Die Entwicklungen in der Zahlungsbilanz seit 1982 sind in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Während die Dienstleistungsbilanz langfristig negativ blieb, aber die Defizite abnahmen, setzte der Saldo der Handelsbilanz zu einem deutlichen Wachstum an, wiederum begleitet von einem kräftig zunehmenden Auslandsvermögen. Anders als zuvor war diese internationale wirtschaftliche Expansion aber nicht von hohen Wachstumsraten der Wirtschaft im Inland begleitet. Vor allem die deutsche Industrie eroberte international beständig Marktanteile, was sowohl auf Entwicklungen innerhalb Deutschlands wie auch auf Entwicklungen bei den Handelspartnern zurückzuführen ist. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung von Leistungsbilanz, Kapital- und Devisenbilanz (jeweils per Saldo) als Anteil des Bruttoinlandsprodukts von 1883 bis 2010. Die Entwicklung seit 1982 – unterbrochen von der Zeit der Wiedervereinigung bis zur Einführung des Euro – ist im langfristigen Vergleich ungewöhnlich. (siehe Tab 2, Abb 2)
Abbildung 2: Teilbilanzen (Salden) der deutschen Zeitungsbilanz (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Hintergründe werden zum Teil aus einer Betrachtung der regionalen Entwicklung deutlich: Wo erwirtschaftete die Bundesrepublik Deutschland diese gewaltigen Leistungsbilanzüberschüsse? Wohin flossen die deutschen Kapitalexporte? Es macht Sinn, die Entwicklung bis 1989 in zwei Perioden zu untergliedern.
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Die Dekade nach der Wiedervereinigung ab 1990 scheint diese Entwicklungen im Rückblick nicht zu beenden, sondern lediglich zu unterbrechen. Unter anderem bremste die verstärkte Nachfrage ostdeutscher Verbraucher nach westdeutschen Produkten das Wachstum der Handelsüberschüsse und führte zu einer zeitweilig negativen Leistungsbilanz, begleitet von Kapitalimporten. Bereits 1994 wuchs der Saldo der Handelsbilanz aber wieder, die Leistungsbilanz wurde jedoch erst mit Einführung des Euro wieder positiv und erreichte – auch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – unbekannte Höhen.
Tabelle 3: Zahlungsbilanz der DDR (1975-1989) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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An dieser Stelle soll kurz auf die Entwicklung der Zahlungsbilanz der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verwiesen werden. Die Deutsche Bundesbank hat 1999 eine Zahlungsbilanz der DDR für die Jahre 1975 bis 1989 in Anlehnung an das Balance of Payment Manual des IWF vorgelegt. Tabelle 3 fasst die Ergebnisse umgerechnet in Euro zusammen. Die Zahlen zeigen weitgehend ausgeglichene Teilbilanzen (wobei den außenwirtschaftlichen Beziehungen mit dem Sozialistischen Wirtschaftsgebiet (SW) eine deutlich größere Rolle zukam), weisen aber auch auf Schwierigkeiten hin. Der Vorzeichenwechsel der Leistungsbilanz 1981/82 etwa resultierte aus einer scharfen Liquiditäts- und Devisenkrise, die zu verstärkten Exportanstrengungen und Exporterfolgen führte. Mit sinkenden Erdölpreisen ab 1986 begann sich die außenwirtschaftliche Lage der DDR gegenüber dem Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) wieder zu verschlechtern, auch wenn die Verschuldung gegenüber dem NSW bis 1989 vermutlich noch kein kritisches Niveau erreicht hatte.
Abbildung 3: Teilbilanzen (Salden) der deutschen Zeitungsbilanz nach Regionen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Aus Abbildung 3 wird die regionale Aufteilung wichtiger Teilbilanzen für das vereinte Deutschland 2007 bis 2010 ersichtlich.
Gespiegelt wird dies erneut in massiven Kapitalexporten, die ebenfalls in Relation zum BIP historische Rekordwerte erreichen. Zeitweilig überlagert von den Folgen der deutschen Wiedervereinigung, hatte auch in den 1990er Jahren die Internationalisierung der deutschen Wirtschaft deutlich zugenommen, die sich aber weiterhin auf den europäischen Wirtschaftsraum konzentrierte. Von allen deutschen Direktinvestitionen im Ausland 2010 wurden knapp über 70 Prozent in anderen europäischen Staaten getätigt und knapp 16 Prozent in den USA. Während Deutschland also weiterhin hohe Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber seinen europäischen Nachbarn aufweist, die geradezu traditionell Gegenstand der Diskussion sind, fließt umgekehrt auch der Großteil der deutschen Auslandsinvestitionen nach Europa, während Investitionen etwa in Asien – zumindest bisher – noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die deutsche Wirtschaft hat sich nach 1945 in einem nie dagewesenen Ausmaß internationalisiert, den Schwerpunkt aller außenwirtschaftlichen Beziehungen bildet dabei weiterhin Europa.