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Schule als Raum für Leben

Nina Heinrich Kathi Ammann

/ 5 Minuten zu lesen

Wir sprachen mit der Architektin Mandana Sedighi über ihr Konzept für "Schule als hybrides System" zum Leben und Lernen – und darüber, welchen Stellenwert die Digitalisierung in der Schule von morgen einnimmt.

Architektonische Transparenz ist Teil des Konzepts von Schule als hybrides System. (© Hoàng Minh Nguyễn Externer Link: unsplash.com)

Was bedeutet "Schule" für Sie?

Schule ist für mich ein Erfahrungsort: ein Ort, an dem Kindern und Jugendlichen nicht nur Wissen bei-gebracht wird, sondern auch Können. Wir brauchen einen großen sozialen Raum mit Interaktionen, mit Kohärenz und Zusammenarbeit. Meiner Ansicht nach ist das ein Raum zum Leben – nicht nur zum Lernen und belehrt werden, sondern ein Ort, der fast wie ein familiäres Netzwerk funktioniert, mit gemeinsamen Aktivitäten, gesellschaftlicher Akzeptanz, Solidarität, Empathie und Inklusion.

Welche Bedeutung hat die Architektur des Lernraums dafür?

Schule sollte die Aktivitäten von Menschen positiv beeinflussen und unterstützen. Im schulischen Raum sprechen wir ja vom Schulgebäude als "drittem Pädagogen". Die Architektur der Schule nimmt demnach Einfluss auf die Konzentration, auf die Bewegung und auf die Gesundheit von Menschen, die sich in diesen Schulräumen aufhalten.

Um ein paar konkrete Beispiele zu nennen: Mit nachhaltigen und umweltfreundlichen Materialien, beispielsweise Holz, kann man einen Raum gemütlicher und atmosphärischer gestalten. Außerdem kann in den Schulräumen mit Transparenzen gearbeitet werden, sodass die Kinder jederzeit Kontakt mit ihrem Umfeld aufnehmen können - so wird die Neugier und Intelligenz der Schülerinnen und Schüler gefördert. Architektur spielt als dritter Pädagoge für die schulische Bildung also eine große Rolle.

Wie kann diese "Transparenz" zwischen Schulräumen hergestellt werden?

Wir können die Trennwände zwischen Klassenraum und Flur unterbrechen, indem wir diese teilweise durch Fenster ersetzen. Zum einen wird Tageslicht durch die Fenster aus den Klassenräumen in den Gang übertragen, zum anderen können die Kinder auch erfahren, was gerade in anderen Lernbereichen, hier also auf dem Flur, passiert. Das heißt, der Charakter des sonst schularchitektonisch typischen Korridors wird von einem vorher langgezogenen, geraden und eher dunklen Raum geöffnet und so zu einem neuen Begegnungsort. Der Flur wird praktisch ersetzt durch eine Lernstraße.

Schaubild für die systematische Aufstellung eines Nutzungsszenarios für Schule als hybrides System (© Mandana Sedighi, KIT)

Auf welche Weise können digitale Elemente in einen analogen Raum integriert werden?

In einem Klassenzimmer, das auf Frontalunterricht ausgerichtet ist, können digitale Lernformate nicht so einfach umgesetzt werden. Dafür müssen wir ein analoges Klassenzimmer in einen hybriden Raum umwandeln. Es reicht nicht, Steckdosen und Kabel zu haben, sodass die Laptops und iPads angeschlossen werden können. In meiner Recherche bin ich beispielsweise auf Gebäude gestoßen, die gar nicht in der Lage waren, diese ganzen Kabel zu integrieren. Wir brauchen sehr flexible Räume, die überall Zugang zum Internet ermöglichen. Wir brauchen aber auch IT-Beratungsstellen in der Schule, die den Schulbetrieb vor Ort betreuen.

Die Digitalisierung umfasst also zwei Themen: zum einen die Bautechnik und die infrastrukturellen Voraussetzungen, die für Digitalisierung wichtig sind, zum anderen die Ausbildung des Lehrpersonals, damit diese die Kinder auf ihre Zukunft in einem digitalen Leben vorbereiten können.

Ich gehe davon aus, dass wir auf Basis des sogenannten "Internets der Dinge" unsere Schulen verändern werden, um eine komplette Digitalisierung, Umwandlung und Transformation – sowohl baulich als auch in der Pädagogik – ermöglichen zu können.

Welche Überlegungen über die Zukunft des Modells Schule hat die Pandemie neu angestoßen? Inwiefern wird Homeschooling jetzt als Lernort mitgedacht?

Wir mussten uns in den letzten eineinhalb Jahren unsere Wohnumgebungen auf hybride, funktionale Räume umstellen. Als die Kinder zu Hause bleiben mussten, wurde beispielsweise mancherorts aus der Küche plötzlich ein Klassenzimmer, beziehungsweise ein multifunktionaler Raum, weil nicht jedes Kind über ein eigenes Zimmer verfügt. Auch Entwicklungen der Digitalisierung bekamen einen neuen Stellenwert: Endgeräte und leistungsstarke Internetanschlüsse mussten her. Was bereits jahrelang moniert und nicht umgesetzt wurde, musste nun ganz schnell passieren.

Nicht nur das Thema Digitalisierung wurde in den Vordergrund gerückt, sondern auch die Wichtigkeit flexibler Räume und Themen wie Beratung, selbstständiges und flexibles Arbeiten, sodass man nicht nur ortsgebunden, sondern von überall aus lernen und lehren kann. Obwohl wir räumlich getrennt waren, waren wir in den letzten eineinhalb Jahren mehr verbunden als sonst. Im Netz konnten wir viel größere Gruppen zusammenbringen und über verschiedene Themen sprechen. Das Zuhause als weiterer Lernort, mit den Mitteln zum Beispiel des "Blended Learning", wird in Zukunft auf jeden Fall eine größere Rolle beim Thema Schule spielen. Ein weiterer Gesichtspunkt sind bauliche und architektonische Aspekte von Schulen für Präsenzunterricht während der Pandemie – das betrifft vor allem eine Entzerrung der Verkehrsströme in den Schulen, aber auch das gesamte Raumangebot wegen des erhöhten Platzbedarfs durch die Abstandsregeln sowie die Belüftungssysteme, also die Gebäudetechnik.

Mehr als Lernen und Lehren - Die Schule als hybrides System bietet Raum für unterschiedliche Nutzergruppen (© Mandana Sedighi, KIT)

Sie beschreiben die Schule der Zukunft als einen Raum für verschiedene Nutzergruppen über Schülerinnen und Schüler sowie Lehrende hinaus. Wie stellen Sie sich die Co-Existenz oder auch das Co-Lernen zwischen diesen Gruppen konkret vor?

Für die Entwicklung des Konzepts "Schule als hybrides System" befrage ich nicht nur Menschen an Schulen, sondern auch außerschulische Partner und Partnerinnen danach, welche Funktionen ihnen in einer Schule wichtig sind. Aus diesen Umfragen lässt sich schließen, dass es in einer Schule verschiedenste Angebote auch für außerschulische Akteure und Kooperationspartner geben könnte, beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Digitalisierung oder mobile Arbeitsplätze. Dazu einige Beispiele: Wenn wir auf dem Land in einer Schule freie Räume haben, etwa dadurch, dass die Anzahl von Schulkindern zurückgegangen ist, dann könnte man diese Räume zum Beispiel an ein IT-Start-up vermieten und hätte aus erster Hand einen Partner, der bei der Digitalisierung in der Schule unterstützen kann. Oder wenn ich als Architektin zu günstigen Bedingungen einen Coworking-Space zum gemeinschaftlichen Arbeiten in der Schule hätte, dann kämen die Schulkinder garantiert zu mir und würden mich fragen, was ich mache. Dadurch entstünde ein neues Netzwerk zwischen mir und den Kindern.

Auch, wenn Eltern zur Schule kommen, um beispielsweise mit den Kindern gemeinsam in der Schulcafeteria zu essen, dann werden dadurch neue Beziehungen entstehen und auch Menschen, die keinen Job haben, können neue Arbeitsbereiche kennenlernen. Es ist also ein Geben und Nehmen im hybriden Schulsystem - genau wie wir in einer Familie vom Geben und Nehmen profitieren, so können wir auch in der Schule gemeinsam durch Interaktion und gezielte Zusammenarbeit Erfolge erreichen. An dieser Schnittstelle zwischen schulischer und beruflicher Bildung können wir die Kinder und Jugendlichen bis zu ihrem Beruf richtig begleiten.

Schule als hybrides System ist also eine intendierte Form der Schule. Ein Raum für Leben. Ein Raum, der wie ein soziales Familienzentrum funktioniert. Ich würde sagen, es ist viel mehr als eine Koexistenz, sondern eine Interaktion, eine aktive Zusammenarbeit und ein gemeinsames Sich-Entwickeln im Sinne der Interner Link: Ziele der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.

Nina Heinrich ist seit September 2020 Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Sie studierte Kulturwissenschaften und Kulturmanagement in Hildesheim, Lüneburg und Vilnius. Parallel dazu erschuf sie ein internationales Festival für Independent-Webserien und kümmerte sich auch sonst mit Workshops um Nachwuchsarbeit in der digitalen Sphäre. Außerdem schrieb sie für das deutschsprachige Lonely Planet Traveler-Magazin und organisierte Portfoliosichtungen für junge Fotograf*innen. Nach ihrem Studium leitete sie als Referentin für Medienprojekte bei der Jugendpresse Deutschland das Workshop- und Redaktionsformat politikorange und betreute Nachwuchsveranstaltungen im Medienbereich für Jugendliche.

Kathi Ammann unterstützt die werkstatt.bpb.de seit April 2021 als Redaktionsassistenz. Davor studierte sie Politikwissenschaften, Soziologie und Politische Philosophie in Rotterdam. Akademisch, beruflich und privat begeistert sie sich besonders für Intersektionale Gerechtigkeit, Kritische Theorie und Aktivismus.