Mit der Einführung der Interner Link: Gewerbefreiheit in Preußen 1810 und später in anderen deutschen Staaten verloren die Zünfte und die Handwerksmeister ihre privilegierte Stellung. Zwar bildeten Handwerksmeister nach wie vor Lehrlinge aus und es gab auch weiterhin wandernde Gesellen, doch die Gewerbefreiheit ermöglichte es, ein Gewerbe anzumelden oder ein Handwerk zu betreiben, ohne einen Meisterbrief und die Zustimmung einer Handwerkszunft zu besitzen. Die "Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund" von 1869 ermöglichte schließlich jedem Bürger der deutschen Staaten einen Gewerbebetrieb zu gründen, ohne besondere Qualifikationen nachweisen zu müssen, und jeder selbständige Gewerbetreibende erhielt das Recht, Lehrlinge auszubilden. Damit waren die Privilegien der Handwerksmeister beseitigt. Diese gaben ihren Protest gegen die liberalen Bestimmungen jedoch nicht auf; die Gründerkrise (1873/74) und die folgende Preisdeflation führten sie enger zusammen und resultierten 1882 in der Gründung des Allgemeinen Deutschen Handwerkerbundes. Die Handwerker erzielten in den folgenden Jahren weitreichende Erfolge. Die Novelle der Gewerbeordnung von 1897 ermöglichte den selbstständigen Gewerbetreibenden die Gründung von Innungen zur Artikulation ihrer gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen, zur Verständigung über Standards und zur Durchführung von Gesellen- und Meisterprüfungen. Gewählte Handwerkskammern sollten auf bezirklicher Ebene die Interessen der Handwerker vertreten. 1908 wurde der sogenannte kleine Befähigungsnachweis eingeführt. Die Führung eines selbstständigen Gewerbebetriebs oder die Stellung als Werkmeister in einer Fabrik war nun nicht mehr hinreichend, um Lehrlinge auszubilden; seither ist ein von der Handwerkskammer ausgestellter Meisterbrief erforderlich. Die Novellen der Gewerbeordnung legten auch die Grundlage für die duale Berufsausbildung, die neben der fachlichen Lehre einen Schulbesuch vorsieht.
Tabelle 6: Handwerk (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Gründe für die Re-Institutionalisierung des Handwerks lagen zum Teil in der erfolgreichen politischen Arbeit der Handwerkervereine, Handwerkskammern und Innungen, doch vor allem war es die Furcht der politischen und wirtschaftlichen Eliten, denen Mittelstandsförderung als eine innenpolitische "Rückversicherung"
Diese Regelungen hatten trotz Änderungen der Handwerksordnung im Grundsatz
Tabelle 7: DDR - Berufstätige nach Wirtschaftszweig und Betriebsart und Struktur des Handwerks (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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In der DDR war das Handwerk einer der wenigen Bereiche, in denen sich Sachkapital in privater Hand befinden konnte. Doch die Handwerksbetriebe waren in die zentrale Planung und Bewirtschaftung eingebunden und besaßen daher wenig Gestaltungsspielraum. Zudem wurden seit 1952 Produktionsgenossenschaften gebildet, in denen viele Handwerksbetriebe vor allem des "Maschinen- und Fahrzeugbaus", der Holzbearbeitung und des Bauhandwerks aufgingen. Weil ein industrielles Arbeitsverhältnis eine sicherere und zum Teil einträglichere Existenz als die eines selbstständigen Handwerkers versprach (sieht man von dem ausgedehnten Segment der Schwarzarbeit ab) und weil zudem zahlreiche Arbeitskräfte in die Bundesrepublik abwanderten, nahm die Zahl der im Handwerk Tätigen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre um etwa ein Drittel ab (1955: 858 000, 1961: 580 000). (siehe Tab 7, Abb 7)
Abbildung 7: Beschäftige im Handwerk der DDR (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Wenngleich der Deutsche Handwerkskammertag heute das Handwerk als die "Wirtschaftsmacht von nebenan"
Die einzelnen Handwerkszweige waren sehr unterschiedlich von strukturellen Wandlungsprozessen betroffen. Eine langfristige Tendenz ist kaum zu ermitteln, da nach der letzten Handwerkszählung von 1995 (für das alte Bundesgebiet) die Erfassungskriterien radikal verändert wurden und die jüngeren Daten mit den vorherigen mit Ausnahme des Lebensmittelgewerbes nicht mehr vergleichbar sind. Bereits in der alten Bundesrepublik waren die verschiedenen Zweige sehr unterschiedlich betroffen. Während die Zahl der Unternehmen im metallverarbeitenden Gewerbe stieg, verlor das Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe über 90 Prozent der Unternehmen (insbesondere Schneider und Schuster) und das Nahrungsmittel- und das Holzgewerbe jeweils fast 60 Prozent. In der gleichen Zeit hat die Gesamtzahl der Beschäftigten um mehr als zwei Drittel zugenommen, jedoch nicht im Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe, wo sie um über 80 Prozent zurückgegangen ist.
Bis heute wächst die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitsgewerbe, im Lebensmittelgewerbe bleibt sie bemerkenswert stabil. Seit der deutschen Einigung hat insbesondere das Baugewerbe verloren. Hier arbeiteten 2010 540 000 Beschäftigte weniger als im Jahr 1995. Dies ist nur zum Teil durch Technisierung zu erklären, eine wichtige Rolle spielen auch der Europäische Binnenmarkt und die Tätigkeit ausländischer Unternehmen in Deutschland sowie die Folgen der Finanzkrise.