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Journalismus-Workshops trotz Pandemie

Kimberly Nicolaus

/ 4 Minuten zu lesen

Angebote der politischen Bildung haben sich im Zuge der Pandemie ins Internet verlagert. Unsere Gastautorin hat diese Entwicklung als Projektmitarbeiterin bei dem Verein Jugendpresse Deutschland mit begleitet und berichtet über Hürden und Erfolge.

Hybride Podiumsdiskussion im Rahmen der "JugendPolitikTage". (© Jugendpresse Deutschland/Annkathrin Weis)

Für Journalistinnen und Journalisten sind Ereignisse, die sich an einem oder an gleich mehreren Orten abspielen, normalerweise die Grundlage ihrer Berichterstattung. Das Lehr- und Lernmedium Externer Link: politikorange der Jugendpresse bringt junge Medienmachende wiederum genau an diese Orte, also mitten ins Geschehen. Die Teilnehmenden können dabei erste Erfahrungen im Journalismus sammeln. Sie berichten über das, was sie beobachten und über das, was ihnen Interviewpartnerinnen und -partner mitteilen – unter Anleitung etwas erfahrenerer Jungjournalistinnen und -journalisten. Peer-to-peer nennt sich dieser Ansatz.

Doch wie soll über eine Veranstaltung berichtet werden, die nicht besucht werden kann? Wie soll ein Gemeinschaftsgefühl in einer Redaktion entstehen, wenn sich die Teilnehmenden nicht treffen können?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen hat sich das Externer Link: Projektteam von politikorange seit Beginn der Pandemie auseinandergesetzt. 14 Onlineprojekte und eine Hybridveranstaltung während der vergangenen knapp anderthalb Jahre haben gezeigt, dass ein Online-Austausch nicht mit dem analogen Zusammentreffen vor Ort vergleichbar ist und von Grund auf anders gestaltet und begleitet werden muss. Doch der Umzug in die digitale Welt bietet auch Vorteile.

Mehr Referierende im digitalen Setting

Da bei einem digitalen Redaktionsprojekt der zeitliche Aufwand für die An- und Abreise entfällt, haben wir innerhalb unserer Zielgruppe der 16- bis 27-Jährigen in diesem Jahr auch mit Teilnehmenden zusammenarbeiten können, denen etwa aufgrund einer Ausbildung oder eines Nebenjobs nur wenig Zeit zur Verfügung stand oder die sich im Auslandssemester befanden. Gleichzeitig konnte auch die Zahl der Referierenden erhöht werden. Dadurch wurde das Programm insgesamt facettenreicher.

Für die Online-Berichterstattung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg haben wir zum Beispiel Gesprächspartnerinnen und -partner aus allen im Landtag vertretenen Parteien einladen können. Die über Videokonferenzen zugeschalteten Gäste beantworteten dort die Interviewfragen unserer Teilnehmenden, die alle selbst im "Ländle" wohnen. Ergänzt wurden die Recherchen durch weitere Telefoninterviews oder eine analoge Recherche, etwa indem die Teilnehmenden die Wahllokale in ihrem Heimatort besuchten. Das Onlineprogramm gestalteten wir flexibel, damit der Schreibtisch für die Recherche – soweit möglich – immer wieder verlassen werden konnte.

Bei allen digitalen Redaktionsprojekten verlängerten wir die Schreibphase. In der Regel werden die Artikel bereits am letzten Tag des Journalismus-Workshops für das Redigat eingereicht und anschließend veröffentlicht. Im digitalen Setting haben die Teilnehmenden dagegen bis zu einer Woche nach der Veranstaltung Zeit, um weitere Interviews zu führen und ihre Artikel zu schreiben. Unsere abschließende Redaktionssitzung mit Feedbackrunde fand am darauffolgenden Wochenende statt. Diese Entzerrung hat sich als sinnvoll erwiesen, da die lange Zeit am Bildschirm an den Kräften zehrte und die Teilnehmenden sich wünschten, nochmal mit frischer Energie an ihren Artikeln zu arbeiten.

Die Teilnehmenden der JugendPolitikTage 2021 verfolgten die Veranstaltung vor allem digital. (© Christopher Folz)

Zusammenhalt bei einer Hybridveranstaltung

Pandemiebedingt gab es bei der redaktionellen Begleitung des Jugendpresse-Projekts "Externer Link: JugendPolitikTage" im Mai 2021 nur eine begrenzte Zahl an Redaktionsplätzen vor Ort. Normalerweise treffen sich während der Veranstaltung an vier Tagen bis zu 500 Teilnehmende aus ganz Deutschland. Die Redaktionsteilnehmenden arbeiten dann alle gemeinsam in einem Redaktionsraum auf dem Veranstaltungsgelände. Nun konnten lediglich das Foto-, Video- und ein Teil des Social-Media-Teams sowie zwei Personen für den Liveticker nach Berlin fahren, um dort über die Hybridveranstaltung zu berichten. Innerhalb des Projektteams wurde ausgelost, wer den letzten Platz vor Ort besetzt. Zwar hätten die meisten gerne einen Platz ergattert, doch es gab Verständnis dafür, dass aufgrund der Infektionslage zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Redakteurinnen und Redakteure nach Berlin eingeladen wurden.

Eine Redaktion mit über 40 Teilnehmenden zu führen, die zum Großteil im Home-Office sitzt, erforderte größte Flexibilität und ein hohes Maß an Absprachen. Dafür nutzten wir verschiedene Videokonferenz- und Messengertools. Unsere Laptops waren nur in der Nacht zugeklappt und der Akku unserer Smartphones musste nachmittags schon wieder aufgeladen werden.

Letztlich hat sich die Berichterstattung zu den JugendPolitikTagen aus der analogen und digitalen Welt zusammengefügt. Genaue Absprachen innerhalb und zwischen den Teams zu treffen, war dabei unsere größte Herausforderung. Die wenigen Redakteurinnen und Redakteure vor Ort erhielten ganz andere Eindrücke von der Veranstaltung als die Teilnehmenden im Home-Office. Wenn es hektisch wurde, sind manche Informationen in der Onlinekommunikation untergegangen und Zeit, um sich persönlich kennenzulernen, blieb wenig. Für künftige Großprojekte soll deshalb eine Stelle für eine Teamerin oder einen Teamer geschaffen werden. Dadurch erhoffen wir uns, eine Person für das Redaktionsprojekt zu gewinnen, die sich ausschließlich um das Wohlbefinden des Teams kümmert und uns bei der Organisation unterstützt.

Der persönliche Austausch fehlt

Das Wohlbefinden der Teilnehmenden abzuschätzen, ist in einem Video-Call schwieriger, und Diskussionen oder persönliche Gespräche anzustoßen gelingt nicht immer – doch wir sind kreativ geworden. Wir haben unterschiedliche Spiele eingesetzt, damit sich die Teilnehmenden auch in der digitalen Welt kennenlernen können. Wir haben "Energizer" genutzt, um regelmäßige Pausen und Auflockerung zu schaffen. Es gibt noch Verbesserungspotenzial, doch in der Feedbackrunde waren sich alle einig, dass es wichtig und bereichernd war, das Projekt trotz Pandemie durchgeführt zu haben.

Ein Bingo-Abend vor dem Bildschirm ist trotzdem nicht das gleiche wie gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und ein Kennenlernen vor der Kamera nicht so angenehm wie ein Smalltalk am Frühstückstisch. Deshalb freuen wir uns, wenn unsere Workshops wieder vor Ort stattfinden können und die jungen Redakteurinnen und Redakteure das Geschehen live verfolgen dürfen.

Über das Projekt

politikorange ist das Lehr- und Lernmedium der Jugendpresse Deutschland e.V. Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren können sich in gegenseitiger Anleitung und im Austausch zu journalistischen Formaten rund um politische Themen ausprobieren.

Die politikorange-Redaktionsprojekte zur Externer Link: Bundestagswahl und Externer Link: Berlinwahl im September 2021 sind unter Vorbehalt vor Ort geplant. Anmeldungen sind noch möglich. Weitere Angebote von politikorange sind zu finden unter: Externer Link: https://politikorange.de/events/

Weitere Inhalte

Kimberly Nicolaus ist Projektmitarbeiterin bei politikorange, ein Projekt der Jugendpresse Deutschland e.V.. Sie hat Crossmedia-Redaktion an der Hochschule der Medien in Stuttgart studiert und macht jetzt ein internationales Masterprogramm in Journalism, Media and Globalisation in Aarhus, Dänemark.