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Sport | Deutschland in Daten | bpb.de

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Sport

Heike Wolter Bernd Wedemeyer-Kolwe

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Turnvereine gab es in Deutschland schon ab den 1840er Jahren. Zum Massenphänomen wurde Sport allerdings erst in der Weimarer Republik. Nun durften auch Frauen vollständige Mitglieder der Sportvereine werden.

Tabelle 7: Sportvereine und Mitglieder (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die ersten Turnvereine und Turnverbände – wohl rund 300 im deutschsprachigen Raum – im modernen Sinn (mit einer Satzung) griffen als bürgerlich-politische Gründungen ab den 1840er Jahren in die nationalstaatlich und demokratisch orientierte Revolution von 1848 ein. Nach deren Niederschlagung wurden sie von den Regierungen der kleinräumigen Einzelstaaten zumeist mit dem Mittel des Versammlungs- und Vereinsrechts aufgelöst oder verboten, etliche Turner emigrierten nach Amerika.

Abbildung 7: Sportvereine (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Durch die neue nationale Welle ab 1859 konnten sich wieder Turnvereine bilden; 1868 gründete sich ihr Dachverband, die Deutsche Turnerschaft (DT). Durch nationalpolitische und wirtschaftliche Kriege (1864, 1866, 1870 / 71) sanken die Mitgliederzahlen wieder. Die militärische (Wehrturnen) und politische (Nationalismus) Unterstützung des Deutschen Kaiserreichs – wie auch die Aufnahme von Frauen ab den 1890er Jahren – ließ die Mitgliederentwicklung ab den 1870er Jahren bis 1914 aber wieder rasch ansteigen. (siehe Tab 7, Abb 7)

Tabelle 8: Mitglieder in Sportvereinen nach Geschlecht. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Nach Aufhebung der Sozialistengesetze gründete sich 1893 der Arbeiter-Turnerbund (ATB) – ab 1919: Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) –, in dessen Vereinen, im Gegensatz zur bürgerlichen DT, Frauen und Jugendliche ab 14 Jahren volle Mitgliedsrechte besaßen. Jedoch stufte die Obrigkeit etlicher Länder ATB-Vereine als "politisch" ein, was das Verbot der Mitgliedschaft Minderjähriger nach sich zog und die Vereine des ATB bis 1914 schwächte. Ab etwa 1880 bildeten sich – ausgelöst durch den aus England importierten Sport – mit der DT konkurrierende Sportvereine und Sportfachverbände; mit Höchstleistung, Rekordstreben, Spezialisierung, Spannung und Unterhaltung bildeten sie die neuen Werte der Moderne ab (Olympische Spiele ab 1896). 1883 gründete sich (als erster) der Deutsche Ruderverband, 1898 der Deutsche Leichtathletikverband und 1900 der Deutsche Fußballbund.

Durch die Verluste im Ersten Weltkrieg sank die Zahl der männlichen Vereinsmitglieder jedoch rapide, während das Frauenturnen einen Aufschwung erlebte. Der Sport insgesamt aber wurde – auch durch den militärischen Nutzen im Krieg und sein Zerstreuungspotenzial an der Heimatfront – insgesamt bei Staat und Bevölkerung populärer. (siehe Tab 8)

Abbildung 8: Mitglieder in Sportvereinen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Sport und Turnen wurden nach 1918 zum Massenphänomen: Veränderung im Vereinsrecht (Vollmitgliedschaft für Frauen und Kinder), 48-Stunden-Woche (mehr Freizeit), neue Presse (Sport im Rundfunk, Sportillustrierte), Massenunterhaltung (Sechs-Tage-Rennen, Fußballspiele, Profiboxkämpfe) und eine neue Körperästhetik läuteten den rapiden Aufschwung ein. Milieuorientierte Sportvereine (Arbeiter-, Konfessions-, Betriebs-, Militärsport) trugen zur Zersplitterung bei. Die Wirtschaftskrisen (1923, 1929 bis 1931) ließen die – auch durch Mehrfachmitgliedschaften und Einbezug sportfremder Vereine (zum Beispiel Wandervereine) hohen – Zahlen zwischenzeitlich zum Teil stark sinken. (siehe Abb 8)

Ab 1933 wurden die Vereine und Verbände im Deutschen (ab 1938 Nationalsozialistischen) Reichsbund für Leibesübungen (DRL /NSRL) gleichgeschaltet, jüdische Mitglieder ausgeschlossen und die Arbeitersportvereine zerschlagen. Die Sportarten wurden Fachämtern zugeordnet und nur noch Beitragszahler und Einzelmitgliedschaften gezählt. Konkurrierend und zum Teil verpflichtend wurde Sport in der NSDAP, in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), in SA und SS und in der Hitlerjugend (HJ) praktiziert. Dadurch sanken die Vereinsmitgliedszahlen, ab 1939 auch aufgrund des Krieges, wobei der Frauensport auch jetzt einen Aufschwung erlebte. Durch Gebietsannexionen (Österreich, Sudetenland) stiegen die Zahlen teilweise wieder an. 1938 / 39 wurden die Vereine zu abhängigen Parteizellen der NSDAP und verloren ihre Unabhängigkeit.

Als NSDAP-Zellen wurden die Vereine von den Alliierten 1945 zunächst verboten und die Funktionsträger entnazifiziert. Die Wiedergründung verlief daher zunächst nur lokal und regional, im Westen erst über Vereine, dann über Stadt- und Kreissportbünde, Landesfachverbände und Landessportbünde, in der SBZ/DDR lokal uneinheitlich über Kommunalsport, SED-Kulturausschüsse, Gewerkschaft und endgültig, aber verzögert, über Betriebssportgemeinschaften (BSG), überregional über FDJ und ab 1952 über das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport (StaKo). Der Deutsche Sportbund (DSB) der Bundesrepublik – mit Vereinen, Fachverbänden und Landessportbünden – wurde 1950, der staatlich gelenkte Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR – mit BSGen, Kreisen und Bezirken – sogar erst 1957 gegründet. So fehlen frühe Gesamtzahlen. Dabei spiegeln die Zahlen im Westen bzw. ab 1990 – anders als vor 1933 – nur die im Dachverband DSB (seit 2006: Deutscher Olympischer Sportbund, DOSB) organisierten Vereine wider, unterscheiden jedoch keine Einzel- von Mehrfachmitgliedschaften.

Fehlende und mangelhafte Infrastruktur im Sport verzögerte in den 1950er Jahren die Entwicklung zunächst. Staatliche Förderprogramme (Bundesrepublik und DDR) und Acht-Stunden-Tag, Gesundheits- und Vorsorgemotive, Olympische Spiele, neue Sportmedien und Sport als Lifestyle ließen die Zahlen danach rapide steigen. Nach 1990 kamen Kinder-, Frauen-, Senioren-, Migrations- und Inklusionsförderung, eine neue Körperlichkeit und die aktuelle Fußballbegeisterung als Einflüsse hinzu. Die dennoch insgesamt stagnierenden Zahlen verweisen auf den konkurrierenden kommerziellen Sport und den Individualsport sowie auf Minderungsaspekte, wie zum Beispiel Ganztagsschulen, die der Vereinsmitgliedschaft entgegenstehen.

Dr., Abteilung für Didaktik der Geschichte, Universität ­Regensburg - Kultur und Tourismus

Dr. Dr., Wissenschaftlicher Leiter und ­Geschäftsführer des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte (NISH) in Hannover, apl. Prof. an der Georg-August-Universität Göttingen - Sport