Wohlstand ist schwierig zu messen. Gängige Methoden beruhen dabei auf rein ökonomischen Kennzahlen, neuere Konzepte versuchen bspw. auch Bildung und Gesundheit zu integrieren.
Letztendlich dienen die gesamtwirtschaftliche Produktion und die Erzielung von Einkommen immer der privaten Wohlfahrt der Bevölkerung. Allerdings lässt sich der Wohlstand in einer Volkswirtschaft nur schwer bestimmen und der vielfach verwendete Wohlstandsindikator "BIP-Pro-Kopf", oder auch die Pro-Kopf-Konsumausgaben, wurden immer wieder als unzulänglich kritisiert und auch alle Korrekturversuche auf der Basis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung konnten dieser Kritik kaum hinreichend begegnen. Allen diesen Ansätzen bleibt es zu Eigen, dass darin vornehmlich ökonomische Größen berücksichtigt werden und die zweifellos ebenfalls bedeutsamen sozialen und psychischen Dimensionen individueller Wohlfahrt außer Acht bleiben. Bereits in den 1960er Jahren wurden auch in Deutschland Versuche unternommen, durch ein umfassendes, mehrdimensionales Sozialindikatorensystem den Mängeln der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abzuhelfen – mit wenig Erfolg. Gleichwohl verfolgt eine Reihe weiterer Arbeiten einen ähnlichen Ansatz, ohne entscheidende Fortschritte zu erzielen. (siehe Tab 4)
Ein neuartiger Human-Development-Index zur Messung des Lebensstandards eines Landes wurde von den Vereinten Nationen entwickelt. Darin werden neben der gesamtwirtschaftlichen Produktion (Pro-Kopf-BIP) auch die Gesundheit (durchschnittliche Lebensdauer) und die Bildung (Lesefähigkeit und Dauer des Schulbesuchs) als wesentliche Faktoren der Lebensqualität berücksichtigt. Für jedes Land wurde dann für alle drei Dimensionen der Lebensqualität der relative Abstand zum jeweils erfolgreichsten Land gemessen, wobei der maximale Wert je mit dem Wert "Eins" belegt wurde. Das arithmetische Mittel der drei Einzelwerte ergibt dann für jedes Land einen Wert zwischen "Null" und "Eins" und je größer dieser numerische Wert ist, desto höher ist der Lebensstandard in diesem Land anzusehen. (siehe Tab 5)
Blickt man auf die Entwicklung des HDI für Deutschland, so zeigt sich zwischen 1870 und 1913 ein Anstieg auf nahezu das Doppelte (von 0,39 auf 0,63) und dieser Anstieg setzte sich bis in die 1960er Jahre leicht gebremst, aber stetig weiter fort. Die beiden Weltkriege hatten damit erstaunlicher Weise nur einen geringen Einfluss auf die Höhe dieses Wohlfahrtsmaßes. Das lässt sich dadurch erklären, dass während dieses Zeitraumes zwar die gesamtwirtschaftliche Produktion deutlich beeinträchtigt wurde, der Einfluss dieses Faktors auf den Wohlstand aber durch eine Verlängerung der Lebenserwartung (ohne Kriegstote) und eine erhöhte Bildung teilweise ausgeglichen wurde. Bemerkenswert ist ferner, dass der absolute Wert des HDI für Deutschland erst nach 1980 einen Wert von um bzw. über 0,9 erreichte, der für eine Wohlstandsgesellschaft charakteristisch ist.
Für langfristige historische Vergleiche der Wohlfahrt in verschiedenen Volkswirtschaften wurde in letzter Zeit eine Reihe weiterer Indikatoren zum Teil recht ungewöhnlicher Art berechnet. Blickt man zum Beispiel auf die Entwicklung der durchschnittlichen Körpergrößen der deutschen Bevölkerung als einem Indikator des Versorgungsniveaus, so zeigt sich die Wirkung der Krise des Pauperismus im frühen 19. Jahrhundert in einem deutlichen Rückgang diese Indikators bis zur Mitte des Jahrhunderts. Die Verbesserung der Wirtschaftslage danach schlug sich in einem stetigen Anstieg der Körpergrößen nieder. Der zunächst kräftige Anstieg verminderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber wieder, weil ein starkes Bevölkerungswachstum und das Wachstum der Städte für die Unterschichten häufig prekäre Lebensverhältnisse schufen. Auch die Versorgungskrisen der beiden Weltkriege hinterließen in der Entwicklung der Körpergrößen ihre Spuren. Inwieweit die alternativen Wohlfahrtsmaße das vertraute BIP ersetzen können, muss sich erst noch beweisen.
Prof. emeritus Dr., zuletzt Direktor des Seminars für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln - Arbeit, Einkommen und Lebensstandard