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Im Praxistest: Das Planspiel "Zusammen - Spiel dich fit für Vielfalt!" | bpb.de

Im Praxistest: Das Planspiel "Zusammen - Spiel dich fit für Vielfalt!" Planspiele – Was ist das und was macht man damit im Unterricht?

Dr. Wolfgang Schmitz

/ 5 Minuten zu lesen

Da viele Unterrichtende in ihrem pädagogischen Alltag vermutlich eher weniger mit Planspielen in Berührung kommen, sei vorweg eine kurze Anmerkung zu dieser Methodik erlaubt. Hinter dem meist unscharf definierten Begriff Planspiel verbirgt sich in aller Regel der Versuch, den Teilnehmenden unter Einbeziehung spielerischer Elemente Strategien planvollen Handelns zu vermitteln. In einer Art Simulationsspiel werden politisch- gesellschaftliche Prozesse und Kontexte aktiv gestaltet, wobei die Übernahme von Rollen, die Interaktion in Gruppen sowie das problemorientierte Lösen vorgegebener Aufgaben wesentliche Aspekte darstellen.

Das Material und sein Einsatz im Unterricht

Das vorliegende Planspiel (Preis: 20,-€) besteht aus vier gemeinsam oder einzeln einsetzbaren Teilspielen, die den Themenbereichen Freizeit, Demokratie, Arbeit sowie Flucht und Migration gewidmet sind. Ursprünglich konzipiert für Berufsschulen, sind die Spiele für alle Lerngruppen ab 16 Jahren geeignet, nicht zuletzt deshalb, weil sie einen engen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Lernenden aufweisen. Im Gegensatz zu vielen anderen Planspielen sind Zeitrahmen, Materialaufwand und Vorbereitungsbedarf überschaubar. Das Kurzformat von ca. 90 Minuten und die maximale Mitspieler/-innenzahl von 30 ermöglichen den Einsatz in einzelnen Unterrichtseinheiten.

Im Mittelpunkt der didaktischen Überlegungen steht neben der methodisch abwechslungsreichen Wissensvermittlung der Erwerb von Kompetenzen im Umgang mit Verschiedenheit. Es geht um die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Die Teilnehmenden sollen ihre soziale Umwelt reflektierter wahrnehmen, indem sie fremde Rollen übernehmen und im Team gemeinsam nach Lösungswegen für komplexe gesellschaftliche Situationen suchen. Ziel ist es, in den häufig von Diversität geprägten Schulen einer Kultur des gegenseitigen Respekts und der Toleranz den Weg zu bereiten. Bei alldem ist es den Verfasserinnen eingedenk der Schiller‘schen Sentenz, der Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spiele, wichtig, den Spaß und spielerischen Charakter des Ganzen zu betonen.

Die vier Teilspiele

Die Vorstellung der Teilspiele wird sich nicht zuletzt aus aktuellem Anlass auf das Thema Flucht und Migration konzentrieren. Vorweg erfolgt eine Kurzpräsentation der drei anderen Spiele.

Arbeit

Dieses Rollenspiel konfrontiert die Beteiligten mit herausfordernden Situationen im gesellschaftlichen und beruflichen Alltag. Exemplarische Szenen aus der Arbeitswelt werden nach dem Modell des Improvisationstheaters spielerisch dargestellt, weiterentwickelt und reflektiert. So erhält beispielsweise in der Szene Vorstellungsrunde ein Mitspieler männlichen Geschlechts die Aufgabe, beim Bewerbungsgespräch sein Zusammenleben mit einem Mann in der Gruppe zu thematisieren. Es geht hier wie in den anderen Szenen um die Wahrnehmung eigener Interessen sowie die Planung der beruflichen Zukunft vor dem Hintergrund der Funktionsweise der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland.

Demokratie

Methodisch bedient sich das Demokratie-Spiel einiger Elemente des Stationenlernens, was die in vielen Lerngruppen erforderliche Binnendifferenzierung ermöglicht. Vermittelt wird der Ablauf politischer Prozesse in Deutschland unter Einbeziehung der jeweiligen Akteure und Rahmenbedingungen. Die in Gruppen kooperierenden Schülerinnen und Schüler erarbeiten Konzepte zur demokratisch ablaufenden Durchsetzung bestimmter Vorhaben. So geht es beispielsweise um den Bau von Fahrradschnelltrassen, zu dessen Durchsetzung die Jugendlichen zahlreiche vorbereitende und planerische Schritte zu bewältigen haben.

Freizeit

Schwerpunkt in diesem auf den privaten Bereich abzielenden Spiel ist die Entwicklung von Eigenverantwortung in sozialen Beziehungen. Am Beispiel einer Party von Jugendlichen wird der Umgang mit Heterogenität in Gruppen thematisiert. Die Beteiligten sollen sich mit problematischen Situationen auseinandersetzen, die entstehen können, wenn sich zwischen sehr unterschiedlichen, einander unbekannten Gästen Konflikte entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist das Auftauchen eines Gastes mit mehreren nicht eingeladenen Freunden, die sich zunehmend störend verhalten. Das gemeinsame Abwägen und Erarbeiten von Strategien zur Lösung dieses Konflikts bildet den Kern der Anforderungen an die jeweilige Gruppe.

Flucht und Migration

Bei dieser höchst aktuellen und gesellschaftlich brisanten Thematik versetzen sich die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Menschen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen zur Flucht bzw. Migration entschließen (müssen). Ihre Aufgabe besteht in der Planung der Vorgehensweise beim Verlassen eines Landes bzw. einer Region. Dabei reflektieren sie die komplexe Problematik von Fluchtursachen sowie Migrationsbewegungen und entwickeln letztlich Empathie für die Betroffenen und deren individuelle Lebenssituationen.

Methodisch lehnt sich das Spiel zum einen an das Challenge Based Learning an, das unter Vorgabe eines bestimmten Ziels unterschiedliche Lösungswege zulässt. Zum anderen enthält es Elemente des Real Life Role Plays, indem die Beteiligten eine eigene Figur kreieren, den sogenannten Avatar, der sich auf den Weg in ein neues Land oder eine neue Region begibt. Gearbeitet wird in Zweiergruppen, die nach einer kurzen Einführung in Spiel und Thematik "ihren" Avatar erstellen. Hierbei nutzen sie zwei Arbeitsblätter, die der übersichtlichen Spielanleitung als Kopiervorlage beigefügt sind. Als zusätzliches Material, das den spielerischen Charakter betont, dienen bei der Erschaffung des Avatars drei Kartensets mit unterschiedlichen Angaben zu Alter, Beruf und Flucht-/Migrationsmotiv der Figur. Der nächste Schritt besteht in der Planung des Weges, den der Avatar wählen kann. Auch hierzu liegt ein Arbeitsblatt vor.

Ergänzend sieht die Spielanleitung den Einsatz von Atlanten oder Smartphones vor, mit deren Hilfe nähere Informationen zu den Stationen der Route recherchiert werden sollen. Die im Verlaufe der Arbeit erzielten Ergebnisse sind laut Planungsvorgabe von den Partnerteams auf Postern anschaulich festzuhalten und in der Lerngruppe zu präsentieren. Den Abschluss des Lernspiels bildet der Transfer, bei dem die Erfahrungen der verschiedenen Avatare mit der Realität und aktuellen Situation von Flüchtenden und Migranten in Beziehung gesetzt werden.

Persönliche Einschätzung

Der Verfasser dieser Rezension schätzt das Lernspiel "Zusammen – Spiel dich fit für Vielfalt!" definitiv als Bereicherung für alle Schulformen ein. Seine Sichtweise wird bestätigt durch die Tatsache, dass es in einigen Bundesländern bereits in die Lehrerfortbildung einbezogen wurde. Es ist fachübergreifend in Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Geographie, Politik und Deutsch einsetzbar. Zudem ist es didaktisch gut aufbereitet, wenngleich die Zeitplanung für den Unterricht vor allem beim zuletzt vorgestellten Teilspiel sehr ambitioniert erscheint und der Wirklichkeit in manchen Klassenräumen nicht unbedingt gerecht werden dürfte.

Materialien und Hinweise

Die Verfasserinnen der Heinrich-Böll-Stiftung stellen zu allen vier Teilspielen zusätzliche Materialien in Form von im Netz zugänglichen PDF-Dateien zur Verfügung. Angeboten werden außerdem Schulungen für Interessierte (Mailanfrage unter: E-Mail Link: zusammen@boell.de) sowie die Möglichkeit zur Evaluation unter: Externer Link: https://survey.boell.de/index.php/894587

Zugriff:

Interner Link: http://www.bpb.de/lernen/formate/planspiele/65586/planspiele-detailseite?planspiel_id=488

Fussnoten

Dr. Wolfgang Schmitz, Jahrgang 1952, ist Studiendirektor mit den Fächern Deutsch, Englisch und ev. Religionslehre an einem Berliner Gymnasium und Lehrbeauftragter für Fachdidaktik Deutsch an der Humboldt-Universität.