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Im Praxistest: Themen und Materialien: Sexualitäten, Geschlechter und Identitäten. 8 Bausteine für die schulische und außerschulische Bildung | bpb.de

Im Praxistest: Themen und Materialien: Sexualitäten, Geschlechter und Identitäten. 8 Bausteine für die schulische und außerschulische Bildung

Heiko Bohlen

/ 5 Minuten zu lesen

Die Reihe "Themen und Materialien" der bpb bietet jeweils Unterrichtsmaterialien zu einem bestimmten Thema. Dieser Band beschäftigt sich mit sexueller bzw. geschlechtlicher Vielfalt und der rechtlichen und sozialen Anerkennung dieser Diversität. Das erfolgt in acht Bausteinen, die alle einen anderen Teilaspekt behandeln und unabhängig voneinander im Unterricht eingesetzt werden können. Davon beschäftigt sich am direktesten mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit der dritte Baustein "Kleiderordnungen im Beruf, "Mädchenfarben" und "Jungs-Spielzeuge" im Kinderzimmer", auf den daher im Folgenden näher eingegangen wird. Die Lernenden setzen sich hier mit Dresscodes für Frauen und Männer in verschiedenen Branchen auseinander, untersuchen Einordnungen von Spielzeug für Mädchen und Jungen und erfassen Möglichkeiten politischer Akteure und Akteurinnen, darauf Einfluss zu nehmen. Anhand von Bildern und anderen Primärmaterialien begründen und diskutieren sie außerdem Auswirkungen auf individuelle Lebenskonzepte und das gesellschaftliche Zusammenleben.

Fachdidaktische Vorüberlegungen

Die Auseinandersetzung mit Themen wie Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit oder Feminismus wird für die Schule immer bedeutsamer. Das zeigt nicht nur die Fülle an Materialien oder externen Bildungspartnern hierzu, sondern findet auch immer größeren Anklang in den Rahmenlehrplänen der Länder. Das liegt nicht zuletzt auch an der in den letzten Jahren gestiegenen Aufmerksamkeit für vergleichbare Themen, wie der Diskussion zur sogenannten "Homo-Ehe" oder der #metoo-Bewegung. Das Unterrichtsthema ist also definitiv relevant für Schule und Gesellschaft sowie aktuell und schülernah. Zusätzlich ist auch davon auszugehen, dass es kontrovers ist, da beispielsweise der (politische) Umgang mit Gleichberechtigung auch in der Gesellschaft sehr offen diskutiert wird. Darüber hinaus will der Band einerseits einen Beitrag zu politischen Urteilsbildung leisten und andererseits Diskriminierungen in unserer Gesellschaft entgegenwirken.

Aufbau und Vorstellung des Materials

Grundsätzlich gibt es im PDF-Format das Material für die Lernenden sowie Informationen für Lehrende. Es kann jeweils gedruckt bestellt werden bzw. über eine CD abgerufen werden. Die Informationen für Lehrende enthalten eine Vorstellung des Konzeptes der Reihe, eine ausführliche inhaltliche und methodische Einleitung, eine kommentierte Gliederung und eine Auflistung der Autoren und der zu Grunde liegenden Literatur. Anders als bei früheren Unterrichtsmaterialien enthält der "Begleitband" somit keine genauen Umsetzungshinweise zu den Aufgaben oder Erläuterungen der Aufgabenstellungen usw. Im Material für die Lernenden ist der dritte Baustein auf den Seiten 21 bis 28 zu finden und selbst wiederum zweigeteilt: Zum Einen gibt es zwei Quellen zum Thema "Dresscodes", zu denen insgesamt elf Aufgaben gestellt werden, zum anderen eine Quelle zum Thema "Spielzeug", die mit einem Konzept einer Unterrichtseinheit ergänzt wird.

Das Material eignet sich für die Sekundarstufe eins und zwei und ist zeitlich eher für den Einsatz von mehreren zusammenhängenden Unterrichtsstunden konzipiert – eine Bearbeitung nur von Teilen der Aufgaben ist aber sicherlich ebenfalls gut möglich.

Anregungen für den Einsatz im Unterricht

Beim Thema Dresscodes sind zwei Beispiele angeführt, die sehr funktional sind. Möglicherweise könnte hier nach aktuelleren Beispielen recherchiert werden. Anstelle des Beispiels der Schuluniform wäre es etwa möglich über Fälle zusprechen, wo z.B. in Deutschland Lernende wegen unpassender Kleidung von der Schule ausgeschlossen wurden – möglicherweise Vorfälle aus der eigenen Schule oder Stadt? Die folgenden Aufgaben eins bis elf zu den Kleidungsvorschriften bieten eine Fülle an verschiedenen Methoden und inhaltlichen Zugängen an. Die ersten Aufgaben zielen sinnvollerweise darauf ab, das Vorwissen und die Voreinstellung zu Kleidervorschriften der Lernenden offenzulegen und schließlich weitere Beispiele zu finden. Anstatt das die Lernenden hierfür beauftragt werden, mit "Klemmbrettern" oder "Aufnahmegeräten" eigenständig Unternehmen zu befragen, wäre hier eine Recherche bei den eigenen Eltern der Lernenden oder über Internetrecherche weniger zeitaufwendig und voraussetzungsreich. Möglich wäre es ebenfalls statt einer Sammlung von (spontanen) Argumenten zu Beginn ein Spontanurteil abzufragen. Hierfür wäre jedoch eine Leitfrage notwendig. Diese könnte beispielsweise lauten: "Geschlechtsspezifische Kleidungsvorschriften – legitime Maßnahme oder endlich verbieten?". Somit hätte man auch eine kontroverse Frage, zu der sich die Lernenden im Laufe der Einheit positionieren können.

Die anschließende Makromethode eignet sich besonders, da sie konkret die Umsetzung der Gerichtsentscheidung im Unternehmen fordert. Somit müssen die Lernenden rollengebunden kreativ und praktisch über das Problem nachdenken. Didaktisch könnte sich anbieten, dass die nicht an der Diskussion beteiligten Lernenden die Sicherung übernehmen und beispielsweise einen Zeitungsartikel über die Diskussion verfassen müssen, sodass alle Lernenden aktiviert sind. Die weiteren Aufgaben bieten interessante Denkanstöße und motivieren zur Diskussion. Kritisch anmerken kann man jedoch, dass im Sinne des Beutelsbacher Konsens die letzte Aufgabe problematisch sein könnte: Wenn die Lernende einen Werbespot zur Abschaffung des Anzugs als Kleidungsstück für Politiker bzw. für geschlechtsneutrale Dresscodes erstellen sollen, aber manche eigentlich geschlechtsspezifische Kleidungsvorschriften als legitim und richtig ansehen, könnte das irritieren. Aber man könnte sie stattdessen anregen, die eigenen(!) Erkenntnisse aus der Einheit in einem Video oder anderem Lernprodukt festzuhalten und gegebenenfalls zu bewerben.

Der zweite Teil behandelt geschlechtsspezifisch designtes "Spielzeug". Als Ergänzung zu Material könnte man die Lernenden ihre eigenen (früheren) Spielmaterialien untersuchen lassen im Hinblick auf die Verwendung geschlechtlicher Klischeevorstellungen. Die detailliert geplante Gruppenarbeit scheint sehr geeignet, um die verschiedenen Perspektiven auf die Thematik herauszuarbeiten und zu verstehen. Es werden Vorschläge aufgeführt zu den einzelnen Rollen für die Gruppen und es gibt jeweils Infotexte, die die jeweiligen Gruppen lesen müssen. Die Unterscheidung in Journalisten oder Journalistinnen, die über die Debatte berichten, und die einzelnen Gruppen, die interviewt werden und das Vor- und Nachbereiten, eignet sich sehr zur Binnendifferenzierung. Die abschließende Diskussion knüpft an eine tatsächliche online geführte Diskussion an. Falls technisch möglich, könnte man die Lernenden neben dem Unterricht als Hausaufgabe direkt online mitdiskutieren lassen und so die Handlungskompetenz und den Lebensweltbezug fördern.

Fazit

Das Material ist insgesamt gut geeignet für eine Beschäftigung mit diesem Themenkomplex. Es verspricht nicht nur aufgrund des Inhalts spannende Diskussionen mit den Lernenden und methodisch-abwechslungsreichen Unterricht. Es gibt dabei viele Wahlmöglichkeiten bezüglich der genauen Ausgestaltung, die auch im Material selbst explizit genannt werden. Insofern ist es mindestens eine sehr gute Quelle für Ideen zu Aufgaben und Materialien – oder eine relativ konkrete und sinnvoll konzipierte Planung mehrerer Unterrichtsstunden.

Zugriff

https://www.bpb.de/shop/lernen/themen-und-materialien/275375/sexualitaeten-geschlechter-und-identitaeten, letzter Zugriff am 13.09.20 (unter diesem Link: Informationen für Lehrende sowie weitere Bestellmöglichkeiten)

Fussnoten

Heiko Bohlen, Mathe und Politik, Sophie-Scholl-Oberschule Berlin