Die Verteilung von Einkommen innerhalb eines Landes wird oftmals als prekärer Sachverhalt wahrgenommen. Es gibt verschiedene Maße zur Bestimmung der Einkommensverteilung.
Es erweist sich also, dass der Zugriff auf das BIP und damit die Verteilung der Einkommen, sei es zwischen Staat und Privaten, zwischen Unternehmern und Beschäftigten oder innerhalb der verschiedenen Beschäftigtengruppen, einen außerordentlich komplexen und konfliktreichen Prozess darstellt. Die Verteilung der Einkommen innerhalb einer Volkswirtschaft wird häufig als ein außerordentlich prekärer Sachverhalt wahrgenommen und je nach Fragestellung werden sehr unterschiedliche Verteilungsmaße herangezogen. (siehe Tab 3)
Zur Bemessung des Umfangs der Einkommensungleichheit in einer Volkswirtschaft steht eine Reihe von Messkonzepten zur Verfügung. Möchte man etwas über die unterschiedliche Einkommenshöhe in verschiedenen Gruppen der Gesellschaft erfahren, so kann man deren Einkommen in Relation zueinander betrachten und somit einen Aspekt der kategorialen Einkommensverteilung in den Blick nehmen. Möchte man wissen, wie sich das Volkseinkommen auf die beiden produktiven Faktoren einer Volkswirtschaft verteilt, also Arbeit und Kapital, so sucht man nach der funktionalen Einkommensverteilung. Die personale Einkommensverteilung hingegen öffnet den Blick auf die Verteilung der Einkommen auf die Individuen einer Gesellschaft gänzlich unabhängig von ihrer Stellung im Wirtschaftsprozess oder ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Formationen.
Das Pareto-Alpha eignet sich zur Messung der personalen Einkommensverteilung in einer Gesellschaft, weil dieser Wert den Grad der Ungleichheit ("Schiefe") der Einkommensverteilung bestimmt. In Deutschland ist während des 19. Jahrhunderts ein stetiger Rückgang des numerischen Wertes dieses Verteilungsmaßes zu beobachten. In Preußen erreichte dieses Maß 1851 einen Wert von 1,88 und dieser verminderte sich bis 1913 auf 1,47 und lässt deshalb auf einen deutlichen Anstieg der Ungleichheit unter den preußischen Bürgern schließen. Eine ähnliche Entwicklung zeigte auch die Lohnquote, die den Anteil der Einkommen der abhängig Beschäftigten am BIP misst. Offenbar sanken auch die Löhne der Beschäftigten im 19. Jahrhundert relativ zu den Gewinnen der Unternehmen. Das setzte sich in der Zwischenkriegszeit nicht weiter fort und die Lohnquote stieg merklich an. Dies sollte man allerdings nicht als Erfolg im "Verteilungskampf" zwischen Arbeitern und Unternehmern missverstehen, denn dieser "Erfolg" war wesentlich eine Folge der Weltwirtschaftskrise, welche die Gewinne und Investitionen der Unternehmen noch stärker einbrechen ließ als die Einkommen der Beschäftigten – die wachsende Arbeitslosigkeit wurde in diesen Zahlen ja nicht sichtbar. Langfristig stabilisierte sich die Lohnquote wieder auf dem früheren Niveau, sodass der Eindruck entsteht, dass die Lohnquote langfristig eher stabil blieb. Was die Einkommensrelationen zwischen verschiedenen Berufsgruppen betrifft, so scheinen sich darin die Angebots- und Nachfrageverhältnisse am Arbeitsmarkt, also ihre relative Knappheit, zu spiegeln. Betrachtet man etwa die durchschnittlichen jährlichen Arbeitseinkommen in der Metallverarbeitung und im Textilsektor als Maßstab für die Löhne unqualifizierter Arbeit (Textil) und qualifizierter Arbeit (Metall), so lässt sich eine deutlich wachsende Differenz der Einkommen in diesen beiden Sektoren feststellen. Man kann das Verhältnis der beiden Größen als "Skill-Ratio", als ein Maß der qualifikatorischen Unterschiede der beiden Beschäftigungsbereiche ansehen und die Einkommensdifferenzen dem Wirken der Marktkräfte im Wachstumsprozess zuschreiben. Die Wirkung einer zunehmenden Einkommensungleichheit im 19. Jahrhundert wird hinsichtlich der langfristigen Effekte zum Teil durchaus positiv bewertet, denn so konnten Ersparnisse gebildet werden, aus denen verstärkt Investitionen finanziert wurden, die das Wirtschaftswachstum förderten. Das enorm gesteigerte BIP eröffnete im 20. Jahrhundert neue Verteilungsspielräume, die dann zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Einkommen führten und auch die Beschäftigten langfristig am Fortschritt beteiligten.
Prof. emeritus Dr., zuletzt Direktor des Seminars für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln - Arbeit, Einkommen und Lebensstandard