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Hybrides Lernen – aber wie?

Nina Heinrich

/ 6 Minuten zu lesen

Nach 2020 können Lehrerinnen und Lehrer die Begriffe "digital" und "hybrid" vermutlich kaum noch hören. Vor allem, da so manche Tipps an Schulrealitäten vorbeigehen. Doch hybride Unterrichtsmodelle schaffen eine inklusivere Lernlandschaft – und es braucht oft gar nicht viel, sie umzusetzen.

Zwischen Präsenzunterricht und digitalem Klassenraum: Hybrides Lernen spielt nicht nur in der Corona-Krise eine große Rolle. (© Foto: Lucas Law Externer Link: unsplash.com)

2021 wird hybrid. Im Kontext Schule ist damit die Kombination von Präsenzunterricht und Online-Lernen gemeint. Bevor die Corona-Pandemie ab März letzten Jahres eine Welle der Digitalisierung durch alle Alltagsbereiche schickte, war das Internet an vielen Schulen vor allem etwas, mit dem sich Lernende über ihr Smartphone vom Unterricht ablenken ließen. Laut einer Umfrage im März 2020 von Statista schätzten 77 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Auswahl an digitalen Lernangeboten wenig verwunderlich als zu gering ein. Dazu kommt, dass sich viele Eltern nicht von heute auf morgen ein Gerät für jedes Kind oder Geschwisterkind leisten können. Und auch Lehrende werden erst von diesem Jahr an mit Arbeitslaptops für ihre Unterrichtsvorbereitung ausgestattet.

Die Kombination von analogem und digitalem Lehren und auch der Einsatz digitaler Medien im Unterricht ist bislang nicht überall konkreter Inhalt des Lehramtsstudiums. Lehrende werden so mit grundverschiedenem Vorwissen und Kompetenzen auf die aktuellen Herausforderungen losgelassen - auf Lernende, die ihrerseits sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Einheitliche Lösungsansätze lassen wiederum Sonderfälle und die sehr unterschiedlichen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen schulischer Bildung außer Acht.

Bis nun jede Schule ihr eigenes Digitalkonzept ausgearbeitet hat, um dann Gelder aus dem DigitalPakt Schule zu bekommen, würden in Zeiten wie diesen vor allem die Kinder benachteiligter Haushalte und die ganz Jungen Gefahr laufen, abgehängt zu werden. Bis dahin helfen niedrigschwellige Methoden für hybriden Unterricht, die jetzt und sofort ohne spezielle Expertise und Ressourcen anwendbar sind.

Blended Learning

Konzepte hybriden Unterrichts gab es auch schon vor der Corona-Krise. Einer davon nennt sich Interner Link: "Blended Learning". Die Methode beschreibt die didaktische Verzahnung von klassischen Unterrichts-Präsenzphasen mit selbstgestaltetem Lernen über Online-Medien. Dabei ist zu bedenken, dass die Methode zunächst eine größere Zeit- und Aufwandsinvestition seitens der Lehrenden bedarf, nicht zuletzt, da Umfang, Pflichten und Freiheiten der Schülerinnen und Schüler gegeneinander abgewogen werden müssen. Präsenzphasen im Unterricht können mit Webinaren – zum Beispiel über eine Lernplattform oder über Open-Source-Videokonferenztools wie Jitsi oder BigBlueButton – kombiniert werden. Die Präsenzphase kann dann anstatt des klassischen Frontalunterrichts als praktische Projektarbeit in kleinen Gruppen stattfinden. Die Gruppen können sich auch analog und digital zusammensetzen, je nach persönlichem Kenntnisstand und Möglichkeiten. Die Lehrinhalte werden von den Schülerinnen und Schülern zuhause selbst erarbeitet: etwa mit Hilfe von angeleiteten Webrecherchen, über YouTube, PDFs, Podcasts und so weiter. Auch haben sich die EU-geförderten - und daher in ihren Grundversionen kostenlosen - Apps wie beispielsweise ANTON und charly.education in den letzten Monaten als nützlich erwiesen. Solche Apps eignen sich vor allem gut für die Grundschule, können von Lehrenden aber auch für die Unterrichtsvorbereitung und zur Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern genutzt werden. Die Bedienung solcher Apps ist weder für sehr junge Lernende noch für Eltern absolut selbsterklärend und sollte deshalb von den Lehrenden einführend begleitet werden – vor Ort oder auch per Videokonferenz.

Ein paar grundlegende Kniffe

Für den Livestream einer vortragenden Person (beispielsweise einer Lehrperson) sollte die Kamera zur Übertragung gezielt das Gesicht filmen - statt des gesamten vorderen Bereichs des Klassenzimmers inklusive Tafel oder Smartboard. Die digital Anwesenden fühlen sich stärker eingebunden, wenn das Gesicht der Lehrperson ihnen zugewandt ist. Die unterrichtsbegleitende Präsentation oder auch das Tafelbild werden für die analog teilnehmenden Schülerinnen und Schüler über einen Beamer oder ein interaktives Display geteilt, je nach technischer Ausstattung der Schule. Für die Lernenden daheim kann der Bildschirm geteilt werden, was bei den meisten Konferenz-Softwares problemlos möglich ist.

Um den unterschiedlichen Voraussetzungen bei der Lernatmosphäre zuhause gerecht zu werden, muss bestimmten Schülerinnen und Schülern gezielt und verstärkt ein analoges Angebot vor Ort ermöglicht werden – Fortgeschrittene und Förderbedürftige sollten in Austausch und Zusammenarbeit trotzdem unbedingt vermischt werden. Hybride Modelle ermöglichen die Kommunikation und gemeinsame Auseinandersetzung mit Lernstoff zwischen Lernenden vor dem Computer und von der Schulbank aus. Dafür ist es unumgänglich, dass auch die Schülerinnen und Schüler, die vor Ort in der Schule sind, jeweils ein digitales Endgerät mitbringen oder es ihnen von der Schule gestellt wird. Computerräume sind an Schulen leider oft mit veralteter Technik ausgestattet und die räumlichen Kapazitäten sind dahingehend eingeschränkt - doch im Zweifelsfall bietet auch dieser einen Ausweichort.

Gruppenpuzzle

Bei aller Sorge um die Nichterfüllung des Lehrplans, wird eine wichtige Begleiterscheinung der aktuellen Einschränkungen durch die Krise weniger besprochen: das fehlende Miteinander. Mindestens die Hälfte schulischer Lehre wird durch die Ausbildung sozialer Kompetenzen bestimmt. Neben der Interaktion auf dem Schulhof findet diese vor allem in Projekt- und Gruppenarbeiten Raum. So lernen Schülerinnen und Schüler auch voneinander und erfahren, wie es sich anfühlt, Verantwortung für das Arbeitsergebnis einer anderen Person tragen zu müssen (mehr dazu hier: Externer Link: https://www.forum-verlag.com/blog-bes/homeschooling).

Dieser rege Austausch zwischen allen Lernenden lässt sich zum Beispiel in einem sogenannten Gruppenpuzzle-Format durchführen: Hier werden die Gruppen zu gleichen Teilen aus analog und digital Lernenden zusammengesetzt. Falls deutlich weniger vor Ort als von zuhause aus am Unterricht teilnehmen können, kann das Verhältnis auch anders gestaltet werden. Wichtig ist jedoch, dass die analog teilnehmenden Lernenden gleichmäßig auf die Gruppen aufgeteilt werden. So können förderbedürftigere Schülerinnen und Schüler die notwendige technische und pädagogische Unterstützung erhalten und gleichzeitig ihre Digitalkompetenzen stärken.

Natürlich kann das Gruppenpuzzle auch in mehreren Runden ablaufen, wobei die Lernenden in Rotation mal vor Ort mit der Lehrperson arbeiten können und mal von zuhause aus. Die Lehrenden schalten sich für die Besprechungen im Plenum dann genau wie alle anderen zu festen Zeiten über das Konferenztool zu, um das Gefühl des gemeinsamen Arbeitens und Lernens zu verstärken. Die Arbeit innerhalb der Gruppen zu bestimmten Themen und Lerninhalten kann über spezielle Tools für kollaboratives Arbeiten erfolgen, sofern die Schule entsprechende Software verfügbar macht. Es können aber auch schlicht Notizen im Chat des Konferenztools oder über Open-Source-Anwendungen wie Padlet gemacht werden. Anschließend kann zu bestimmten Themen gemeinsam eine Wikipedia-Seite erstellt werden – wie Externer Link: von Lehrerin Verena Plomer empfohlen. Ältere Schülerinnen und Schüler können Themen in verschiedensten Formen eigenständig erarbeiten und dann sich in Präsenzzusammenkünften gegenseitig vorstellen – dazu können unter anderem digitale Präsentationen und MindMaps, Fotos, Videos oder auch Infografik-Tools genutzt werden.

Fazit: Lernen im Digitalen und Analogen

Beim Nachdenken über hybride Lernszenarien wird deutlich, welche Rolle bei der Aushandlung zwischen Digitalem und Analogen verschiedene Lernräume spielen – diese müssen nicht zwangsläufig physisch sein, doch mindestens Begegnung ermöglichen. Erziehungswissenschaftler Martin Nugel schrieb 2015, dass "ein pädagogischer Raum erst durch die Aneignungspraxis der einzelnen Lernenden" entsteht. Dieser ist nicht zwangsläufig ortsgebunden und kann auch zunächst im Digitalen geöffnet werden – etwa wenn Lernende für die Suche nach einem Projektthema Begriffe in eine Suchmaschine eingeben und der Lehrperson Fragen über die Chatfunktion einer App schicken – und dann im Analogen fortgesetzt bzw. erweitert werden, wenn einzelne Schülerinnen und Schüler im Klassenraum wieder aufeinander treffen. Der Schlüssel liegt im angeleiteten eigenverantwortlichen Arbeiten, kombiniert mit Austausch.

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Hybridunterricht verlangt einiges an Kreativität. Hier wird insbesondere von Lehrenden viel Einsatzvermögen und Energie über das gewohnte Maß hinaus verlangt. Anknüpfungsmöglichkeiten bieten Methoden aus außerschulischen Bildungskontexten.

Hybridunterricht zeigt, dass wir sowohl das Analoge als auch das Digitale zum Leben und Lernen brauchen. Und wie durch Technologien einerseits und innovative Kommunikationsmethoden andererseits beides zunehmend verschmilzt. Die Zukunft ist hybrid.

In eigener Sache

Mit der Werkstatt der bpb möchten wir Themen und Prozesse wie das hybride Lernen auch 2021 mit Ihnen begleiten - ein Jahr, in das wir mit einer unglaublichen Vielfalt an hinzugewonnenem Wissen und Methoden alternativer Unterrichtsformate starten können. Wir möchten mit und für Sie hilfreiches Hintergrundwissen und konkrete Methodentipps sammeln. Zum Beispiel über unsere neue Videoreihe "Bildungshacks" und unseren neu startenden Instagram-Kanal.

Wir würden uns über Erfahrungsberichte und Tipps zu Methoden und Formaten, mit denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben, sehr freuen. Auch für kritische Perspektiven zu Entwicklungen im Zuge des digitalen Wandels in der Bildung sind wir dankbar. An: E-Mail Link: redaktion@werkstatt.bpb.de

Nina Heinrich ist seit September 2020 Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Sie studierte Kulturwissenschaften und Kulturmanagement in Hildesheim, Lüneburg und Vilnius. Parallel dazu erschuf sie ein internationales Festival für Independent-Webserien und kümmerte sich auch sonst mit Workshops um Nachwuchsarbeit in der digitalen Sphäre. Außerdem schrieb sie für das deutschsprachige Lonely Planet Traveler-Magazin und organisierte Portfoliosichtungen für junge Fotograf*innen. Nach ihrem Studium leitete sie als Referentin für Medienprojekte bei der Jugendpresse Deutschland das Workshop- und Redaktionsformat politikorange und betreute Nachwuchsveranstaltungen im Medienbereich für Jugendliche.