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Wahlrechtsgrundsätze

Daniel Hellmann

/ 5 Minuten zu lesen

(© bpb)

Wahlen, so wie sie heutzutage in Deutschland praktiziert werden, kommen uns selbstverständlich vor. Natürlich darf jeder Staatsbürger und jede Staatsbürgerin ab dem vollendeten 18. Lebensjahr an Bundestagswahlen teilnehmen. Freilich wählen wir unsere Abgeordneten direkt und ohne Umwege über andere Personen. Zweifelsohne ist die Entscheidung, wem wir unsere Stimme geben, frei. Es kommt uns normal vor, dass jede Stimme gleich zählt. Und natürlich kann niemand außer einem selbst wissen, wie man abgestimmt hat, weil die Wahlen geheim sind. Allerdings sind all diese Grundsätze von Wahlen nicht selbstverständlich. Sie mussten im Laufe der Zeit erdacht und erkämpft werden. Doch was wäre, wenn Wahlen nicht allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim wären?

Wenn nur einige wählen dürfen …

Allgemein: Wer darf an einer Wahl teilnehmen? Bei Bundestagswahlen sind es deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass nicht-Staatsangehörige und unter 18-Jährige von der Wahl ausgeschlossen sind. Dennoch gelten Wahlen in Deutschland als allgemein, da niemand aufgrund von Geschlecht, Konfession, Beruf oder politischer Überzeugung vom Wahlrecht ausgenommen ist. Das war nicht immer so. An Wahlen durften ursprünglich nur wohlhabende und männliche Bürger teilnehmen. Zum Teil wurden noch einzelne Berufsgruppen ausgeschlossen, zum Beispiel Angehörige der Armee. Erst mit der Zeit setzte sich durch, dass auch Frauen, ärmere Bevölkerungsgruppen und − seit 2019 – alle Menschen mit Behinderung wählen dürfen. Auch das Wahlalter wurde mit der Zeit vom 25. Lebensjahr bei Wahlen im Deutschen Kaiserreich auf das 18. Lebensjahr bei Bundestagswahlen gesenkt. Im Kern ist mit der Wahlberechtigung die Frage verknüpft, wer über die Zukunft des Gemeinwesens mitbestimmen kann. Ob es beispielsweise sinnvoll ist, Kindern ab Geburt schon ein Wahlrecht zuzusprechen, das sie selbst ausüben können, sobald sie das wünschen, wird öfter diskutiert.

Wenn man nur den Mittelsmann oder die Mittelsfrau wählt …

Unmittelbar: Wenn eine Person ohne einen Mittelsmann oder eine Mittelsfrau gewählt wird, wählt man ihn oder sie unmittelbar beziehungsweise direkt. Das heißt im Gegenzug, eine Wahl ist mittelbar oder indirekt, wenn eine Person gewählt wird, die stellvertretend für andere Personen abstimmt. Wenn zum Beispiel der Präsident der USA gewählt wird, dann wählen die US-Bürgerinnen und Bürger ihn indirekt. Sie wählen je Staat ihre Mitglieder im "Electoral College", das wiederum den Präsidenten wählt. Theoretisch können die Wahlmänner und Wahlfrauen daher anders abstimmen als die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler.

In den USA ist Donald Trump 2016 beispielsweise zum Präsidenten gewählt geworden, obwohl er weniger Stimmen als Hillary Clinton erhielt, denn er konnte mehr Stimmen von den Wahlfrauen und Wahlmännern auf sich vereinigen. Das liegt vor allem am "winner takes it all"-Prinzip, nach dem die meisten Bundesstaaten die Wahlfrauen und Wahlmänner auswählen. Demnach fallen alle Stimmen der Wahlfrauen und -männer eines Bundesstaats an die Gewinnerin beziehungsweise den Gewinner. So spiegelt das Electoral College nicht unbedingt die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung wider. Unabhängig davon gilt: Finden Wahlen nicht unmittelbar statt, kann der Wählerwille ins Gegenteil verkehrt werden.

(© bpb)

Wenn die Wahl nicht frei ist …

Frei: Eine Wahl ist frei, wenn es jedem freisteht, ob man wählen geht und wen oder welche Partei man wählt. In manchen Demokratien, wie Belgien oder Australien, existiert eine Wahlpflicht. Das heißt, dass die Bürger und Bürgerinnen verpflichtet sind, an der Wahl teilzunehmen. Andernfalls drohen kleinere Geldstrafen. Der Sinn einer Wahlpflicht besteht darin, die Wahlbeteiligung zu steigern und jede Person dazu anzuregen, sich mit Politik auseinanderzusetzen. In Deutschland ist die Entscheidung, ob man zur Wahl geht, allerdings ebenso frei, wie die Wahlentscheidung selbst.

Im Nationalsozialismus und in der DDR waren Wahlen nicht frei. Wählerinnen und Wähler, die gegen die herrschende Partei stimmen wollten, mussten Konsequenzen fürchten. Diese reichten je nach politischem System von körperlicher Gewalt bis hin zu subtileren Strafen, wie der Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen oder bestimmten Gütern. So war eine freie und unbeeinflusste Wahlentscheidung kaum möglich. Das läuft dem Sinn einer Wahl, nämlich herauszufinden, was die meisten Bürgerinnen und Bürger wollen und denken, zuwider.

Wenn nicht jede Stimme gleicht zählt …

Gleich: Jede Stimme hat denselben Wert und alle Wahlberechtigten haben dieselbe Anzahl an Stimmen. Wenn das zutrifft, dann sind Wahlen gleich. Auch diese Idee erschien in der Vergangenheit abwegig. So gab es mehrere ungleiche Wahlsysteme, bei denen die Stimmen der Reicheren oder Gebildeteren mehr zählten, als die der Ärmeren und Ungebildeteren (wie zum Beispiel beim Preußischen Dreiklassen-Wahlsystem). Solche Wahlen waren hochgradig ungerecht, da aufgrund der ungleichen Stimmenverteilung eine Minderheit über die Mehrheit entscheiden konnte.

Auch wenn heutzutage alle Wählerinnen und Wähler dieselbe Anzahl an Stimmen bei Wahlen in Deutschland haben, gibt es kleinere Ungleichheiten beim Stimmgewicht. Diese kommen zwangsläufig durch Rundungsungenauigkeiten zustande, da es keine halben, viertel oder anderweitig geteilten Abgeordnetenmandate geben kann.

(© bpb)

Wenn offen abgestimmt wird …

Geheim: Es gehört auch zu den demokratischen Grundregeln, dass geheim gewählt wird. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein fanden Wahlen noch häufig öffentlich statt. Anstatt allein in die Wahlkabine zu gehen und dort zu wählen, wurde der eigene Name öffentlich verlesen, man trat vor und gab vor allen anderen Wahlberechtigten seine Wahlentscheidung bekannt. So wurde auch sozialer Druck erzeugt. Wer anders abstimmen wollte als alle Anwesenden, musste sich das vorher gut überlegen. Außerdem öffnet die nicht-geheime Stimmabgabe Tür und Tor für den Versuch der Einflussnahme. So könnten Stimmen gekauft oder erpresst werden, wenn nicht gewährleistet ist, dass niemand außer einem selbst weiß, wie man gewählt hat.

Das Wahlgeheimnis bedeutet auch, dass man sein eigenes Wahlgeheimnis nicht verletzen darf. So sind zum Beispiel Bilder und Videos für Instagram, TikTok und Co. im Wahllokal verboten. Darüber hinaus gilt das Wahlgeheimnis auch in den eigenen vier Wänden, insofern sich eine Person für die Briefwahl entschieden hat. Diese Regeln sind wichtig, um Manipulation und Bestechung zu verhindern.

… dann wären Wahlen undemokratisch.

Wie wäre es nun also, wenn Wahlen nicht allgemein, indirekt, unfrei, ungleich und nicht geheim wären? Zunächst einmal dürften nur diejenigen wählen, die zu einer bestimmten Gruppe gehören. Sie würden lediglich für Personen stimmen, die wiederum die Abgeordneten wählen würden. Alle Wahlberechtigten wären gezwungen, zur Wahl zu gehen und könnten sich nicht aussuchen, welche Person oder Partei sie wählen. Zudem hätten einige Wenige mehr Stimmen, als alle anderen Wahlberechtigten. Um sicherzustellen, dass jeder so abstimmt, wie es von ihm oder ihr erwartet wird, würde die Stimmabgabe zudem öffentlich stattfinden. So ein Wahlsystem wäre zutiefst undemokratisch und würde seine zentrale Funktion, nämlich die Bündelung und Äußerung von Interessen des Volkes, ad absurdum führen. Aber auch jeder einzelne dieser Wahlrechtsgrundsätze ist für sich genommen wichtig, damit der Bundestag wirklich als Vertretung des Deutschen Volkes arbeiten kann.

Fussnoten

Weitere Inhalte

ist seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) und am Lehrstuhl für Regierungslehre und Policyforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er forscht zum Wahlrecht und zur Wahlorganisation sowie zur Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten zu Wahlen.