Unternehmen haben vielfältige (Rechts-) Formen, die meisten sind Einzelunternehmen oder offene Handelsgesellschaften bzw. Gesellschaften bürgerlichen Rechts, in denen sich natürliche Personen zusammenschließen. Doch nur Kapitalgesellschaften (und in der Zwischenkriegszeit auch Genossenschaften) fanden in der Statistik größere Beachtung. Denn Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Gesellschaften mit begrenzter Haftung (GmbH) sind meist größere Unternehmen, für die leichter Daten zu erheben sind. Daher spielen sie auch in der Volkswirtschaft eine wichtigere Rolle. In Kapitalgesellschaften finden sich mehrere Eigentümer (Aktionäre oder Gesellschafter) zusammen, wenn die erforderlichen Investitionen für Einzelne zu hoch sind, oder wenn einzelne Personen das mit solchen Investitionen verbundene Risiko nicht allein tragen wollen. Zudem ist die Haftung der Beteiligten auf den Anteil am Stammkapital bzw. die Erwerbskosten der Aktien begrenzt.
Die Institution der Kapitalgesellschaft hat sich in Deutschland sehr langsam während des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. Zunächst wurden AGs gegründet (allerdings in sehr viel geringerer Zahl als in England oder den USA). Vor allem für Versicherungen, Eisenbahn- oder Schifffahrtsgesellschaften war die begrenzte Haftung interessant. Preußen erlebte in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine erste "Gründungswelle" von AGs im Kohlebergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie, dennoch erreichte die Gesamtzahl nur wenige hundert Gesellschaften. Denn für die Gründung war in den deutschen Staaten eine Genehmigung oder Konzession der Regierung erforderlich (in Preußen des Königs), und die Vorbehalte gegen AGs waren lange Zeit groß, da sie das ursprüngliche Gewerbe gefährden und den "Spekulationsgeist" regen würden.
Tabelle 2: Aktiengesellschaft und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (97kB)
Tabelle 2: Aktiengesellschaft und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (97kB)
In gewisser Weise war diese Skepsis berechtigt, denn nachdem der Konzessionszwang 1870 aufgehoben worden war, herrschte Euphorie an den Börsen, und in nur drei Jahren wurden 928 AGs gegründet.
Die deutsche Statistik berücksichtigt AGs erst seit 1906 und GmbHs seit 1909. Sie berichtet nicht nur über die Zahl der Gründungen, sondern auch über Geschäftseinstellungen und erlaubt daher für etwa 90 Jahre, bis deren Erfassung 1994 eingestellt wurde, einen Überblick über die bestehenden Gesellschaften. Seither berichtete nur noch das Deutsche Aktieninstitut zusammenfassend über die deutschen AGs. (siehe Tab 2) Einen neuen Aufschwung erlebten die Kapitalgesellschaften in den Anfangsjahren der Weimarer Republik. Dazu trug auch die Inflation bei, da die Aktie einen Sachwert darstellte, während der Kaufpreis durch den Wertverlust der Mark schnell bedeutungslos wurde. Doch erneut brachen bald viele der neuen Gesellschaften zusammen, diesmal wegen der Stabilisierung der Währung. Zahlreiche Unternehmenszusammenschlüsse taten ein Übriges.
Selbst in dieser historischen Hochphase war die Zahl der AGs in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten noch immer gering.
Tabelle 3: Bilanzen der Aktiengesellschaften (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (101.3kB)
Tabelle 3: Bilanzen der Aktiengesellschaften (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (101.3kB)
Leider sagt die Statistik nur wenig über die Erträge und die Gewinnausschüttungen der AGs aus. Der Anteil der ausgewerteten Bilanzen schwankte von Jahr zu Jahr und lag zwischen 22 (1929) und 88 Prozent (1908); in der Bundesrepublik wurden 40 bis 65 Prozent der Bilanzen ausgewertet. Es handelte sich jedoch nicht immer um dieselben Unternehmen. Die präsentierten Daten haben daher nur eingeschränkte Aussagekraft, doch sie entsprechen der wirtschaftshistorischen Forschung zur Dividendenrendite der Aktiengesellschaften weitgehend. Gemessen am Eigenkapital (das Grundkapital plus Reserven oder Rücklagen des Unternehmens) bewegte sich die durchschnittlich ausgezahlte Dividende der erfassten Gesellschaften vor dem Ersten Weltkrieg zwischen 6 und 7 Prozent
Die alte Bundesrepublik erlebte keine neue Aktienwelle, allerdings wählten immer mehr Unternehmen die Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG (eine Personengesellschaft mit einer GmbH als haftendem Gesellschafter). Vor allem Handel und Dienstleistungen, aber auch Familienunternehmen nutzen diese Form, die keine Veröffentlichung von Bilanzen und Geschäftsberichten erfordert. Die Finanzierung über den Aktienmarkt war für die meisten Unternehmen in dieser Zeit nicht notwendig, da Banken bereitwillig langfristige Kredite bereitstellten, was sich auch an der seit 1949 schrumpfenden Eigenkapitalquote der Aktiengesellschaften zeigt. Allerdings erschien möglichen Investoren wohl auch die Gewinnausschüttung in der Regel wenig interessant. (siehe Abb 1)
Abbildung 1: Eigenkapitalquote und Dividenden der Aktiengesellschaften (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (105.7kB)
Abbildung 1: Eigenkapitalquote und Dividenden der Aktiengesellschaften (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
- Als PDF herunterladen (105.7kB)
Vor dem Hintergrund der Globalisierung und der Interner Link: Shareholder-Value-Orientierung spielt der Aktienmarkt allerdings seit Ende des 20. Jahrhunderts eine größere Rolle. Doch das Statistische Bundesamt hat Anfang der 1990er Jahre die Berichterstattung über Kapitalgesellschaften grundlegend revidiert. Daten, die es ermöglichen verschiedene Unternehmensformen zu beobachten, liefert nun nur noch die Umsatzsteuerstatistik. Sie weist eine deutlich geringere Anzahl von Kapitalgesellschaften aus, bestätigt aber die skizzierte Tendenz. Zwar machen noch immer natürliche Personen und Einzelunternehmen den größten Teil der Umsatzsteuerpflichtigen aus (2012 2,2 Millionen Personen). Doch seit der deutschen Einigung vervierfachte sich die Zahl der AGs fast, die Zahl der GmbH & Co. KGs verdoppelte sich. Die Statistik zeigt auch, dass Gesellschaften ohne Veröffentlichungspflicht wichtiger für die deutsche Wirtschaftsleistung sind als Aktiengesellschaften. GmbHs und Kommanditgesellschaften führen zusammen 60 Prozent der Umsatzsteuer ab (bezahlt wird sie ja von den Kunden der Unternehmen), AGs sind nur mit knapp 18 Prozent beteiligt.
Angaben zur Eigenkapitalausstattung oder zu den ausgeschütteten Dividenden werden seit 1994 nicht mehr in der Statistik ausgewiesen. Allerdings spielt die Dividende seit dieser Zeit eine immer geringere Rolle für die Entscheidung, Aktien zu kaufen. Viel wichtiger ist heute die Erwartung eines steigenden Unternehmenswertes und damit des Erlöses, der beim Verkauf einer Aktie erzielt werden kann (Shareholder-Value).