirtschaftliche Nutzflächen nach Betriebsgrößen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Abbildung 6: Landwirtschaftliche Nutzfläche nach Betriebsgrößen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Art des technischen Fortschrittes hat einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Betriebsgrößen bzw. die Agrarstruktur gehabt. Da während der Industrialisierungsphase der landwirtschaftliche Fortschritt mit zunehmendem Arbeitseinsatz pro Flächeneinheit verbunden war, sanken bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg tendenziell die durchschnittlichen Betriebsgrößen. Der schon hohe Anteil der Betriebe unter 20 Hektar an der gesamten Nutzfläche nahm zwischen 1882 und 1925 sogar noch zu, von 58,3 Prozent auf 65,7 Prozent (alte Bundesländer), während alle anderen Betriebsgrößen Anteile verloren. Zwischen 1925 und 1939 stagnierte der Agrarstrukturwandel bei minimalen Flächenzugewinnen der Betriebe zwischen 10 und 50 ha. Nach 1949 verstärkte sich diese Tendenz in der Bundesrepublik, während in der DDR die Zwangskollektivierung zu großbetrieblichen Agrarstrukturen führte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der technische Fortschritt spürbar Druck auf Klein- und später Mittelbetriebe auszuüben. Nach 1970 gewann der Strukturwandel in der Bundesrepublik deutlich an Fahrt und beschleunigte sich nach 1990 noch einmal vor allem zugunsten der Betriebe über 100 Hektar. In den alten Bundesländern bearbeiteten 2007 Betriebe über 50 Hektar fast 64 Prozent der Nutzfläche, während dies 1970 nur 12,5 Prozent gewesen waren. Der Anteil der Betriebe von unter 20 Hektar sank im gleichen Zeitraum von 51,4 Prozent auf 13,2 Prozent. In den neuen Bundesländern haben sich die großbetrieblichen Agrarstrukturen nach der Wende im Wettbewerb halten können und Betriebe über 100 Hektar kontrollieren gegenwärtig 93 Prozent der Nutzfläche. (siehe Tab 5, Abb 6)