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Politische Bildung in der Grundschule und inklusiven Schulen | Fachtagung der bpb und der Kultusministerkonferenz (KMK) | bpb.de

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Politische Bildung in der Grundschule und inklusiven Schulen Politik beginnt früh und im Alltag: Konsequenzen aus Forschungsergebnissen

Hans-Peter Burth

/ 4 Minuten zu lesen

Wie können Grundschulen und inklusive Schulen ausgehend von den alltagstheoretischen Vorstellungen von Politik der SchülerInnen dazu beitragen, ihre SchülerInnen zu interessierten und mündigen BürgerInnen zu erziehen und ihnen früh das Basiswissen zur Verarbeitung von politischen Informationen an die Hand geben?

Lange Jahre war man der Überzeugung, dass die Kindheit ein politikfreier Raum sei und dass ein auf politische Themen ausgerichteter Grundschulunterricht die Schülerinnen und Schüler überfordern würde. Mit der Herausbildung der politischen Sachunterrichtsdidaktik als eigenständiger wissenschaftlicher Disziplin in den letzten 20 Jahren hat sich dieses Bild verändert.

Durch eine ganze Reihe empirischer Untersuchungen wurde deutlich, dass Grundschulkinder bereits über alltagstheoretische, d.h. mehr oder weniger naive Vorstellungen über Politik verfügen. Diese sogenannten „impliziten politischen Theorien“ der Grundschulkinder wurden unter dem Begriff „politische Präkonzepte“ zu einem festen Orientierungs- und Anknüpfungspunkt der politischen Sachunterrichtsdidaktik. Man ging nun davon aus, dass Grundschulkinder durch die familiäre Sozialisation, durch den Kontakt in Peer Groups und durch den Konsum von Medien ein kindgemäßes Politikbewusstsein erwerben, das erste Vorstellungen und naive Konzepte z.B. über die Kommunalpolitik (Bürgermeister, Polizei), Wahlen oder die Bundeskanzlerin umfasst. Die genannten Präkonzepte werden somit zum Ausgangspunkt des politischen Sachunterrichts in der Grundschule, der zugleich die ersten Stufe politischen Lernens und politischer Bildung im Leben der Schülerinnen und Schüler darstellt.

Mit Blick auf das Verhältnis von Grundschulen und inklusiven Schulen ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Grundschulen von jeher ihrem Wesen nach Gesamtschulen sind, die SchülerInnen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Leistungsniveaus aufnehmen. Vor diesem Hintergrund sind Grundschulen besonders gut geeignet, sich für einen inklusiven Unterricht zu öffnen; so dass die Beziehung von Grundschulen und explizit inklusiven Schulen generell als sehr eng betrachtet werden kann.

Die erwähnte schulisch vermittelte politische Bildung von Kindern an Grundschulen und inklusiven Schulen weist hierbei zwei Dimensionen auf - sie ist sowohl für die gesellschaftliche Mikroebene als auch für die Makroebene relevant:

  • Gerade weil Kinder bereits im Grundschulalter unter dem Einfluss der Massenmedien stehen und die durch diese vermittelten politischen und gesellschaftlichen Sachverhalte größtenteils ungefiltert wahrnehmen, muss es die Schule (so besteht inzwischen Einigkeit) als ihre Aufgabe ansehen, die Schüler/-innen bei der Verarbeitung von politischen Informationen zu unterstützen und durch das Wecken von Interesse an Politik sowie die Vermittlung von Basiswissen ihren Teil zur frühen Politischen Bildung beizutragen. Aus der individuellen Mikroperspektive der Kinder müssen Grund- und Inklusionsschulen Politisches Lernen ermöglichen, um den (manchmal durchaus problematischen) Einfluss anderer politischer Sozialisationsinstanzen zu korrigieren und um die Vorstellungen, die das individuelle Politikbewusstsein der Kinder konstituieren, zu strukturieren und weiterzuentwickeln (sog. Conceptual Change).

  • Aus der gesellschaftlichen Makroperspektive hingegen ist es für die Qualität, die Stabilisierung und den Fortbestand der Demokratie von großer Bedeutung, eine öffentlich organisierte und geförderte demokratische politische Bildung möglichst frühzeitig zu etablieren und so den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich zu politisch interessierten, urteils- und handlungsfähigen sowie partizipationsbereiten Bürgern im demokratischen Gemeinwesen zu entwickeln. Denn solche Bürger bilden das Fundament einer lebendigen, stabilen und widerstandsfähigen Demokratie.Dabei bedeutet Politisches Lernen in Grundschulen und inklusiven Schulen auch immer zugleich Demokratielernen, da die Demokratie in unserem politischen System den normativen Rahmen und die institutionelle Ordnung bildet, in dem Politik stattfindet.

Vor diesem Hintergrund werden in der Arbeitsgruppe ausgewählte Experten die Chancen, Möglichkeiten und Probleme von Demokratie- und Politiklernen in der Grundschule und in inklusiven Schulen diskutieren. Hierbei sind u.a. folgende Fragen von Interesse:

  • Welche Instanzen politischer Sozialisation gibt es und welche Inhalte politischen Lernens werden hier vermittelt?

  • Von welchem Bild der politischen Präkonzepte der SchülerInnen gehen die LehrerInnen und Lehrer aus?

  • Wie kann der Unterricht didaktisch und methodisch an die politischen Präkonzepte der SchülerInnen anknüpfen?

  • Welches Verständnis von Politik und Demokratie wird im Unterricht vermittelt?

  • Welche Kompetenzen sollen Grund- und Inklusionsschüler im Rahmen von politischem Lernen und Demokratielernen erwerben?

  • Wie können Formen des demokratischen Unterrichts umgesetzt werden?

  • In welcher Beziehung stehen in diesem Zusammenhang die Dimensionen „Demokratie in der Schule“ und „Schule in der Demokratie?“

  • Wie kann im Unterricht eine möglichst nachhaltige und wirksame frühe Politische Bildung vermittelt werden, die das Interesse an Demokratie- und Politiklernen in der Persönlichkeit der SchülerInnen langfristig verankert?

  • Über welche Konzepte von Demokratielernen und Politischer Bildung verfügen die LehrerInnen in Grund- und Inklusionsschulen und wie setzen sie diese in der Arbeit mit den SchülerInnen um?

  • Welche spezifischen Herausforderungen für SchülerInnen und LehrerInnen impliziert Politisches Lernen und Politische Bildung in inklusiven Schulen?

  • Wie sehen Konzepte und Methoden des Demokratie- und Politiklernens in der Didaktik inklusiver Politischer Bildung aus?

Weiterführende Materialien

Hans-Peter Burth: Inputvortag KMK 2018: Interner Link: PDF zum Download

Werner Schlummer: Spezifische Aspekte im Kontext Behinderung / Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung: Interner Link: PDF zum Download

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Fussnoten

Prof. Dr. Hans-Peter Burth schloss 1992 sein Studium der Politikwissenschaft und Germanistik an der Universität Stuttgart ab. Von 1995-2000 war er als Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart tätig, wo er 1999 in Politikwissenschaft promovierte. Es folgte eine Vertretungsprofessur für Politische Theorie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, eine Tätigkeit in der Unternehmensberatung und 2009 die Habilitation in Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart. Anschließend arbeitete er als Hochschuldozent in der Abteilung Politikwissenschaft und Politikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. 2011 habilitierte er in Praktischer Philosophie an der Universität Stuttgart. Seit 2013 ist er Außerplanmäßiger Professor in der Abteilung Politikwissenschaft und Politikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.